"20 Jahre Sexismus bei Gamestar?"

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otium
Beiträge: 6
Registriert: 21. Aug 2018, 11:46

Re: "20 Jahre Sexismus bei Gamestar?"

Beitrag von otium »

Sir Horny Headcrab hat geschrieben: 22. Aug 2018, 01:36 Also bitte bannt mich jetzt nicht direkt, aber ich kann irgendwie noch nicht ganz verstehen, was daran so schlimm ist. Also ja seriös ist anders aber man hat es doch nun verboten bei der Gamestar noch lange bevor irgendein Shitstorm ins Haus geweht ist. Verletzt wurde doch nun niemand. Finde da beruft sich jemand als Staatsanwalt wo es gar keinen Kläger gibt. Und "Unterdrückung von Frauen" sieht meiner Meinung nach anders aus als "welche dieser Pixel Frauen findet ihr hübscher?". Lasse mich aber gerne eines besseren belehren.
Sie haben es hast es ja so gewollt Sir Horny Headcrab! :-) Ich versuch mal eine unter vielen Erklärung. Mit erhoben Zeigefinger belehren will ich aber damit nicht und hoffe sehr auch das es nicht so ankommt.

'Unterdrückung' in einem enge Sinn verstanden ist hier vielleicht tatsächlich erstmal der falsche Begriff. Schließlich reden wir hier nicht von repressiven Gesetzten gegenüber Frauen oder anderen Formen institutionalisierter (also von diversen (Verwaltungs-)Ämtern organisierte) Gewalt. Auch die gibt es in Deutschland!

'Unterdrückung' bedeutet ja aber auch schlicht, jemanden seinen Platz zuweisen und ihn, und das ist wichtig weil nur so erfüllt sie ihren herrschaftssichernden Aspekt, das Individuum in dieser Position auch zu fixieren. Ein Mechanismus der dabei eine Rolle spielt ist der der 'Objektivierung' nennen. Ich versuch das mal am Gamestarbeispiel, wenn auch unterkomplex, zu erläutern. Achtung: Ich unterstelle dabei einfach das die Gamestar in erster Linie ein Jugendmagazin ist. Für mich war sie das auf jeden Fall damals. Und dafür sprechen ja auch schon die Babes-Duelle, das ist für den Durchschnitt der Mitte 30er glaube ich total belangloser Clickbait. Das riecht doch schon als hätte sich da jemand sein Marktsegment angeschaut und gesagt: "Oh seht, wir werden hauptsächlich von jugendlichen Männern konsumiert! Die wollen doch bestimmt T*** sehen während sie sich vor ihrem Rechner "langweilen"!" Anyways, folgendes Szenario um den Versuch zu machen zu erklären was das alles mit Unterdrückung zu hat:

Vier Jugendliche sind befreundet. Drei verstehen sich als Männer und eine als Frau. Alle interessieren sich für Spiele. Alle lesen die Gamestar. Soweit so egalitär. Nun können wir uns alle vorstellen wie wir uns so mit 16/17 gefühlt und ausgesehen haben und hier muss sich ja auch niemand in die Tasche lügen: Wir waren alle ziemlich unsicher und unerfahren. Wir orientieren uns nicht nur sexuell, wir suchen nach einem Platz in der Gesellschaft. Manche glücklicherweise auch nicht, die machen sich dann daran die Gesellschaft zu erneuern, weil sie ihnen keinen Platz zuerkennen möchte. Wir alle suchen aber mehr oder weniger aber nach Rollenvorbildern und Orientierung.

Wie dem auch sei, konfrontiert mit den Babes-Duellen ist die Message an unseren hypothetischen Freundeskreis nicht für jeden aus der Runde dieselbe. Diejenigen die sich aus der Runde als Männer verstehen lernen: Meine Rolle als Mann ist es über das Aussehen von Frauen zu urteilen. Frauen müssen folgenden Schöhnheitsidealen genügen, sie bestimmen die Wertigkeit einer Frau. Und vielerlei solcher impliziter Botschaften werden hier vermittelt. Diese Botschaften kommen aber auch bei der Person an die sich als Frau versteht und sie lernt eben genau dieser Rollenerwartung genügen zu müssen und weil die Botschaft eben ist darin keine aktive Rolle einzunehmen, auch an ihrem vorgesehen Platz zu bleiben. Die Frau als Mensch wird hier zu einem Objekt. Und selbstverständlich haben wir es dann mit Unterdrückung zu tun. Natürlich ist es unterdrückend in einem Umfeld aufzuwachsen in dem du verinnerlichen sollst, dass du immerzu sexy sein musst und die Macht darüber zu entscheiden was dein Selbstwertgefühl ausmacht an andere abzugeben hast. Ich glaube das reicht um zu veranschaulichen, dass wir es hier mit sehr gewaltsamen Prozessen zu tun haben die Deformierungen bei jedem Einzelnen hinterlassen.

"Verletzt" werden in dem Sinn übrigens ja nicht nur diejenigen die sich als Frauen verstehen: Es wird ja auch denen die sich als Männer verstehen gezeigt was sie begehren und wer sie sein sollen. Was ist denn wenn einer der Sechzehnjährigen aus unserem Freundeskreis dickere Frauen anziehend findet oder Frauen mit Bärten oder Männer? Oder einer den in Spielen ja auch vorgemachten männlichen Idealen nicht genügen kann und eben "kein richtiger Mann" ist? -- Womit ich sagen will: (fast) Alle Beteiligten gewinnen wenn sie sich auf emanzipative Veränderungen einlassen, weil wir, um nur zwei der vielen Punkte zu nennen, alle so in unserer Entwicklung weniger unterdrückt und weniger entfremdet von unserem Begehren wären. Ich bin mir sicher das würde unsere Gesellschaft um ein erheblich Maß lebenswerter machen. Wieviele Menschen später Psychotherapeuten oder Ähnliches aufsuchen, weil sie nicht in der Lage sind befriedigende Beziehungen zu Anderen aufzubauen, ist einer der Indikatoren dafür wie kaputt das alles macht.

"Was daran so schlimm ist", ist das der gesamte Komplex nun wirklich ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und keins der Gamestar oder der 'Gamingcommunity'. Und weil die Gesellschaft patriarchal und herrschaftsförmig organisiert ist, werden wir auch alle patriarchal und herrschaftsförmig zurechtgestutzt. … Nicht zuletzt übrigens um als Arbeiter und Konsumenten möglichst reibungslos zu funktionieren, aber das führt zu weit (°-°)
Jochen

Re: "20 Jahre Sexismus bei Gamestar?"

Beitrag von Jochen »

JanTenner hat geschrieben: 22. Aug 2018, 14:04Der 'Did you just assume my gender' Witz ist sogar ein richtiger Klassiker. Wie gesagt, man muss das nicht lustig finden. Aber ich sehe das auch wie Etienne... you choose to be offended.
Dann könnte ich auch "Witze" à la "Was gehört in jedes Nazi-Auto - ein Vergaser!" reißen und anschließend sagen: Ist doch ein Klassiker? You chose to be offended! Immer diese Schneeflöckchen-Juden! Die Frage ist eben nicht, ob und warum sich jemand "aussucht", verletzt zu sein (als ob das ein Lichtschalter wäre, den man nach Belieben ein- und ausschalten kann) - sondern ob diejenigen es verdient haben, dass man sich über sie lustig macht. Wenn Monty Python dem Christentum vor den Karren pinkelt und damit die religiösen Gefühle vieler Menschen verletzt, dann ist das eine Sache, denn hier sprechen wir über eine Religion, die Millionen von Menschen auf dem Gewissen hat. Ich wüsste allerdings nicht, was Transgender-Menschen jemals irgendwem getan hätten. Warum sollte ich mich öffentlich über die lustig machen und ihnen ihr ohnehin wahrscheinlich schon schwieriges Leben noch ein klein bisschen schwieriger machen? Was haben die mir (oder irgendwem sonst) je getan? Und warum sollte ich dann noch einen draufsetzen und sie dafür verantwortlich machen, dass sie verletzt sind, wenn ich über sie lache? Das ist für mich so ziemlich der Gipfel von Anstandslosigkeit.
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Sir Horny Headcrab
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Re: "20 Jahre Sexismus bei Gamestar?"

Beitrag von Sir Horny Headcrab »

otium hat geschrieben: 22. Aug 2018, 14:15
Sir Horny Headcrab hat geschrieben: 22. Aug 2018, 01:36 Also bitte bannt mich jetzt nicht direkt, aber ich kann irgendwie noch nicht ganz verstehen, was daran so schlimm ist. Also ja seriös ist anders aber man hat es doch nun verboten bei der Gamestar noch lange bevor irgendein Shitstorm ins Haus geweht ist. Verletzt wurde doch nun niemand. Finde da beruft sich jemand als Staatsanwalt wo es gar keinen Kläger gibt. Und "Unterdrückung von Frauen" sieht meiner Meinung nach anders aus als "welche dieser Pixel Frauen findet ihr hübscher?". Lasse mich aber gerne eines besseren belehren.
Sie haben es hast es ja so gewollt Sir Horny Headcrab! :-) Ich versuch mal eine unter vielen Erklärung. Mit erhoben Zeigefinger belehren will ich aber damit nicht und hoffe sehr auch das es nicht so ankommt.

'Unterdrückung' in einem enge Sinn verstanden ist hier vielleicht tatsächlich erstmal der falsche Begriff. Schließlich reden wir hier nicht von repressiven Gesetzten gegenüber Frauen oder anderen Formen institutionalisierter (also von diversen (Verwaltungs-)Ämtern organisierte) Gewalt. Auch die gibt es in Deutschland!

'Unterdrückung' bedeutet ja aber auch schlicht, jemanden seinen Platz zuweisen und ihn, und das ist wichtig weil nur so erfüllt sie ihren herrschaftssichernden Aspekt, das Individuum in dieser Position auch zu fixieren. Ein Mechanismus der dabei eine Rolle spielt ist der der 'Objektivierung' nennen. Ich versuch das mal am Gamestarbeispiel, wenn auch unterkomplex, zu erläutern. Achtung: Ich unterstelle dabei einfach das die Gamestar in erster Linie ein Jugendmagazin ist. Für mich war sie das auf jeden Fall damals. Und dafür sprechen ja auch schon die Babes-Duelle, das ist für den Durchschnitt der Mitte 30er glaube ich total belangloser Clickbait. Das riecht doch schon als hätte sich da jemand sein Marktsegment angeschaut und gesagt: "Oh seht, wir werden hauptsächlich von jugendlichen Männern konsumiert! Die wollen doch bestimmt T*** sehen während sie sich vor ihrem Rechner "langweilen"!" Anyways, folgendes Szenario um den Versuch zu machen zu erklären was das alles mit Unterdrückung zu hat:

Vier Jugendliche sind befreundet. Drei verstehen sich als Männer und eine als Frau. Alle interessieren sich für Spiele. Alle lesen die Gamestar. Soweit so egalitär. Nun können wir uns alle vorstellen wie wir uns so mit 16/17 gefühlt und ausgesehen haben und hier muss sich ja auch niemand in die Tasche lügen: Wir waren alle ziemlich unsicher und unerfahren. Wir orientieren uns nicht nur sexuell, wir suchen nach einem Platz in der Gesellschaft. Manche glücklicherweise auch nicht, die machen sich dann daran die Gesellschaft zu erneuern, weil sie ihnen keinen Platz zuerkennen möchte. Wir alle suchen aber mehr oder weniger aber nach Rollenvorbildern und Orientierung.

Wie dem auch sei, konfrontiert mit den Babes-Duellen ist die Message an unseren hypothetischen Freundeskreis nicht für jeden aus der Runde dieselbe. Diejenigen die sich aus der Runde als Männer verstehen lernen: Meine Rolle als Mann ist es über das Aussehen von Frauen zu urteilen. Frauen müssen folgenden Schöhnheitsidealen genügen, sie bestimmen die Wertigkeit einer Frau. Und vielerlei solcher impliziter Botschaften werden hier vermittelt. Diese Botschaften kommen aber auch bei der Person an die sich als Frau versteht und sie lernt eben genau dieser Rollenerwartung genügen zu müssen und weil die Botschaft eben ist darin keine aktive Rolle einzunehmen, auch an ihrem vorgesehen Platz zu bleiben. Die Frau als Mensch wird hier zu einem Objekt. Und selbstverständlich haben wir es dann mit Unterdrückung zu tun. Natürlich ist es unterdrückend in einem Umfeld aufzuwachsen in dem du verinnerlichen sollst, dass du immerzu sexy sein musst und die Macht darüber zu entscheiden was dein Selbstwertgefühl ausmacht an andere abzugeben hast. Ich glaube das reicht um zu veranschaulichen, dass wir es hier mit sehr gewaltsamen Prozessen zu tun haben die Deformierungen bei jedem Einzelnen hinterlassen.

"Verletzt" werden in dem Sinn übrigens ja nicht nur diejenigen die sich als Frauen verstehen: Es wird ja auch denen die sich als Männer verstehen gezeigt was sie begehren und wer sie sein sollen. Was ist denn wenn einer der Sechzehnjährigen aus unserem Freundeskreis dickere Frauen anziehend findet oder Frauen mit Bärten oder Männer? Oder einer den in Spielen ja auch vorgemachten männlichen Idealen nicht genügen kann und eben "kein richtiger Mann" ist? -- Womit ich sagen will: (fast) Alle Beteiligten gewinnen wenn sie sich auf emanzipative Veränderungen einlassen, weil wir, um nur zwei der vielen Punkte zu nennen, alle so in unserer Entwicklung weniger unterdrückt und weniger entfremdet von unserem Begehren wären. Ich bin mir sicher das würde unsere Gesellschaft um ein erheblich Maß lebenswerter machen. Wieviele Menschen später Psychotherapeuten oder Ähnliches aufsuchen, weil sie nicht in der Lage sind befriedigende Beziehungen zu Anderen aufzubauen, ist einer der Indikatoren dafür wie kaputt das alles macht.

"Was daran so schlimm ist", ist das der gesamte Komplex nun wirklich ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und keins der Gamestar oder der 'Gamingcommunity'. Und weil die Gesellschaft patriarchal und herrschaftsförmig organisiert ist, werden wir auch alle patriarchal und herrschaftsförmig zurechtgestutzt. … Nicht zuletzt übrigens um als Arbeiter und Konsumenten möglichst reibungslos zu funktionieren, aber das führt zu weit (°-°)
Ich persönlich habe die Gamestar nie als Jugendmagazin verstanden. Das Hobby Zocken wird vielleicht viel von jungen Leuten ausgelebt aber die Gamestar ansich empfand ich von den deutschen Spielemagazinen schon als die "erwachsenste". Wenn man es als Jugendmagazin versteht, dann gebe ich dir recht. Da gehört sowas nicht rein. Aber wenn nicht... Naja Pornographie etc gibts ja auch. Und es ist ja nix falsch daran zu sagen "schlanke Frauen mit großen Brüsten finde ich am schönsten". Und wenn das nun mal die meisten Männer und Frauen tuen, dann ist das so. Ich als Mann muss auch damit leben, dass große Männer oft attraktiver wirken oder die Kerle ohne Glatze und mit Waschbrettbauch. Von einem dicken Bankkonto ganz zu schweigen.

Eine Gesellschaft zu erschaffen, in der sich keiner auf den Schlipps getreten fühlt, wird nicht funktionieren. Es wird immer wieder etwas neues geben, woran sich Leute stören. Natürlich sollte man deshalb nicht aufhören zu versuchen sich zu verbessern. Aber man muss auch ab einem gewissen Punkt eine Grenze erkennen und eine Linie ziehen.

Naja glaube was mir am wichtigsten ist, ist folgendes: Ja die Babe Duelle hätte man sich sparen können, wirken einfach etwas peinlich. Sie sind ja aber eingestellt worden und darum ist der Artikel (wenn man eine Sammlung von Tweets so nennen will) meiner Meinung nach einfach überzogen und im viel zu krassen Ton geschrieben.
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DickHorner
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Registriert: 30. Aug 2018, 10:26

Re: "20 Jahre Sexismus bei Gamestar?"

Beitrag von DickHorner »

Jochen hat geschrieben: 22. Aug 2018, 15:50Die Frage ist eben nicht, ob und warum sich jemand "aussucht", verletzt zu sein (als ob das ein Lichtschalter wäre, den man nach Belieben ein- und ausschalten kann) - sondern ob diejenigen es verdient haben, dass man sich über sie lustig macht.
Es ist halt so, dass es Dir - oder wem auch immer - nicht zusteht darüber zu urteilen ob es jemand verdient hat, dass Witze über den Betreffenden gemacht werden. Deshalb ist die Frage für mich eine andere; Witze zu Lasten einer benachteiligten Gruppe sind für mich ein no-go. Besonders wenn man Teil einer Gruppe ist, die für die Benachteiligung sorgt. Und am Beispiel des weißen, gesunden, nordeuropäischen Mannes sind das dann eben Dunkelhäutige, Menschen mit Behinderung, Ausländer und Frauen, um nur mal die offensichtlichen Beispiele zu nennen.

edit: jetzt sind wir aber echt ganz schön weit weg vom Sexismus der Gamestar :)
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