Phazonis hat geschrieben: ↑4. Feb 2020, 19:19b.) das diese Tradition erhaltenswert ist ( Blutlassen war auch mal eine Tradition)
eine Tradition zeichnet sich dadurch aus, dass sie i.d.R. aus einer Notwendigkeit heraus entstand, die heute keinerlei Signifikanz mehr hat. Die Tradition der männlichen Beschneidung geht auf die damaligen, hygienischen Zustände zurück. Heutzutage ist das dank medizinischer und allgemeinhygienischer Fortschritte nicht mehr nötig. Ergo: Beschneidung verbieten?
Man kann den emotionalen und kulturellen Wert einer Tradition nicht quantifizieren. Ab wann ist der Schaden/Nutzen-Schwellwert überschritten und wer legt den fest? Du? Ich? (spoiler: ich halte Beides für keine gute Idee)
Phazonis hat geschrieben:
und/oder c.) Das das Silvesterfeuerwerk irgendeine kulturelle Signifikanz für unsere Gesellschaft hat.
siehe oben. Die Signifikanz ergibt sich aus der Frage "ist meine kulturelle Identität mit dieser Tradition verbunden?". Im Fall von Silvesterfeuerwerk sage ich da für meinen Teil: ja. Alleine die Tatsache, dass alle gekauften Warten am Abend ausgepackt und zusammen auf einen Tisch aufgeladen werden, fördert und festigt eine Verbundenheit mit den Leuten, mit denen ich feiere. Jeder, egal wie viel er zugesteuert hat, kann sich ne Rakete, einen Bengalo, ne Leuchtkerze oder ne Packung Knallfrösche vom Tisch nehmen. Soll'n sie doch. Es ist genug Schwarzpulver für alle da! Manche werden ein bisschen esoterisch und wickeln kleine Zettel mit Wünschen an das neue Jahr um die Rakete. Auch gut.
Es ist also ein verbindendes Ereignis. Würde Silvester ohne diesen Aspekt trotzdem schön sein? Klar. Würde etwas fehlen? Ganz sicher! Kommen Unbeteiligte dabei zu schaden oder entsteht ihnen ein Nachteil? Nö. Dieses Scheinargument der "erhöhten Feinstaubbelastung" zieht hier absolut nicht. Solange beim Hamburger Hafengeburtstag 30 Kreuzfahrtschiffe ihren Diesel-Ruß zum Schaulaufen in den Wind ballern, die Harley-Days zwei Tage lang ganz Hamburg an der 100 db-Grenze kratzen lassen und ein Flug von Bremen nach München günstiger ist als ein Bahnticket zweiter Klasse, kann mir keiner erzählen, dass diese 8 Stunden erlaubten Abfackelns eine reelle Bedrohung für Körper und Seele wären. Und wer jetzt sagt "aber diese Jugendlichen, die mit Böllern in der Stadt auf Passanten werfen"....jajaja. Diesen Jugendlichen gehört erzählt, dass ihre Mudder ganz kläglich bei der Erziehung versagt hat, die Böller abgenommen und dem Laden, der an Minderjährige verkauft die Schotten dicht gemacht. Es gibt bereits Gesetze zum Schutz vor Feuerwerkskörpern. Die Einhaltung müsste nur tatsächlich deutlich intensiver verfolgt werden.
Mag sein, dass dies aber auch ein schelchtes Beispiel deiner Seits war.( in dem Fall lasse ich mir das nach Patzi aber nicht nehmen) Ja zahlt gerne für die 500€ Torte, wenn das aber euer Wunsch ist und gerade beim Heiraten ist dies leider öfters wieder das typsiche es ist Tradition.
Also in dem Fall eher Eigentor.
anderes Beispiel: Urlaube. Für mich gäbe es nichts Öderes, als zwei mal im Jahr für 10 Tage irgendwo an den Strand zu fliegen, um sich da die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen. Trotzdem gibt es in meinem (wie ich anmerken möchte erschreckend progressiven) Freundeskreis genug solcher Traditionalisten. Mittelstreckenflug, Hotel all inkl, zwischendurch mal ein Ausflug auf die Touri-Meile in der nahegelegenen Stadt. Eine ökologische, ökonomische und kulturelle Katastrophe. Und Flachwasserschnorcheln kann ich auch fünfzig Kilometer weiter südlich, da muss es nicht das Mittelmeer sein. Diese Leute fliegen auch mehr "aus Tradition" da hin. Oder gehen "aus Tradition" auf Festivals, ohne eine einzige Band zu sehen. Wacken, Fusion, With Full Force, Melt, .... überall Zeltplatz-Touris. "Da trifft man sich halt aus Tradition jedes Jahr". TREFFT EUCH DOCH EINFACH IN EUREM FUCKING GARTEN HERRGOTT!!.
Da hast du's. Das Leben ist voll von Traditionen, die nominell keinen Sinn ergeben, ne Menge Geld kosten und von außen betrachtet ziemlich dämlich sind. Solange sie den Zweck des kulturellen und sozialen Klebers erfüllen, werde ich nen Teufel tun und jemandem seine Traditionen, seien sie selbstgemacht oder geschichtlich überliefert, absprechen. Und aus dem selben Grund mache ich einen weiten Bogen um den einzigen Dönerladen hier auf dem Dorf, denn sein Fleisch wird "traditionell halal" geschlachtet. Und die Tradition, Tiere bei lebendigem Leib ausbluten zu lassen, möchte ich eher nicht fördern. Hier steht nämlich der kulturelle, neuzeitliche Nutzen (gibt's nicht) im krassen Kontrast zu dem dadurch verursachten Leid (der Tiere).