Das lässt sich wohl auf die Frage reduzieren ob es gut ist jemanden die Macht zu geben, seinem Feind die anerkannten Rechte zu nehmen, für welche die eigene Gesellschaftsordnung steht - und ob das Resultat eines solches Schrittes nicht eine Gleichsetzung mit dem ist, was man eigentlich zu bekämpfen versucht.HerrReineke hat geschrieben: ↑21. Jun 2019, 22:21 "Eine Verwirkung von Grundrechten wurde noch in keinem Fall ausgesprochen; die Anträge in den bislang eingeleiteten vier Verfahren sind – jeweils nach langer Verfahrensdauer – allesamt abgewiesen worden (BVerfGE 11, 282 (282 f.) – Otto Ernst Remer – Dauer: acht Jahre; BVerfGE 38, 23 (24 f.) – Gerhard Frey – fünf Jahre; BeckRS 1997, 14584 – Thomas Dienel – vier Jahre; BeckRS 1997, 14584 – Heinz Reisz – vier Jahre; die beiden letztgenannten Entscheidungen ergingen gem. § 24 S. 2 BVerfGG ohne Begründung; zu den Sachverhalten: Butzer/Clever DÖV 1994, 637 (638)"
Butzer in: BeckOK Grundgesetz, 41. Ed. 15.5.2019, GG Art. 18 Rn. 3
Gibt da auch noch ein wenig Begründung, warum dieser Artikel keinerlei praktische Beudeutung über die Warn- und Appellfunktion hinaus hat: Die Normen aus dem Straf- und Vereinsrecht sind besser zu handhaben, leichter zu beweisen, die Verfahren laufen schneller und wenn man scheitert, wird das in in betroffenen (hier: rechtsextremen) Kreisen weniger als Erfolg gefeiert, weshalb die Nutzen-Risiko-Analyse eher mies ausfällt.
Grundsätzlich halte ich diesen Artikel aber auch für gefährlich. Zwar ist er ein starkes Signal der "wehrhaften Demokratie" (salopp: "Keine Freiheit den Feinden der Freiheit"), aber es ist auch ein gefährlicher Artikel, weil er Grundrechte partiell aberkennen lässt und damit die Demokratie nicht nur wehrhaft, sondern zugleich auch schwach erscheinen lässt, da sie sich nicht aus sich selbst und der Zivilgesellschaft heraus zu verteidigen weiß, sondern dem "Feind" seine Rechte nehmen muss um "siegreich" sein zu können.
So sehr es mich in den Fingern jucken würde diesen Artikel angewendet zu sehen, so sehr habe ich Angst davor und will lieber eine wehrhafte Demokratie haben, in der es diesen Artikel weder braucht noch gibt (So ähnlich in dieser Debatte z.B. Christian Rath in der taz, Gegenmeinung (wenn auch noch leicht älter als die neue Diskussion, die von Peter Tauber wieder angestoßen worden war) z.B. Marcel Schneider bei LTO)
Es ist ironisch, dass die selbe Vergangenheit, die uns diesen Paragraphen explizit ins Grundgesetz schreiben lassen hat, auch die ist, die einst anderen Gruppen die Grundrechte entzog und sich dabei auf eine verdrehte Ideologie berief. Ich persönlich muss leider eingestehen, dass ich mich nicht mehr als wehrfähig empfinde. Würde ich das durchmachen was viele Mitmenschen im Bezug auf Morddrohungen der rechten Szene momentan erdulden müssen, würde ich das Land vermutlich verlassen... und sei es nur um meine Familie zu schützen.
Meinungsumfragen sagen momentan aus, dass zumindest ein Zehntel der deutschen Bevölkerung das irgendwie gut findet. Mir persönlich macht es langsam Angst.
Auch wenn viele das ungern hören... aber die deutschen Behörden waren bei rechten Terror schon immer viel nachsichtiger. Deutscher Herbst? Kennt jeder. Wehrsportgruppe Hoffmann und Oktoberfestattentat? Ist wesentlich weniger bekannt aber der gleichzeitig der größte Terrorakt den es bis dato in der Bundesrepublik gab. Für mich erklärt sich das daraus, das Beamte und Behörden einer "rechten" (nicht rechtsradikalen) Gesinnung grundlegend - auch grade wegen ihres Berufes - näher stehen und linke Gruppierungen sich ja gerne mal auf die direkten Staatsorgane fokussieren. Was den islamistischen Terror betrifft: der hat wesentlich mehr Muslime als Christen, Atheisten und Juden umgebracht. Das rechtfertigt natürlich nicht die Toten aus anderen Religionsrichtungen, sollte aber aufzeigen, dass es nicht der Islam ist, sondern vielmehr ein Problem das im Islam existiert und Auswirkungen auf alle hat. Eigentlich ein Problem das man gemeinschaftlich lösen müsste, weil es jedem schadet. Aber stereotype Feindbilder funktionieren halt besserSchlagerfreund hat geschrieben: ↑21. Jun 2019, 23:02 So Aussagen wie:
Ich empfinde die Gefahr des islamistischen Terrors als realer und akuter...
Verwundern mich erstmal. Wenn ich aber dann drüber nachdenke ist es eigentlich logisch. Dazu aber die Frage ob denn jemand glaubt das islamistischer Terror in Deutschland die Demokratie direkt gefährden würde? Ich denke die Antwort ist dort klar ein klares nein. Da bauen sich für einzelne Leute halt eher Szenarien auf wo es um die eigene Gesundheit und das Leben geht. Das ist einfach viel greifbarer als das was Rechtsradikalismus tut. Das ist aber meiner Meinung nach gefährlich und ich denke es zeigt auch ein gewissen Problem der Wahrnehmung. Die liberale freiheitliche Demokratie in der wir leben dürfen wird als als gesetzt angesehen und man vergisst wohl zu schnell das dies auch in Deutschland einfach nicht der Fall ist.