Die These der Filterblase

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Don Mchawi
Beiträge: 414
Registriert: 8. Nov 2017, 08:44

Die These der Filterblase

Beitrag von Don Mchawi »

Moin,

in den letzten Jahren und im Umfeld von The Pod insbesondere in den letzten Wochen fand die Filterblase vermehrt Erwähnung.
Mich würde mal interessieren, wie ihr das Thema seht.
Aus dem Podcast höre ich raus, dass Andre etwa relativ häufig seine eigene Filterblase erwähnt, um damit eigene gesellschaftliche Warnehmungen in einen relativierenden Kontext zu setzen ('Aus meiner Filterblase heraus habe ich den Eindruck, dass ...').
Jochen hat sich ja schonmal deutlich dazu geäußert, dass er nicht viel von der These von in jüngerer Zeit mit Sozialen Netzwerken aufgekommenden Filterblasen hält, sondern viel mehr in der modernen Kommunikations- und Medienwelt alte Filterblasen aufbrechen sieht.

Ich persönlich finde den Begriff von Filterblasen für Diskussionen sehr hilfreich, habe es aber nie so für mich verstanden, dass erst durch die neuen Medien diese Blasen aufkamen. Für mich gab es schon immer Filterblasen, die aber vielleicht erst seit kurzem so benannt werden und damit natürlich ein wenig an die Newsfilter von Facebook etc anspielen.
Ich würde Jochen dahingehend zustimmen, dass heute Filterblasen bei aktivem Willen leichter aufgebrochen werden können, als noch zu einer Zeit, in der die Filterblase die eigene Großfamilie und Stammkneipe war.
Wenn ich aktiv danach suche, finde ich via Internet Meldungen und Diskussionen aus allen anderen Blasen, sofern diese nicht per se nur offline stattfinden.
Allerdings glaube ich, dass ich aktiv danach suchen muss. Denn was mir im Internet und anderen Medien angezeigt wird, wähle zu großen Teilen immer noch ich aus (klassisch meine Freunde haben überdurchschnittlich viele Übereinsitmmungen bei ihren Ansichten wie ich, wenn ich selbst eher links-grün bin habe ich auf FB eher die taz als Compact abonniert usw).
Plus, und das finde ich wichtig, ich habe durch die Sozialen Netzwerke und das Internet generell sehr schnell das Gefühl, weit vernetzt und gut informiert zu sein - auch wenn ich vielleicht immernoch in meiner Blase bin. Will sagen, die Illusion eben nicht in einer Blase zu sein, ist tendentiell größer als zu Zeiten, da vielleicht mein Stammtisch meine Blase war. Außerdem habe ich mehr Quellen, die sich innerhalb meiner Blase bewegen.

Ich würde daher zu dem Schluss kommen, dass durch die neuen Medien sicher nicht erst Filterblasen entstanden sind, diese aber in ihrer Filterwand dazu neigen, entweder nahezu zu platzen oder noch viel undurchlässiger zu werden.

Sind nur erstmal ein paar spontane Gedanken, wie seht ihr das?
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kami
Beiträge: 725
Registriert: 8. Feb 2018, 21:28

Re: Die These der Filterblase

Beitrag von kami »

Ich bin überzeugt, dass durch die "neuen" Medien die Filterblasen-Tendenz tatsächlich verstärkt wurde. In guten alten Zeiten gab es soetwas wie einen Informationskonsens, die Leute haben halt Tagesschau geschaut und ne Tageszeitung gelesen, und unabhängig von der persönlichen Weltanschauung oder politischen Überzeugung erhielten alle erst einmal ein ähnliches Fundament an Fakten und Informationen. Heute ist es wiederum möglich, sich die Informationsquelle viel genauer und passender zu den eigenen Vorstellungen herauszupicken. Fakten, die nicht interessieren oder nicht passen, bekommt man dann halt gar nicht mehr zugetragen, stattdessen erhält man "alternative Fakten", die besser zur eigenen Linie passen. Das führt wiederum dazu, dass sich Vertreter unterschiedlicher Blasen häufig gar nicht mehr richtig verständigen können, da sie die "Fakten" der anderen Seite nicht kennen oder nicht als solche akzeptieren. Bevor die Wahl Trumps die Maßstäbe im politischen Amerika völlig durcheinander gerüttet hat, war zum Beispiel bei Fox News und deren Publikum das Thema Benghazi-Gate immer noch ein Thema, ein Pseudo-Skandal, der an den Zuschauern von MSNBC wiederum weitestgehend vorbeiging. Gerade jetzt haben wir das Enthüllungs-Memo der GOP hinsichtlich FBI-Korruption, für den eher liberalen Ami ein Nicht-Thema oder höchstens weiterer Beleg für die Unfähigkeit der Trump-Clique, für das konservative Amerika hingegen ein Skandal, noch größer als Watergate.
Zuletzt geändert von kami am 12. Feb 2018, 18:47, insgesamt 1-mal geändert.
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bluttrinker13
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Re: Die These der Filterblase

Beitrag von bluttrinker13 »

In der Psychologie der sozialen Informationssuche kann man grob drei verschiedene Faktoren für Informationsgüte unterscheiden - completeness (also Vollständigkeit, Umfang und Tiefe), accuracy (also Validität oder Richtigkeit, Konsistenz) und consensus (der Grad in dem alle Gruppenmitglieder übereinstimmen und dasselbe Verständnis teilen).

Das was kami oben beschreibt sehe ich auch, hier in den USA gab es früher halt nur Walter Cronkite für alle, heute gibt es Foxnews und Breitbart für die Rechten, NY Times für die liberals, ... etc etc.

Ich denke diese durch Internet und die Möglichkeiten der sozialen Medien befeuerte Aufteilung in "Filterblasen" bzw. informationelle Microkosmi für etliche, sehr unterschiedliche sozial-politische Gruppierungen hat vor allem zu einem geführt - die Überbewertung von consensus/Konsens auf Kosten der accuracy (und geringer, der completeness).
Denn Accuracy speist sich vor allem durch kritische Überprüfung und Streit bzw Debattieren desselben informationallen Gegenstandes (wie in der Wissenschaft das peer review bei Artikeln bspw). Das findet jedoch in besagten Filterblasen kaum noch statt, Konsens innerhalb der eigenen Filterblase wird angestrebt und überkompensiert, Streit automatisch minimiert weil die Darbietung und die Suche nach Information schon eher dem Konsensprinzip folgt. Edit: Mit dem Rüstzeug kann dann gegen andere Gruppen ins Feld gezogen werden, wobei es dann eben auch nicht mehr um accuracy geht, sondern um Dominanz und Erfolg.

Als Mittel dagegen geht mE eigentlich nur auf den (inner-Gruppen) Konsens zu pfeifen, vor allem den mit den eigenen Positionen, und sich dezidiert anderen und ungeliebten Positionen auszusetzen, oder sie sogar mal probehalber zu übernehmen. Ist aber natürlich schwierig und dem Individuum selbst überlassen. Zumindest von Seiten der Medieninstitutionen sehe ich dahingehend kaum bzw. aufklärerisch Null Impulse zu wieder mehr Akkuratheit und Vollständigkeit.
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