Schöner thread, der Einstieg ist aber denkbar schwer, da ich gefühlt zu jedem zweiten Absatz gerne etwas schreiben würde. Ich denke das Thema des künstlerischen Werts des Mediums Spiel wird uns noch lang verfolgen, weswegen ich erst mal kurz ein paar Sätze zu der folgenden These droppen will und dann auch schon wieder gtfouttahere-e, weil müde.
Nachtfischer hat geschrieben:Was unbedingt noch angemerkt werden muss, ist, dass die Kunstform (meinetwegen gerne auch "das Handwerk") Game-Design einfach noch verdammt jung ist.
Das Problem ist leider, dass jung Anfang des 20. Jahrhunderts ≠ jung Ende des 20. Jahrhunderts ist, was man auch persönlich als teenager im Gespräch mit den Eltern und Großeltern zu spüren bekommt. Worauf ich abziele ist die Tatsache, dass das Medium Spiel sich in einer Zeit entwickelt hat, in der Mediendistribution und -/vermarktung auch eine Revolution erlebt haben, vor allem durch das Fernsehen (siehe die populäre Musikszene vor und nach MTV), den PC und das Internet. Andere etablierte Kunstformen wie z.B. die Musik, Literatur, Malerei oder sogar der Film hatten den Luxus eine noch relativ unbekümmerte Jugend erleben zu dürfen, womit sich sowohl Künstler als auch ein Publikum für sämtliche Ausprägungsformen der entsprechenden Kunstform entwickeln konnten.
Das Computerspiel wird diesen Luxus leider nie genießen können. Das Medium wächst in einer unheimlich medienbewussten und "vermarktungsbewussten" Gesellschaft auf, was seine Entwicklung stark einschränkt. Es erinnert fast ein wenig an junge Sportlerkarrieren mit Talenten von Weltklasseformat: Im US-Basketball ist es momentan so, dass bereits Highschool-/ oder Collegetalente bereits massiv vermarktet werden, es wird ein Haufen Geld mit ihnen gemacht, shoedeals unterzeichnet, bevor sich die Jungen überhaupt fertig entwickelt haben. Die Vermarktungsmöglichkeiten sind so enorm, dass sich niemand wirklich darum kümmert, wie das Talent jetzt wirklich konkret gefördert werden soll und stattdessen wird es so früh wie möglich gemolken und nachher beschwert man sich darüber, dass aus diesem Welttalent doch nichts wurde. Die Spieler kümmern sich weniger um ihr Talent, da sie bereits viel zu früh in ihrer Karriere viel zu sehr belohnt werden und letztendlich wird aus der großen Karriere nichts und das Talent verkommt.
Und dasselbe trifft mMn nach auf das Medium Spiel zu: Necessity is the mother of invention. Das Medium leidet (bzw. zumindest der populäre AAA Teil der Branche) momentan massiv unter Publishingdruck und gleichzeitig ist es auch in diesen Bereichen bereits viel zu komot, weil es bereits eine etablierte Einnahmequelle nicht für Publisher, sondern eben auch für die "Künstler" ist, weswegen ich mich mittlerweile weigere, hier von Kunst zu sprechen. Das Ziel in diesem Teil der Branche ist Unterhaltung und Profit, was jetzt keine verabscheuungswürdige mögliche win/win Situation für Produzenten wie auch Konsumenten ist, aber das Medium von seinem kunstgeschichtlichen Katechismus leider komplett entfremdet, wenn er denn jemals existiert hat, da sich das Computerspiel ja weniger als künstlerische, sondern vielmehr als technologische Konsequenz entwickelt hat, wenn man betrachtet, wer die Frühwerke so gemacht hat in den ersten Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten. Verweise auf eine mögliche glorreiche Zukunft sind irgendwie für die Katz, wenn man die Umgebung betrachtet, in der sich das Medium in Zukunft entwickeln soll.
Deswegen zählt für mich das Argument "aber es ist doch jung" leider nicht bzw. nur sehr wenig. Ein Teil der Filmszene anfangs des 20. Jahrhunderts hat sich bereits von Beginn an demonstrativ bekannt zu seinem kunstgeschichtlichen Kontext, was man z.B. im Film der Weimarer Republik und seiner Beziehung zum Expressionismus sehr leicht erkennen kann. Der Kunstfilm hat zwar durchaus einige Schläge einstecken müssen und ist vor allem auf europäischer Seite bei weitem weniger populär als noch vor 50 Jahren, aber er hat Bestand. Wenn mich jemand nach der "Kunstspielszene" fragen würde, hätte ich große Schwierigkeiten, hier die größten Künstler der letzten Jahrzehnte zu benennen, weil ich nicht mal weiß, wo diese Szene wirklich zu finden wäre. Ich hab mittlerweile vergessen, wie der Kerl hinter Silent Hill 2 heißt, aber im Zweifel eben der. Es ist unheimlich viel auf der technischen Seite entwickelt worden (Grafik/Sound/Input devices/Genres/Spielmechaniken), aber in Sachen Expressivität hat das Medium gefühlt es noch nicht mal vernünftig versucht (bzw versuchen dürfen). Hier fehlen mir sowohl die (gescheiterten) Versuche als auch die Visionäre bzw. die Künstler, die das Medium überhaupt in diese Richtung entwickeln wollen. Ich hör von niemandem, der nach diesem Ideal des Kunstspiels strebt. Personen wie Ken Levine, die ja durchaus ernst zu nehmen sind, sind viel mehr Autoren als wirklich visionäre Gamedesigner. Ich sags ja echt nicht gern, weil ich die Metal Gear Reihe nicht besonders mag und Kojima ein schrecklicher Autor ist, aber Kojima ist wahrscheinlich in Sachen Expressivität im gamedesign (wenn man SuperBunnyHops Video zu MGS2 Glauben schenken darf) im AAA Bereich wahrscheinlich noch Vorreiter. Kojima!!
Nichtsdestotrotz möchte ich jetzt nicht nur miesepetrig sein, es gibt durchaus schöne Beispiele in der "Indieszene", die wegweisend sein könnten. Hier stecken die meisten Künstler/Projekte noch in den Kinderschuhen, aber wer weiß, vielleicht wirds ja was. Ein sehr interessantes Beispiel aus diesem Jahr: Ich kann nicht behaupten, dass es für mich als Kunstwerk wirklich besonders gut funktioniert, weil es mir im wesentlichen seine Bedeutung vorbetet, aber The Beginner's Guide war z.B. durchaus eine sehr erfrischende Erfahrung, weniger weil das Spiel qualitativ so hochwertig ist, sondern viel mehr, weil der Erzähler das präsentierte Werk so verblüffend ernst nimmt und sich intensiv mit der Ausdruckskraft des Mediums Spiel auseinandersetzt. Ein anderes Beispiel aus diesem Jahr wäre Undertale, das es wirklich schafft, Interaktion mit Ausdruck im Einklang zu bringen bzw. zumindest irgendwie aufeinander zu beziehen. Gone Home habe ich denke ich in einem ähnlichen Kontext schon mal erwähnt.