Tolkien-Stammtisch

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Weltenraetsel
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Tolkien-Stammtisch

Beitrag von Weltenraetsel »

Hallöchen, ich höre gerade die Runde #93 und hätte eine Anmerkung zu Jochens These der Religion als Schwachpunkt am Fantasy Weltenbau in Bezug auf Tolkiens Mittelerde-Werke und das Problem der Rassen. Da ich allerdings gerne über Toliens Werk und nicht über den Inhalt von Runde #93 reden würde, habe ich mir gedacht, dass ich hier mal n neues Thema erstelle.

Ab Minute 1:37:09 behauptet Jochen Religion würde in Mittelerde keine Rolle spielen und etwas zuvor Tolkiens Werk sei nicht politisch. Ich sehe durchaus, dass es in diesem wunderbaren Stammtischgespräch nicht um Tolkiens Werk geht, freue mich aber immer etwas über HDR erzählen zu dürfen. Wer sich das antun will: Im Folgenden geht es darum die "Vorwürfe" von Tolkiens Werk zurückzuweisen und den Weltenbau wieder schön sauber zu polieren. :D

Grundsätzlich sehe ich den Punkt der fehlenden Religion im Hobbit und dem Herrn der Ringe, möchte jedoch auf das Silmarillion verweisen. Denn das Buch Herr der Ringe lässt sich, auch aufgrund seiner vielen Querverweise, wohl nur im Kontext des Silmarillions vollständig erfassen. In diesem sind diverse Hinweise auf religiöse Themen zu finden. Drei davon möchte ich hier erwähnen:

1. Schöpfungsgeschichte
Das Silmarillion beginnt mit dem Buch "Das Lied der Ainur", in dem es um die Schöpfungsgeschichte Ardas (die Welt) und die Schöpfung der Ainur (Untergötter) durch den Allvater Eru Iluvatar geht. Weiter beschreibt Tolkien die Schöpfung der Kinder Iluvatars also die Schöpfung der Elben, Menschen sowie der Ents durch Iluvatar und die Schöpfung der Zwege durch den Ainur Aule.

2. Turmbau zu "Númenor"
Als die Menschen die Insel Númenor [ähnelt Atlantis] besiedeln werden sie vom Bösen (Sauron) verführt und beginnen statt Iluvatar Melkor (ähnelt Teufel) anzubeten und wollen letztlich das Paradies in Valinor einnehmen, die Valar dort stürzen und an der Götter statt über Arda regieren. Am Ende greift Iluvatar persönlich ein, entrückt Valinor und begräbt Númenor in den Wassern des Westlichen Meeres.

3. Sauron als Teufel
Nachdem der ursprüngliche Teufel und gefallende "Engel" Melkor von den Valar (einige der Ainur) in die zeitlosen Außenmeere verbannt wurde, herrscht Sauron über die bösen Kreaturen. Die Prämisse des Herren der Ringe ist es Sauron zu stürzen, weil der sich zu einem Gott erheben will. Als solcher wird er von den Orks und seinen Knechten bereits angebetet. Man kann hier also eine religiöse Motivation zur Ringreise zum Schicksalsberg in den HDR hineininterpretieren.

4. Weiter fielen mir spontan noch ein: Sündenfall ("Verbannung" der Noldor [Elbenstamm] aus Valinor [Paradies], Silmarillion), Brudermord (Sippenmord der Noldor an den Teleri [Elbenstamm], Silmarillion), Himmelfahrt (Frodos Fahrt nach Valinor, Jackson Verfilmung), Engel (Gandalf als fleischgewordener Engel, Tolkiens Briefe).

Und zum Apolitischen: Grundsätzlich würde ich zwischen bewusstem und unbewusstem politischen Handeln unterscheiden. Bewusstes politisches Handeln wären dann planmäßige und absichtsvolle Verhaltensweisen, die den sozialen und politischen Raum aktiv beeinflussen sollen. Spiele wären demnach meist nicht bewusst politisch. Aber auch unbewusste Handlungen können politische Auswirkungen haben. Tolkiens Werk ist ausdrückliche keine Allegorie (Vorwort Herr der Ringe) mit dem Ziel eine Gesellschaft zu spiegeln und durch die erzählerischen Kniffe einen sozialen Raum zu beeinflussen. Tolkiens Werk lässt aber dennoch viel Raum für Interpretationen welche auf den sozialen Raum wirken können. Ich selbst sehe mich als progressiven Träumer und interpretiere HDR gerne als progressive Geschichte. Eine Geschichte, in der die Welt sich trotz ihrem zunächst konservativem Duktus immer wieder hinterfragt und die Frage nach dem Guten und Schönen stellt. Vermeintlich Selbstverständliches hinterfragt. Und das Schöne zu verteidigen sucht.

Die größte Freundschaft im HDR finden wir zwischen den größten Feinden unter den freien Völkern: Einem Zwerg und einem Elb, Gimli und Legolas. Rassismus wird hier überwunden und Vorbeurteilungen werden korrigiert. Die Geschichte von Beren und Luthien erzählt von einer Liebe zweier Völker die selbst dem Tod trotzt.
Und selbst die Orks, und Trolle lassen sich fernab von überlegenem Chauvinismus in der Geschichte eingliedern, aber hier suche ich noch nach einer schönen Erklärung. Meine konstruktivistische Ader glaubt fest, dass das möglich ist ;) . Denn zunächst lassen sich die Darstellungen von Orks und Trollen nicht so recht verstehen. So stammen die Orks von den Elben ab und wurden von Melkor druch Folter und grausame Züchtungen zum Bösen geformt. Der Wille zum Guten wurde durch Jahrtausende der Unterdrückung und Versklavung ausgelöscht. Die Trolle sind gar unvollkommene Kopien der Ents und von Melkor selbst geschaffen. Das wirkt doch seht negativ und einseitig. Hier bräuchte ich wohl noch Hilfe von dem einen oder anderen Tolkienexperten!
Und vor allem die "bösen Menschen" welche Sauron folgen sind nicht immer gut leicht einzuordnen. Betrachtet man die Menschen in Mittelerde geschichtlich (s.o.) so sind sie seit ihrem Erwachen immer wieder dem Bösen verfallen. Und auch unter den "guten" Völkern sind zweifelhafte Menschen zu finden (siehe Húrin). Die bösen Menschen lassen sich meiner Ansicht nach gut dadurch erklären, dass hier böse ist, wer Sauron dient. Auf ethnische begründete Unterschiede, wie einen Hang zum Bösen, lässt sich hier nicht schließen, da selbst die "edelsten" Völker unter den Menschen schlimmstes hervorbrachten (siehe oben: Turmbau zu Númenor. Die Númenorer betrieben übrigens fröhlich Sklaverei, eine Praxis, die in den Filmen als eines der Hauptargumente zum Kampf gegen Sauron angeführt wird).

Mein gegenwärtiger Stand zum Rassismus bei "bösen Rassen in der Fantasy" ist folgender: Die einzelnen Rassen einer Fantasy- oder Sci-Fi-Welt sehe ich als Mittel eine bestimmte Eigenart der menschlichen Existenz zu betonen und hervorzuheben. Durch die Verallgemeinerung von Eigenschaften innerhalb eines Fantasy-Volkes lassen sich diese Eigenschaften selber hinterfragen. Die zentrale Eigenschaft der Elben ist die Unsterblichkeit, die zentrale Eigenschaft der Zwerge wohl ihre Sturköpfigkeit, die der Menschen ihr Wille zur Macht. Gerade durch diese Verallgemeinerungen lassen sich diese Eigenschaften der Menschlichen Natur hinterfragen. Gerade durch diese Verallgemeinerungen wird das Entsagen Arwens von ihrer Sterblichkeit, die Freundschaft Gimlis zu Legolas und Gimlis Liebe zu Galadriel sowie die Reue Boromirs im Todeskampf am Amon Hen von einem gewöhnlichen Überwinden zu einer schier Unbegreiflichen Heldentat.

Ich glaub ich setzt mich setzt hin und lese. Herr der Ringe natürlich. Gandalf ist gerade zurück gekehrt. Ich glaube ich werde auch heute ein bisschen Humanismus in dem Buch finden :)
meisterlampe1989

Re: Tolkien-Stammtisch

Beitrag von meisterlampe1989 »

Ich finde es schade, dass du auf den Text noch keine Antwort bekommen hast. Da steckt echt Arbeit drin.

Ich bin riesen Herr der Ringe Fan. Das fing mit den Filmen an. Ich war 14 als der 3. Im Kino lief. Damals habe ich auch die Bücher auf deutsch gelesen.

Jetzt habe ich es auch auf Englisch gelesen. Vorhin die letzten Seiten.

Nun zu deinem Text: Stand es jemals in Zweifel, dass Herr der Ringe eine progressive Botschaft hat? Für die Zeit in der es geschrieben wurde, ist es sogar sehr progressiv.
Mit Eowyn hat man sogar eine starke Frau.

Für mich hat Herr der Ringe eine ganz klare anti-rassistische Botschaft. Es geht um Völkerverstätändigung. Nur gemeinsam ist man stark etc..

Und eine Frage an dich: Ich finde die Anhänge vom Herrn der Ringe kaum lesbar. Es ist unfassbar faszinierend, dass Tolkien hier die gesamte Geschichte einer Welt erschaffen hat. Aber so sehr ich die Hauptgeschichte auch liebe, in die Deep Lore komme ich nicht rein.
Da werden in 50 Wörtern 23 Namen von Königen gedropt in 14 Königreichen. Da gibt es Ahnentafeln, Chroniken etc.. Das Ganze über 300 Seiten.
Ich finde den Aufwand um da durchzublicken zu gross dafür, dass es sich "nur" um fiktive Geschichte handelt. Dazu ist das alles noch absolut trocken geschrieben, eben wie ein echtes Geschichtsbuch.

Die Anhänge habe ich nach dem ersten Abschnitt über Numenor abgebrochen.

Jetzt die Frage: Ich würde gerne das Silmarillon lesen. Wird da ein kohärentes Abenteuer erzählt? Oder ist das auch so wie die Anhänge in HdR?
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Haferbrei
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Registriert: 19. Mär 2017, 07:06

Re: Tolkien-Stammtisch

Beitrag von Haferbrei »

@meisterlampe1989

Mir ging es mit den Anhängen des Herrn der Ringe ähnlich, ich bin nach wie vor fasziniert von der Sorgfalt, mit der diese Welt und ihr Unterbau geschaffen wurden. Allerdings habe ich wenig Interesse daran, diese zu lesen, ebenfalls aus den vor dir genannten Gründen.

Das Silmarillion kann sich nicht ganz von dieser Form lösen, liest sich nach etwas Eingewöhnung relativ gut (für den gegebenen Stoff) für mein Empfinden. Du wirst auch hier mit vielen Namen und der Abstammung der zugehörigen Wesen konfrontiert. Es weniger ein einzelnes, zusammenhängendes Abenteuer erzählt, als viel mehr ein (sehr) großer Zeitraum seit Beginn der Schöpfung der Welt behandelt, vereinzelt mit etwas mehr Fokus auf einzelne Geschichten (bspw. Beren und Luthien).
Durch diesen Umstand werden zum Teil große Handlungsabschnitte in einem Halbsatz abgehandelt und konfrontieren den Leser anschließend mit großen Zeitsprüngen. Auch die Wortwahl entspricht sehr dem, was man beim Lesen eines Mythos oder auch der Bibel erwarten würde.

Insgesamt sicher nicht das flüssigste Leseerlebnis, aber ich fand es nach Überwinden der Einstiegshürde sehr faszinierend und bin froh, dass ich es gelesen habe.
meisterlampe1989

Re: Tolkien-Stammtisch

Beitrag von meisterlampe1989 »

Danke für die Info.

Ich werde mal eine Leseprobe auf mein Kindle laden und mir das mal anschauen.

"Beren und Luthien" wurde ja jetzt auch einzeln veröffentlicht. Vielleicht ist das ja mehr "abenteuerlich" geschrieben.
Soweit ich das verstanden habe müsste das Buch ja auch von den Silmarilli handeln.
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