CUII und der game Verband.

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Soetti666
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CUII und der game Verband.

Beitrag von Soetti666 »

In letzter Zeit ist es etwas ruhiger um Art. 13/17 geworden. Nun gibt es aber eine erste "private" Lösung zur Regulierung der Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet. Die Clearingstelle Urheberrecht im Internet, kurz CUII. Diese "unabhängige Stelle" wurde in Kooperation von verschiedenen Providern und Verbänden (unter anderem auch dem game) ins Leben gerufen und hat sich zum Ziel gesetzt, Urheberrechtsverletzungen im Netz anzugehen. Das Ganze passiert unter Ausschluss des Rechtswegs, das würde ja auch zu lange dauern. Sperren werden zwar von einem ehemaligen Richter geprüft, aber von keiner staatlichen Stelle.
Ist das der erste Schritt zur privaten "Zensur" des Internets? Oder wird das nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
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Soetti666
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Soetti666 »

Hier ein kleines Video der WBS zu dem Thema:
https://youtu.be/DSDjgK9PdTE

Und ein Link zur Internetpräsenz der CUII:
www.cuii.info/ueber-uns/
Rince81
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Rince81 »

Soetti666 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 07:21 IIst das der erste Schritt zur privaten "Zensur" des Internets? Oder wird das nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
Nein und das Essen ist eiskalt. :ugly:

Zuerst muss man bei Videos wie dem von WBS immer vorsichtig sein. Der ist kein Internetaktivist, der ist Rechtsanwalt mit einem Youtubekanal zum Marketing und zur Mandantengenerierung.

DNS-Sperren gegen Webseiten, bei denen es massenhaft Urheberrrechtsverletzungen gibt es seit langem und sind geltendes Recht in Deutschland. Siehe zum Beispiel:
https://www.golem.de/news/constantin-fi ... 32715.html
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DickHorner
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von DickHorner »

Rince81 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 08:33 DNS-Sperren gegen Webseiten, bei denen es massenhaft Urheberrrechtsverletzungen gibt es seit langem und sind geltendes Recht in Deutschland. Siehe zum Beispiel:
https://www.golem.de/news/constantin-fi ... 32715.html
Ja, aber nicht unter Umgehung des Rechtswegs.
Rince81
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Rince81 »

Was ist der Rechtsweg? Muss sich jeder einzelne Provider in jedem einzelnen Fall verklagen lassen, mit dem sicheren Wissen, dass er diesen Rechtsstreit ohnehin verliert und die Kosten am Ende tragen muss? Ich sehe das im Fall von offenkundigen rechtsverletzung daher ziemlich entspannt. Man muss kein rechtsstreit um die seite www.aktuelle-kinofilmezumdownload2021.de führen wenn es dort genau das gibt was in der Domain beworben wird.
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lolaldanee
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von lolaldanee »

Stellt euch vor, euer Telefonanbieter oder die Post leitet euch einfach Anrufe/Briefe zu einer anderen Adresse um, wenn ihr versucht jemanden anzurufen. Genau das und nichts anderes passiert hier. Das Ganze ist ein Skandal obersten Ranges.

(technisch gesehen wurde das Telefonbuch/Adressbuch umgeschrieben, aber naja)

Müsste man nicht sogar eigentlich Anspruch auf Schadensersatz haben? Schließlich zahlt man seinen Provider genau dafür, und er erbringt seine Leistung nicht. Mein Bäcker kann mir auch nicht einfach keine Semmeln geben, auch wenn ich dafür im Vorraus schon zahle, nur weil er grade beschließt Semmeln sind doof und ich soll lieber Brot essen

Cyberpunk Juhu, Konzerne entscheiden schön was wir sehen dürfen und was nicht. Die Internetprovider sind eben eben keine Bäcker, die ich einfach wechseln kann, mit den Lizenzen das Internet zu verkaufen kommt natürlich auch eine Verantwortung die sie Wahrzunehmen haben. Ohne Wenn und Aber. Hier entscheiden immer noch Gerichte, wenn etwas zensiert werden soll, und nicht random Typ xyz
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HerrReineke
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von HerrReineke »

Rince81 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 09:14 Was ist der Rechtsweg? Muss sich jeder einzelne Provider in jedem einzelnen Fall verklagen lassen, mit dem sicheren Wissen, dass er diesen Rechtsstreit ohnehin verliert und die Kosten am Ende tragen muss? Ich sehe das im Fall von offenkundigen rechtsverletzung daher ziemlich entspannt. Man muss kein rechtsstreit um die seite www.aktuelle-kinofilmezumdownload2021.de führen wenn es dort genau das gibt was in der Domain beworben wird.
Man könnte auch ein rechtsförmliches Verfahren einführen, bei dem die Rechteinhaber nicht die Provider verklagen, sondern bei einem zuständigen Gericht einen Antrag stellen, bei dem die Provider als Beteiligte mitwirken können (übrigens ähnlich, wie es das in § 14 Abs. 4 und 5 TMG hinsichtlich der Bestandsdatenauskunft gibt). Dies würde einen direkten Rechtsweg eröffnen und das vorhandene Problem nicht über außergerichtliche Clearingstellen lösen. Dies hätte den weiteren Vorteil, dass die Gerichte eine Rechtsprechung hierzu entwickeln könnten, die gerade für Grenzfälle wichtig wird. Jetzt liegt es zuvorderst an der CUII möglicherweise notwendige Grenzziehungskriterien zu entwickeln, die dann wiederum nur mittelbar durch Gerichte kontrolliert werden könnten. Für mich ein unnötiges Über-Bande-Spielen.

Julia Reda hat auch einen lesenswerter Bericht zu dieser Thematik verfasst (und noch einen Beitrag zusammen mit Joschka Selinger im Verfassungsblog).
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Rince81 »

Es geht aber um die offensichtlich rechtswidrigen Seiten. Grenzfälle sind wieder was völlig anderes.
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Darkcloud
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Darkcloud »

Rince81 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 18:25 Es geht aber um die offensichtlich rechtswidrigen Seiten. Grenzfälle sind wieder was völlig anderes.
Nein geht es nicht. Es ist sogar explizit eine Formulierung drin, das es nicht nur darum geht.

Aus dem verlinkten Artikel in dem Verfassungsblog:
Doch genau dazu schickt sich die CUII an, indem sie in ihrem Verhaltenskodex erklärt, dass auch solche Webseiten gesperrt werden können, auf denen legale Inhalte wiedergegeben werden. Und zwar dann, „wenn es sich in Bezug auf das Gesamtverhältnis von rechtmäßigen zu rechtswidrigen Inhalten um eine nicht ins Gewicht fallende Größenordnung von legalen Inhalten handelt“ und „den Internetnutzern durch die Sperre der Webseite nicht unnötig die Möglichkeit vorenthalten wird, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erlangen“.
Außerdem hat das jemand mit einer aktuell bestehenden richterlichen Befugnis zu entscheiden und nicht irgend ein privater träger. Mit einer Netzneuralität die den Namen auch nur im ansatz verdient ist das bestimmt nicht vereinbar.
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Rince81 »

Darkcloud hat geschrieben: 30. Mär 2021, 20:48
Rince81 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 18:25 Es geht aber um die offensichtlich rechtswidrigen Seiten. Grenzfälle sind wieder was völlig anderes.
Nein geht es nicht. Es ist sogar explizit eine Formulierung drin, das es nicht nur darum geht.

Aus dem verlinkten Artikel in dem Verfassungsblog:
Doch genau dazu schickt sich die CUII an, indem sie in ihrem Verhaltenskodex erklärt, dass auch solche Webseiten gesperrt werden können, auf denen legale Inhalte wiedergegeben werden. Und zwar dann, „wenn es sich in Bezug auf das Gesamtverhältnis von rechtmäßigen zu rechtswidrigen Inhalten um eine nicht ins Gewicht fallende Größenordnung von legalen Inhalten handelt“ und „den Internetnutzern durch die Sperre der Webseite nicht unnötig die Möglichkeit vorenthalten wird, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erlangen“.
Eine Downloadseite für Bücher, bei denen es die Spiegel Top 100 Bestseller zum offensichtlich illegalen Download gibt und die dann noch ein gemeinfreies Buch anbietet ist nach wie vor eine offensichtlich rechtswidrige Webseite.

Das ist sicher eine spannende Diskussion für den juristischen Elfenbeinturm. Ich sehe da aber in der Praxis kein besonderes Problem und auch keinen weiteren Schritt in Richtung 1984, sondern "business as usual" auf Basis der geltenden Rechtslage.
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HerrReineke
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von HerrReineke »

Rince81 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 18:25 Es geht aber um die offensichtlich rechtswidrigen Seiten. Grenzfälle sind wieder was völlig anderes.
Das halte ich für reine Wortklauberei: Denn ich ersetze die notwendige Grenzziehung von nicht-rechtswidrig zu rechtswidrig nur mit der Grenzziehung zwischen offensichtlich rechtswidrig zu allen anderen (inkl.: nicht rechtswidrig). Und auch die muss in meinen Augen durch Gerichte festgelegt werden. Es entscheidet also erstmal immer noch kein Gericht darüber, was denn nun (offensichtlich) rechtswidrig ist und was nicht.

Und in vielen Fällen ist die Abgrenzung zwischen offensichtlich rechtswidrig und nicht rechtswidrig leider die exakt selbe Grenze wie zwischen "nur" rechtswidrig und nicht rechtswidrig. Denn die Bejahung/Verneinung eines einzigen Tatbestandsmerkmals kann das gesamte Ergebnis komplett kippen. Ich halte hier die Grenze deshalb effektiv nicht für höher, nur weil man von offensichtlichen Rechtsverletzungen spricht.
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Rince81 »

HerrReineke hat geschrieben: 30. Mär 2021, 21:07 Denn die Bejahung/Verneinung eines einzigen Tatbestandsmerkmals kann das gesamte Ergebnis komplett kippen. Ich halte hier die Grenze deshalb effektiv nicht für höher, nur weil man von offensichtlichen Rechtsverletzungen spricht.
Wir reden hier aber explizit vom Urheberrecht. Da es sich hierbei um ein absolutes Recht handelt ist diese Prüfung in der Praxis ziemlich einfach.
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HerrReineke
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von HerrReineke »

Rince81 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 21:31 Wir reden hier aber explizit vom Urheberrecht. Da es sich hierbei um ein absolutes Recht handelt ist diese Prüfung in der Praxis ziemlich einfach.
Vielleicht möchte ich mir nur einreden, dass eine jahrelange Ausbildung und Fortbildungen nicht komplett unsinnig waren, weil es in Wirklichkeit doch viel einfacher ist alles, aber dieser Annahme möchte ich vehement widersprechen :D
Unnötig viele Beispiele^^Show
Kann eine Webseite, auf der alle Inhalte ausschließlich mittels Framing bereitgestellt werden, offensichtlich rechtswidrig sein? Muss man dafür - neben der Rechtswidrigkeit auf der Ursprungsseite - auch feststellen, ob die Ursprungsseite technische Schutzmaßnahmen gegen Framing ergriffen hat? Oder kommt es da vielmehr auf tatsächliche Lizenzen der eigentlichen Rechteinhaber an rechtmäßige Lizenznehmer an? Wie steht es bei einer Webseite voller Fotos von urheberrechtlich geschützen Bauwerken, die mittels Drohnen aus dem geschützen Luftraum der jeweiligen Eigentümergrundstücken aufgenommen wurden? Ist das Ergebnis anders, wenn die Fotos nicht mit einer Drohne, sondern aus einem Kleinflugzeug im öffentlichen Luftraum aus mit Hilfe starker Kameraobjektive aus großer Distanz erstellten wurden? Wie steht es mit dem Beispiel, das Julia Reda in ihrem Beitrag gemacht hat: Webseiten, die Stream-Ripping-Tools anbieten, die quasi dual-use sind? Oder wie wäre es mit einer Datenbank zu extrem kurzen Sampler-Soundfiles? Macht es einen Unterschied, wenn es eine Webseite ist, in der ordnungsgemäß lizenzierte Musik angeboten wird, in der aber in jedem Track solche Sampler genutzt werden?
Es hat schon seinen Grund, warum es auch im Urheberrecht Rechtsstreitigkeiten gibt, die Gerichte teilweise über Jahrzehnte über verschiedene Instanzen beschäftigen und dabei sogar unterschiedliche Ergebnisse produzieren. Und sogar in diesen Urteilen finden sich stellenweise Formulierungen, nach denen die jeweiligen Spruchkörper die Sache für offensichtlich hielten - nur um eine anderslautende vorinstanzliche Entscheidung aufzuheben und Jahre später selbst von höherer Instanz aufgehoben zu werden.
Rince81 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 21:02 Das ist sicher eine spannende Diskussion für den juristischen Elfenbeinturm.
Es sind vor allem Fragen, die meiner Ansicht nach in juristischen Elfenbeingerichtssälen verhandelt und entschieden gehören. Denn auch, wenn manches nur für Jurist:innen spannende Fragen sein mögen: Sie müssen dann halt auch von entsprechenden Richter:innen entschieden werden. Das macht für mich einen Rechtsstaat aus. Von mir aus kann man auch eine Verwaltungsbehörde damit betrauen, gegen deren Entscheidungen dann der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen ist. Aber diese Entscheidungen der Privatwirtschaft selbst zu überlassen, halte ich für verfehlt. Und das aus mehr Gründen als nur, um juristische Grenzfälle über Grundrechtseingriffe auch durch Gerichte entscheiden zu lassen.
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Andreas29 »

Anstatt darüber zu diskutieren, ob es jetzt um illegale oder legale Inhalte geht, würde ich mir eher Gedanken darum machen, was denn alles illegal ist.

Man sieht ja auch gerade an der der neuen Urheberrechtsreform für Youtube&Co., dass es quasi extrem enge Schranken geben wird... zumindest wenn man seinen Kanal kommerziell betreibt. Zitate sind nur in lächerlich kleinen Umfang erlaubt und selbst dann haben die Urheber noch das Recht einzugreifen. Satire und Parodie ist eine Ausnahme, aber was das ist, entscheidet letztlich Youtube, also wieder ein privates Unternehmen, dass eher auf der sicheren Seite sein möchte.

Hierzu der Youtuber RobBubble: https://www.youtube.com/watch?v=B2_O1N_d-oY
Ich gucke wie gesagt Kino+ von RBTV und die müssen jetzt schon ihre Trailerschau mittlerweile in ein nicht-monetarisiertes Video auslagern, weil sie geclaimt werden. Und das, obwohl das vollkommen legal ist. Denn sie bekommen z.B. von Warner Deutschland die Erlaubnis einen Trailer zu zeigen, aber Warner Indien claimt das dann.

Und der eigentliche Skandal ist, dass CUII eben keine staatliche Stelle ist, die hier Netzsperren ausspricht, sondern privat betrieben wird.
Der Staat ist mit ähnlichen Vorhaben stets mit Verfassungsbedenken gescheitert (siehe Zensursula)... es kann doch nicht sein, dass das jetzt ein privater Zusammenschluss macht.

Dass man Seiten á la Kinox.to sperrt ist denke ich vollkommen in Ordnung, aber man weiß nicht, ob dann da halt gemacht wird.
Rince81
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Rince81 »

HerrReineke hat geschrieben: 30. Mär 2021, 23:35 Vielleicht möchte ich mir nur einreden, dass eine jahrelange Ausbildung und Fortbildungen nicht komplett unsinnig waren, weil es in Wirklichkeit doch viel einfacher ist alles, aber dieser Annahme möchte ich vehement widersprechen :D
Unnötig viele Beispiele^^Show
Kann eine Webseite, auf der alle Inhalte ausschließlich mittels Framing bereitgestellt werden, offensichtlich rechtswidrig sein? Muss man dafür - neben der Rechtswidrigkeit auf der Ursprungsseite - auch feststellen, ob die Ursprungsseite technische Schutzmaßnahmen gegen Framing ergriffen hat? Oder kommt es da vielmehr auf tatsächliche Lizenzen der eigentlichen Rechteinhaber an rechtmäßige Lizenznehmer an? Wie steht es bei einer Webseite voller Fotos von urheberrechtlich geschützen Bauwerken, die mittels Drohnen aus dem geschützen Luftraum der jeweiligen Eigentümergrundstücken aufgenommen wurden? Ist das Ergebnis anders, wenn die Fotos nicht mit einer Drohne, sondern aus einem Kleinflugzeug im öffentlichen Luftraum aus mit Hilfe starker Kameraobjektive aus großer Distanz erstellten wurden? Wie steht es mit dem Beispiel, das Julia Reda in ihrem Beitrag gemacht hat: Webseiten, die Stream-Ripping-Tools anbieten, die quasi dual-use sind? Oder wie wäre es mit einer Datenbank zu extrem kurzen Sampler-Soundfiles? Macht es einen Unterschied, wenn es eine Webseite ist, in der ordnungsgemäß lizenzierte Musik angeboten wird, in der aber in jedem Track solche Sampler genutzt werden?
Es hat schon seinen Grund, warum es auch im Urheberrecht Rechtsstreitigkeiten gibt, die Gerichte teilweise über Jahrzehnte über verschiedene Instanzen beschäftigen und dabei sogar unterschiedliche Ergebnisse produzieren. Und sogar in diesen Urteilen finden sich stellenweise Formulierungen, nach denen die jeweiligen Spruchkörper die Sache für offensichtlich hielten - nur um eine anderslautende vorinstanzliche Entscheidung aufzuheben und Jahre später selbst von höherer Instanz aufgehoben zu werden.
Deine Beispiele ist hier sind wirklich unnötig, da nicht praxisrelevant. :ugly: Es geht in der Praxis um das Anbieten von urheberrechtlich geschützten Werken von Dritten und das ist eine einfache Prüfung die man wirklich nicht jedes mal vor und in Gegenwart von mehreren Volljuristen führen muss. :ugly:
Es sind vor allem Fragen, die meiner Ansicht nach in juristischen Elfenbeingerichtssälen verhandelt und entschieden gehören. Denn auch, wenn manches nur für Jurist:innen spannende Fragen sein mögen: Sie müssen dann halt auch von entsprechenden Richter:innen entschieden werden.
Zählt der BGH mittlerweile nicht mehr?
https://www.heise.de/ct/artikel/Analyse ... 93920.html
Wenn man sich die Informationen auf der Seite dieser "Clearingstelle" ansieht, dann merkt man, dass sie sich exakt im Rahmen dessen bewegen, was der BGH hier im Bereich für zulässig hält, der BGH hat dort sogar ausgeführt, dass es nicht nur illegaler Inhalte bedarf.
Von mir aus kann man auch eine Verwaltungsbehörde damit betrauen, gegen deren Entscheidungen dann der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen ist. Aber diese Entscheidungen der Privatwirtschaft selbst zu überlassen, halte ich für verfehlt.
Auf der Seite der Clearingstelle:
https://cuii.info/ueber-uns/
Die Empfehlung des Prüfausschusses erfolgt jeweils einstimmig und nur bei eindeutigen Urheberrechtsverletzungen. Die Empfehlung wird der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) übermittelt. Ergibt die Prüfung durch die Bundesnetzagentur, dass eine DNS-Sperre unter den Maßgaben der Netzneutralitätsverordnung (Verordnung (EU) 2015/2120) unbedenklich ist, teilt die CUII dies den Internetzugangsanbietern und den Antragstellern mit.
Da prüft eine Verwaltungsbehörde.

Andreas29 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 23:54 Und der eigentliche Skandal ist, dass CUII eben keine staatliche Stelle ist, die hier Netzsperren ausspricht, sondern privat betrieben wird.
Der Staat ist mit ähnlichen Vorhaben stets mit Verfassungsbedenken gescheitert (siehe Zensursula)... es kann doch nicht sein, dass das jetzt ein privater Zusammenschluss macht.

Dass man Seiten á la Kinox.to sperrt ist denke ich vollkommen in Ordnung, aber man weiß nicht, ob dann da halt gemacht wird.
Es geht exakt um die Sperrung solcher Seiten. Die Beteiligen Rechteinhaber und Provider haben nur keine Lust mehr sowas jedes mal mit den entsprechenden Kosten gerichtlich "klären" zu lassen wenn das Ergebnis dieser Klärung aufgrund der geltenden Rechtslage eh bereits feststeht.
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Rigolax
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Rigolax »

Wie läuft das bei der "Clearingstelle" eigentlich genau ab: Gibt's da Anhörungsmöglichkeiten für potentiell künftig gesperrte Anbieter, Widerspruchsverfahren; gibt's da einen Beirat, sind die Rechenschaft schuldig, gibt's Transparenzpflichten? Die sind ja eine Selbstregulierung, sogar irgendwie ko-staatlich durch die Bundesnetzagentur.

Ich weiß ja nicht, hat leicht privatisiert-dystopischen Anstrich imho, dem Trend des NetzDG folgend. Ist auch eh reichlich Don-Quixote-mäßig imho: die erste gesperrte Seite ist direkt unter neuer Domain wieder online und DNS-Sperren sind ja wirklich nicht schwer zu umgehen (da wird imho wirklich fast niemand faktisch technisch ausgeschlossen). Fragt sich, was das dann bringen soll, außer irgendwas zu machen, irgendwie zu ächten oder eben den Weg für künftig potentiell härtere Maßnahmen zu ebnen.

Und wie groß ist der Schaden von tatsächlich "strukturell urheberrechtsverletzenden Webseiten" wirklich, nutzen solche Plattformen denn nicht auch: gerade finanziell weniger gut Gestellte erhalten dadurch kulturellen Zugang? Oder wie ist es um die Archivfunktion durch solche Seiten? Sind solche Studien eigentlich noch aktuell: https://netzpolitik.org/2017/eu-kommiss ... tlichkeit/ ("In general, the results do not show robust statistical evidence of displacement of sales by online copyright infringements."). Gleichen die Vorteile, vielleicht 5% mehr Umsatz, diese Nachteile aus?

Ich hoffe dann aber zumindest, dass deren Sperrempfehlungen kompetenter sind als die Verlautbarung zum Jugendmedienschutzrecht in ihrem FAQ:
"Das Jugendmedienschutzrecht unterscheidet zwischen absolut unzulässigen Inhalten, deren Besitz und Verbreitung für jedermann in Deutschland verboten und strafbewehrt ist, und solchen Inhalten, die grundsätzlich erlaubt sind und aufgrund ihrer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung bloß Kindern und Jugendlichen gegenüber nicht zugänglich gemacht werden dürfen."
https://cuii.info/faq/

Da kann man froh sein, dass die auch tatsächlich nicht jugendschutzrechtlich tätig sein wollen. Warum das imho totaler Quatsch auf mehreren Ebenen ist, pack ich aber in einen Spoiler, da relativ off-topic und ich eh den Eindruck habe, dass ich tendenziell exzessiv zu dem Thema hier schreibe.
SpoilerShow
Also der Teil bezieht ja offenkundig auf den JMStV. Dieser unterscheidet aber nicht nur zwischen "absolut unzulässigen Inhalten" (§ 4 Abs. 1 ) und "entwicklungsbeeinträchtigenden" Angeboten (§ 5), sondern auch "relativ unzulässigen Inhalten" nach § 4 Abs. 2 (u.a. Standard-Pornografie), also nur zulässig mit Altersverifikation für geschlossene Benutzergruppen, was grundsätzlich auch unter § 4 JMStV läuft, der etwas irreführend "unzulässige Angebote" betitelt ist.

Die vermeintlich "absolut unzulässigen Inhalten" dürfen natürlich aber auch noch besessen werden, wo kommen wir denn da hin...Also zur Erinnerung, das betrifft einen Haufen (hochgradig kulturell relevanter) wegen Gewaltdarstellung nach § 131 StGB inkriminierter Medien, von denen ich mir sicher bin, dass ein nicht geringer Teil im Forum hier eines besitzt, sei es ein Spiel oder Film, ggf. auch nur früher inkriminiert gewesene Medien; das betrifft sogar nur auf Listenteil B/D-indizierte Medien, die nicht einmal je von einem Gericht beschlagnahmt worden, sondern halt nur von einem pluralistisch besetzten Behördengremium auf eine Liste gesetzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 11).

Dazu kommt, dass nach dem JMStV nur gewisse "offensichtlich schwer jugendgefährdende" Medien strafbewehrt sind, gemäß § 23. (Da auch das schöne Wort "offensichtlich" wieder.) Der Großteil ist nach dem JMStV eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24, also droht keine Freiheits-/Geldstrafe, sondern nur Bußgeld.

"bloß Kindern und Jugendlichen gegenüber nicht zugänglich gemacht werden dürfen" im Kontext von entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten ist auch falsch wegen akzeptierten Möglichkeiten wie das Kennzeichnen für Jugendschutzprogramme (JusProg), Uhrzeitsperren, (relativ wenig anforderungssreiche) technische Mittel, Angebotstrennung oder sog. geschlossene Systeme (wie bei der Nintendo Switch).

Na ja, das deutsche Rechtssystem ist halt kompliziert. Q.E.D. ;) Will mir auch nicht anmaßen, der letzte Experte zu sein und nie falsch zu liegen bei dem Thema. Aber so'n Quatsch eh.
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Rince81 »

Rigolax hat geschrieben: 31. Mär 2021, 01:08 Wie läuft das bei der "Clearingstelle" eigentlich genau ab: Gibt's da Anhörungsmöglichkeiten für potentiell künftig gesperrte Anbieter, Widerspruchsverfahren; gibt's da einen Beirat, sind die Rechenschaft schuldig, gibt's Transparenzpflichten? Die sind ja eine Selbstregulierung, sogar irgendwie ko-staatlich durch die Bundesnetzagentur.
Anhörungsmöglichkeiten während des Verfahrens gibt es nicht. Dieses Verfahren nämlich kommt nur dann in Betracht, wenn diese Anbieter nicht ermittelt werden können. Sprich das Impressum ist nicht vorhanden oder Fake, entsprechende Auskunftsverfahren haben nicht funktioniert und die Anbieter haben erfolglos weitere Schritte (Detektiv/Strafanzeige) probiert - das erfüllt so die Anforderungen des BGH an Netzsperren.
Sie veröffentlichen anscheinend ihre Empfehlungen und damit Sperren auf der Webseite. Gehst man dann auf eine gesperrte Seite und nutzt den DNS-Server eines beteiligten Providers wirst man hierhin weitergeleitet:
https://notice.cuii.info/
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Darkcloud »

HerrReineke hat geschrieben: 30. Mär 2021, 23:35
Es sind vor allem Fragen, die meiner Ansicht nach in juristischen Elfenbeingerichtssälen verhandelt und entschieden gehören. Denn auch, wenn manches nur für Jurist:innen spannende Fragen sein mögen: Sie müssen dann halt auch von entsprechenden Richter:innen entschieden werden. Das macht für mich einen Rechtsstaat aus. Von mir aus kann man auch eine Verwaltungsbehörde damit betrauen, gegen deren Entscheidungen dann der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen ist. Aber diese Entscheidungen der Privatwirtschaft selbst zu überlassen, halte ich für verfehlt. Und das aus mehr Gründen als nur, um juristische Grenzfälle über Grundrechtseingriffe auch durch Gerichte entscheiden zu lassen.
Sehe ich auch so. Aber eigentlich ist das sowieso die Falsche Seite der Herangehensweise. Wenn Provider sich entscheiden DNS-einträge auf ihren DNS-Servern zu ändern ist das erst mal eine Privatwirtschaftliche Entscheidung Privatwirtschaftlicher Unternehmen. Die Frage ist dann aber, dürfen die das denn Rechtlich gesehen? Da wäre zunächst mal die Einschränkung , dass die Provider dadurch das sie ehemalig staatliche Unternehmen sind oder ehemals staatliche Infrastruktur übernommen haben besondere Pflichten haben. Auch haben sie besondere Pflichten, da sie über große Teile der Infrastruktur ein Monopol haben. Sie müssen diese deshalb zum Beispiel zu annehmbaren Preisen untervermieten.

Das Monopol hier sorgt dafür, dass zumindest so ziemlich jeder Standardmäßig konfigurierte internetzugang von den Sperren betroffen ist. Jeder der einen alternativen DNS einträgt nicht mehr. Könnte man also die Frage stellen ob hier so ein Monopol überhaupt besteht. Der viel wichtigere Punkt für die Frage ob die das dürfen ist aber das Gesetzt zur Netzneutralität. Denn nach dem dürfen Datenströme nicht "einfach so" beeinflusst werden. Die Bundesnetzagentur wird von der Clearingstelle aber befragt. Sie ist mit dem Verfahren auch einverstanden.

Nur ist die Bundesnetzagentur halt teil der Exekutive und nicht der Legislative. Ich denke früher oder später wird es dann klagen geben die letzendlich bis zum EUGH gehen wo dann entschieden wird, ob das vorgehen in ordnung ist.
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Re: CUII und der game Verband.

Beitrag von Rince81 »

Darkcloud hat geschrieben: 31. Mär 2021, 16:38 Die Frage ist dann aber, dürfen die das denn Rechtlich gesehen?
Sie dürfen nicht, sie müssen. Siehe Beispielsweise die Sperre von Kinox.to durch Vodafone.
https://netzpolitik.org/2018/netzsperre ... speichern/
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