bluttrinker13 hat geschrieben: ↑4. Nov 2018, 20:57
Also was mich gestört hat ist, neben den teilweise in egozentrischen Kitsch abdriftenden Monologen und dem ganzen Flair einer Therapiesession für gutgläubige Positivisten, vor allem eines: das mit dem Haus, seiner Bedrohlichkeit, seinem "Hunger" (it digests, we are an unfinished meal for it etc.) und seiner Macht (!) hat am Ende überhaupt keinen Sinn mehr gemacht. Am Ende hat das Haus garnichts böses gemacht, Null. Vater hat sich entschlossen Selbstmord zu begehen, um mit seiner Familie (der tote Teil) zusammen sein zu können, wie ein notwendiges Opfer wirkte es auf mich nicht. Alle drei wirkten dazu recht happy, zumindest happier als noch im reallife. Hinzu kommt das grundsätzlich das Haus als eine Art jenseitige Spielwiese mit Option auf endloses Leben verklärt wurde. Entweder ich habe da was nicht mitbekommen, oder das ist ein krasser Bruch in der Erzählung. Noch dazu die Änderung des Originalen "walk alone" in "walk together". War das Haus jetzt nur alleine und missverstanden und wollte Spielgefährten haben, damit es nicht "leer" ist? Omfg...
Wenn man sich Erklärungen über das Ende im Internet ansieht, erkennt man dass es gar nicht so einfach ist, die Story schlüssig zusammenzufassen bzw. überhaupt eine in sich logische Erklärung zu finden. Ich muss zugeben dass ich mir jetzt wo ich das Ende kenne, die Serie eigentlich ein weiteres Mal ansehen müsste um auf Details zu achten (will ich aber nicht, da ich so oder so vom Ende enttäuscht bin). Zum Beispiel sind Anspielungen auf den roten Raum und seine Bedeutung bereits in früheren Folgen vorhanden, nachzulesen hier (sehr interessant):
https://www.moviepilot.de/news/spuk-in- ... en-1112502
All das ist ja clever gemacht und beinahe unmöglich vorauszusehen, dennoch trägt es nicht zum Gesamtverständnis der Story bei. Für mich bleibt unklar wie das Böse im Haus funktioniert. Vielleicht ist mir auch etwas entgangen, aber selbst wenn es so wäre, spricht es nicht für eine gute Geschichte.
Einerseits soll das Haus ein Hort des Bösen sein, an dem sich Ängste der sich dort aufhaltenden Personen widerspiegeln (“Geister sind Schuld. Geister sind Geheimnisse. Geister sind Schuldgefühle und Fehler.”), andererseits gibt es auch tatsächlich Geister, nämlich an diesen Ort gebundene Seelen, die - so wie sie in der Serie dargestellt werden nicht nur böse sind. Das Haus wird als etwas Böses beschrieben, dass sich von Personen nährt - aber wie eigentlich? Es kann kein Seelenfresser sein, denn sonst müsste es Seelen verschlingen und auslöschen und diese könnten dort nicht für immer bleiben. Würde es sich nur von den Ängsten nähren, dann würde es die Personen nicht töten wollen, aber die Heimsuchungen würden Sinn ergeben. Sogar dann, wenn diese vom unsichtbaren Bösen nur in der Phantasie der dort lebenden Menschen erzeugt wird (oder auch als Spukerscheinung die gezielt aufgrund der Psyche der Betroffenen erzeugt wird). Aber in diese Richtung geht es nicht. Ebenso wenig würde eine Erklärung funktionieren, die darauf abzielt, dass alle Monstererscheinungen nur in der Psyche der Menschen existiert haben (im Aufbahrungsraum haben zwei Leute das Grauen gesehen, das Rumpeln in den Räumen ist real).
Die Erklärung mancher Webseiten, dass sich alles nur in den Köpfen der Leute abgespielt haben soll ist nicht tragbar. Es ist schon so, dass sich all diese Ereignisse wirklich zugetragen haben und auch die Ereignisse in der letzten Folge sind dahingehend eindeutig und keine Auslegungssache. Der Vater hat sich geopfert und die gezeigten Geister wie der Geist des Vaters oder das Mädchen der Bediensteten sind real. Es ist zwar kein richtiges Happy End, da Familienmitglieder gestorben sind, aber man weiß dass die verbliebenen Geschwister nun ihre Ruhe haben werden, auch wenn sie von den Erlebnissen traumatisiert bleiben.
Der Ursprung von Hill House wird von den Machern bewusst vage gehalten, aber es geht deutlich hervor, dass es übernatürliche Kräfte besitzt und "Nahrung" in Form der Seelen benötigt. Ich denke entscheidend für die Erklärung sind die Szenen in denen die Geschwister in der letzten Folge im roten Raum sind und von Nelly gerettet werden, kurz bevor sie sich endgültig im Albtraum verlieren, der ihnen vom Haus (oder vom Bösen im Haus) suggeriert wird. Man könnte nun annehmen dass das die wahre Bösartigkeit ist und die Art wie sich das Haus Seelen einverleibt, nämlich in dem es die Bewohner tötet und die Seelen einen immerwährenden Albtraum erleben lässt, um sich von ihren Ängsten zu nähren. Bei genauer Betrachtung ist diese Erklärung ebenfalls widersprüchlich, denn sonst würden nicht andere Seelen im Haus frei herumlaufen und mit den Bewohnern interagieren. Es Es sei denn dass diese nur reine Fiktion in den Köpfen der Protagonisten waren und vom Haus nur erschaffen wurden um die Bewohner zu ängstigen. Das wird nicht deutlich erklärt und auch diese Überlegung hält einer genauen Überprüfung nicht stand. Ich habe es eher so verstanden, dass das Haus empfängliche Menschen für seine Zwecke benutzt, was man auch sehr gut an der Entwicklung der Mutter erkennen kann, die nach und nach dem Wahnsinn verfällt und glaubt ihre Kinder nur dadurch retten zu können, in dem sie sie tötet. Mir persönlich war auch nicht klar, ob es am Ende wirklich die Mutter war, die im Haus mit dem Vater interagiert hat oder nicht das Böse selbst, dass nur ihre Form angenommen hat. Zwar sagt sie dem Vater, dass er sich nur eingebildet hat, dass sie ihn als Geist über all die Jahre hinweg begleitet hat, aber ist das wirklich so? Hier haben es die Macher meiner Meinung nach versäumt für ein klares Verständnis zu sorgen und das wäre an der Stelle wichtig gewesen. Für mich bleibt die Ungewissheit ob es der Geist der Mutter war, der hier noch wirkt oder ob es nicht in Wirklichkeit das Böse selbst war, dass den Vater zum Bleiben verführt hat.
Die Erklärung der Bedeutung des roten Raumes stellt zwar eine interessante Wendung in der Geschichte dar, aber so ganz klar ist mir nicht, was es damit auf sich hat. Nell bezeichnet das rote Zimmer zunächst als Herz, dann schließlich als Magen des Hauses, in dem die Seelen verdaut werden. In der Kindheit war der Raum der positive Gegenpol zu den negativen Erlebnissen, sodass die Kinder eine Art Bindung zum Haus aufbauen konnten, was wiederum widersprüchlich ist, denn keines der Kinder wollte je wieder zurück, nachdem sie das Haus nach der albtraumhaften Nacht verlassen hatten. Im Erwachsenenalter werden den "Kindern" im roten Zimmer die negativen Aspekte der Außenwelt vor Augen geführt, um sie im Haus gefangen zu halten. Davor werden sie immer wieder in ihrem Leben dass sie als Erwachsene fernab vom Haus führen, von den Mächten heimgesucht um sie wieder dorthin zu locken - etwa um sich dem Bösen zu stellen wie Nell oder Luke. Das wären zwar ansatzweise Erklärungen, aber wirklich eindeutig ist nichts. Es hätte mich nicht gestört, wenn ein paar Dinge bewusst offen geblieben wären, die Raum zur Interpretation lassen, aber hier wurde es versäumt die Hauptgeschichte - insbesondere die Motive des Bösen - deutlich zu erklären und das macht es für mich zu einer schlechten Geschichte, bei der ich mir am Ende verarscht vorkomme.
Egal wie man das auslegt, eines ist klar: eindeutig ist das Psychospiel, welches das Haus mit der Crain-Familie treibt nie. Für mich sind es aber keine cleveren Psychospiele infolge einer Überlegenheit des Bösen, die schwer oder unmöglich zu durchschauen sind, sondern eher die Folgen einer zum Schluss hin wirren Story-Line, der man nicht mehr genau folgen kann. Es ist auch keine der Geschichten die so gut geschrieben sind, dass man erst im Nachhinein versteht worum es eigentlich geht, denn sonst gäbe es im Internet nicht unterschiedliche Interpretationen. Es ist eine brilliant inszenierte Geschichte mit einem derart schwachem Ende, dass es eigentlich die gesamte Handlung im Nachhinein ad absurdum führt und ruiniert.