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Modernes Marketing am Beispiel von Battlefield 1

Verfasst: 11. Jul 2016, 23:47
von Josef
Folge 66 hat mich ins Grübeln gebracht und so präsentiere ich euch meine Beobachtungen und Kritik zu Battlefields Marketingstrategie auf Youtube. These: EA´s Marketing schadet der Youtube Community.

Wie auch Call of Duty, hat Battlefield eine große Youtuberszene, welche primär Videos zu Battlefield macht. Die Inhalte sind vor allem Tutorien zu Waffen, zu Karten oder zu Fahrzeugen, des weiteren natürlich Gameplay oder auch Eastereggs etc. Was auch immer die Zuschauer interessiert. So weit so gut.
EA hat nun gut bei Activision zugeschaut und bindet ebenfalls seine Youtuber (LevelCap, xFactor, Matimio, NeebsGaming, StoneMountain64, Westie, etc.) eng in das Marketing von Battlefield 1 ein. Für den Publisher sind die Kanäle in erster Linie ja nur eins: gratis Werbung. Diese haben sich die Spiele allerdings auch selbst verdient, da sie es geschafft haben eine Community aufzubauen, die solche Videos überhaupt erst guckt. Es macht nur Sinn dieses Potential zu nutzen.

Die enge Einbindung der Youtuber bedeutet konkret, dass EA seinen Multiplayerreveal als großen Livestream gestaltet, bei dem ausgewählte Youtuber mitspielen. Als ich ein Promovideo https://www.youtube.com/watch?v=Bald7pnmY9s von Neebsgaming dazu gesehen habe, hat mir die Idee auch sehr gut gefallen. Der Livestream mit all diesen Youtubern, die man kennt (und irgendwelchen Promis wie z.B. Snoop Dog) war dann auch unterhaltsam und informativ. Natürlich eine große Werbeaktion, aber das ist nun mal Sinn der Sache.

Problematisch wird es für mich erst in den Wochen danach bis heutigen Zeizpunkt (und vermutlich bis zum Release). Nun veröffentlichen die Youtuber Massen an Videos zu Battlefield 1. Hier zeigt sich schon deutlich, dass sie nicht neutral und frei agieren, sondern Battlefields Interessen vertreten. Das macht natürlich Sinn und ist auch nicht unbedingt zu verurteilen. Von Haus aus sind das erstmal Fans der Serie. Außerdem sind ihre Kanäle umso erfolgreicher, wenn Battlefield 1 erfolgreich wird. Des Weiteren wurden natürlich nur solche Youtuber zum Event eingeladen, von denen Battlefield wusste, dass sie fast nur Positives sagen werden. Dazu kommt noch der Druck, dass sie eventuell nicht mehr eingeladen werden, falls sie das ihnen exklusiv zur Verfügung gestellte Material nicht in einer Art und Weise nutzen, von der EA profitiert.

Hier zeigen sich deutlich die Parallelen zu PR-Managern und Journalisten. Es ist im Grunde die Gleiche Sache- mit dem Entscheidenden Unterschied, dass diese Youtuber eben keine Journalisten sind. Große Teile des Informationsflusses werden also kontrolliert von Leuten, denen alle am Erfolg des Spieles gelegen ist, die deshalb eben nicht sachlich und kritisch sein können oder wollen. Das wäre akzeptabel, wenn die Videos als Werbung deklariert würden. Das werden sie aber nicht. Diese Videos verkaufen sich teilweise als exklusiver Spielejournalismus. Auch wenn jeder halbwegs kritische Mensch das schnellt durchschaut, ärgert mich das sehr. Es ist einfach ärgerlich, wenn Bereiche, die mal ausschließlich aus Leidenschaft betrieben wurden, nun solchen kapitalistischen Strukturen unterworfen werden. Es ist einfach schade, wenn man sieht, wie z.B. ein Chefredakteur der Gamestar auf deren Youtubekanal Werbung für eine monatliche Box voll Müll macht.

Ein weiterer Aspekt ist noch wichtig und kritisch anzumerken: Die Youtuber veröffentlichen z.B. jetzt schon, drei Monate(!) vor Release, Guides zu den verschiedenen Klassen ( https://www.youtube.com/watch?v=T801OjM2Odg ). Informationen die noch völlig irrelevant sind. Diese Videos erhalten aufgrund ihrer Abonnentenbasis hunderttausende Views bevor das Spiel überhaupt draußen ist. Das bedeutet, dass beim Release des Spieles nur diese Videos oben in der Searchengine landen werden, da sie schon sehr viele Views haben. Das bedeutet wiederum, dass Youtuber, die nicht bei dem Event von EA waren einen riesigen Nachteil haben werden, sobald das Spiel draußen ist. Wie es auch schon bei Call of Duty passiert ist, wird auch die Battlefield- Youtubeszene deutlich homogener und generischer werden. Das ist eine ganz große Sauerei, wenn man mich fragt. Der Publisher übernimmt die Kontrolle, und nimmt mir die Aspekte an den Youtubern, die entscheidend für mich waren, nämlich das Gemeinschaftsgefühl (es sind nun nicht mehr Spieler unter Spielern), sowie die Authentizität und somit das Vertrauen, als auch Diversität und Chancengleichheit.

Ich hoffe das war einigermaßen kohärent und bin gespannt auf eure Gedanken. Stimmt ihr der These zu, oder warum lehnt ihr sie ab? Habt ihr noch andere Beispiele für solche Marketingkampagnen oder ähnliche?

Re: Modernes Marketing am Beispiel von Battlefield 1

Verfasst: 22. Jul 2016, 22:03
von Flo
Ich gebe dir da absolut und in jeder Hinsicht recht.

Jeden einzelnen Absatz habe ich bisher genauso vertreten, mit Ausnahme des letzten. Mit dem du aber sicher ganz recht hast. So weit habe ich persönlich nur noch gar nicht gedacht. Danke für die Perspektive. Und auch für den ganzen restlichen, schön zusammengefassten Überblick über die Problematik.

[Edit PS hinzugefügt]

PS:
Naja, in einer Sache gehe ich mit dir nicht d'accord. Das Presseevent hat mir nicht gefallen. Aber das ist eine Frage des Geschmacks.

Re: Modernes Marketing am Beispiel von Battlefield 1

Verfasst: 23. Jul 2016, 15:58
von tsch
Marketing ist da der falsche Begriff... YouTuber sind schlichtweg das, was z.B. Sportler für eine Marke wie Adidas sind. Das Stichwort ist also "Sponsoring", was ein Teil von PR ist. PR ist wiederum ein Teil des gesamten Marketings. Damit möchte ich nicht klugscheißen, sondern nur auf eine bestehende Kritik am Sponsoring hinweisen, die weit über die Spielebranche hinausgeht.

Da kann man nämlich von 2 Seiten aus argumentieren: Zum einen ermöglicht es vielen Leuten erst ihre Leidenschaft zu professionalisieren und zum Job machen, gleichermaßen erhofft sich das Unternehmen davon natürlich auch - möglichst positive - Aufmerksamkeit. Das eigentliche Problem dabei ist, inwiefern man das kennzeichnen muss. Gegen den Sportler, der Adidas Schuhe gestellt bekommt und die vielleicht glücklich auf Instagram postet, haben wir ja schließlich auch nichts. Ist halt offensichtlich.

Ein Journalist sollte ohne Zweifel nichts damit zu tun haben, aber ein Let's Player ist kein Journalist. Wenn derjenige das Spiel selbst toll findet, dann spricht dagegen aus meiner Sicht nichts. Ich arbeite zwar nicht direkt im PR, aber im Marketing und ich hab noch nie mitbekommen, dass im PR Team ein Satz gefallen wäre wie "Bitte sag nur gute Dinge über uns". Wie in einer letzten Folge ja schon von einem PR Typen gesagt, sucht man sich vielleicht im Voraus schon Leute aus, die Fans sind. Ich würde ja auch nicht gleichzeitig eine Anzeige auf GameStar schalten, wenn die am gleichen Tag einen Test veröffentlichen, der das Spiel zerreisst.

Die Entscheidung liegt also beim YouTuber selbst, ob er wirklich sein Gesicht dafür hinhalten möchte, weil er es persönlich toll findet. Wie transparent er das dann zu seinen Zuschauern macht, das ist sein Ding. Die "sag nur gute Sachen" Klausel ist mir unbekannt. Vielleicht erfinden die YouTuber in ihrem Kopf, weil sie mehr oder zukünftige Partnerschaften wollen.

Gut, vielleicht hätte das tatsächlich einen Einfluss. Aber ein Sportler geht ja auch nicht zu einem Werbedreh für einen TV-Spot, um dann negative Sachen sagen zu wollen. Muss er sich halt vorher überlegen, ob er das "verkaufen" möchte.

Re: Modernes Marketing am Beispiel von Battlefield 1

Verfasst: 23. Jul 2016, 16:37
von Josef
Ich stimme zu, dass PR hier sicher die treffendere Bezeichnung gewesen wäre. Ich habe mich bei meiner wahl für den Begriff Marketing von dem starken Werbungscharakter mancher Videos leiten lassen. Den Vergleich zum Sportler halte ich allerdings für zu kurz gegriffen. Der Sportler erhält für sein Sponsoring nämlich keinen Vorteil in seinem Beruf. Es ändert nichts an seinen sportlichen Leistungen und erhöt auch nicht seine Konkurrenzfähigkeit.
Frühzeitiger Alpha-Zugang hingegen kann entscheidend für die Karriere eines Youtubers sein und erhöt dessen Konkurrenzfähigkeit enorm. Deshalb kann ich über den Fußballspieler hinweggucken, über die Youtuber aber nicht ganz so leicht. Youtuber behaupten ja auch immernoch objektiv zu sein und geben sich nicht wie Sportler klar als Werbeträger zu erkennen. Ich muss dir allerdings in soweit zustimmen, dass wir da bestimmt noch hinkommen werden.

Re: Modernes Marketing am Beispiel von Battlefield 1

Verfasst: 23. Jul 2016, 17:34
von Andre Peschke
Josef hat geschrieben:Für den Publisher sind die Kanäle in erster Linie ja nur eins: gratis Werbung. Diese haben sich die Spiele allerdings auch selbst verdient, da sie es geschafft haben eine Community aufzubauen, die solche Videos überhaupt erst guckt. Es macht nur Sinn dieses Potential zu nutzen.
Sind wir sicher, dass die gratis war? Richtig große Youtuber würden das vermutlich nicht mehr kostenlos machen. Andererseits lohnt es sich vielleicht durch den von dir beschriebenen Mechanismus wirklich schon indirekt so sehr, dass sie das kostenlos machen...

Dementsprechend braucht es dann auch keine "sag nur gute Dinge"-Klausel mehr(zumindest Bedingungen, dass Bugs nicht angesprochen werden dürfen, sind bei ähnlichen YT-Verträgen schon bekannt geworden). Denn wenn du als Youtuber auf BF spezialisiert bist und am Ende Erfolg oder Misserfolg davon abhängen, dass du dich "genehm" verhältst, wird es sehr schnell sehr eng.
Josef hat geschrieben: Es ist einfach schade, wenn man sieht, wie z.B. ein Chefredakteur der Gamestar auf deren Youtubekanal Werbung für eine monatliche Box voll Müll macht.
Das in diesem Kontext einzuschieben ist gefühlt ein wenig unfair. Die GameStar macht in dem Fall ja Werbung für ihr eigenes Produkt. Das man da die bekannten Gesichter auftreten lässt, erscheint logisch. Es ist nichts was sie bewerten oder was direkt aus dem Bereich ihrer Berichterstattung stammt. Siehe auch Micha Graf und Sebastian Stange als Werbeträger für die Merchandise-Klamotten. Oder früher Fabian Siegismund, der Werbung für das (Sonder-)Heft gemacht hat, die Kooperation mit Musterbrand etc. pp.

Ich selbst hätte zwar auch nicht viel Bock drauf, Werbung für die Lootbox der GS zu machen. Aber das ist IMO nicht in der gleichen Liga wie sich von Herstellern von den Karren spannen lassen und ggf das Vertrauen der jeweiligen Community zu missbrauchen.

Da sehe ich auch einen erheblichen Unterschied zu klassischen Sponsorings. Wenn mir Gerard Butler ein Parfum andrehen will, sehe ich a) dass das ein Werbespot ist und b) weiß durch den Kontext, er sagt das nur weil er dafür bezahlt wird. Wenn Gaming-Youtuber das machen, die ihrer Community schon immer als Wegweiser dienten, und das auch noch in einem Format, dass nicht eindeutig als Werbung zu erkennen ist, hat das eine andere Qualität. Das ist nicht ganz so schlimm, wie wenn es ein Spielemagazin täte, weil man von Journalisten von Haus aus mehr Integrität erwartet, klar. Aber falsch ist es in beiden Fällen, da man das Vertrauen seiner Zuschauer für Geld verkauft.

Andre

Andre