COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

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Rince81
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Andre Peschke hat geschrieben: 4. Aug 2020, 10:33 Ich denke zumindest seitdem nicht mehr automatisch "rücksichtsloser Pfosten!!", wenn ich jemanden ohne Maske beim Einkaufen sehe. Schade, dass es da so eine Zwickmühle gibt: Einerseits wäre es gut, wenn Leute mit Ausnahmegenehmigung eine sichtbare Kennzeichnung tragen würden, in etwa wie eine Blindenbinde. Dann wüsste jeder sofort "ok, hat einen guten Grund, warum er/sie ohne Maske unterwegs ist". Aber ist natürlich klar, dass du dir nicht eine "ich habe eine psychische Erkrankung"-Binde anziehen willst. Das Leben ist so schon hart genug. Insofern gut, wenn möglichst viele Menschen diese Option mal im Hinterkopf haben.
Ich habe beim Einkaufen und auch im Zug bisher noch nie jemanden komplett ohne Maske gesehen. Nur ist die Maske bei einigen sonstwo. Sei es irgendwo unter der Nase, als Kinnhalter, lässig vom Ohr baumelnd oder eben auch mal auf der Stirn. Ich denke bei dem Klientel kann man mit ziemlicher Sicherheit von der Kategorie rücksichtsloser Pfosten ausgehen.
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schneeland
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von schneeland »

Andre Peschke hat geschrieben: 4. Aug 2020, 10:33 Kommunikation scheint eine der Komponenten der Gefahrenabwehr zu sein, die man nicht ausreichend würdigt.
Sehe ich auch so. Und möglicherweise trägt das auch dazu bei, dass genug Leute sich denken, dass "diese Corona-Sache" doch mittlerweise durch sei.

Mir begegnete übrigens am Samstag der erste Einkäufer ohne Maske. Durch den Kassierer angesprochen entschuldigte er sich damit, mit dem Fahrrad dazu sein, und kaufte dann noch eine Maske. Sein Angebot, selbige sogleich aufzuziehen, fand allerdings nicht nur ich irritierend. Und wie Rince schon feststellt: manche Menschen tragen die Maske auch eher pro forma (beliebteste Variante: Nase bleibt frei).

Selbst unabhängig der Gefolgschaft des Rohkost-Radikalinskis zeigt sich da doch sehr deutlich, dass nicht-unmittelbare und unsichtbare Gefahren für viele Menschen zu abstrakt zu bleiben scheinen, um das Verhalten wirklich dauerhaft anzupassen.
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Axel
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Andre Peschke hat geschrieben: 4. Aug 2020, 10:33 Kommunikation scheint eine der Komponenten der Gefahrenabwehr zu sein, die man nicht ausreichend würdigt.
So sieht es aus!

Es gibt beispielsweise nen extrem guten Artikel der Antidiskriminierungsstelle zum Thema Maskenbefreiung. Den habe ich tatsächlich ausgedruckt mittlerweile zusätzlich dabei. Der ist prägnant und vermittelt in der Kürze alles wichtige: https://www.antidiskriminierungsstelle. ... asken.html

So wurde ich vor einer Woche in der Bahn kontrolliert. Hatte als einziger keine Maske und sollte aussteigen, nachdem ich meinen Schwebi vorgezeigt hatte. Hatte dann den guten Herrn noch diesen Artikel zu lesen gegeben und es war schon ein ziemlich nices Gefühl, wie seine Augen größer wurden. Der hat sich dann auch sehr schnell entschuldigt. Es kam dann raus, dass er noch nie etwas vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gehört habe und das bei den Besprechungen auch keine Rolle spielte. Was ich für realistisch halte, ich hatte bisher auch nicht gedacht, dass es so ein Gesetz gibt.

Das ist tatsächlich ein großes Problem, dass viele nicht zu wissen scheinen, dass es dieses Gesetz gibt und uns auch in der Maskenfrage rechtssicher schützt bzw. einen klaren Rahmen vorgibt. Insofern sind zumindest wir mit dem Schwebi besser und rechtssicher geschützt als Menschen, die halt „nur“ nen Attest haben. Zumal die Atteste ja mittlerweile gerne auch in Zweifel gezogen werden, Stichwort „Gefälligkeitsattest“ oder so.

Man kann sich also schonmal fragen, warum solche Informationen nicht von großen Plattformen wie der Tagesschau vermittelt werden. Lediglich kleinere Lokalzeitungen berichten regelmäßig drüber. Hier sehe ich auch ein Problem bei den Medien, dass man in der Breite nur ein Narrativ bedient und eben nicht mehr neutral an die Themen herangeht und von allen Seiten beleuchtet.

Rince81 hat geschrieben: 4. Aug 2020, 10:48 Ich denke bei dem Klientel kann man mit ziemlicher Sicherheit von der Kategorie rücksichtsloser Pfosten ausgehen.
Nein. Ich kenne einige Leute die haben große Probleme mit dem Atmen bei der Maske. Das auch ärztlich attestiert und alles. Die sind dazu übergegangen sich die Maske auch Nasenfrei überzuziehen, statt komplett drauf zu verzichten. Warum? Man wird nicht angesprochen, muss sich nicht rechtfertigen. Was andere über einen denken, ist ja egal. Es geht nur darum in Ruhe gelassen zu werden. Und da es scheinbar alle anderen auch so machen mit der nasenfreien Variante, macht man es eben auch und geht in der Masse unter.
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Axel
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Heute hat Sachsen seine Corona-Schulstudie vorgestellt! Ganz großartig dabei: Im Mittelpunkt stehen auch die psychosozialen Folgen von Schulschließungen und Lockdown! Ich finde das gut, dass hier in Sachsen auch die Psychologie für politische Entscheidungen immer mehr beachtet wird. Das fordere ich ja bekanntlich seit Monaten.

Hier die Pressekonferenz: https://www.youtube.com/watch?v=oXuFN7WpuT4

Um es kurz in einem Satz zusammenzufassen: Die Folgen für Schüler, besonders aus ärmeren Verhältnissen, sind ziemlich fatal.
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Vinter
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Vinter »

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worüber wir hier reden. Was ist die Alternative?

Niemand tut so, als hätte der Lockdown nicht ebenfalls Folgen. Aber an einem Punkt, wo man ernsthaft eine Güterabwägung gegen die Gefahren des Virus machen kann sind wir noch lange nicht.

Denn die Alternative kann man sich live und in Farbe in den USA angucken, wo aus politischem Kalkül die Pandemie ignoriert wurde. 4,8 Millionen Infizierte und 160.000 Tote später und die Pandemie ist weniger unter Kontrolle als je zuvor.

Und wie sind nur deshalb nicht an diesem Punkt, weil wir vorsorglich gehandelt und es ernst genommenen haben. Das es bei uns so glimpflich verlaufen ist, ist keineswegs ein Hinweis, dass die Sorge übertrieben gewesen wäre, im Gegenteil.

Und auf noch etwas möchte ich hinweisen: Natürlich stürzen sich immer alle auf die Todeszahlen und das Todesrisiko. Aber man muss nicht gleich vom schlimmsten ausgehen: Die Leute, die überleben, haben trotzdem nicht notwendigerweise ein normales Restleben. Manche sind entstellt durch die Beatmung, sie haben ein höheres Demenzrisiko durch die Beatmung, es gibt Hinweise auf langfristige Lungenschäden, Embolien, Hirnschäden...

Also: Was ist die Alternative?
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Andre Peschke
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Andre Peschke »

Vinter hat geschrieben: 4. Aug 2020, 15:42 Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worüber wir hier reden. Was ist die Alternative?
Ich dachte, wir reden nicht über Alternativen, sondern über bessere Kommunikation und mehr Verständnis füreinander. Vielleicht sogar - um's mal in den Raum zu stellen - für die Störrischen, für diejenigen, die ganz ohne medizinische Indikation einfach nicht wollen, weil sie es nicht einsehen und sich in ihrer Freiheit beraubt fühlen. Die haben sich ja nicht freiwillig entschieden "uneinsichtig" zu sein.

Abschaffung aller Maßnahmen ist idiotisch und mit Blick in die Welt finde ich es blauäugig über eine Abschaffung von Maskenpflicht nachzudenken - das nochmal glasklar gesagt. Wer sowas propagiert, schießt sich am Ende ins eigene Bein, denn die nachfolgenden Maßnahmen die man sich dadurch einhandelt werden schwerwiegender und langwiriger sein. Wenn im Winter gar doch ein zweiter Lockdown kommt wir außerdem der wirtschaftliche Schaden immens sein.

An die These, dass das politisch nicht nochmal durchsetzbar sei, glaube ich nämlich nicht. Die Alternative, hier eben doch noch einen Zusammenbruch im Gesundheitssystem zu haben und Bilder von sich stapelnden Leichen in der Presse zu bewundern, wäre erst recht politischer Selbstmord, denn die Schutzmaßnahmen haben ja mehrheitlichen Rückhalt in der Bevölkerung. Wenn man diese milderen Maßnahmen jetzt nicht mitträgt, treibt man den Teufel mit dem Beelzebub aus.

Man muss aber diese IMO logische, klare Linie nicht aufgeben, um darüber nachzudenken, wie man die Kommunikation von Maßnahmen, Notwendigkeit und aktueller Lage verbessern kann. Unklarheit und Ungewissheit führt dem Lager der Unwilligen ja nur neue Truppen zu.

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Axel
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Vinter hat geschrieben: 4. Aug 2020, 15:42 Also: Was ist die Alternative?
Das was unser Kultusminister Christian Piwarz in der PK sehr richtig sagt: Wir haben hier in Sachsen eine Art 4-Stufen-Ampel.

Der Stufenplan basiert auf Handlungsoptionen bezogen auf 100.000 Einwohner des Landkreises bzw. der Kreisfreien Stadt und einem Zeitraum von 7 Tagen. Ich fasse das mal sehr grob zusammen, da gibt es für jeden Bereich wie Schule, Handel und dergleichen nochmal jeweils zusätzliche Bestimmungen. Aber grobgesagt:

1. Bis 20 Neuinfektionen = Normallage. Intensives Testen bei örtlichen Ausbrüchen. Da werden alle Kontaktpersonen und deren Kontaktpersonen bereits durchgetestet.
Beispiel: Als vor wenigen Wochen eine Lehrerin an nem Gymnasium in Augustusburg Corona hatte, wurden hunderte (!) Menschen in Augustusburg und Erdmannsdorf durchgetestet und sämtliche lokalen Einrichtungen vorsorglich gleich mit! Also alle Lehrer, Schüler, die Familien, Freundeskreise und und und.

2. Von 21 bis zu 35 Neuinfektionen = Intensivierung der Untersuchung bei Ausbrüchen. Im Einzelfall Gruppenquarantänen und Schließungen.

3. Ab 35 Neuinfektionen: Erste allgemeine Einschränkungen und Schließungen.

4. Ab 50 Neuinfektionen: Lokaler Lockdown.


Das hat vor Wochen schon unser Gesundheitsministerium eingeführt und das halte ich für sehr vernünftig, diese 4-Stufen-Ampel. Weil es schlicht und ergreifend transparent ist für die Bevölkerung und leicht nachzuvollziehen. Es wird nicht, wie bundesweit, mit nur einer Zahl (50) gearbeitet, sondern in mehreren Stufen. Dieser 4-Stufen Plan gilt aber nicht landesweit. Auch nicht landkreisweit (weil unsere Landkreise sehr, sehr groß sind) - sondern kommunal!

Und da wird bei uns seitens der Ministerien, aber auch der Gesundheitsämter, penibel genau drauf geschaut. Denn wir haben nach wie vor nur ein sehr geringes Infektionsgeschehen. Sachsenweit haben wir aktuell 51 aktive Fälle - bei 4,5 Millionen Einwohnern. Das wollen hier natürlich alle genau so beibehalten. Deswegen arbeitet man so: Wenn es irgendwo einen Fall gibt, kommen sofort Massentests zum Einsatz wie im oben erwähnten Beispiel in Augustusburg. Da wird sich nicht gestritten wer was bezahlt, das wird einfach gemacht. So haben wir es in den letzten Wochen geschafft Infektionsketten sehr frühzeitig zu unterbrechen. Das Modell stammt von den Gesundheitsämtern im Landkreis Nordsachsen, die das schon in März und April so gemacht haben und was vom Gesundheitsministerium für alle Landkreise so übernommen wurde.

Mit dieser Intensität was Testungen einerseits betrifft und als Backup-Plan auch noch diese 4-Stufen-Ampel, hat man sich IMO hier in Sachsen gut gerüstet. Um eben auch sowas wie normale Schule verantwortungsvoll ermöglichen zu können. Um auch wieder Großveranstaltungen wie Volksfeste wieder möglich zu machen. Oder hier in Chemnitz letzten Samstag das CSD mit knapp 1000 Besuchern. Ich finde das einfach ein sehr pragmatisches Gesamtkonzept um einerseits wieder viel Normalität zu ermöglichen, andererseits aber auch schnell handlungsfähig zu sein, sollte es zu Ausbrüchen kommen.


Nun geht es aber eben nicht nur um Zahlen! Sondern Sachsen hat meines Wissens als erstes Bundesland in einer Corona-Schulstudie eben auch die psychosozialen Folgen untersuchen lassen. Und berücksichtigt diese Ergebnisse in den politischen Entscheidungen mit. Das kann man nicht einfach mit „Niemand tut so, als hätte der Lockdown nicht ebenfalls Folgen.“ abschmettern. Denn seit Monaten wird seitens der Bundespolitik, aber auch sehr vieler Medien, sich immer nur auf Infektionszahlen versteift. Wenn Sachsen jetzt aber auch anfängt psychosoziale Aspekte in die politischen Entscheidungen zu berücksichtigen, dann ist das eine großartige Entwicklung! Man darf ja nicht bei Massentests und 4-Stufen-Ampel stehen bleiben. Man muss weiter gehen. Man muss auch schauen, was die Folgeschäden von Maßnahmen sind. Auch politisch!

Und da finde ich persönlich diese ganzen Verweise auf die USA u.ä. einfach nur ermüdend. Ich lebe in Sachsen und für mich ist erstmal wichtig wie die Politik der sächsischen Landesregierung ausschaut. Deswegen bin ich auch so explizit gegen bundeseinheitliche Regelungen! Weil man uns dann ja in Mithaftung nimmt, wenn die Krisenpolitik in NRW nicht funktioniert.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Axel hat geschrieben: 4. Aug 2020, 17:01 Der Stufenplan basiert auf Handlungsoptionen bezogen auf 100.000 Einwohner des Landkreises bzw. der Kreisfreien Stadt und einem Zeitraum von 7 Tagen. Ich fasse das mal sehr grob zusammen, da gibt es für jeden Bereich wie Schule, Handel und dergleichen nochmal jeweils zusätzliche Bestimmungen.
Aber wird der uns im Herbst nicht krachend um die Ohren fliegen? Hier gab es letzte Woche eine Pullerparty - mittlerweile allein daraus 18 Infizierte Gäste, da es sich flächenmäßig um ein den zweitgrößten Kreis in Deutschland handelt ist das durch die 100.000 Berechnungsgrundlage trotz dünner Besiedelung kein Problem - auch Leute die 100 km entfernt wohnen sind noch Teil der Berechnungsgrundlage. Interessant, das die Konsequenzen zwar nur lokal sein soll, die Berechnung des Grenzwertes aber trotzdem Landkreisweit erfolgt... :ugly: In Dithmarschen ist man jetzt bei 26 Fällen pro 100.000 Einwohnern in 7 Tagen - primär durch einen Familienkomplex.
Wenn die letzten Wochen ein zeigen, dass sich Corona festsetzt und die Fallzahlen langsam aber stätig in der Fläche steigen und das Hauptrisiko offenbar Superspreader sind - nur reichen bereits ein oder zwei Events um einen Kreis ins rote Territorium zu bringen. Wenn sich das so fortsetzt sehe ich für Herbst und Winter aktuell schwarz...
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Terranigma
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Terranigma »

Rince81 hat geschrieben: 4. Aug 2020, 17:28Aber wird der uns im Herbst nicht krachend um die Ohren fliegen?
Der Herbst ist allerdings eben der Herbst. Es ist ja kein Kritikpunkt, wenn ein Vorgehen für die aktuelle Situation in einer anderen Situation nicht mehr angemessen ist - dies ist ja nicht der Anspruch. Was im Herbst ist, sieht man dann. Sofern bis zum Herbst aber in vielen Landkreisen eine gewisse Normalität möglich ist, kann man dies doch auch so umsetzen. Die Fallzahlen in Sachsen etwa sind auf einem ganz anderen Niveau als in NRW, mit dem Ergebnis, dass man in Sachsen wohl auch deutlich mehr Normalität - z.B. in den Schulen - umsetzen kann, während in NRW ab nächster Woche für die gesamte Schulzeit bis zum 31. August eine Maskenpflicht an den Weiterführenden Schulen gibt, d.h. die Kiddies werden im Durchschnitt 6 Stunden am Stück eine Maske tragen. Die Situationen in Deutschland sind sehr unterschiedlich diesbezüglich. Insofern stimme ich @Axel durchaus zu: die Verweise auf die USA sind als sprechendes Worst Case-Szenario nicht grundsätzlich verkehrt, aber Sachsen ist eben Sachsen und NRW ist NRW. Man sollte Entscheidungen mit Blick auf die regionale Situation treffen, wie man's ja auch tut.

Dass die Berechnungsgrundlage von Fällen pro 100.000 Einwohnern zu starken Verzerrungen bzgl. Ballungsgebieten und Flächenregionen führt, ... nun, das stimmt wohl. Es ist halt auch nur'n Richtwert. Dass aber nebst Gesundheitsschutz auch andere Aspekte in der Abwägung berücksichtigt werden, z.B. die Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen, finde ich gut. Obwohl ich die Maskenpflicht für NRW - wo die Situation sich von Landkreis zu Landkreis ja auch massiv unterscheidet - begrüße: bei den aktuellen Temperaturen werden die Kiddies sich kaum mit Mundschutz über 6 Stunden konzentrieren können.


Ich rechne jetzt schon damit, dass ich möglichst viel Unterricht an der frischen Luft ohne Mundschutz abhalten werde, denn einen ganzen Tag hindurch die Maske zu tragen ist wohl sehr schwer. Ich glaube nach spätestens ein paar Stunden sind die Kiddies völlig Matsche in der Birne. Gesundheitsschutz ist wichtig, aber aus Sorge vor einem Superspreader-Event kann man nicht jedweden Preis für den Gesundheitsschutz zahlen. Der Herbst wird sicherlich eine Herausforderung, denn bisher haben wir COVID19 nur im Frühling/Sommer erlebt, wo sich das Alltagsleben ohnehin ans Freie verlagert. Sobald die Menschen ab Herbst aber die meiste Zeit in Innenräumen unterwegs sind, nun ...
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Terranigma hat geschrieben: 4. Aug 2020, 17:55 Der Herbst ist allerdings eben der Herbst.
Klar nun wenn ich mir aktuell anschaue wie überraschend die Politik merkt, dass die Schule in den meisten Bundesländern bald wieder losgeht und gerade ein Bundesland nach dem anderen in eine unterschiedliche Form der Maskenpflicht an Schulen stolpert ist aktuell so ziemlich das letzte was ich erwarte irgendeine Vorbereitung auf den Herbst - der wird vermutlich auch dieses Jahr wieder völlig überraschend kommen... :? Es geht ja nicht darum aus Angst vor einem zweiten Lockdown in den Lockdown zu gehen - aber irgendeine sichtbare Vorbereitung oder Kommunikation wäre echt mal was schönes...
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Andre Peschke
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Andre Peschke »

Rince81 hat geschrieben: 4. Aug 2020, 18:23 aber irgendeine sichtbare Vorbereitung oder Kommunikation wäre echt mal was schönes...
Ich denke, dafür votieren ja alle hier. Bessere Kommunikation war konkret das Thema oben und gegen gute Vorbereitung hat keiner was. Ein bisschen ist das gefühlte Durcheinander sicher auch eben die Folge dessen, was Terranigma beschreibt: Man versucht nicht mit einer "one-size-fits-all"-Lösung zu hantieren und das ist gut. Wenn in Sachsen wirklich keine Sau infiziert ist, dann sollen sie dort auch stärker lockern dürfen. Macht ja keinen Sinn, da nach dem Prinzip "geteiltes Leid ist halbes Leid" zu agieren. Genau deswegen ist aber eben auch gute Kommunikation wichtig. Denn natürlich ist eine Losung "bundesweit gilt a, b, c" besser zu kommunizieren und zu verstehen, als Regionallösung A, Regionallösung B und so weiter. Da wäre es echt gut, wenn es da saubere Organisation, Planung und klare Kommunikation gäbe. Letzteres umso mehr, da sonst der Eindruck von Willkür und Planlosigkeit entstehen kann, selbst wenn das gar nicht der Fall wäre.

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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Rince81 hat geschrieben: 4. Aug 2020, 18:23 aber irgendeine sichtbare Vorbereitung oder Kommunikation wäre echt mal was schönes...
Also hier in Sachsen unterstützt man halt Studien bspw. von Unikliniken, außerhalb der Urlaubszeit alle zwei Wochen Pressekonferenzen der Ministerien, die Landes- und Kommunalpolitiker veranstalten regelmäßig und überall im Land Bürgersprechstunden (so ist etwa nächste Woche Petra Köpping in Augustusburg, man kann als normaler Bürger nach vorheriger Anmeldung hin und mit ihr über Themen wie Einsamkeit in der Pandemie und dergleichen sprechen), auf www.coronavirus.sachsen.de wird sehr umfangreich und aktuell informiert und auch der MDR macht auf seiner Homepage mdr.de nen richtig guten Job für sein Sendegebiet. Die Artikel und Beiträge sind unaufgeregt, Themen werden von verschiedenen Seiten beleuchtet, etc.

Also was die Kommunikation betrifft, kann zumindest ich mich nicht beschweren. Ich habe auch das Gefühl, dass die sächsische Regierung sehr aktiv ist was Unterstützung von alltagsrelevanten Studien betrifft. Wie eben die Studien zur psychischen Hygiene von Kindern oder auch die Studie zu Großveranstaltungen.

Wie das in anderen Ländern aussieht: Keine Ahnung. Für den Bund muss ich aber sagen, dass ich die Kommunikation mittlerweile katastrophal finde! Jede Zeitung schreibt was anderes. Jeder Politiker sagt was anderes. Hier steht das eine, da das andere, dort das nächste. Das verwirrt die Leute doch nur. Und als Überschrift panikartige „ZWEITE WELLE!!!“ Headlines.

Während das Gesundheitsministerium unter Spahn sehr still geworden ist. Mehr als ein „Maske und Abstand bis zum Impfstoff!!!1“ kommt da auch nicht bei rum. Da werden eben keine Studien vorangebracht. Ich habe eher das Gefühl, dass man das jetzt im Bund einfach so aussitzt, anstatt proaktiv zu schauen wie man in der Zukunft mit dem Virus umgehen kann. Denn man muss auch immer bedenken: Es könnte sein, dass es nie einen sicheren Impfstoff gibt. Soll das jetzige Chaos dann ewig so weitergehen?
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Andre Peschke »

Ein gutes Anschauungsbeispiel dafür, warum man bei der ganze Chose Ausdauer beweisen muss und es wichtig ist, dass sich keine „das war‘s aber jetzt“-Mentalität einschleicht, scheint Melbourne anzubieten, wie die Times ganz gut aufarbeitet:

https://www.nytimes.com/2020/08/04/worl ... kdown.html
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Während hierzulande einige Gesundheitsämter wohl nur noch überfordert sind:

- Der Kinderschutzbund schlägt Alarm, weil Gesundheitsämter Familien, unter Androhung der Herausnahme der Kinder, anordnen, dass jene Kinder in Einzelisolierung sollen: https://www.dksb.de/de/artikel/detail/p ... derrechte/

- Monitor berichtet von hunderten falsch-positiven Bescheiden der Gesundheitsämter im Rahmen der Tönnies-Quarantäne, damit die Menschen weiter in der Quarantäne bleiben: https://www.youtube.com/watch?v=cLsGg-8gsr0

Solche Dinge geben den Verschwörungsheinis leider auch genug Munition! :|
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Axel hat geschrieben: 5. Aug 2020, 00:13 - Monitor berichtet von hunderten falsch-positiven Bescheiden der Gesundheitsämter im Rahmen der Tönnies-Quarantäne, damit die Menschen weiter in der Quarantäne bleiben: https://www.youtube.com/watch?v=cLsGg-8gsr0
Uff. Versucht man das irgendwie schräg mit Hanlons Rasiermesser zu erklären, dann kommt irgendwas aus der Ecke mit Hunderten zu prüfenden Einzelfällen war man im Kreis personell heillos überfordert raus. Macht es nicht besser, denn der Rest lässt sich schwer anders erklären, dass man aus Überforderung entschieden hat einen Personenkreis, der sich mangels Sprachkenntnissen nicht wehren kann und ohnehin keine Lobby hat dafür leiden zu lassen. Sowas darf nicht einfach nicht passieren.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Rince81 hat geschrieben: 5. Aug 2020, 00:43 Macht es nicht besser, denn der Rest lässt sich schwer anders erklären, dass man aus Überforderung entschieden hat einen Personenkreis, der sich mangels Sprachkenntnissen nicht wehren kann und ohnehin keine Lobby hat dafür leiden zu lassen.
Oder aus, sagen wir es so deutlich: Rassismus. Wäre übrigens nicht das erste Mal. Panorama hatte im Juni über den Fall in Göttingen berichtet: https://daserste.ndr.de/panorama/archiv ... n1264.html

Und das werden nicht die letzten Fälle sein.

Aber leider, wie oben schon erwähnt, sind solche Fälle die perfekte Munition für Verschwörungsidioten, die den Leuten Angst mit solchen Aussagen wie „Der Staat will uns unterdrücken!!1“ machen.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Wudan »

Axel hat geschrieben: 5. Aug 2020, 00:13 - Monitor berichtet von hunderten falsch-positiven Bescheiden der Gesundheitsämter im Rahmen der Tönnies-Quarantäne, damit die Menschen weiter in der Quarantäne bleiben: https://www.youtube.com/watch?v=cLsGg-8gsr0
Also wenn das so stimmt (und davon ist leider auszugehen) dann ist das schon skandalös. Das gibt wirklich den "Coronagegnern" (leider mit Recht) richtig dick Munition. WTF soll der Scheiss?

Also damit tun die der Sache wirklich keinen Gefallen :(
Jetzt stellt sich natürlich die Frage ob die hunderte falsche Bescheide mit in die offiziellen Fallzahlen mit eingeflossen sind. Wenn ja dann sind die grob falsch. Inclusive der daraus erfolgten Maßnahmen. Und die Statements von Kreis und Stadt (Misverständnis, falsche Briefvorlage) sind einfach lächerlich. Das hier ist keine Bagatelle.

Rassistische Gründe mag ich als Motiv nicht unterstellen, aber ich bin mir ziemlich sicher das man das mit deutschen Angestellten nicht so gemacht hätte.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Laut dieser aktuellen Recherche von NDR und SZ radikalisieren sich derzeit über 100.000 Menschen im Messenger-Dienst Telegram: https://www.tagesschau.de/investigativ/ ... m-101.html

Aus Ohnmachtsgefühlen entstehen Glauben an krudesten Verschwörungstheorien, welche nachhaltig schädlich für unsere Demokratie sind. Mehr noch, werden diese Menschen jeden Tag von früh bis spät in dieser Blase gehalten und radikalisiert. Zu dieser ganzen Problematik wie diese Blasen auf Menschen wirken, hat die AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber bereits viele intelligente Dinge gesagt - etwa in diesem Talk im Potsdamer Einstein Forum: https://www.youtube.com/watch?v=oemvv7l1f-E

Warum erwähne ich das jetzt? Weil ich denke, dass sich die Zahl der Menschen, die sich in solchen abgeschotteten Blasen wie in Telegram radikalisieren, weiter zunehmen wird. Zu dieser Annahme bringen mich zwei aktuelle Themen aus NRW. Wo scheinbar jedes Maß verloren gegangen zu sein scheint.

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1. Thema: Sofort-Bußgeld bei Verstoß gegen MNS-Pflicht

Bild
(Screenshot: Tagesschau-Corona-Ticker)

Es macht auf mich den Eindruck, dass man in NRW garnicht mehr nachfragen will, warum jemand keinen MNS trägt oder tragen kann. Die Wortwahl von Hendrik Wüst ist klar: „Keine langen Diskussionen mehr“ und „an der nächsten Haltestelle raus und zahlen“. Mal davon abgesehen, dass sowas definitiv nicht dazu beiträgt für mehr Aufklärung gegenüber physischen und psychischen Einschränkungen zu sorgen. Ich meine, ich stelle mir gerade folgendes Szenario vor: Man sitzt in der Bahn, die Klimaanlage ist ausgefallen und nimmt sich die Maske ab, schlicht um ein wenig Luft zu holen. Und in diesen Augenblick kommt die Kontrolle... Wird da schon dieses Bußgeld verhängt und muss man aussteigen? Allein solche Überlegungen können bei einigen Menschen zu Angst und Ohnmachtsgefühlen führen. Ohne einen direkten physischen oder psychischen Grund zu haben, der gegen die MNS spricht.

Was passiert nun aber, wenn die Politik verbal so aggressiv vorprescht? Ich kann mir vorstellen, dass die gesellschaftliche Stimmung weiter gespalten und unversöhnlicher wird. Nicht nur in NRW, sondern durch die Berichterstattung auch darüber hinaus. Also zwischen den Befürwortern der MNS und den Gegnern. Es wird scheinbar garnicht mehr versucht kommunikativ für Zusammenhalt zu sorgen. Und es gibt leider auch kein demokratisches Angebot für Kritiker solcher Maßnahmen. Also werden diese Menschen eine gute Zielgruppe für solche Radikalisierungen wie in der obigen verlinkten Recherche geschildert.


2. Thema: MNS-Pflicht im Unterricht

Da weiß ich echt nicht mehr was ich dazu sagen soll. Ich schließe mich mal folgendem Kommentar von WDR-Journalisten Stefan Lauscher an: https://www1.wdr.de/nachrichten/landesp ... n-100.html

Dennoch noch ein paar ergänzende Fragen von mir:
- Wie sollen Kinder mit Hörgeräten und damit eingeschränkten Hörfähigkeiten dem Unterricht folgen?
- Wie sollen Kinder mit Brille das die ganze Zeit aushalten, wenn die Brille ständig beschlägt?
- Wie sollen Kinder mit ADHS und anderen Konzentrationsschwierigkeiten sich noch auf den Unterricht fokussieren?
- Was macht das eigentlich in der Klassengemeinschaft psychologisch, wenn die einen Kinder medizinisch von der Maske befreit sind und die anderen Kinder nicht?
- Wie soll das eigentlich organisatorisch laufen? Laut den Menschen in meiner Umgebung, ist so eine Stoffmakse in diesen Temperaturen (30 Grad plus) nach ner Stunde durchfeuchtet. Dann muss man die Maske wechseln, weil sonst wirken die ja auch nicht mehr. Wenn wir von ner Unterrichtszeit zwischen 8:00 - 16:00 plus Hin- und Rückfahrt ausgehen, braucht ein Kind also ca. 10 Masken am Tag. Die werden am Abend gewaschen und weil die am nächsten Tag vielleicht noch nicht trocken sind, braucht man weitere 10 Masken. Für ein Kind. Jetzt habe mal zwei oder drei Kinder in dem Alter...

Aber von diesen Fragen abgesehen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei Kindern von 10, 11, 12 Jahren so funktioniert.

Also wie ihr seht, denke ich nicht, dass sowas in der Praxis funktioniert. Und es wird IMO Klagen geben! So war es auch in Mai im thüringischen Jena. Damals wurde eine MNS-Pflicht im Unterricht wieder einkassiert: https://www.spiegel.de/panorama/bildung ... de37068502

IMO muss man mal generell diskutieren, was hier schwerer liegt: Nutzen oder Schäden? Ja, Masken können nachweislich schützen. Aber Schule sit auch ein sehr sensibler Bereich, besonders psychosozial. Niemand kennt die langfristigen Folgen. Gerade im Alter zwischen 10 und 16 werden soziale Kompetenzen ausgebildet. Meine Sorge wäre, dass das durch den ganzen Tag Maske, nachhaltig gestört wird. Und dann wird ne ganze Generation verbrannt, wenn die langfristigen Folgen etwa Panikstörungen und ähnliches sind.


Aber kommen wir wieder zurück zum Überthema Radikalisierung: Ich beobachte schon jetzt Eltern in den sozialen Medien, die sich riesige Sorgen um ihre Kinder machen. Auch bei Müttern und Vätern, die bisher für die Maßnahmen geworben haben. Aber selbst die finden eine ganztägige Maskenpflicht an Schulen für Kinder als zu übertrieben und unverhältnismäßig. Was passiert nun, wenn von der Landesregierung in NRW keine Debatte gewünscht wird? Wie sehr kann das Vertrauen in die Maßnahmen in der Pandemie dadurch verloren gehen? Und: Steckt hier ein weiteres Radikalisierungspotential? Etwa wenn sich einige Eltern nicht verstanden fühlen und der Druck immer weiter wächst?

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Fazit:

Ja, wir sind wieder beim Thema MNS. Aber darüber will ich nicht diskutieren. Wissenschaftlich helfen die Dinger, keine Frage. Aber: Der gesellschaftliche Druck von der einen Seite wird IMO dafür sorgen, dass sich die andere Seite der Gesellschaft zunehmend radikalisieren wird. Was der allgemeinen Entwicklung in Deutschland nicht gut tun wird. Weder in der Pandemie noch in der Zeit danach.

Das Problem ist, dass die Radikalisierung nicht mehr offen sichtbar auf Facebook stattfindet, sondern geschlossen in Messenger-Diensten wie Telegram. Ich finde schon die 100.000 Leute, die lt. der Recherche von NDR und SZ in solchen Telegram-Gruppen aktiv sind als extrem viel. Da reicht es schon, wenn nur einer zwei weitere Leute „anwirbt“ bzw. mal in solchen Gruppen einlädt. Lass das dann mal verunsicherte Eltern sein, die diese MNS-Pflicht im Unterricht dann doch als zu übertrieben empfinden. Und die bekommen dann den ganzen Tag solche Nachrichten auf ihr Handy. Wie schnell man solche Inhalte dann auch unterbewusst annimmt, darüber hat Franziska Schreiber im oben verlinkten Talk gewarnt: „Auch wenn Du denkst ‘Ich blicke ja durch, mir kann das nicht passieren‘, niemand ist immun dagegen, wenn Du jeden Tag stundenlang mit solchen Nachrichten konfrontiert wirst.“

Und das ist meine Sorge bei dem Ganzen, die ich seit Monaten habe und die sich durch solche Demos mit 17.000 Leuten in Berlin, aber auch solche Recherchen wie vom NDR und der SZ allmählich bewahrheiten: In dem der Druck der einen gesellschaftlichen Seite steigt, steigt auch der Gegendruck der anderen gesellschaftlichen Seite.

Das erinnert mich daran, als damals PEGIDA hier in Sachsen einen riesigen Zulauf von zehntausenden Leuten hatte. Der Zulauf wurde nochmal stärker, als die eine gesellschaftliche Seite die Menschen kriminalisierte und als „Pack!“ beschimpfte. Heute ist PEGIDA nur noch ne Splittergruppe. Aber woran liegt das? Ganz einfach: Man hat hier in Sachsen extrem viel Kommunikation betrieben. Denn man hat schnell gesehen: Diese ganze Ausländerfeindlichkeit ist bei vielen Menschen nur oberflächlich. Die eigentlichen Motive waren tiefer. Durch die schlechten Erfahrungen nach der Wende, durch Umbrüche in Biografie, usw. haben viele Menschen das Vertrauen in den Staat verloren. Sie haben Menschen verloren, sie müssen nun erleben wie sie in die Altersarmut rutschen, obwohl sie viel gearbeitet haben und und und.

Wer dazu mehr wissen will, es gibt zwei ganz hervorragende Bücher dazu von zwei sächsischen Politikern:
Integriert doch mal erstmal uns von unserer Sozialministerin Petra Köpping sowie Das Problem sind wir von Dirk Neubauer, Bürgermeister der Kleinstadt Augustusburg.
Beide Bücher sind als Folge der PEGIDA-Erfahrung, der drohenden Radikalisierung der sächsischen Gesellschaft und dem politischen Aufstieg der AfD entstanden. Beide Bücher geben dabei harte, aber auch tiefe Blicke in das politische Seelenleben vieler Sachsen. Aber auch Strategien wie man damit konstruktiv und demokratiefördernd umgehen kann.

Dass wir heute keine AfD an der Landesregierung haben, ist auch dem geschuldet, weil die Politiker auf Landes- und Kommunaler Ebene sehr, sehr offen geworden sind und sich nicht mehr in der Kanzlei verstecken. Wenn ein Ministerpräsident Michael Kretschmer ohne MNS auf eine Hygienedemo in der Stadt Dresden geht und mit dem Menschen redet und diskutiert, dann mag das für viele, besonders westdeutsche, Medien, Beobachter und Politiker als sehr befremdlich wirken. Ist aber direkte Folge der Erfahrungen, die wir hier in den letzten Jahren gesammelt haben. Man muss den Leuten auch eine Plattform für ihren Unmut geben, idealerweise müssen sich Politiker ganz offen dem stellen. Das ist natürlich nicht mit einer Aktion getan, das braucht viele Jahre. Aber unsere Erfahrung in Sachsen zeigt: Nur so kriegt man die Leute irgendwann auch wieder zurück. Nicht alle, aber doch viele.

Doch wieder mehr Text geworden. Aber mein Punkt ist: Wenn man mit selbst empfundener, überlegender Moral und ganz viel Zeigefinger und schlussendlich mit Beleidigungen sich über andere Menschen erhebt, treibt man diese Menschen wiederum in die Radikalisierung. Also wenn man sagt „Mit Corona-Leugnern diskutiere ich nicht!“, dann erreicht man, dass sich die Kritiker und vor allem die Unentschlossenen weiter abschotten und dann in Blasen gefangen werden. Und hier tut sich, damals wie heute, besonders die linke Seite nicht als Brückenbauer hervor, ganz im Gegenteil.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Axel hat geschrieben: 5. Aug 2020, 11:56 Doch wieder mehr Text geworden. Aber mein Punkt ist: Wenn man mit selbst empfundener, überlegender Moral und ganz viel Zeigefinger und schlussendlich mit Beleidigungen sich über andere Menschen erhebt, treibt man diese Menschen wiederum in die Radikalisierung. Also wenn man sagt „Mit Corona-Leugnern diskutiere ich nicht!“, dann erreicht man, dass sich die Kritiker und vor allem die Unentschlossenen weiter abschotten und dann in Blasen gefangen werden. Und hier tut sich, damals wie heute, besonders die linke Seite nicht als Brückenbauer hervor, ganz im Gegenteil.
Aber worüber will und soll man Diskutieren? Du sagst selber "Corona-Leugner". Das ist für mich auf dem Level eines "Schwerkraft-Leugners". Mit dem Diskutierte ich auch nicht über die Existenz von Schwerkraft - zumindest nicht solange er wie ich mit beiden Beinen auf dem Boden gefangen ist - wenn er um mich rum schwebt bin ich gerne bereit zu diskutieren und die Gültigkeit einen Naturgesetzes zu hinterfragen. Aus dem von Dir verlinkten Artikel zu der Radikalisierung:
Bettina Bauernfeind ist Diplom-Betriebswirtin, sie ernährt sich vegetarisch, macht viel Sport und hat bei der letzten Wahl die Grünen gewählt. Es scheint so, als stehe die Frau aus Bad Segeberg mitten im Leben. Auf die Maskenpflicht in Corona-Zeiten darf man sie allerdings nicht ansprechen. Das sei ein Instrument der Unterdrückung, sagt sie empört: "Jetzt sind wir alle kurz vor dem Untergang. Ich sage, dass der Plan ist, sieben Milliarden Menschen zu ermorden." Dahinter steckten "Bill Gates und seine Kumpanen", und wenn es Gates nicht gelinge, alle umzubringen, so sollten sie doch zumindest dahinvegetieren.


Nö. Mit der würde ich nicht mehr diskutieren - wozu auch? Und worüber? Sie behauptet Bill Gates will 7 Milliarden ermorden - ich finde das völlig absurd. Einigen wir uns in der Diskussion dann darauf, dass Gates so 3-4 Milliarden ermorden will?

Dazu kommt ja gerade, dass sich dieser Teil der Gesellschaft auf Telegram zurückzieht um nicht mehr zu Diskutieren und keinen Widerspruch mehr zu hören.
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Terranigma
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Terranigma »

Axel hat geschrieben: 5. Aug 2020, 11:562. Thema: MNS-Pflicht im Unterricht

Da weiß ich echt nicht mehr was ich dazu sagen soll. Ich schließe mich mal folgendem Kommentar von WDR-Journalisten Stefan Lauscher an: https://www1.wdr.de/nachrichten/landesp ... n-100.html

Dennoch noch ein paar ergänzende Fragen von mir:
- Wie sollen Kinder mit Hörgeräten und damit eingeschränkten Hörfähigkeiten dem Unterricht folgen?
- Wie sollen Kinder mit Brille das die ganze Zeit aushalten, wenn die Brille ständig beschlägt?
- Wie sollen Kinder mit ADHS und anderen Konzentrationsschwierigkeiten sich noch auf den Unterricht fokussieren?
- Was macht das eigentlich in der Klassengemeinschaft psychologisch, wenn die einen Kinder medizinisch von der Maske befreit sind und die anderen Kinder nicht?
- Wie soll das eigentlich organisatorisch laufen? Laut den Menschen in meiner Umgebung, ist so eine Stoffmakse in diesen Temperaturen (30 Grad plus) nach ner Stunde durchfeuchtet. Dann muss man die Maske wechseln, weil sonst wirken die ja auch nicht mehr. Wenn wir von ner Unterrichtszeit zwischen 8:00 - 16:00 plus Hin- und Rückfahrt ausgehen, braucht ein Kind also ca. 10 Masken am Tag. Die werden am Abend gewaschen und weil die am nächsten Tag vielleicht noch nicht trocken sind, braucht man weitere 10 Masken. Für ein Kind. Jetzt habe mal zwei oder drei Kinder in dem Alter...

Aber von diesen Fragen abgesehen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei Kindern von 10, 11, 12 Jahren so funktioniert.

Also wie ihr seht, denke ich nicht, dass sowas in der Praxis funktioniert. Und es wird IMO Klagen geben! So war es auch in Mai im thüringischen Jena. Damals wurde eine MNS-Pflicht im Unterricht wieder einkassiert: https://www.spiegel.de/panorama/bildung ... de37068502

IMO muss man mal generell diskutieren, was hier schwerer liegt: Nutzen oder Schäden? Ja, Masken können nachweislich schützen. Aber Schule sit auch ein sehr sensibler Bereich, besonders psychosozial. Niemand kennt die langfristigen Folgen. Gerade im Alter zwischen 10 und 16 werden soziale Kompetenzen ausgebildet. Meine Sorge wäre, dass das durch den ganzen Tag Maske, nachhaltig gestört wird. Und dann wird ne ganze Generation verbrannt, wenn die langfristigen Folgen etwa Panikstörungen und ähnliches sind.
In Ostasien bekommen Kinder es gut hin, und ich sehe keinen Anlass, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland dazu nicht fähig sein sollen. Die größte Angst die man vor einer Maske haben kann ist die, die man sich und anderen selbst einredet. Psychische Vorbelastungen natürlich ausgenommen, aber die haben die Kinder und Jugendliche im Durchschnitt genauso wenig wie Atemwegsprobleme, o.Ä. Aufgrund der schlechteren Luftzufuhr erhöht sich i.d.R. die Frequenz der Atmung, was unangenehm und zu Panik führen kann. Das kann man aber mit innerer Ruhe ausgleichen, indem man eben bewusst atmet und sich nicht selbst unnötig verrückt macht. In NRW gilt die Maskenpflicht vorerst bis zum 31. August, in dieser Zeit werden die Kinder und Jugendlichen gewiss keine Langzeitschäden, psychischen Leiden, Panikstörungen, o.Ä. entwickelt. Natürlich wird's Kinder geben, die damit schlechter zurechtkommen als andere. So ist's dann. Jedwede Entscheidung geht mit Nachteilen und Problemen einher.


Ebenso gibt's die Möglichkeit sich bei medizinischer, o.Ä. Notwendigkeit von der Maskenpflicht befreien zu lassen. Wenn ein Kind eine Maske also nicht tragen kann, so wird sie auch nicht tragen müssen - Attest vorausgesetzt. Die meisten Kinder und Jugendlichen, genauso wie die meisten Erwachsenen, können dies aber. Natürlich ist das unangenehm. Die Vorstellung bei steigenden Fallzahlen aber ohne jeglichen Gesundheitsschutz über Stunden in einem Raum zu verbringen ist ebenso unangenehm. Ich stimme aber zu: die Maskenpflicht ist eine große Belastung für den Unterricht und ich hätte es bevorzugt, man hätte bis Ende August stattdessen wieder ein rollierendes System von halben Klassen mit 1,5m Abstand als Norm eingeführt - auch weil dieses System an den Schulen bereits etabliert ist. Das politische Ziel ist aber, dass wieder alle Kinder in den Regelunterricht können. Im Hinblick auf die steigenden Fallzahlen sowie die Sorge bzgl. Infektionen durch Urlaubsrückkehrer würde ich es allerdings ebenso fahrlässig halten, würde man wieder 30 SuS, die ggf. sonstwo im Urlaub waren, ohne jeden Schutz in einen Raum setzen. Die Maskenpflicht ist insofern bereits ein Kompromis. Es ist auch nicht mein Wunschkompromis, da ich ebenso nicht glaube, dass die Kiddies bei dem aktuellen Wetter stundenlang eine Maske tragen und sich dabei sonderlich konzentrieren können. Aber wir werden's überleben.

Aber auch mal so gesagt: würden die Erwachsenen sich selbst zurücknehmen, auf den Urlaub im Ausland verzichten und sich an die Hygienevorschriften halten, so wäre die Maskenpflicht ggf. nicht notwendig geworden. Die Fallzahlen steigen ja insb. in NRW nicht aufgrund des Verhaltens der Kinder und Jugendlichen, sondern wegen der Erwachsenen. Insofern dürfen sich die Schüler nun bei den Älteren dafür bedanken, dass sie deren Engstrinigkeit ausbaden müssen.
Axel hat geschrieben: 5. Aug 2020, 11:56Doch wieder mehr Text geworden. Aber mein Punkt ist: Wenn man mit selbst empfundener, überlegender Moral und ganz viel Zeigefinger und schlussendlich mit Beleidigungen sich über andere Menschen erhebt, treibt man diese Menschen wiederum in die Radikalisierung. Also wenn man sagt „Mit Corona-Leugnern diskutiere ich nicht!“, dann erreicht man, dass sich die Kritiker und vor allem die Unentschlossenen weiter abschotten und dann in Blasen gefangen werden. Und hier tut sich, damals wie heute, besonders die linke Seite nicht als Brückenbauer hervor, ganz im Gegenteil.
Das sind zumeist in sich abgeschlossene Weltbilder. Ich habe so'n paar von diesem Schlag im unmittelbaren Umfeld: da ist kein Gespräch möglich, denn es werden jeweils die Prämissen der eigenen Argumente je nach Nützlichkeit ausgetauscht. Einerseits ist das RKI von Merkel gesteuert und lügt grundsätzlich, andererseits beruft man sich auf das RKI und die niedrige Positivrate der letzten Wochen - nun, wo die Zahlen aber steigen, lügt das RKI wiederum. Diese Menschen sind bereits radikalisiert innerhalb ihres Weltbildes. Ich spare mit die Kraft, Nerven und Energie und führe keine Gefechte gegen Windmühlen.

Ich fände es bedauerlich, würden wir die Vernunft abschreiben, aus Sorge, dass Vernunftsargumente in einigen Köpfen zu einer Verhärtung des vorhandenen Blödsinns sorgen können. Natürlich kann's das. Wird auch so kommen. Aber ich führe auch keine ergebnisoffenen Diskussionen über den Sinn und Unsinn der Menschenrechte und stelle nicht die Gleichstellung der Geschlechter zur Disposition. Als Sparringsübung im Rahmen einer Diskussion der Diskussion willen - gerne, da diskutiere ich sowas gerne aus Spaß an der Freude. Aber ich würde sowas nicht ernstlich ergebnisoffen diskutieren. Genauso wenig würde ich ernstlich in die Diskussion gehen, ob Bill Gates nicht womöglich doch sinistre Pläne verfolgt und der Mundnasenschutz nur ein Mittel der Unterdrückung ist.
Zuletzt geändert von Terranigma am 5. Aug 2020, 13:08, insgesamt 1-mal geändert.
Sitting quietly and doing nothing,
Spring comes, and the grass
grows by itself.
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