Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

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Leonard Zelig
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Leonard Zelig »

Und auch wenn sich das Entwicklerteam offensichtlich Mühe gibt, kritische Punkte wie die trans-Feindlichkeit von JKR oder die antisemitische Darstellung von Kobolden im Spiel aufzuarbeiten, müssen wir noch abwarten, wie gut ihnen das letztlich gelingt.
Zu den Kobolden schreiben sie sonst weiter nichts.
Trotz der Kontroverse um Harry Potter-Schöpferin J.K. Rowling wird es im Spiel also durchaus möglich sein, unsere Geschlechtsidentität anzupassen und somit etwa trans Charaktere zu spielen. Nur unsere Sexualität bleibt offen, dafür gibt es aber auch einen Grund: Romanzen können wir im Spiel nämlich nicht eingehen.
https://www.gamepro.de/artikel/hogwarts ... 89143.html
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Numfuddle
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Numfuddle »

Die Forderung die gerne mal als als Forderung nach „Ausgewogenheit“ oder im englischsprachigen Raum als „balanced“ beschrieben wird und die in den USA und den UK mittlerweile auch kodifiziertes Recht sind waren in den letzten zwanzig Jahren eine der Hauptaktivitäten der „alt Right“.

Über solche Mechanismen konnten sie sich überhaupt erst wieder in die öffentliche Debatte einschalten weil sie es als moralischen oder sogar rechtlich durchsetzbaren Anspruch verkauft haben dass eine „ausgewogene“ Debatte nur stattfinden kann wenn man immer alle Seiten einer Debatte einlädt.

Hat halt auch dazu geführt dass echte Randthemen inklusive Verschwörungstheorien oder Verfassungsfeindliche Gesinnungsträger jetzt in Talkshows den gleichen Raum einnehmen können - als U-Boote und Spaltpilze - wie „echt“ an einer Debatte interessierte und kompetente Fraktionen.

Zusätzlich werden solche Wirrköpfe dann auch noch gegenüber einer Medienöffentlichkeit legitimiert („der war in der ARD also muss er auch recht haben sonst würden die den ja nicht einladen“)

Edit: nur zur Sicherheit ich möchte damit nicht sagen das jeder der diese Forderung hat ein rechter ist. Es geht mir nur um eine Ergänzung zu Jan Zen und um den Punkt das es eben eine offenen Diskussion nicht immer besser macht wenn man krampfhaft auch abweichende Meinungen zu Wort kommen lässt egal wie absurd sie auch sein mögen
Zuletzt geändert von Numfuddle am 25. Jan 2023, 17:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Felidae
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Felidae »

Numfuddle hat geschrieben: 25. Jan 2023, 17:00 Die Forderung die gerne mal als als Forderung nach „Ausgewogenheit“ oder im englischsprachigen Raum als „balanced“ beschrieben wird und die in den USA und den UK mittlerweile auch kodifiziertes Recht sind waren in den letzten zwanzig Jahren eine der Hauptaktivitäten der „alt Right“.

Über solche Mechanismen konnten sie sich überhaupt erst wieder in die öffentliche Debatte einschalten weil sie es als moralischen oder sogar rechtlich durchsetzbaren Anspruch verkauft haben dass eine „ausgewogene“ Debatte nur stattfinden kann wenn man immer alle Seiten einer Debatte einlädt.

Hat halt auch dazu geführt dass echte Randthemen inklusive Verschwörungstheorien oder Verfassungsfeindliche Gesinnungsträger jetzt in Talkshows den gleichen Raum einnehmen können - als U-Boote und Spaltpilze - wie „echt“ an einer Debatte interessierte und kompetente Fraktionen.

Zusätzlich werden solche Wirrköpfe dann auch noch gegenüber einer Medienöffentlichkeit legitimiert („der war in der ARD also muss er auch recht haben sonst würden die den ja nicht einladen“)
Kleine Ergänzung: Lobo hat das mal schön durchexerziert am fiktiven Beispiel "Trump sagt, der Mond ist aus Käse". In dem Fall würden sich Medien heutzutage nicht mehr trauen, zu sagen, "Trump spinnt", sondern es kämen Talkshows mit Pro- und Contra-Vertetern raus und Nachrichtenmeldungen wie "Trumps umstrittene Käse-Äußerung" etc. Dieses verzweifelte "Wir müssen immer alle Meinungen abbilden" der Medien ist vermutlich eine der verheerendsten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Aus den von Dir genannten Gründen.
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Leonard Zelig
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Leonard Zelig »

Jon Zen hat geschrieben: 25. Jan 2023, 16:27
Dantor hat geschrieben: 25. Jan 2023, 14:55 Daher bleibe ich bei meinen im 1. Post formulierten Kritikpunkten [...] und (ganz wichtig) es fehlte ein Gesprächspartner mit gegensätzlicher Meinung.
Man braucht für eine gute Diskussion keinen Gesprächspartner mit gegensätzlicher Meinung. Man kann sehen, wie diese Einstellung im Fersehen, zu Stärkung "dummer" Minderheitsmeinungen geführt hat. So werden Theorien, die z.B. nur 1% der Wissenschaftler haben, gleichgesetzt mit der 99% Theorie.
Letztlich führt das immer dazu, dass beide Seiten sich belauern, ihre Argumente aufzählen, aber keine gewinnende Diskussion führen.
Danke Hart, aber Fair!

(Natürlich gibt es genügend historische Fälle, wo die Mindermeinung sich als die richtige herausgestellt hat, das ist aber selten und der Schluss, dass diese korrekt ist, kam dabei nicht aus einer öffentlichen Debatte heraus. :lol: )
Das war schon lange vor "hart aber fair" ein Problem. Jon Stewart hat das mal sehr schön kritisiert bei Crossfire auf CNN im Jahr 2004:
https://youtu.be/aFQFB5YpDZE
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echtschlecht165
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von echtschlecht165 »

@numfuddle
Du darfst mir ehrlich glauben, dass es mir persönlich wenig anhabt.
Ja, ich diskutiere gern, und ich habe auch (wie von Jochen erwähnt) meine Lieblinge, die ich gerne verteidige.

Medien und podcasts die es sich auf die Fahne geschrieben haben, mich zu erziehen, folge ich erst garnicht, geschweige denn zu backen.
The pod hat das ja zum Glück nicht, aber wenn sie es denn mal versuchen, dann meckere ich.

Und inzwischen kenne ich halt auch die echte Meinung von Dom. In seiner Kolumne hat er es deutlich geschrieben.
Was soll ich dann noch halten vom gesagten?

Ich brauche nicht mehr erzogen zu werden, was wiederum nicht heisst, dass ich nix lernen will.

Die Erklärungen nach 45min Podcast wirken auf mich ein bisschen wie : "ich will ja nix sagen, aber...."
Macht es etwas besser, ändert aber nicht meinen Eindruck von den 45 min davor.
Zuletzt geändert von echtschlecht165 am 25. Jan 2023, 17:43, insgesamt 2-mal geändert.
In Stein gemeißelt
Rigolax
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 25. Jan 2023, 17:09 Kleine Ergänzung: Lobo hat das mal schön durchexerziert am fiktiven Beispiel "Trump sagt, der Mond ist aus Käse". In dem Fall würden sich Medien heutzutage nicht mehr trauen, zu sagen, "Trump spinnt", sondern es kämen Talkshows mit Pro- und Contra-Vertetern raus und Nachrichtenmeldungen wie "Trumps umstrittene Käse-Äußerung" etc. Dieses verzweifelte "Wir müssen immer alle Meinungen abbilden" der Medien ist vermutlich eine der verheerendsten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Aus den von Dir genannten Gründen.
Da würden doch eher 10 "fact checking"-Websites direkt aufspringen und die Äußerung bearbeiten und CNN und co. würden sich auf diese beziehen, oder welche Medien meinst du denn.

In Bezug auf False Balance: Man kann ja auch durchaus Minderheitsmeinungen als Advocatus Diaboli vertreten in einer Diskussion und sie dann kritisch besprechen/einordnen. Das "erlaubt" m.E. der Zeitgeist aber kaum bzw. ist es mit gewissen Risiken verbunden, benötigt ggf. einiges an Fingerspitzengefühl und die richtige audience.
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Filusi
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Filusi »

Ich hoffe es passt hier dazwischen, vielen Dank für diesen Podcast, hat mir einiges aufgezeigt (ich war auch nicht in diesem speziellen doch sehr interessanten Thema drin und überlege auch ständig, wie ich mein Moralverständnis in der Realität umsetzen kann) und daher bin ich nun besser informiert und dazu freute ich mich über eure Perspektiven.

Vor Allem die Perspektive des Dankes bei Verhalten, welches man gut findet/fördern möchte, anstatt von Restriktionen im umgekehrten Fall fand ich äusserst interessant.

Ist mir zwar nicht ganz neu (und ich erinnerte mich auch an einige Situationen, wo ich es unbewusst bei meinen Kindern anwandte und wo es dann auch funktionierte), aber sowas vergisst man leider immer wieder irgendwie.

Solche Diskussionen von euch regen mich immer wieder zum Nachdenken an. Vielen Dank!
Peninsula
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Peninsula »

Leonard Zelig hat geschrieben: 25. Jan 2023, 17:16 Das war schon lange vor "hart aber fair" ein Problem. Jon Stewart hat das mal sehr schön kritisiert bei Crossfire auf CNN im Jahr 2004:
https://youtu.be/aFQFB5YpDZE
Jon Stewart hat für Apple TV+ auch eine imho sehr gute Folge zum Thema "War Over Gender" gemacht. Bei Youtube gibt es u.a. einen Auszug seines Interviews mit Arkansas Attorney General Leslie Rutledge: https://youtu.be/NPmjNYt71fk (Arkansas hat als erster Staat der USA gender affirming care für Minderjährige verboten)

In diesem Interview wird ein Aspekt deutlich, der - wie ich finde - auch für uns hier relevant ist: Die Disskussion um Transrechte ist nicht primär ein "linkes Projekt", in vielen Fällen wird das Thema zuerst von rechts instrumentalisiert und mit Anekdoten und Bauchgefühlen (bspw. die "Toilettendiskussion") gegen medizinischen Konsens und die empirische Datenlage angekämpft. Im Interview zitiert Stewart immer wieder Fachgremien, die Politikerin entgegnet "Wir haben eben andere Experten gefragt", sagt aber nicht welche.

Ein bisschen so kommt es mir vor, wenn bspw. André zur Begründung seiner Position jede Menge Daten zitiert und ihm trotzdem - ohne auf all diese einzugehen - "Einseitigkeit" vorgeworfen wird. Außer der vehementen Forderung nach einer "Gegenmeinung" und der Aussage, dass man JKRs Aussagen nicht transphob "finde" und sich eben nicht "linken" Vorschriften unterordnen möchte, habe ich aber nicht verstanden, wie diese Gegenmeinung denn über diese rein subjektive Ebene hinaus verargumentiert werden soll.
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Crenshaw
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Crenshaw »

Rigolax hat geschrieben: 25. Jan 2023, 17:40 In Bezug auf False Balance: Man kann ja auch durchaus Minderheitsmeinungen als Advocatus Diaboli vertreten in einer Diskussion und sie dann kritisch besprechen/einordnen. Das "erlaubt" m.E. der Zeitgeist aber kaum bzw. ist es mit gewissen Risiken verbunden, benötigt ggf. einiges an Fingerspitzengefühl und die richtige audience.
das Problem ist ja weniger, das die "falschen" Meinungen in den Talkshows sind, sondern das die teilweise unwidersprochen ihre Meinungen/Argumente vortragen können, ohne dass das von jemanden einsortiert/korrigiert usw. wird
das ist ja das Hauptproblem (meiner Meinung nach) unserer heutigen Talkshows (der meisten, kenne nicht alle), jeder sagt seine Meinung, widerspricht den anderen nur dann wenn es einem gerade passt, ansonsten redet jeder nur für sich und geht kaum bis gar nicht auf die anderen Wortmeldungen ein und wenn dann eine abstruse Meinung stehen bleibt, ohne das gesagt wird "das ist Unsinn, weil...", dann muss man sich auch nicht wundern, dass die sich weiterverbreiten
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zetdeef
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von zetdeef »

Ich hab mich jetzt nicht durch alle drölfzig Seiten diese Threads gelesen, möchte nur meinen Senf loswerden.

Vorab: Mit dem Thema Transpersonen, Transrechte usw. hab ich mich noch nie beschäftigt,. Es betrifft weder mich, noch Personen in meinem Umfeld. Ich würde mich aber nie gegen Transrechte stellen oder Parteien wählen, die dagegen vorgehen.
Es ist mir alles in allem ... ziemlich egal? Ne das ist zu negativ. Egal mit Sympathien für die Transcommunity, aber ich werd weder dafür noch dagegen auf die Straße gehen?
Ich denke das kann man stehen lassen... :?

Der Podcast hat mir sehr gut gefallen, für mich die richtige Mischung aus Info und Meinung. Vor allem Jochens Aussage "Fünfe grade sein lassen" und "Pick your Battles" (paraphrasiert) fand ich Klasse.
Manchmal hab ich das Gefühl immer "wachsam" sein zu müssen. Aber das macht einen echt kaputt, bzw. mich zumindest.

Und ich werde Hogwarts Legacy auch nicht boykottieren. Spielen werd ichs wahrscheinlich trotzdem nicht. Ich hätte die ganze Zeit die Kontroverse um J.K. Rowling im Hinterkopf und das würde mir die Immersion kaputt machen.

Was ich sehr interessant fand war die Interpretation der Kobold(?)banker.
Ich bin bei sowas supersimpel gestrickt. Wenn mir der Autor/die Autorin sagt: Das sind Kobolde, die sind soundso! Dann denk ich da gar nicht weiter drüber nach, dann sind das halt Kobolde und die sind soundso.
Deswegen liebe ich auch Tolkiens Werke. Orks sind Orks und die sind böse, weil.
Kann man natürlich kritisch sehen, aber wenn ich Fantasy lese/spiele/schaue, dann möchte ich keine Allegorien zur Echtwelt reinlesen.
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Felidae
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Felidae »

zetdeef hat geschrieben: 25. Jan 2023, 20:11 Kann man natürlich kritisch sehen, aber wenn ich Fantasy lese/spiele/schaue, dann möchte ich keine Allegorien zur Echtwelt reinlesen.
Kannst Du natürlich so machen. Da viele Fantasywelten/-geschichten allerdings Echtwelt-inspiriert SIND, ist es nunmal nicht abwegig, sie entsprechend zu interpretieren. Auch, wenn für Dich Orks nur Orks sind - die Nähe vom "Herrn der Ringe" zum kalten Krieg ist recht naheliegend. (Böses Reich im Osten, gegen das sich die freien Völker verbünden müssen und so.)
ZiggyStardust
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von ZiggyStardust »

Peninsula hat geschrieben: 25. Jan 2023, 18:08
Leonard Zelig hat geschrieben: 25. Jan 2023, 17:16 Das war schon lange vor "hart aber fair" ein Problem. Jon Stewart hat das mal sehr schön kritisiert bei Crossfire auf CNN im Jahr 2004:
https://youtu.be/aFQFB5YpDZE
Jon Stewart hat für Apple TV+ auch eine imho sehr gute Folge zum Thema "War Over Gender" gemacht. Bei Youtube gibt es u.a. einen Auszug seines Interviews mit Arkansas Attorney General Leslie Rutledge: https://youtu.be/NPmjNYt71fk (Arkansas hat als erster Staat der USA gender affirming care für Minderjährige verboten)

In diesem Interview wird ein Aspekt deutlich, der - wie ich finde - auch für uns hier relevant ist: Die Disskussion um Transrechte ist nicht primär ein "linkes Projekt", in vielen Fällen wird das Thema zuerst von rechts instrumentalisiert und mit Anekdoten und Bauchgefühlen (bspw. die "Toilettendiskussion") gegen medizinischen Konsens und die empirische Datenlage angekämpft. Im Interview zitiert Stewart immer wieder Fachgremien, die Politikerin entgegnet "Wir haben eben andere Experten gefragt", sagt aber nicht welche.

Ein bisschen so kommt es mir vor, wenn bspw. André zur Begründung seiner Position jede Menge Daten zitiert und ihm trotzdem - ohne auf all diese einzugehen - "Einseitigkeit" vorgeworfen wird. Außer der vehementen Forderung nach einer "Gegenmeinung" und der Aussage, dass man JKRs Aussagen nicht transphob "finde" und sich eben nicht "linken" Vorschriften unterordnen möchte, habe ich aber nicht verstanden, wie diese Gegenmeinung denn über diese rein subjektive Ebene hinaus verargumentiert werden soll.
Kamen von Jon Stewart nicht auch die Antisemitismusvorwürfe? Allerdings hat er diese in einer launigen Podcastrunde geäußert und danach dann klargestellt, dass er Frau Rowling und den Filmemachern keine Absicht unterstellt.
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Jon Zen
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Jon Zen »

Rigolax hat geschrieben: 25. Jan 2023, 17:40 In Bezug auf False Balance: Man kann ja auch durchaus Minderheitsmeinungen als Advocatus Diaboli vertreten in einer Diskussion und sie dann kritisch besprechen/einordnen.
Ja, wenn alle Diskutierenden auf dem gleichen Level sind, dies auch verstehen und sich durch die Aussagen nicht emotional angegriffen fühlen, macht das ggf. Sinn und Spaß.
Jochen macht das ja gerne im Podcast, das finde ich immer wieder gut.
Hier im Forum, bzw. wahrscheinlich in den allermeisten Foren, ist dies schwierig weil die obigen Bedingungen nicht einghalten werden. Dann lesen noch viele nicht den gesamten Kontext und antworten (weil emotinal aufgeladen) trotzdem.
Das führt zum Bruch von Art. 1 der Forenregeln.
Trotzdem ist es oft zielbringender für einen persönlich, wenn man auch mal eine Gegenmeinung in einer Diskussion vertritt, obwohl man nicht diese Meinung hat - um beide Seiten besser verstehen zu können und um seine eigene Meinung, durch die Argumente der Gegenseite (also der eigentlich eigenen Seite :P ), besser verargumentieren zu können.
Rigolax hat geschrieben: 25. Jan 2023, 17:40 Das "erlaubt" m.E. der Zeitgeist aber kaum bzw. ist es mit gewissen Risiken verbunden, benötigt ggf. einiges an Fingerspitzengefühl und die richtige audience.
Ich bin mittlerweile dort zur Meinung gekommen, dass diese Verknüpfung mit dem "Zeitgeist" eine Faktenumkehrung ist. Früher wurden einige Meinungen (z.B. zur Homosexualität, Klimawandel, gesunde Ernährung, Tierwohl, Transsexualität, Rauchen, Alkohol, Gewalt in der Erziehung, "Killerspiele") so hart unterdrückt, dass es den Leuten gar nicht klar war, dass sie dies tun.
Jetzt betrifft der "Gegenschlag" Leute, denen zuvor überhaupt nicht klar war, dass sie selbst "canceln". Zusätzlich kommen die Faktoren der Emotionalität, Geschwindigkeit und Reichweite der sozialen Medien, welche eine Aussage/Diskussion schnell entflammen können.
Wenn man nur innerhalb der Familie und Bekanntschaft diskutiert, hat der soziale Frieden eine höhere Priorität als im Internet (siehe z.B. auch Beleidigungen im Online Gaming).
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Felidae
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Felidae »

Jon Zen hat geschrieben: 26. Jan 2023, 00:28 Früher wurden einige Meinungen (z.B. zur Homosexualität, Klimawandel, gesunde Ernährung, Tierwohl, Transsexualität, Rauchen, Alkohol, Gewalt in der Erziehung, "Killerspiele") so hart unterdrückt, dass es den Leuten gar nicht klar war, dass sie dies tun.
Jetzt betrifft der "Gegenschlag" Leute, denen zuvor überhaupt nicht klar war, dass sie selbst "canceln".
Danke. Das kann man gar nicht genug betonen.

Edit: Zumindest die Älteren sollten noch den Satz "Geh doch nach drüben, wenns Dir hier nicht passt" kennen, mit dem gerne jegliche Kritik an der BRD und der Gesellschaft sofort abgebügelt wurde. Entweder, weil sie ihn gehört haben - oder selbst benutzt.
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Blaight
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Blaight »

Jon Zen hat geschrieben: 26. Jan 2023, 00:28
Ich bin mittlerweile dort zur Meinung gekommen, dass diese Verknüpfung mit dem "Zeitgeist" eine Faktenumkehrung ist. Früher wurden einige Meinungen (z.B. zur Homosexualität, Klimawandel, gesunde Ernährung, Tierwohl, Transsexualität, Rauchen, Alkohol, Gewalt in der Erziehung, "Killerspiele") so hart unterdrückt, dass es den Leuten gar nicht klar war, dass sie dies tun.
Deswegen reagiere ich auch so allergisch auf Kampfbegriffe wie "woke", "cancel culture" oder "social justice warrior". Viele Deiner grob aneinandergereihten Gesellschaftsthemen sind ja für die Betroffenen mit unfassbarem Leid verbunden.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Rigolax »

Na ja, "Cancel Culture", wie man es auch immer nennen will, gibt es in einer gewissen Form m.E. unzweifelhaft; jedenfalls beschreibt es ein Phänomen, das sich gehäuft in den letzten Jahren in den sozialen Medien aber auch allgemein in der Öffentlichkeit beobachten lässt. Die sog. Call-Out-Culture und De-Plattforming kann man ja kaum nicht wahrnehmen.

"woke" ist ein behelfsmäßiger Begriff für eine politische Strömung, die sich in ihrer Ausrichtung von anderen politischen (linken) Strömungen signifikant unterscheidet und in den USA die Rolle einer civil religion zunehmend eingenommen hat für viele, insb. nach BLM, damit "droht" den bisherigen Staatskult (Flaggenverheerung, kapitalistische "Glaubenssätze", "heilige" Texte wie die Verfassung, "Heiligenfiguren" wie die Founding Fathers, ihre "Schöpfungsgeschichte" mit dem "Manifest Destiny" etc.) zu ersetzen (durch eine Betonung historischer Schuld vergleichbar mit der deutschen Erinnerungskultur, die z.B. Gauck, immerhin war der ja mal Bundespräsident, als [edit: für manche] eine Art Substitut für "postreligiöse Gesellschaften" bezeichnet hat[1], der starken Ausrichtung auf Identität und damit einhergehende Rollenbilder, auch gewisse durchaus "Heiligenfiguren" (zu einer solchen wurde teils auch George Floyd stilisiert[2]), allgemein vielen Dogmen, die das moralisch "korrekte" Leben organisieren; "wokeismus" lehnt im Grunde Relativismus ab, aber wird teils in Kontext mit der Postmoderne gesetzt, im Grunde ist es sehr schizophren).

"social justice warrior" könnte man wohl teils als eine Art verkappte Berufsrevolutionäre bezeichnen, wobei es wohl nicht um Revolution geht, aber wenn man sich manche Twitter-Feeds so anguckt, frag ich mich schon a) was die den ganzen Tag denn sonst so machen und b) wie sie zu quasi allem so eine dezidierte Meinung haben können. Okay, vielleicht sitz ich auch etwas im Glashaus. :ugly: Also, na ja, "SJW" ist ein Kampfbegriff, passt imho nicht in einer Reihe mit "Cancel Culture" und "Woke", die ja auch beide AFAIK aus dem linken Bereich stammen eigentlich (edit: bzw. "canceln", nicht "Cancel Culture").

[1] https://taz.de/Antisemitismus-Forscher- ... /!5099217/
[2] vgl. Titelbild, literally: https://www.theguardian.com/books/2022/ ... med-the-us
Zuletzt geändert von Rigolax am 26. Jan 2023, 12:26, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Felidae »

Nur gab es "cancel culture" halt schon immer. Genau DAS ist der Punkt. Von vielen Künstler:innen hat das breite Publikum nie was mitbekommen, weil sie keine öffentliche Bühne bekommen haben. Kabarettisten wie Kittner oder Buchholz waren (so gut wie) nie im TV zu sehen - denn sie waren halt zu links. Genausowenig haben sie Auftritte auf großen Bühnen bekommen - sondern waren die Nische in der Nische.

Der entscheidende Unterschied heute ist tatsächlich nur, dass heutzutage halt AUCH andere "extremere" Positionen in der Öffentlichkeit geächtet werden. Das ist für viele Menschen eine neue Erfahrung, weil es plötzlich IHRE Welt betrifft, zugestanden - aber weiß Gott nix, was an sich neu wäre.

Deshalb ist es schon ein bisschen nervig, wenn neuerdings an allen Ecken und Enden gejammert wird, dass der "Meinungspluralismus" plötzlich eingeschränkt werde. Nein, das ist nicht plötzlich. Es betrifft jetzt nur AUCH andere. DAS ist das, was Jon Zen oben meinte.
Zuletzt geändert von Felidae am 26. Jan 2023, 12:28, insgesamt 1-mal geändert.
Numfuddle
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Numfuddle »

Nein alle diese Begrifge wurden ursprünglich im Millieu der „Centrists“ oder gleich der Ultrakonservativen geprägt.

Es mag sein das (ähnlich zu anderen Schmähbegriffen) sich die so denunzierten den Begriff wieder zu eigen gemacht haben aber die ursprüngliche Verwendung war als Pejorativ
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 26. Jan 2023, 12:22 Deshalb ist es schon ein bisschen nervig, wenn neuerdings an allen Ecken und Enden gejammert wird, dass der "Meinungspluralismus" plötzlich eingeschränkt werde. Nein, das ist nicht plötzlich. Es betrifft jetzt nur AUCH andere. DAS ist das, was Jon Zen oben meinte.
Aber das ist doch nicht per se gut, nur weil es auch "die anderen" trifft. Das geht imho in Richtung resentment politics. Das ist ja alles kritikwürdig. Außerdem gibt es imho teils schon Overreach, weil auch realtiv milde Positionen Ächtung erfahren bzw. als extremer wahrgenommen werden und tituliert werden, als sie tatsächlich sind (vgl. erwähnter Fall um Troy Leavitt; lest mal Artikel dazu und guckt zum Vergleich Leavitts Video über Ben Shapiro in Bezug auf Abtreibung und Transgender; wurde das irgendwo mal "entlastend" angebracht? Stattdessen wird immer seine Nähe zu GamerGate als vermeintliche Smoking Gun betont, die Ursünde des "rechtsoffenen" Gamers oder wie)
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Felidae
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Felidae »

Rigolax hat geschrieben: 26. Jan 2023, 12:31
Felidae hat geschrieben: 26. Jan 2023, 12:22 Deshalb ist es schon ein bisschen nervig, wenn neuerdings an allen Ecken und Enden gejammert wird, dass der "Meinungspluralismus" plötzlich eingeschränkt werde. Nein, das ist nicht plötzlich. Es betrifft jetzt nur AUCH andere. DAS ist das, was Jon Zen oben meinte.
Aber das ist doch nicht per se gut, nur weil es auch "die anderen" trifft. Das geht imho in Richtung resentment politics. Das ist ja alles kritikwürdig. Außerdem gibt es imho teils schon Overreach, weil auch realtiv milde Positionen Ächtung erfahren bzw. als extremer wahrgenommen werden und tituliert werden, als sie tatsächlich sind (vgl. erwähnter Fall um Troy Leavitt; lest mal Artikel dazu und guckt zum Vergleich Leavitts Video über Ben Shapiro in Bezug auf Abtreibung und Transgender; wurde das irgendwo mal "entlastend" angebracht? Stattdessen wird immer seine Nähe zu GamerGate als vermeintliche Smoking Gun betont, die Ursünde des "rechtsoffenen" Gamers oder wie)
Ich schreib ja auch nicht, dass es gut sei. Nur völlig üblich. Und ich bezweifle ernsthaft, dass die meisten Menschen, die sich über "cancel culture" aufregen, glücklich wären, wenn ein linker Kabarettist wie Kittner zukünftig regelmäßig im ARD auftreten würde.

Wir sind im übrigen nicht bei der Urteilsverkündung vor Gericht - "entlastend" funktioniert nur bedingt. Siehe Rowling - dass sie Dumbledore offiziell für schwul erklärt hat, ändert überhaupt nix an dem anderen reaktionären Mist, den sie absondert.
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