Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

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Blaight
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Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Blaight »

Ihr seid so früh in die Analyse, ich hätte ehrlich gesagt gerne noch viele Beispiele von Sehnsuchtsorte gehabt. Dieses Zitat trifft mich immer.
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Smutje187
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Re: Runde #393 – Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Smutje187 »

Ähnliche Gefühle der wohligen Einsamkeit (zumindest im Anfangsgebiet) vergleichbar zu Breath of the Wild hatte ich bei Days Gone - klar, durch die Fortbewegung mit dem Motorrad kann man sich das ein bisschen „kaputtmachen“, aber der Wald, die Wüste, alles tolle einsame Orte und als ich dann im Endgame auf Hordenjagd war und nur wusste, dass „irgendwo“ im einsamen Unterholz eine Horde herumläuft hatte das wohligere Gefühle als jedes andere Open World-Spiel zuvor, nicht zuletzt dank der ständigen Überfrachtung von Karten mit Fragezeichen. Interessanterweise kehrte sich das Gefühl in der zweiten Spielhälfte mit der Armeebasis und insbesondere dem Landstrich der Kultisten komplett um, da war wieder Industrialisierung Thema.

Richtig fies hingegen finde ich Dekonstruktionen von Idylle, zum Beispiel der Farm in The Last of Us 2, weil auf der einen Seite tatsächlich abgeschieden, einsam, in Sicherheit, aber auf der anderen Seite weiß man das natürlich erst im Nachhinein und ich hatte stetig Blutdruck 180 weil ich damit gerechnet habe, dass aus dem Wald ein Zombie bricht - genau wie im Flashback im Museum, wo man meine ich sogar Munition oder Medikits findet und ständig diese unterschwellige Bedrohung, dass es gleich wieder losgeht und am Ende stellt sich heraus: Nein, es ist wirklich nur eine Story-Sequenz. Großartig.
Ingoknito
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Re: Runde #393 – Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Ingoknito »

Games mit der neuesten Grafik und Technik sind viel stärker von Nostalgie betroffen als irgendwelche Pixel-Games. Das Selbe lässt sich auch auf Filme übertragen wie in diesem Video erklärt: https://www.youtube.com/watch?v=Th_Ejxi6uuw

Diese ganze Diskussionen wie zum Beispiel um die neue Herr der Ringe-Serie drehen sich auch nicht darum dass irgendetwas neu oder anders ist, sondern darum dass man sich in den immer selben Diskussionen sehr wohl und bequem fühlt und seinen eigenen Standpunkt in und auswendig kennt.

Dass Dinge ständig geremaked werden scheint unhinterfragbare Realität zu sein. Und als einziger Grund warum man diese Sequels oder Neuauflagen negativ bewerten könnte, werden (fälschlicherweise) einzig die nostalgischen Gefühle zum Original genannt.
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Terranigma
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Re: Runde #393 – Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Terranigma »

Blaight hat geschrieben: 16. Okt 2022, 19:55 Ihr seid so früh in die Analyse, ich hätte ehrlich gesagt gerne noch viele Beispiele von Sehnsuchtsorte gehabt. Dieses Zitat trifft mich immer.
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Da gehe ich 101% mit, insofern einmal als Teaser: in der im Podcast erwähnten "Nachgeforscht"-Folge geht es schwerpunktmäßig genau um dies.
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DieTomate
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Re: Runde #393 – Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von DieTomate »

Es klang jetzt so als wäre Pixelgrafik hauptsächlich ein Nostalgie-Trend. Das sehe ich nicht. Es ist ein zeitloser Grafikstil mit vielen Variationen, der so schnell nicht verschwinden wird.
Da fällt mir auch ein Interview mit den Ion Fury Entwicklern ein, in dem sie erzählen, wie Jugendliche das Spiel auf einer Messe wahrgenommen haben (hab den Link nicht mehr). Das hat zwar keine 2D Pixelgrafik, aber es ist das selbe Prinzip: Es sollte so aussehen wie die alten Build Engine Spiele (Duke3D, Blood, usw.) und nutzt sogar selbst die Build Engine, nur mit mehr Effekten und Details. Die Jugendlichen kannten die Engine und dessen Spiele natürlich nicht. Trotzdem mochten sie die Grafik und empfanden den Stil nicht als veraltet sondern dachten, das sei halt einfach der gewählte Grafikstil für dieses Spiel.
Reinhard
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Re: Runde #393 – Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Reinhard »

Das witzige bezüglich des Pixel Stils ist ja, dass viele Entwickler von früher keinen so nostalgischen Bezug dazu haben. Sie haben diesen Stil verwendet weil halt nix anderes möglich war. Wie zB auch Ron Gilbert erst sagte, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten damals, hätte Monkey Island auch anders ausgesehen.
Ich persönlich kann mit dem "Stil" auch überhaupt nichts anfangen. Ich fühle mich eher sogar veräppelt von Entwicklern, die im Jahr 2022 ob der vielen anderen Möglichkeiten darauf setzen. Von mir gibt's dafür kein Geld.
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Dicker
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Re: Runde #393 – Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Dicker »

Reinhard hat geschrieben: 17. Okt 2022, 08:55 Das witzige bezüglich des Pixel Stils ist ja, dass viele Entwickler von früher keinen so nostalgischen Bezug dazu haben. Sie haben diesen Stil verwendet weil halt nix anderes möglich war. Wie zB auch Ron Gilbert erst sagte, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten damals, hätte Monkey Island auch anders ausgesehen.
Ich persönlich kann mit dem "Stil" auch überhaupt nichts anfangen. Ich fühle mich eher sogar veräppelt von Entwicklern, die im Jahr 2022 ob der vielen anderen Möglichkeiten darauf setzen. Von mir gibt's dafür kein Geld.
Ich finde das kommt stark auf den Pixel Stil an. Gerade moderne Pixel Spiele haben oft noch zusätzliche Effekte und die Animationen sind deutlich besser, als früher.
Wenn man das richtig macht, dann ist ein Pixel Stil zeitlos und kann auch sehr wertig aussehen. Das trifft mMn vor allem auf 2D Spiele zu. Bei 3D wirkt es tatsächlich fast immer veraltet.
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Andre Peschke
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Re: Runde #393 – Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Andre Peschke »

DieTomate hat geschrieben: 17. Okt 2022, 08:26 Es klang jetzt so als wäre Pixelgrafik hauptsächlich ein Nostalgie-Trend. Das sehe ich nicht.
Glaube, wenn wir das so einseitig gesagt haben, war das eine Fehlkommunikation. Das Pixelgrafik zB eine Budgetentscheidung ist und inzwischen auch eine eigene Ästhetik, haben wir ja auch schon mehrfach diskutiert. Im Kontext eines Zurückträumens in eine vermeintlich unbeschwerte Kindheit, kann sie aber eine Rolle spielen, wenn man das richtige Alter hat.

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MaxDetroit
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von MaxDetroit »

Da ich gerade von Scorn komme, was für mich jetzt keinen klassischen "Sehnsuchtsort" darstellt, aber trotzdem eine fremdartige Welt ist, in der ich gerne versinken möchte. Schon eine Art Eskapismus. Gerade dieses Fremdartige zieht mich an (Exploration / Entdeckung) und würde für mich zerstört wenn jetzt zu viele Themen / Referenzen der realen Welt (also z.B. momentane politische Diskussionen) da plötzlich reinfließen würden. Man möchte ja nicht immer wieder ruckartig aus der Fantasie zurück in die Realität geholt werden, ich denke da ist schon was dran.
Zuletzt geändert von MaxDetroit am 17. Okt 2022, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.
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sirc0nn0r
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von sirc0nn0r »

Gibt ja auch in Spielen Sehnsuchtsorte (Speicherraum bei Resident Evil, Majula aus Dark Souls 2 oder der Feuerlink Schrein aus DS), also "sichere Orte" in einer unsicheren Spielwelt. Manches Spiel nimmt Dir die sogar im Laufe des Spiels weg, super Kniff!

Zum Thema Pixeloptik: Bei Stardew Valley hat es bei mir funktioniert. Fühlte mich anfangs zurückversetzt. Allerdings hat Concerned Ape dann den Grafikstil nach und nach angepasst, sodass das für mich weggefallen ist.

In der Musik hat diese Zuflucht eine andere Dimension, nicht selten kann Musik genau die Empfinden hervorrufen, die man zum Zeitpunkt des Ersthörens erfahren hat. Gibt etliche Alben, die ich nicht mehr hören kann/möchte, weil da was hochgekramt wird.
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bluttrinker13
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von bluttrinker13 »

Ganz tolle Folge und eine stimulierende, tiefgründige Diskussion. Zeigt mir mal wieder, das Kultur- und Geisteswissenschaften doch ihren absoluten Wert haben, also als Erkenntnistool. :mrgreen: ;)

Mathias ist aber auch immer ein super Vorkämpfer dafür. Das der nicht an ner Uni ist. Obwohl, wahrscheinlich besser so, da wird man dann auch nur verheizt und hier profitieren all die Kiddies von seinem Geist. Chapeau!

Schön auch immer die Feststellung von Jochen, die ich ebenfalls vollumfänglich teile: ein konstanter Stressor in der modernen Gesellschaft ist der konstante "Angriff" (häufig nur so empfunden, deshalb in "") auf das eigene Weltbild oder Moralvorstellungen, der durch den neuen Meinungsmetaraum, den Internet und Social Media eröffnen, vorhanden ist. Das ist für viele (nicht alle, siehe Ambiguitätstoleranz) auf Dauer hoch anstrengend und damit dann tendenziell auch emotional besetzt und verunsichernd. Wir müssen uns dafür wirklich langsam etwas einfallen lassen. Die hier diskutierten "Rückzugsräume", also quasi Heile-Welt-Reservate oder ähnliches explizit auch zu schaffen und zu schützen, wären eine Idee. Gibt aber bestimmt noch viel mehr und bessere...
PhelanKell
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von PhelanKell »

Mojen

passt nicht ganz zum Thema, aber ein bisschen:
Mathias sollte Hörbücher machen, Synchronsprecher werden usw. Einfach tolle Stimme :romance-heartsfade:
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Terranigma
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Terranigma »

Floki hat geschrieben: 17. Okt 2022, 12:07Ich bin zwar kein großer Fan von Romanzen in Spielen, da es doch nur ein Gimmick ist und am Ende muss ich 3,4 Dialoge durchklicken oder eine Quest erledigen und dann gibt es eine angedeutete Szene - Wofür?
Um da den Kontext zu geben, weshalb mir persönlich der Punkt ein Anliegen war. Bei der Auseinandersetzung mit dem Konzept von "Sehnsuchtsorten" - und "Sehnsucht" im Allgemeinen - stieß ich innerhalb der pädagogischen Literatur u.a. auf die Funktion von Sehnsuchtsorten als Rückzugsorte, insb. für Menschen, die Eskapismus nicht nur zur Zerstreuung suchen, sondern weil sie in ihrem Leben insb. mit gesellschaftlichen Konflikten zu tun haben - rassistische Diskriminierung, Sexismus, Armut, derartiges. Für diese Menschen - und da beziehe ich mich einmal aktiv mit ein - liegt die Relevanz nicht in der spielmechanischen Qualität von Romanzen, o.Ä. Die sind, wie du sagst, zumeist sehr platt. Die Relevanz liegt darin, dass diese Spielwelten aus diesen Aspekt der eigenen Persönlichkeit reagieren und zwar in einem positiven Sinne, d.h. man hier quasi einen "Safe Space" hat. Der Begriff ist leider aufgrund seiner zynischen Umdeutung etwas abgedroschen, aber er trifft's wohl durchaus. Eben weil Videospiele gerade für Menschen, die mit Aspekten ihrer Persönlichkeit hadern und in der gesellschaftlichen Realität auch Anfeindungen erhalten - eben z.B. aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Sexualität, sozialen Stand, o.Ä. - dass Videospiele, die auf all das nicht reagieren, in diesem Sinne ein Sehnsuchtsort sein können. Selbst NPCs, die z.B. kein Interesse an einer gleichgeschlechtlichen Romanze haben, dies nicht mit einem "Fick dich, du Schwuchtel" begründen - ... was in der Realität so aber vorkommt. In Videospielen steht diese Option dann eben lediglich nicht offen, aber es findet zumeist keinerlei ideologische Begründung innerhalb der Spielwelt statt.

Das ist für sich genommen ggf. eine recht banale Erkenntnis, aber ein Punkt, über den ich zuvor so nicht näher nachdachte. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass ja des Öfteren der Wunsch geäußert wird - auch völlig legitim! - dass Videospiele auch sozialkritische Töne anschlagen, d.h. z.B. eben doch Rassismus, Sexismus, u.Ä. abbilden und dadurch erlebbar machen. Wollte mit dem Hinweis bzgl. der Romanzen nur verdeutlichen, dass es aber auch eine Funktion erfüllt, dass Videospiele gerade das nicht tun und insofern als Sehnsuchtsort für einzelne Spieler*innen fungieren können. In der Besprechung von Tell Me Why wurde ja u.a. gesagt, dass die Transgender-Thematik dort nicht weiter problematisiert würde und es allzu harmonisch sei, was z.T. der Dramaturgie schadet. Nun weiß ich allerdings aus meiner Arbeit an der Schule, wo ich auch mit Transgender-Jugendlichen zu tun habe, dass diese in fiktiven Welten vieles wollen, aber gewiss nicht auch dort mit jenen Problemen konfrontiert zu werden, die sie bereits im Alltag erleben.

Was für den Einzelnen also ein Sehnsuchtsort ist, ist so für den Anderen ggf. ein Ort der Langeweile. :D
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Terranigma
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Terranigma »

Floki hat geschrieben: 17. Okt 2022, 15:29Ich bin mir zwar nicht sicher, ob das die Intention der Macher ist, [...]
Oh, da gehe ich mit! Ich bin mir sogar recht sicher, dass das nicht deren Intention war. :D
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Rigolax
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Rigolax »

Terranigma hat geschrieben: 17. Okt 2022, 15:04 Wollte mit dem Hinweis bzgl. der Romanzen nur verdeutlichen, dass es aber auch eine Funktion erfüllt, dass Videospiele gerade das nicht tun und insofern als Sehnsuchtsort für einzelne Spieler*innen fungieren können. In der Besprechung von Tell Me Why wurde ja u.a. gesagt, dass die Transgender-Thematik dort nicht weiter problematisiert würde und es allzu harmonisch sei, was z.T. der Dramaturgie schadet. Nun weiß ich allerdings aus meiner Arbeit an der Schule, wo ich auch mit Transgender-Jugendlichen zu tun habe, dass diese in fiktiven Welten vieles wollen, aber gewiss nicht auch dort mit jenen Problemen konfrontiert zu werden, die sie bereits im Alltag erleben.
Das stimmt imho schon, solche Rückzugsorte sind auch imho zweifellos legitime Videospieldarstellungen. Ein "Problem" bei Tell Me Why speziell würde ich darin sehen, dass es halbgar daherkommt: Als absoluter Rückzugsort bietet es sich bereits nicht an, weil es dann doch reaktionäre/aggressive Reaktionen auf Tyler von Figuren im Spiel gibt, vor allem am Anfang (gegen Ende hin wird das Thema nicht mehr so relevant). Gleichzeitig bemüht sich das Spiel allgemein realitätsnah/geerdet zu sein, es wird aber sichtlich krampfhaft Deadnaming vermieden (insesondere bei älteren Behördendokumenten). Ich verstehe, dass das Deadnaming-Thema sehr sensibel ist und in vielen Fällen es auch am besten ist, wenn ein Deadname gar nicht erst bekannt wäre, und das ist vermutlich sehr hart formuliert von mir, aber ich glaube (ohne es als Nicht-Betroffener unmittelbar nachvollziehen zu können), dass sich subkulturell etwas reingesteigert wurde/wird bei dem Thema (ebenso tendenziell bei Misgendering). Vielleicht liegt es vor allem an transphobem Weaponizing von Deadnames, dass es so sensibel ist; ich meine aber auch etwa, dass das bei Elliot Page deutlich wurde, wie auf Benutzung des Geburtsnamens in News-Artiken teilweise reagiert wurde; das empfand ich tendenziell ziemlich dogmatisch und kaum rational begründbar (ggf. liegt das an meinem Hang zu konsequentialistischer Ethik statt deontologischer; ich sehe keinen leicht nachvollziehbaren Schaden in diesen Situationen). Der Vergleich ist jetzt auch etwas weird, aber ich fühle mich an das Hakenkreuz-Thema erinnert, wo argumentiert wurde teils, dass aus Opferrücksicht eine Symbol-Darstellung komplett zu vermeiden wäre; das halte ich schon bereits aus Selbstbehauptungsgründen für grundsätzlich keinen sinnvollen Approach.
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Axel
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Re: Runde #393 – Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Axel »

Andre Peschke hat geschrieben: 17. Okt 2022, 09:46 Im Kontext eines Zurückträumens in eine vermeintlich unbeschwerte Kindheit, kann sie aber eine Rolle spielen, wenn man das richtige Alter hat.
Empfindet aber auch jeder anders. Für mich ist es nicht der Grafikstil, sondern eher ein besonders altmodisches Spieldesign, das solche Gefühle wecken kann. Nehmen wir mal ein Spiel wie The Messenger: Das hat zwar oberflächlich einen Pixelstil, ist aber grafisch viel zu aufwendig designt und in seinem Spieldesign zu modern um da einen nostalgischen Effekt erzielen zu können. Da schafft es bspw. ein Spiel wie C.A.R.L. schon eher bspw. an alte Apogee Platformer aus MS DOS Zeiten zu erinnern, auch was das ganze eher simplifizierte Leveldesign betrifft.

Kann man auf Messen übrigens tatsächlich gut beobachten, wie Tomate schon schrieb: Jugendliche sehen solche Grafikstile gar nicht so sehr als "veraltet" an. Sondern als einen Grafikstil von vielen. Man muss ja auch sehen, dass Spiele in Pixel Optik kein Trend, sondern seit Ende der 2000er sehr stark vertreten sind. Daher sind heutige 14, 15 Jährige auch mit sowas wie Stardew Valley neben Animal Crossing aufgewachsen. Oder Shovel Knight neben Super Mario. Während wir damals ja in unserem Aufwachsen diese Evolution mitgemacht haben von 8 Bit über 16 Bit bis hin zu heutigen 3D Grafiken, gibt es diese Entwicklung für heutige Jugendliche so in dieser Form nicht.

Und mir geht es da mittlerweile auch ähnlich, dass für mich Pixelgrafik "nur" noch ein Grafikstil von vielen ist und da schon mehr sein muss um Nostalgie zu wecken.
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lolaldanee
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von lolaldanee »

Matthias, die Sache mit Mass Effect stimmt nicht.
Als Mann wird einem in Mass Effect 3 von einem Character klar gesagt: ich bin lesbisch, hau ab 😋
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Jochen Gebauer »

An dieser Stelle sei einmal beobachtend angemerkt, dass wir im Kontext von Spielen (z.B. Mass Effect) und Sexualbeziehungen sowohl im Deutschen als auch im Englischen gerne von Romanze/Romance sprechen. Und das obwohl es sich in vielen Fällen eher um ein "Flachgelegt"-Achievement handelt und der Ausdruck im Alltagssprachgebrauch in beiden Sprachen veraltet ist.
Voigt
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Voigt »

Daher ist "Hinarbeiten auf eine Sexszene" ja meist ehrlicher, entwertet aber teils die Spiele, aber eventuell auch zurecht in dem Aspekt.
Muetze
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Re: Runde #393: Die Sehnsucht nach einer simplen Welt (ft. Mathias Willuweit-Guddat)

Beitrag von Muetze »

Hey Ho,
Matthias erwähnt 2 Paper am Anfang des Podcasts, gibt es zufällig die Möglichkeit diese zu verlinken? Bitte nur offizielle Quellen. Es gibt bestimmt den ein oder anderen Studenten dessen Uni die Verlage abboniert hat. :)
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