Wird Rassismus verharmlost?

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Felidae
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

Paul_Klee_1 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 12:46
Felidae hat geschrieben: 5. Okt 2022, 12:04
Paul_Klee_1 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 11:34 Das hast du prinzipiell Recht Dom, ein rassistisches Stereotyp bleibt ein rassistisches Stereotyp. Doch die Frage nach Zeitgeist und Dosierung bleibt ebenfalls bestehen.
Nein, bleibt sie nicht. Rassismus ist Rassismus ist Rassismus. Dass er zu anderen Zeiten geduldet, als nicht so schlimm empfunden, manchmal sogar explizit gewollt war, ändert daran nichts. Wie Dom schrieb: Das kann bzw. muss man dann einfach so festhalten. Alles weitere sind dann Einordnungen - "das ist eine rassistische Darstellung, was damals aber gesellschaftlich akzeptiert wurde".

Das scheint eins der großen Missverständnisse dieser Zeit zu sein - dass etwas, nur weil es zu einer anderen Zeit üblich war, deshalb weniger kritikwürdig wäre. Nein, rassistische Darstellungen aus jeder Zeit sind als solche kritikwürdig. Weil mensch im Lauf der Jahrzehnte dazulernt und deshalb manches heute eben nicht mehr okay ist, was es vor 20 Jahren noch war.

Rassismus ist etwas, was man bekämpfen und nicht tolerieren sollte.

Ein Medienerzeugnis, welches rassistische Bestandteile hat, aber als ungefährlich wahrgenommen wird, mit einem kleinen Prinzipienettiket zu versehen, bringt was?

Frontschweine hat rassistische Bestandteile. Applaus. Was ändert sich? Sind wir jetzt klüger geworden? Ändert es etwas an diesem Game oder ändert es etwas im Hier und Jetzt?

Rassismus ist keine Schwarz-/Weiß-, keine Ja-/Nein-Sache. Auch dieses Phänomen existiert in Grauschattierungen. Von daher ist prinzipentreue Etikettzuordnung formal richtig, aber ich frage mich ob das in diesem Fall in irgendeiner Form hilfreich ist.
Ganz einfach: Es schafft Bewusstsein dafür. WIE nötig das ist, sieht man regelmäßig in Kommentarspalten, wenn irgendein:e Autor:in sich erlaubt, darauf hinzuweisen, dass kulturelle Kindheits- und Jugenderinnerungen rassistische, frauenfeindliche, kolonialistische Elemente enthalten. Da liest Du kaum, "Das ist ja klar - aber was bringt das heute?". Sondern es geht der Volkszorn los, wie man sich denn nur erlauben kann, an den Helden der Kindheit und Jugend zu rütteln. Grade hatten wir mit "Winnetou" erst das Paradebeispiel, bei dem Karl Mays aus jeder Seite triefender Rassismus schlicht geleugnet wurde. (Das war nur ein aktuelles Beispiel - ich will damit weiß Gott keine "Winnetou"-Diskussion lostreten.)

Teil der Kulturkritik ist im übrigen selbstverständlich, frühere Werke nach heutigen Maßstäben einzuordnen.
Rigolax
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

Rince81 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 12:51
Rigolax hat geschrieben: 5. Okt 2022, 12:47 Es gibt ja verschiedene Formen von Rassismus; es gibt nicht den Rassismus, es gibt Rassismen. Man vergleiche etwa sog. Alltagsrassismus im heutigen Deutschland mit dem Rassismus in den Südstaaten der USA während der Sklaverei oder noch unter den Jim Crow laws. Der Vergleich impliziert schon, dass das eine eine "härte" Form von Rassismus ist und das ist offenkundig ja auch zutreffend; um das so zu sehen, muss man kein Relativist sein.
Es liest sich aber so. Natürlich gibt es verschiedene Ausprägungen ändert aber nichts daran, dass beides rassistisch ist. Ist wie auch beim Antisemitismus, der beginnt nicht erst bei Gaskammern.
Wie soll man diesen Gedankengang aber sonst ausdrücken, damit es ggf. nicht negativ aufgefasst wird? Es ist ja doch so. Vielleicht hätte ich die Anführungszeichen bei "härtere" weglassen sollen allerdings, die find ich jetzt selbst etwas komisch.
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Paul_Klee_1
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Paul_Klee_1 »

Felidae hat geschrieben: 5. Okt 2022, 12:53
Ganz einfach: Es schafft Bewusstsein dafür. WIE nötig das ist, sieht man regelmäßig in Kommentarspalten, wenn irgendein:e Autor:in sich erlaubt, darauf hinzuweisen, dass kulturelle Kindheits- und Jugenderinnerungen rassistische, frauenfeindliche, kolonialistische Elemente enthalten. Da liest Du kaum, "Das ist ja klar - aber was bringt das heute?". Sondern es geht der Volkszorn los, wie man sich denn nur erlauben kann, an den Helden der Kindheit und Jugend zu rütteln. Grade hatten wir mit "Winnetou" erst das Paradebeispiel, bei dem Karl Mays aus jeder Seite triefender Rassismus schlicht geleugnet wurde. (Das war nur ein aktuelles Beispiel - ich will damit weiß Gott keine "Winnetou"-Diskussion lostreten.)

Teil der Kulturkritik ist im übrigen selbstverständlich, frühere Werke nach heutigen Maßstäben einzuordnen.
Das ist ok, es gibt Leute, die sich mit Rassismus recht gut auskennen und die in solchen Dikussionen darauf hinweisen werden, dass nicht jeder Kampf um jede 10. Stelle nach dem Komma ausgefochten werden muss.

Mit Prinzipentreue kann man es auch übertreiben, weil Regelhaftigkeit nicht unbedingt dazu führt, dass Menschen sich mit einer Sache (Kampf gegen Rassimus/ andere gesellschaftliche Schweinerei) gemein machen wollen.
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Felidae
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

Paul_Klee_1 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 13:06
Das ist ok, es gibt Leute, die sich mit Rassismus recht gut auskennen und die in solchen Dikussionen darauf hinweisen werden, dass nicht jeder Kampf um jede 10. Stelle nach dem Komma ausgefochten werden muss.

Mit Prinzipentreue kann man es auch übertreiben, weil Regelhaftigkeit nicht unbedingt dazu führt, dass Menschen sich mit einer Sache (Kampf gegen Rassimus/ andere gesellschaftliche Schweinerei) gemein machen wollen.
Warum kämpfst Du hier dann? :) Und wo siehst Du "Prinzipientreue" und "Regelhaftigkeit"?
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Paul_Klee_1
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Paul_Klee_1 »

@Felidae
Zum Kämpfen braucht es zwei Personen oder? ;)

Ich sehe eine unnötige Prinzipientreue bei der Etikettierung von Frontschweine als ein Spiel mit problematischen, rassistischen Inhalten.

Weil ich hier wie gesagt, weder den Schaden in der Sache, noch den Nutzen einer solchen Zuweisung sehen kann.
Rigolax
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 5. Okt 2022, 17:28 Und wo siehst Du "Prinzipientreue" und "Regelhaftigkeit"?
Ich bin jetzt nicht die Person, die du das fragst, aber dass es einen gewissen Hang zum Dogmatismus bei solchen Diskussionen gibt, ist meines Erachtens offenkundig. Das ist ja dann schon so, dass manches gar nicht mehr diskutiert werden soll (am besten), weil es keinen Bedarf gäbe, weil die "korrekte" Sicht offensichtlich wäre oder gar alles andere wissenschaftlichen Tatsachen zuwider laufe. Ich meine, so überzeugt man anders denkende Erwachsene in der Regel aber nicht, das widerspricht einer pluralistischen Gesellschaft und darauf aufbauend pluralistischer Debattenkultur und alle anderes Denkende wird man nicht, ehm, "ostrazieren" können (is that a word?). Es gibt zwar in jedem Fall Positionen, die auch aus meiner Sicht außerhalb des zu akzeptierenden Scopes liegen, weil sie krass elementaren Normen der hiesigen Gesellschaft zuwiderlaufen (Menschenwürde, Menschenrechte, Gleichbehandlungsgrundsatz); aber ich habe das Gefühl, dass die Vorstellungen davon, was das sein soll, schon sich krass unterscheiden.

EDIT: Sorry, hatte eine falsche Verneinung.
Zuletzt geändert von Rigolax am 5. Okt 2022, 17:55, insgesamt 2-mal geändert.
Maliko
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Maliko »

Rigolax hat geschrieben: 5. Okt 2022, 12:47 Welche Definition ist denn das? Du schreibst ja "die Definition", als gäbe es eine verbindliche?
Die vom Duden. Siehe Punkt 2: www.duden.de/rechtschreibung/Zensur

Und der Duden ist sogar an Universitäten als Definitionsquelle erlaubt.
Rigolax
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

Maliko hat geschrieben: 5. Okt 2022, 17:38
Rigolax hat geschrieben: 5. Okt 2022, 12:47 Welche Definition ist denn das? Du schreibst ja "die Definition", als gäbe es eine verbindliche?
Die vom Duden. Siehe Punkt 2 und 3: www.duden.de/rechtschreibung/Zensur

Und der Duden ist sogar an an Universitäten als Definitionsquelle erlaubt.
Punkt 2 sagt ja schon:
von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä., besonders auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität
"besonders" betont eine Regelmäßigkeit, ist aber nicht abschließend zu verstehen. Wenn mich jemand fragt, "welche Farben magst du?" und ich antworte "ich mag besonders blau", dann ist es ja kein Widerspruch, wenn ich durchaus auch grün mag (nur wohl nicht so regelmäßig wie blau).

Punkt 3 ist ja "Stelle, Behörde, die die Zensur ausübt". Eine Stelle kann ja auch nicht-staatlich sein: https://de.wikipedia.org/wiki/Stelle_(Organisation)

Grundsätzlich halte ich eine auf rein staatliche Stellen beschränkte Zensur-Definition für fraglich. Man stelle sich vor, öffentliche Plattformen mit überragender Marktmacht schlössen sich zusammen, um bestimmte Positionen zu tabuisieren: Facebook (Meta), Google (Alphabet), Twitter, Apple etc., wäre das dann keine Zensur? Wäre es ggf. Zensur, sobald politische Entitäten diese Eingriffe motivieren, sich die Firmen auf ihr "Hausrecht" berufen und dafür Geld erhalten, bestimmte Positionierungen oder auch nur allgemein Informationen zu unterdrücken? Das klingt recht dystopisch, aber ist es denn undenkbar?
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rince81 »

Paul_Klee_1 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 13:06 Das ist ok, es gibt Leute, die sich mit Rassismus recht gut auskennen und die in solchen Dikussionen darauf hinweisen werden, dass nicht jeder Kampf um jede 10. Stelle nach dem Komma ausgefochten werden muss.

Mit Prinzipentreue kann man es auch übertreiben, weil Regelhaftigkeit nicht unbedingt dazu führt, dass Menschen sich mit einer Sache (Kampf gegen Rassimus/ andere gesellschaftliche Schweinerei) gemein machen wollen.
Tut doch niemand, oder? Es wird im Rahmen einer Besprechnung thematisiert, dass ein Werk von vor x Jahren aus heutiger Sicht problematische Inhalte hat und dann wird das weiter besprochen. Wo ist denn das Problem bzw. der Kampf?

ich verstehe es nicht, ich finde "Breakfast bei Tiffany" toll, habe aber kein Problem damit die klar rassistische Darstellung des japanischen Nachbarn ansprechen. Ich bin riesiger Fan von Friends, habe aber kein Problem selbst darauf hinzuweisen, dass die Serie ihre lieben Probleme in diversen Bereichen hat, usw., usw. Das hat nichts mit einem Kampf um jede 10. Stelle zu tun, sondern mit einer ernsthaften Besprechung eines Werkes.
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

Rince81 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 17:47 ich verstehe es nicht, ich finde "Breakfast bei Tiffany" toll, habe aber kein Problem damit die klar rassistische Darstellung des japanischen Nachbarn ansprechen. Ich bin riesiger Fan von Friends, habe aber kein Problem selbst darauf hinzuweisen, dass die Serie ihre lieben Probleme in diversen Bereichen hat, usw., usw. Das hat nichts mit einem Kampf um jede 10. Stelle zu tun, sondern mit einer ernsthaften Besprechung eines Werkes.
Ist "Breakfast bei Tiffany" aber (wegen dieser Darstellung) ein rassistischer Film? Oder ist es ein Film mit einer rassistischen Darstellung?

Ich find ernsthaft, das ist die eigentlich interessante Frage.
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Felidae
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

Rince81 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 17:47
ich verstehe es nicht, ich finde "Breakfast bei Tiffany" toll, habe aber kein Problem damit die klar rassistische Darstellung des japanischen Nachbarn ansprechen. Ich bin riesiger Fan von Friends, habe aber kein Problem selbst darauf hinzuweisen, dass die Serie ihre lieben Probleme in diversen Bereichen hat, usw., usw. Das hat nichts mit einem Kampf um jede 10. Stelle zu tun, sondern mit einer ernsthaften Besprechung eines Werkes.
Danke. Oder ja mein Lieblingsbeispiel: Die alten James Bond-Filme lieben, obwohl ich genau weiß, dass sie rassistische sexistische Filme sind.

Sich das bewusst zu machen, hat übrigens einen sehr positiven Nebeneffekt: Grade bei den alten Dingen, die man selbst liebt, versteht man dann viel besser, warum schon eine Generation danach damit evtl. überhaupt gar nichts mehr anfangen kann. "Friends" ist da ein perfektes Beispiel dafür. Zeig das jemand unter 30 - und diese Person hält vermutlich keine zwei Folgen durch.
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Jochen Gebauer
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Jochen Gebauer »

Rigolax hat geschrieben: 5. Okt 2022, 17:57Ist "Breakfast bei Tiffany" aber (wegen dieser Darstellung) ein rassistischer Film? Oder ist es ein Film mit einer rassistischen Darstellung?

Ich find ernsthaft, das ist die eigentlich interessante Frage.
Was spricht denn gegen die Antwort: beides?
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 5. Okt 2022, 18:02
Rigolax hat geschrieben: 5. Okt 2022, 17:57Ist "Breakfast bei Tiffany" aber (wegen dieser Darstellung) ein rassistischer Film? Oder ist es ein Film mit einer rassistischen Darstellung?

Ich find ernsthaft, das ist die eigentlich interessante Frage.
Was spricht denn gegen die Antwort: beides?
Beides geht wohl auch. Aber ist es denn fair, einen Film (oder sonst ein Medium) so zu labeln, weil es auch solche Darstellungen hat. Ist das dann der herauszustellende Wesenskern?

Sagen wir, ein Podcast bespricht Ausgaben eines älteren Spielemagazins, das (damals weitreichend akzeptiert) stereotypische "Witze" enthält ("Türkenwitze" etc.) Diese Besprechung fällt einigen Hörern negativ auf, weil sie sich nicht distanziert von den "Witzen", und manch einer hält die Besprechung an sich für rassistisch. Die Folge wird dann auch offline genommen. Ist ggf. die Besprechung dieser "Witze" rassistisch, ist die ganze Folge rassistisch?
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Felidae
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

Rigolax hat geschrieben: 5. Okt 2022, 18:08
Beides geht wohl auch. Aber ist es denn fair, einen Film (oder sonst ein Medium) so zu labeln, weil es auch solche Darstellungen hat. Ist das dann der herauszustellende Wesenskern?

Sagen wir, ein Podcast bespricht Ausgaben eines älteren Spielemagazins, das (damals weitreichend akzeptiert) stereotypische "Witze" enthält ("Türkenwitze" etc.) Diese Besprechung fällt einigen Hörern negativ auf, weil sie sich nicht distanziert von den "Witzen", und manch einer hält die Besprechung an sich für rassistisch. Die Folge wird dann auch offline genommen. Ist ggf. die Besprechung dieser "Witze" rassistisch, ist die ganze Folge rassistisch?
Das Problem an dieser speziellen Folge war ja, wenn ich mich recht entsinne, dass durch die Euphorie des Gasts und das fassungslose Schweigen des Interviewers nicht nur keine Distanzierung, sondern sogar eine Art Glorifizierung stattgefunden hat, samt "die Jarlas [dezente Verfremdung] waren da etwas sehr empfindlich".

Edit: Ich persönlich finde es übrigens bedauerlich, dass die Folge offline genommen wurde - da sie tatsächlich ein spannendes Zeitdokument gewesen ist. Aber da gilt das gleiche wie bei dem Creator von "Scrubs", der Folgen/Szenen wegen Blackfacings entfernen lässt (oder einem Verlag, der ein Buch aus dem Sortiment nimmt): Der Besitzer entscheidet, was er nach draußen gibt. Und kann natürlich jederzeit alles wieder aus dem Verkehr ziehen.
Zuletzt geändert von Felidae am 5. Okt 2022, 18:15, insgesamt 1-mal geändert.
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Ironic Maiden
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Ironic Maiden »

Rince81 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 17:47
Paul_Klee_1 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 13:06 Das ist ok, es gibt Leute, die sich mit Rassismus recht gut auskennen und die in solchen Dikussionen darauf hinweisen werden, dass nicht jeder Kampf um jede 10. Stelle nach dem Komma ausgefochten werden muss.

Mit Prinzipentreue kann man es auch übertreiben, weil Regelhaftigkeit nicht unbedingt dazu führt, dass Menschen sich mit einer Sache (Kampf gegen Rassimus/ andere gesellschaftliche Schweinerei) gemein machen wollen.
Tut doch niemand, oder? Es wird im Rahmen einer Besprechnung thematisiert, dass ein Werk von vor x Jahren aus heutiger Sicht problematische Inhalte hat und dann wird das weiter besprochen. Wo ist denn das Problem bzw. der Kampf?

ich verstehe es nicht, ich finde "Breakfast bei Tiffany" toll, habe aber kein Problem damit die klar rassistische Darstellung des japanischen Nachbarn ansprechen. Ich bin riesiger Fan von Friends, habe aber kein Problem selbst darauf hinzuweisen, dass die Serie ihre lieben Probleme in diversen Bereichen hat, usw., usw. Das hat nichts mit einem Kampf um jede 10. Stelle zu tun, sondern mit einer ernsthaften Besprechung eines Werkes.
Ich habe jetzt weder den Podcast gehört noch das Spiel gespielt, daher hier nur eine semi-qualifizierte Meinung, aber:

Natürlich beinhalten viele ältere Texte rassistische und andere aus heutiger Sicht verwerfliche Aussagen oder Darstellungen. Wenn ich mit meinen Schüler*innen z.B. "Othello" lese, muss ich ansprechen, dass dieses Stück rassistische Klischees und ganz klar frauenfeindliche Darstellungen enthält. Es ist auch weder schwer noch besonders originell, diese zu finden. Macht das alle, die heute noch Shakespeare lesen, zu Rassisten oder Frauenhassern? Natürlich nicht. Ich kann Texte mögen und als Werke schätzen, und trotzdem anerkennen, dass sie in Teilen nicht so humanistisch sind, wie man sich das wünschen würde. Was ich aber nicht kann, ist aus Liebe zu einem Werk oder dessen Schöpfer*in leugnen, dass es diese Aspekte gibt. Das wäre einfach nur dumm. (Hab jetzt Shakespeare als besonders plakatives Beispiel genommen, aber man kann das selbstverständlich auch auf neuere Werke übertragen.)

Ich habe oft den Eindruck, dass hinter der Schwierigkeit, verwerfliche Aspekte eines Werkes als solche anzuerkennen, ein seltsames Bild vom Verhältnis zwischen Kunstwerk und Fan steckt: "Ich mag Text XY. Du sagst, XY ist rassistisch, also sagst du, dass ich ein schlechter Mensch bin, weil ich das mag!" Sowas greift einfach zu kurz und enthält die naive Vorstellung, dass man aufgrund seiner Vorlieben zu einem besseren oder schlechteren Menschen wird. Oder dass ein Werk automatisch auf den Müllhaufen der Geschichte gehört, weil es nicht mehr heutigen Vorstellungen entspricht. Beides ist ein ziemlich eingeschränkter Blick auf Kunst und Medien.
Natürlich will man Werke, die man liebt, verteidigen. Aber vielleicht klappt das besser, wenn man anstatt problematische Aspekte zu verleugnen, eher die Punkte heraushebt, die das Werk trotz all dieser Probleme herausragend machen. Das ist nämlich meist auch interessanter.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
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Jochen Gebauer
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Jochen Gebauer »

Rigolax hat geschrieben: 5. Okt 2022, 18:08Beides geht wohl auch. Aber ist es denn fair, einen Film (oder sonst ein Medium) so zu labeln, weil es auch solche Darstellungen hat. Ist das dann der herauszustellende Wesenskern?
Ob irgendetwas "fair" oder "unfair" ist, ist ja wieder eine andere Diskussion. Dann geht es z.B. darum, inwiefern der/die Künstler ein Kind ihrer Zeit oder Umstände sein durften bzw. wie man sie dafür beurteilt. Die Frage nach dem Rassismus hingegen ist in meinen Augen a) sehr einfach zu beantworten und b) nicht notwendigerweise an das Wesen gekoppelt. Ich kann H.P. Lovecraft für einen ekeligen Rassisten halten und trotzdem konstatieren, dass das Wesen seines Werkes aus völlig anderen Gründen ein bahnbrechendes und für das Genre wegbereitendes ist.
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Paul_Klee_1 »

Rigolax hat geschrieben: 5. Okt 2022, 17:57
Rince81 hat geschrieben: 5. Okt 2022, 17:47 ich verstehe es nicht, ich finde "Breakfast bei Tiffany" toll, habe aber kein Problem damit die klar rassistische Darstellung des japanischen Nachbarn ansprechen. Ich bin riesiger Fan von Friends, habe aber kein Problem selbst darauf hinzuweisen, dass die Serie ihre lieben Probleme in diversen Bereichen hat, usw., usw. Das hat nichts mit einem Kampf um jede 10. Stelle zu tun, sondern mit einer ernsthaften Besprechung eines Werkes.
Ist "Breakfast bei Tiffany" aber (wegen dieser Darstellung) ein rassistischer Film? Oder ist es ein Film mit einer rassistischen Darstellung?

Ich find ernsthaft, das ist die eigentlich interessante Frage.
Naja Rassimus drückt ein Gefälle aus zwischen A. einer oder mehrerer Personen/Institutionen und B. einer/mehrerer Personen, welche von A. herabgesetzt werden aufgrund ihrer Herkunft/Abstammung.

Das Ding hier ist: Wenn alle Fraktionen in diesem Spiel stereotyp verballhornt werden, auch Fraktionen, zu welcher sich die Entwickler zugehörig sehen konnten. Wo ist dann dieses Gefälle? Wer diskriminiert hier wen auf rassistische Weise? Wo ist das Opfer?

Nochmal mein Beispiel: Ein Farbiger/Japaner macht einen rassistischen Spruch aus Spaß und "auf Kosten" eines anderen Farbigen/Japaners. Ist das Rassismus?

Der Spruch ist es per Definition: Ja. Die Interaktion zwischen diesen Personen ist es aber sehr wahrscheinlich nicht.

Insofern darf man die schädliche, rassistische Wirkung von Frontschweine zumindest mal anzweifeln, weil es hier kein Opfer gibt...außer dem Geschmack vielleicht.
Zuletzt geändert von Paul_Klee_1 am 5. Okt 2022, 18:33, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

Ironic Maiden hat geschrieben: 5. Okt 2022, 18:13
[...]
Hach, manchmal möchte ich Dich knuddeln. Jetzt grade zum Beispiel. Perfekt ausgeführt, danke.

Edit, noch als persönliche Ergänzung: Es gibt ganz viele Dinge, die ich früher geliebt habe, die ich aber heute nicht mehr anfassen kann. Zum einen gehören da tatsächlich meine Karl May-Bücher dazu (und da versuche ich es pro Jahr mindestens einmal, weil ich seine Fantasie und seinen Schreibstil an und für sich mag), aber zB auch sowas wie Alfred Weidemanns "50 vom Abendblatt". Ich wollte das echt mal wieder in einem Anflug von Nostalgie lesen. Und dann taucht auf der ersten Seite schon der "N****junge" auf, der natürlich "Blacky" genannt wird und von der einen Kioskbesitzerin besonders in Herz geschlossen wurde, weil er "ihr Sarottimohr" ist. Und ich hab das Buch ganz schnell wieder weggelegt.

Das ist aber eben rein persönlich - ich erwarte nicht, dass andere Leser:innen das genauso machen. Oder gar, dass die Bücher vom Markt genommen werden. Wer das heute noch lesen will, soll das gerne tun.
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

Ironic Maiden hat geschrieben: 5. Okt 2022, 18:13 Ich habe oft den Eindruck, dass hinter der Schwierigkeit, verwerfliche Aspekte eines Werkes als solche anzuerkennen, ein seltsames Bild vom Verhältnis zwischen Kunstwerk und Fan steckt: "Ich mag Text XY. Du sagst, XY ist rassistisch, also sagst du, dass ich ein schlechter Mensch bin, weil ich das mag!" Sowas greift einfach zu kurz und enthält die naive Vorstellung, dass man aufgrund seiner Vorlieben zu einem besseren oder schlechteren Menschen wird. Oder dass ein Werk automatisch auf den Müllhaufen der Geschichte gehört, weil es nicht mehr heutigen Vorstellungen entspricht. Beides ist ein ziemlich eingeschränkter Blick auf Kunst und Medien.
Natürlich will man Werke, die man liebt, verteidigen. Aber vielleicht klappt das besser, wenn man anstatt problematische Aspekte zu verleugnen, eher die Punkte heraushebt, die das Werk trotz all dieser Probleme herausragend machen. Das ist nämlich meist auch interessanter.
Ich halte es schlicht für eine Anmaßung, über ein ganzes Werk zu richten, indem man es mit Ismen labelt, insbesondere als Journalist, insbesondere wenn man sich bewusst sein muss, was das bedingen kann im aktuellen Zeitgeist, insbesondere wenn es durchaus Raum für Ambiguitäten bei der Bewertung des Gesamtwerks gibt.
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

Rigolax hat geschrieben: 5. Okt 2022, 18:26 Ich halte es schlicht für eine Anmaßung, über ein ganzes Werk zu richten, indem man es mit Ismen labelt, insbesondere als Journalist, insbesondere wenn man sich bewusst sein muss, was das bedingen kann im aktuellen Zeitgeist, insbesondere wenn es durchaus Raum für Ambiguitäten bei der Bewertung des Gesamtwerks gibt.
Und ich halte es für Anmaßung, Journalist:innen quasi untersagen zu wollen, ein Werk mit "ismen" zu charakterisieren, obwohl sie das begründen können. ;)

Das ist bei Interpretation nämlich das einzige, was zählt - kann sie begründet werden oder nicht.

ich lese aus Deinem Text eine dezente Forderung nach cancel culture raus. ;)
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