Andre Peschke hat geschrieben: ↑20. Jul 2018, 08:53
Die Lösung über die Sprache ist anders als bei den Killerspielen nicht völlig absurd. Wie hier im Thread schon geschrieben wurde, der sprachliche Ausdruck formt zu einem gewissen Grad, wie die Welt wahrgenommen wird (das erscheint mir zumindest logisch). Aber so vom Bauchgefühl frage ich mich, ob hier nicht auch an einer weniger wirkungsvollen Stellschraube gedreht wird, weil die anderen zu schwer zu bewegen sind. Eltern vorzuschreiben, wie sie im Sinne einer Geschlechtergerechtigkeit ihre Kinder zu erziehen haben ist sicherlich nochmal erheblich schwieriger. Und wenn es um Schule und Bildung geht, kommt oft auch noch Geld mit ins Spiel, dass der Staat locker machen müsste, was die DInge nochmal erschwert.
Für mich ist daher die Kernfrage bzgl. Gendern in der Sprache eigentlich, wie sicher wir sein können, dass das ein wirkungsvolles Mittel ist, um tatsächlich in nicht unerheblichem Maße mehr Gerechtigkeit herzustellen. Das wäre IMO auch für die Durchsetzbarkeit von entscheidender Wichtigkeit, denn vermutlich wird man den Weg der Aufklärung gehen müssen und um Menschen zu überzeugen wird es wichtig sein zu untermauern, dass die gefundene Lösung auch tatsächlich wirkungsvoll ist.
Was die (erhoffte) Wirkung angeht erinnert mich die Nutzung gendergerechter Sprache sehr an die Grundidee des sog.
Nudging. Grob vereinfacht: Man verbietet und zwingt zu nichts, aber passt bestimmte Umwelteinflüsse so an, dass die Menschen mehrheitlich aus den weiterhin vorhandenen Alternativen häufiger eine gewollte (weil z.B. gesündere) Entscheidung treffen. Gibt extrem viele Unterarten und Abwandlungen, aber so im Groben.
Beispiel:
Wenn bei Druckern doppelseitiges Drucken voreingestellt ist, werden die Menschen ds häufiger tun und damit ressourcenschonender Handeln. Trotzdem kann natürlich jeder immer noch auf Einzelseiten drucken
Bei gendergerechter Sprache stelle ich mir nun (im Idealfall) vor, dass diese dazu führen könnte, dass auch die Teile die "schwer beweglich sind" (elterliche Erziehung etc.) von sich aus häufiger selbst versuchen Aspekte der Geschlechtergerechtigkeit zu berücksichtigen. Werden das alle tun? Nein. Müssen das alle tun? Nein. Aber ich würde dies auch eher für eine schleichende Entwicklung über die nächsten Generationen hinweg halten. Und damit ist es im Idealfall auch ein Weg der bestenfalls zu dem gewünschten Ergebnis führt, ohne dass irgendwer zu irgedwas gezwungen werden muss. Vielleicht sogar, ohne sich daran abzumühen die "schwer beweglichen Teile" zu bewegen und damit Zeit und Mühe zu verschwenden auf etwas, was man ohnehin nicht bewegt bekommt.
lolaldanee hat geschrieben: ↑20. Jul 2018, 09:36
Im einen Fall fangen Menschen einfach von sich aus an bestimmte Wörter und Grammatik zu verwenden, es ist eine organisch über Zeit gewachsene Veränderung (was, wie gesagt, immer noch von genug Menschen als sehr stöhrend empfunden wird). Das andere hingegen ist Duktus: Du SOLLST!!! anders reden, pfui! Du böser Mensch! Du hast Metzgereifachangesteller*innen zu sagen!!!!!!!!
Das letzte mal als jemand per Duktus versucht hatte die Sprache mit Gewalt zu ändern, das war doch als die Braunen an der Macht waren oder? Das könnte für manche all zu eifirige Sprachverbesserer vieleicht ein Hinweis sein, dass sie sich das nochmal überlegen sollten.
Ehrlicherweise halte ich das für eine vollkommen übertriebene Darstellung, die sich kein bisschen mit meiner Wahrnehmung deckt. Zumindest ich persönlich kenne niemanden der gendergerechte Sprache nutzt und zugleich andere dazu irgendwie zwingen wollen würde. Vielleicht kenne ich auch nur liebe und höfliche Menschen (höhö, als ob
), aber gerade diese Leute fallen mir häufig durch besondere Toleranz auf. Auch Nina und Dennis haben hier ja häufig genug klargestellt, dass sie halt so sprechen, weil sie es für richtig halten, aber sie natürlich niemanden sonst dazu zwingen werden. Sie erklären warum sie es tun, aber wer nicht will muss es weder selbst tun noch muss er Inhalte konsumieren, die so gesprochen sind. Weiterhin freie Wahl.
Und damit ist es doch genau das, was du am Anfang beschreibst: es "
fangen Menschen einfach von sich aus an bestimmte Wörter und Grammatik zu verwenden". Tun die das bewusst und aus bestimmten Gründen: Ja. Aber sie fangen einfach damit an und damit hat sich die Kiste.
Aus diesem Grund sehe ich auch keinen Unterschied zu einer organischen Entwicklung - wer will macht es, wer nicht will macht es nicht und am Ende wird sich irgendwas durchsetzen oder es bleibt halt wie es war. Das wird sicherlich noch viele Generationen lang dauern, bis man das Ergebnis wird sehen können. Aber das finde ich weder einen Grund für Leute die es wichtig finden nicht schon jetzt damit selbst anzufangen, noch einen Grund irgendwen zu irgendwas "zwingen" zu wollen - denn das geht ja eh nicht.
Alles in allem finde ich eine Diskussion darum fast schon müßig. Ich finde es wissenschaftlich interessant, ob es so wirkt wie man es sich erhofft. Ich finde es einfach eine höfliche Sache, wenn man auf diese recht einfache Art und Weise Menschen das Gefühl vermitteln kann, dass sie genau so dazu gehören wie alle anderen auch. Und wer halt nicht so reden / schreiben will, der lässt es halt sein
Meine Frage an dich wäre daher, ob du persönlich tatsächlich schon häufiger direkt aufgefordert worden bist doch bitte (gefälligst) gendergerechte Sprache zu verwenden, oder ob du eher einen (unangenhmen) sozialen Druck empfindest, weil die Leute und Medien um dich herum immer häufiger gendergerechte Sprache nutzen - dich aber nicht aktiv dazu auffordern?
Steile These zum Schluss: In den nächsten 100 - 200 Jahren wird sich geschlechtergerechte Sprache erst mehrheitlich durchsetzen und Menschen werden dadurch häufiger / einfacher inkludierend Handeln; bis die Sprache als Mittel wieder unwichtiger wird, weil Inklusion eine Selbstverständlichkeit geworden ist, die nicht mehr über die Spache vermittelt werden muss sondern an sich in der Gesellschaft "ganz normal" geworden ist. Und kein Hahn wird danach krähen, wenn die Sprache wieder eine andere Entwicklung nimmt