Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

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Felidae
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Felidae »

Flo hat geschrieben: 9. Mär 2023, 12:48
Axel hat geschrieben: 9. Mär 2023, 11:46 Aber ich würde mal meinen, dass es die Regel ist, dass man sich als Ostdeutscher in Westdeutschland mindestens mit üblen Klischees ausrinandersetzen muss - bis hin zu offenen Anfeindungen. Insbesondere wenn man noch Dialekt spricht.

Das hat doch nichts mit Hautfarbe oder sexuelle Identität zu tun ob man diskriminiert wird oder nicht.
Die Diskriminierung gegen Ostdeutsche ist auch ein Problem.

Ich habe einer guten Freundin einen Podcast mit ... ich glaube es war Paul Kautz... begonnen vorzuspielen und sie reagierte Spontan mit "Ihiiii... der sächselt ja!". Und jetzt kommts: Diese Freundin ist geboren, aufgewachsen und wohnhaft in Leipzig. Da blieb mir auch erst mal die Sprache weg.

Es gibt sicher noch mehr Arten der Diskriminierung als heteronormativ, weiß, cis und männlich.

Ein fetter dicker Fisch ist auch neurotypisch. Dieser beeinflusst mein persönliches Leben wohl am stärksten. Da geht's neben der gesellschaftlichen stigmatisierung auch darum, dass es keine gesetzliche Gleichberechtigung gibt (Stichwort: Barrierefreiheit). Und ich meine, selbst die Selbsterkenntnis auf medizinischer Ebene steckt noch in den Kinderschuhen.

Ein weiteres Feld ist die krasse soziale Diskriminierung gegen Menschen mit Übergewicht.

Es gibt sicher noch mehr. Und dass ich mich ursprünglich auf die Auswahl heteronormativ, weiß, cis, und männlich beschränkt habe liegt zum Teil daran, weil ich es beim Thema JKR für passend hielt und zum Teil ist es schlicht random gewesen.

Besser wäre es wahrscheinlich gewesen, wenn ich ne Fußnote gesetzt hätte, die drauf hinweist, dass es noch mehr Formen der Diskriminierungen gibt.
Wobei ich sagen würde, dass der weiße heteronormative cis-Mann TROTZDEM immer noch privilegiert ist im Vergleich zu entsprechenden nichtheteronormativen nichtweißen nicht cis-Männern. Denn der dunkelhäutige übergewichtige Mensch wird ja nicht wegen des Übergewichts NICHT diskriminiert, nach dem Motto "Du bist ja eh schon schwarz, das reicht ja". :ugly: Sondern es kommt halt noch oben drauf.

Man muss halt schon immer die passende Vergleichsgröße heranziehen.

Edit: Um es mit einer schwarzhumorigen Anekdote zu unterstreichen: Als der Entertainer Sammy Davis jr. zum Judentum übergetreten ist, gab es den sarkastischen Kommentar "Schwarz und einäugig hat ihm offensichtlich noch nicht gereicht".
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Flo
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Flo »

Felidae hat geschrieben: 9. Mär 2023, 12:52
Wobei ich sagen würde, dass der weiße heteronormative cis-Mann TROTZDEM immer noch privilegiert ist im Vergleich zu entsprechenden nichtheteronormativen nichtweißen nicht cis-Männern. Denn der dunkelhäutige übergewichtige Mensch wird ja nicht wegen des Übergewichts NICHT diskriminiert, nach dem Motto "Du bist ja eh schon schwarz, das reicht ja". :ugly: Sondern es kommt halt noch oben drauf.

Man muss halt schon immer die passende Vergleichsgröße heranziehen.
Ja es ist auf jeden Fall intersektional zu betrachten. Und wenn man es durch diese Brille betrachtet, dann springt einem ausserdem auch sehr schnell in Gesicht, dass z.B. Männer in Medien sozusagen einen Diskriminierungspuffer bekommen hinsichtlich Körperformen. Die Problematik wirkt also noch stärker als wenn man die Dinge unabhängig voneinander betrachtet.

Wobei es mich auch positiv stimmt, den Fortschritt der letzten paar Dekaden, im historischen Kontext zu betrachten. Wie Jochen schon schrieb: Da ist in den letzten 50 Jahren gefühlt so viel geschehen wie in den 500 Jahren zuvor. Dank dem opferreichen Kampf von progressiven Interessensgruppen.

[Edit:] Ich stelle mir intersektionale Diskriminierung manchmal als Würfel vor. Für jedes potentielle Problem kommt ein zusätzlicher Würfel in den Pool. Aber es reicht schon eine gewürfelter 'Miss' um in der jeweiligen Situation Nachteile zu bekommen. Wenn man ne ganze Hand voll Würfel rollt, braucht es schon ausgesprochenes Glück mal keinen einzigen 'Miss' zu würfeln.
Zuletzt geändert von Flo am 9. Mär 2023, 13:26, insgesamt 1-mal geändert.
Mauswanderer
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Mauswanderer »

Felidae hat geschrieben: 9. Mär 2023, 12:29
Axel hat geschrieben: 9. Mär 2023, 12:27
Felidae hat geschrieben: 9. Mär 2023, 11:53 Aber trotzdem haben Ostdeutsche im Vergleich den Luxus, völlig unbehelligt durch Dörfer und Städte laufen zu können. Und nicht allein aufgrund ihres Aussehens oder Verhaltens (im Falle homosexueller Paare) angegriffen zu werden. Das IST ein Unterschied.
Da müssen die ganzen Idioten, die mir damals regelmäßig aufgrund falscher Kleidung und Frisur aufgelauert haben, wohl Einbildungen gewesen sein.
Keine Ahnung, wann "damals" war - ich würde aber von mir selbst sagen, dass ich nicht in der Lage wäre, eine:n Ostdeutsche:n äußerlich von einer:einem Westdeutschen zu unterscheiden. Was sind denn absolut eindeutig ostdeutsche Frisuren?

(Dort, wo ich arbeite, haben wir ostdeutsche Kolleg:innen. Die sehen genauso aus wie die westdeutschen.)
Ich pendel derzeit jede Woche in eine (meinem Empfinden nach allerdings auch sehr dialektarme) ostdeutsche Stadt, und ich kann dort weder im beruflichen noch privaten Umfeld erkennen, ob jemand "Ossi" oder "Wessi" ist, wenn sie mir das nicht sagen oder man es ableiten kann (Senioren, die den Eindruck vermitteln, schon seit Jahrzehnten in der gleichen Wohnung zu leben, tun das ja meistens auch). Es macht halt in der Praxis auch gefühlt absolut keinen Unterschied. Ich kann mir natürlich vorstellen (bzw. muss wohl davon ausgehen), dass da noch Leute sind, deren Denken stark von der DDR geprägt wurde, und bei den "locals" wird davon dann möglicherweise auch etwas haushaltsintern selbst auf Nachwendegenerationen übertragen, aber entweder fehlen mir für sowas die Antennen oder es ist schon so stark verwässert, dass es meinem Empfinden nach überhaupt keine Rolle mehr spielt, ob jemand von dort kommt oder von außerhalb der ehemaligen DDR zugezogen ist.
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Flo
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Flo »

Ostdeutsche Personen in Führungspositionen sind selbst in Ostdeutschland stark unterrepräsentiert.

Ich zitiere hier aus einer Pressemitteilung vom Ostdeutschen Wirtschaftsforum vom 08.06.22, welche sich auf eine Studie der Universität Leipzig beruft*:
Politik: In den Landesregierungen lagen die Anteile Ostdeutscher in den Jahren 1991, 2004 und 2016 bei mindestens 70 Prozent, aktuell liegen sie bei nur noch 60 Prozent. Unter den Staatssekretär:innen ist der Anteil seit 2016 stetig gestiegen auf nunmehr 52 Prozent.

Wirtschaft: In der Leitung der 100 größten ostdeutschen Unternehmen ist der Anteil Ostdeutscher von 52 Prozent (2004) und 45 Prozent (2016) auf 27 Prozent gesunken. Auf der Stellvertreter:innenposition liegt er bei 20 Prozent.

Wissenschaft: 17 Prozent der Hochschulrektor:innen bzw. -präsident:innen der größten ostdeutschen Hochschulen haben eine ostdeutsche Herkunft. Unter den Kanzler:innen sind es 50 Prozent. Die Werte sind im Zeitvergleich stabil. An der Spitze ostdeutsche Forschungsinstitute stieg der Anteil Ostdeutschen von 15 auf 20 Prozent.

Justiz: In der gesamten Richter:innenschaft oberster ostdeutscher Gerichte stieg der Anteil Ostdeutscher stetig auf mittlerweile 22 Prozent nach 13 Prozent im Jahr 2016. Unter den ermittelten Vorsitzenden Richter:innen ging er von knapp 6 auf 4,5 Prozent zurück.

Medien: In den Chefredaktionen der großen Regionalzeitungen ging der Anteil Ostdeutscher von 62 Prozent (2016) auf 43 Prozent zurück. In der jeweiligen Verlagsleitung stieg er von 9 auf 20 Prozent. In den Führungsgremien der drei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die ihr Sendegebiet ganz oder teilweise in Ostdeutschland haben, stieg der Anteil Ostdeutscher stetig an, auf mittlerweile 31 Prozent.
Also ich denke die Diskriminierung von Ostdeutschen in Frage zu stellen, oder gar victim blaming im Sinne von 'Ach wir Wessis sehen Herkunft garnicht, vielleicht sollten Ostdeutsche sich einfach mal aus ihrer Opferrolle herausbequemen' steht sicher nicht zur Debatte. Ist ein schönes Beispiel, wie persönliche Erfahrung und übergeordnete Struktur gerne mal weit auseinander klaffen können.


* Quelle:
https://ostdeutscheswirtschaftsforum.de ... teilungen/
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Felidae
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Felidae »

Flo hat geschrieben: 9. Mär 2023, 13:44
Also ich denke die Diskriminierung von Ostdeutschen in Frage zu stellen, oder gar victim blaming im Sinne von 'Ach wir Wessis sehen Herkunft garnicht, vielleicht sollten Ostdeutsche sich einfach mal aus ihrer Opferrolle herausbequemen' steht sicher nicht zur Debatte.

Sicherheitshalber zur Erinnerung: Mein Einwand war nur, dass Ostdeutsche, obwohl sie Diskriminierung erfahren, immerhin als solche unerkannt und insofern unbehelligt durch Dörfer und Städte laufen können. (Ich schrieb dies auch bewusst im Präsens.) Alles danach resultierte aus Axels Erzählung, er sei aufgrund seiner Kleidung und seiner Frisur gejagt worden. Was ich tatsächlich für recht unwahrscheinlich halte, dass das heute noch passieren könnte.

Dass es zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen auch nach über 30 Jahren Mauerfall recht große Spannungen gibt, die auch zu Diskriminierung führen, bestreite ich keineswegs - in meiner ersten Antwort an Axel war ja der erste Satz "Ja, das gibt es".
Zuletzt geändert von Felidae am 9. Mär 2023, 13:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Felidae
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Felidae »

Floki hat geschrieben: 9. Mär 2023, 13:51
Zwei Punkte dazu: Lehrer war selbst jüdischer Abstammung. Ja, gibt auch jüdische Nazis, ich weiß.
Auf jeden Fall gibt es jüdische Rassisten. Es ist schon hilfreich, die Begrifflichkeiten nicht durcheinanderzuwerfen - ein Nazi ist mit ziemlicher Sicherheit Rassist, aber nicht jeder Rassist ist Nazi.
Mauswanderer
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Mauswanderer »

Flo hat geschrieben: 9. Mär 2023, 13:44 Also ich denke die Diskriminierung von Ostdeutschen in Frage zu stellen, oder gar victim blaming im Sinne von 'Ach wir Wessis sehen Herkunft garnicht, vielleicht sollten Ostdeutsche sich einfach mal aus ihrer Opferrolle herausbequemen' steht sicher nicht zur Debatte. Ist ein schönes Beispiel, wie persönliche Erfahrung und übergeordnete Struktur gerne mal weit auseinander klaffen können.
Weil das halt auch zwei Paar Schuhe sind, die miteinander in Verbindung stehen, aber auch ganz fundamentale Unterschiede aufweisen. Die Aussage war, dass Ostdeutsche im allgemeinen unbehelligt auch in Westdeutschland leben können, und dem kann ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen. Das ist etwas, wovon einige andere Gruppen noch weit entfernt sind.
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Flo
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Flo »

Felidae hat geschrieben: 9. Mär 2023, 13:51 Sicherheitshalber zur Erinnerung: Mein Einwand war nur, dass Ostdeutsche, obwohl sie Diskriminierung erfahren, immerhin als solche unerkannt und insofern unbehelligt durch Dörfer und Städte laufen können. (Ich schrieb dies auch bewusst im Präsens.) Alles danach resultierte aus Axels Erzählung, er sei aufgrund seiner Kleidung und seiner Frisur gejagt worden. Was ich tatsächlich für recht unwahrscheinlich halte, dass das heute noch passieren könnte.
Mauswanderer hat geschrieben: 9. Mär 2023, 13:55 Weil das halt auch zwei Paar Schuhe sind, die miteinander in Verbindung stehen, aber auch ganz fundamentale Unterschiede aufweisen. Die Aussage war, dass Ostdeutsche im allgemeinen unbehelligt auch in Westdeutschland leben können, und dem kann ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen. Das ist etwas, wovon einige andere Gruppen noch weit entfernt sind.
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Rince81
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Rince81 »

Peninsula hat geschrieben: 9. Mär 2023, 12:39 Habe just gestern folgenden Twitterthread gelesen, den ich als Gegenposition spannend finde:
Es ist i.ü. umgekehrt. 'Der' Westdeutsche ist eine Erfindung des Ostens & 'der' #Ostdeutsche zumindest auch ein Ergebnis ostdeutscher Ostalgie, die ein Kollektiv schuf, dass es in der DDR nicht gab & das (sich) heute ost-identitär aufgeladen (selbst & andere) exkludiert.

Die Erzählung, der Westen konstruiere den Osten, um sich selbst zu definieren und müsse sich als Norm selbst nicht als Westen definieren, zeigt vor allem eines: Ein absolutes Desinteresse an der Diversität 'des' Westens, der auf das vorurteilsgeladene Bild des 'Wessis' abstellt.

Konsequent wäre jetzt im übrigen ein Buch, wie der Ost-identitäre Diskurs über den Westen selbst diskriminierend ist. Ein Bild über einen 'woken' Westen, der sich über die 'Sorgen' des Ostens erhebt.
Quelle: https://twitter.com/HerrLuehmann/status ... 8722666496
Uff. Da ist sicher in TEILEN etwas dran, als Gesamtbild glaube ich das aber nicht. Da denke ich eher, dass dem Westen der Osten und auch die Wiedervereinigung meist egal sein konnte, weil es einen persönlich wenig getroffen hat. Ich habe ja schon anderswo erwähnt, dass "Wiedervereinigung" eh ein Euphemismus ist, es war ein Beitritt. Das hatte logischerweise sozial und wirtschaftlich für die meisten im Westen kaum Auswirkungen, vom Zahlen des Solis mal abgesehen. Der Job lief wie bisher, es waren die gleichen Waren im Supermarkt, Urlaub war wie immer und auch im Profifussball blieb man in der Bundesliga nach einem Übergangsjahr wieder weitgehend unter sich. Im Westen musste man sich nicht über den Osten definieren, das hat man längst selbstständig getan.
Im Osten ist das hingegen alles komplett weggebrochen. Ich halte es für völlig normal und nachvollziehbar, dass man sich an irgendwas klammert, was identitätsstiftend wirkt.

Wobei das mittlerweile im Alltag untereinander zumindest in meiner Bubble kaum noch eine Rolle spielt.
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Crenshaw
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Crenshaw »

Rince81 hat geschrieben: 9. Mär 2023, 14:09 Das hatte logischerweise sozial und wirtschaftlich für die meisten im Westen kaum Auswirkungen, vom Zahlen des Solis mal abgesehen.
die größte Auswirkung war ja, das alles so blieb wie es war, der Westen war auf dem Weg in die Rezession und konnte die durch den Beitritt erstmal abwenden, jede Menge teurer Infrastrukturprojekte, neuer Absatzmarkt, dann noch die ganzen Möglichkeiten durch Treuhand, Währungsreform im Osten, da haben viele profitiert (im Westen)
Peninsula
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Peninsula »

Rince81 hat geschrieben: 9. Mär 2023, 14:09
Peninsula hat geschrieben: 9. Mär 2023, 12:39 Habe just gestern folgenden Twitterthread gelesen, den ich als Gegenposition spannend finde:
Es ist i.ü. umgekehrt. 'Der' Westdeutsche ist eine Erfindung des Ostens & 'der' #Ostdeutsche zumindest auch ein Ergebnis ostdeutscher Ostalgie, die ein Kollektiv schuf, dass es in der DDR nicht gab & das (sich) heute ost-identitär aufgeladen (selbst & andere) exkludiert.

Die Erzählung, der Westen konstruiere den Osten, um sich selbst zu definieren und müsse sich als Norm selbst nicht als Westen definieren, zeigt vor allem eines: Ein absolutes Desinteresse an der Diversität 'des' Westens, der auf das vorurteilsgeladene Bild des 'Wessis' abstellt.

Konsequent wäre jetzt im übrigen ein Buch, wie der Ost-identitäre Diskurs über den Westen selbst diskriminierend ist. Ein Bild über einen 'woken' Westen, der sich über die 'Sorgen' des Ostens erhebt.
Quelle: https://twitter.com/HerrLuehmann/status ... 8722666496
Uff. Da ist sicher in TEILEN etwas dran, als Gesamtbild glaube ich das aber nicht. Da denke ich eher, dass dem Westen der Osten und auch die Wiedervereinigung meist egal sein konnte, weil es einen persönlich wenig getroffen hat. Ich habe ja schon anderswo erwähnt, dass "Wiedervereinigung" eh ein Euphemismus ist, es war ein Beitritt. Das hatte logischerweise sozial und wirtschaftlich für die meisten im Westen kaum Auswirkungen, vom Zahlen des Solis mal abgesehen. Der Job lief wie bisher, es waren die gleichen Waren im Supermarkt, Urlaub war wie immer und auch im Profifussball blieb man in der Bundesliga nach einem Übergangsjahr wieder weitgehend unter sich. Im Westen musste man sich nicht über den Osten definieren, das hat man längst selbstständig getan.
Im Osten ist das hingegen alles komplett weggebrochen. Ich halte es für völlig normal und nachvollziehbar, dass man sich an irgendwas klammert, was identitätsstiftend wirkt.

Wobei das mittlerweile im Alltag untereinander zumindest in meiner Bubble kaum noch eine Rolle spielt.
Schreibst du da nicht ziemlich genau das, was in dem Thread steht?
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Rince81 »

Peninsula hat geschrieben: 9. Mär 2023, 14:26 Schreibst du da nicht ziemlich genau das, was in dem Thread steht?
Vom Ergebnis her ja, von der Motivation her nein. Er schreibt da von "ostdeutscher Ostalgie" und da denke ich, dass es nicht "Ostalgie" als Verklärung der DDR war, sondern "Osten" als Herkunft und als "Erfahrungsgemeinschaft". Und in dem zweiten Schritt ist das eben doch irgendwie durch auch die Erfahrungen mit dem "Westen" im Rahmen der Wiedervereinigung entstanden, wo man zwar im selben Land war aber nicht dazugehörte.

Das Endergebnis beschreibt er imho korrekt, den Weg dahin finde ich in dem Twitterthread arg verkürzt.
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Desotho
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Desotho »

Ich setze das mal hier rein. Ein Artikel von Dom. Es geht nicht speziell um Hogwards Legacy, aber um den Umgang mit solchen Kontroversen und die Erwähnung in Form eines Infokastens.
https://netzpolitik.org/2023/linksklick ... politik-pw

Stand jetzt kann ich mich seiner Meinung eigentlich nicht anschließen. ich finde es richtig, dass sich mit den Themen beschäftigt und aufgeklärt wird. Maßnahmen wie eine "bewusst eingeschränkte Berichterstattung" halte ich für überzogen.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Karsten »

Desotho hat geschrieben: 27. Mär 2023, 09:28 Maßnahmen wie eine "bewusst eingeschränkte Berichterstattung" halte ich für überzogen.
Es bleibt ja auch nicht bei Blizzard. Der Sexismus-Skandal aus 2021 betraf ja sogar ganz Activision Blizzard. Wenn man hier zum Bericht-Boykott aufruft, darf man aber auch nicht die vergleichbaren Skandale bei Ubisoft, Riot Games und anderen Unternehmen aus den letzten Jahren unter den Tisch kehren. Dazu die regelmäßigen Crunch-Phasen der Großen wie Rockstar Games, an denen nachweislich Leute kaputt gegangen sind. Obendrauf kommen dann besondere Verknüpfungen wie bei Rowling und Hogwarts Legacy. Eine "Redaktion mit Rückgrat" navigiert sich so schnell in eine Position, in der sie die halbe Industrie auf die schwarze Liste setzen muss.

Und wie lange hält man den Boykott dann aufrecht? Wie lange soll man diese Vorwürfe wertend mit in Tests und Co. einfließen lassen? Nach dem Sexismus-Skandal bei Activision Blizzard mussten ja bereits zahllose Blizzard-Mitarbeiter ihren Hut nehmen. Zudem wurden durch die neue Führung nachweislich mehrere Maßnahmen durchgeführt, um die Situation zu verbessern (auch wenn weiterhin nicht alles optimal bei Blizzard läuft). Und nach außen hin zeigen sich die Teams von WoW, Hearthstone, Diablo und Co. mittlerweile deutlich diverser als es noch vor dem Skandal der Fall war. Wie lange will man diese neu aufgebauten Teams also für all die schlimmen Dinge bestrafen, die von Blizzard-Mitarbeitern getan wurden, die nicht mehr im Unternehmen arbeiten?
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Rince81 »

Desotho hat geschrieben: 27. Mär 2023, 09:28 Stand jetzt kann ich mich seiner Meinung eigentlich nicht anschließen. ich finde es richtig, dass sich mit den Themen beschäftigt und aufgeklärt wird. Maßnahmen wie eine "bewusst eingeschränkte Berichterstattung" halte ich für überzogen.
Dom hat, wie gelegentlich manchmal auch sonst, Recht und den Finger wie häufiger in der richtigen Wunde. Gerade bei Gamestar und -pro habe ich das in den letzten Wochen auch kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Infokasten in jedem Artikel, ansonsten Besprechung und solange das Thema "hot" war tägliche News wie üblich. Gerechtfertigt durch den Pflichtschuldigen Disclaimer.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von CybernetikFrozone »

Gamestar hat informiert wie angeordnet,jetzt müssen die User entscheiden,was sie tun.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von tanair »

CybernetikFrozone hat geschrieben: 27. Mär 2023, 11:46 Gamestar hat informiert wie angeordnet,jetzt müssen die User entscheiden,was sie tun.
Sehe ich auch so. Man kann darüber informieren, aber dieses Info-Protest muss nicht sein. Jeder User darf sich seine eigenen Meinung bilden. Das Unterscheidet Journalismus von Propaganda.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Mauswanderer »

tanair hat geschrieben: 27. Mär 2023, 12:17
CybernetikFrozone hat geschrieben: 27. Mär 2023, 11:46 Gamestar hat informiert wie angeordnet,jetzt müssen die User entscheiden,was sie tun.
Sehe ich auch so. Man kann darüber informieren, aber dieses Info-Protest muss nicht sein. Jeder User darf sich seine eigenen Meinung bilden. Das Unterscheidet Journalismus von Propaganda.
Nicht jeder redaktionelle Inhalt bei Gamestar ist auch ein journalistischer. Auf Gamestar.de (ohne + zumindest) ist das IMHO sogar nur ein sehr kleiner Teil.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Felidae »

Natürlich darf sich jede:r Nutzer:in eine eigene Meinung bilden. Aber umgekehrt kann auch jedes journalistische Erzeugnis sagen, "wir verzichten auf Artikel xy zum Thema yz WEIL". Nur weil ich Anspruch drauf habe, mich über Spiel XY zu informieren und mir eine eigene Meinung zu bilden, habe ich noch lange keinen Anspruch darauf, dies (beispielsweise) bei der Gamestar zu tun.

Doms Wünsche dürften übrigens im Lauf der Zeit durchaus Realität werden. Vor einigen Jahren war es noch völlig undenkbar, dass eine Spielezeitschrift sich überhaupt mit sowas wie Arbeitsbedingungen oder politischen Hintergründen von Spielen/Urheber:innen beschäftigt hätte. Bei Modern Warfare2 wurde noch ein großes Bohei drum gemacht, ob es Aufgabe einer Spielezeitschrift sei, eine Mission wie "Kein Russisch" ethisch-moralisch zu hinterfragen. Da hat sich extrem viel getan - und die Entwicklung wird auch weitergehen, mit jeder neuen Generation an Redakteur:innen. Und Artikel wie Doms sorgen dafür, dass das ganze in Bewegung bleibt.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von tanair »

Mauswanderer hat geschrieben: 27. Mär 2023, 12:28
tanair hat geschrieben: 27. Mär 2023, 12:17
CybernetikFrozone hat geschrieben: 27. Mär 2023, 11:46 Gamestar hat informiert wie angeordnet,jetzt müssen die User entscheiden,was sie tun.
Sehe ich auch so. Man kann darüber informieren, aber dieses Info-Protest muss nicht sein. Jeder User darf sich seine eigenen Meinung bilden. Das Unterscheidet Journalismus von Propaganda.
Nicht jeder redaktionelle Inhalt bei Gamestar ist auch ein journalistischer. Auf Gamestar.de (ohne + zumindest) ist das IMHO sogar nur ein sehr kleiner Teil.
Ja mag ja sein, aber sie sollen dennoch einfach über die Spiele berichten, ohne Moralapostel zu spielen. Z.B. will ich Atomic Heart nicht spielen, weil es mir zu nah an Russland ist, aber das ist nur meine Meinung / meine persönliche Entscheidung. Ich würde nicht vorschreiben, dass man über das Spiel nicht berichten darf, oder es boykottieren / canceln muss. Eine Infobox, dass es die und die Probleme mit dem Spiel gibt ist m.M.n. ausreichend.

Daher teile ich die Meinung von Dom nicht.
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