COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

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Dicker
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Dicker »

GoodLord hat geschrieben: 4. Jan 2023, 19:16 @Lurtz: Zu deiner Beruhigung: In meiner Bubble schöpfen fast alle Paare die Elternzeit annäher voll aus. Das gibt es also auch. Denn meisten gehts finanziell aber auch einigermaßen gut (ich würde keinen als Reich bezeichnen, aber finanzielle Nöte hat auch keiner), womit das evtl. eine nicht repräsentative Gruppe für Deutschland ist.
Und in welcher Verteilung wird sie genutzt? 1 Jahr die Frau, 2-3 Monate der Mann ist so der Standard den ich kenne.
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Guthwulf
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Guthwulf »

Lurtz hat geschrieben: 4. Jan 2023, 19:01Eine Kassiererin im Supermarkt zB hat halt idR keine "Karriere" in dem Sinne, wie man das Wort normalerweise versteht.
Ist das eine Replik auf meinen Post? Assozierst du "Frauen" und "Vollzeitarbeit" automatisch mit "Kassiererin im Supermarkt"? Ich kenne keine Statistiken und das wäre natürlich ein Mißstand, aber genau das meinte ich mit "Karriere" eben nicht. Meine Eltern waren z.B. beide Akademiker und haben sich beide gleichwertig viel Zeit für Kinder wie Karriere genommen. In meiner Wahrnehmung gabs da keine geschlechterspezifischen Unterschiede in der Rollenverteilung oder "Hierarchie", auch im weiteren Umfeld nicht, aber ich bin halt auch im Osten aufgewachsen. Natürlich ist der Job oft vor allem der Notwendigkeit geschuldet, genug Geld zum Leben zu haben und das wird immer schwieriger, auch in Deutschland.
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GoodLord
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von GoodLord »

@Dicker: Ich kenne nicht in allen Fällen die Details (bzw. hab sie mir nicht gemerkt), und ist von Fall zu Fall unterschiedlich, aber generell ist mein Eindruck, dass sich das ca 1/3 zu 2/3 aufteilt.

Muss mich übrigens korrigieren. Die vollen 3 Jahre Elternzeit pro Elternteil werden i.d.R. nicht ausgeschöpft, sondern die 14 bzw. 28 Monate für die man Elternheld bekommt. Hab das verwechselt.
Voigt
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Voigt »

@Lurtz Da kommt eventuell gerade wieder die westliche Sicht durch, mit halt den schlechten Kinderkrippen und -Garten Angeboten, wo es den Kinder nich gut geht und abgeschoben werden.
So war es bei mir und allen Bekannten in Jena so halt garnich. Hatten recht gute Angebote und an Wochenenden wurde trotzdem noch viel mit Eltern unternommen.

Bei meiner Mutter bestand auch keine unbedingte finanzielle Notwendigkeit, sondern einfach nur der echte Wunsch wieder arbeiten gehen zu wollen. Auch nich für "Karriere" (mein Startgehalt ist ca. ihr jetztiges Gehalt), sondern weil ihr Beruf ihr Spaß macht.

Klar kann es auch Situationen geben wo das alles nicht funktioniert, bloß hier wurden gerade bloß Erfahrungen geteilt wo es gut klappte.
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Guthwulf
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Guthwulf »

Voigt hat geschrieben: 4. Jan 2023, 20:42Bei meiner Mutter bestand auch keine unbedingte finanzielle Notwendigkeit, sondern einfach nur der echte Wunsch wieder arbeiten gehen zu wollen. Auch nich für "Karriere" (...) sondern weil ihr Beruf ihr Spaß macht.
Ja... so meinte ich das auch. Hätte vielleicht "Beruf" statt "Karriere" sagen sollen... sonst mißverständlich
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Axel
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Guthwulf hat geschrieben: 4. Jan 2023, 19:47
Lurtz hat geschrieben: 4. Jan 2023, 19:01Eine Kassiererin im Supermarkt zB hat halt idR keine "Karriere" in dem Sinne, wie man das Wort normalerweise versteht.
Ist das eine Replik auf meinen Post? Assozierst du "Frauen" und "Vollzeitarbeit" automatisch mit "Kassiererin im Supermarkt"? Ich kenne keine Statistiken und das wäre natürlich ein Mißstand, aber genau das meinte ich mit "Karriere" eben nicht. Meine Eltern waren z.B. beide Akademiker und haben sich beide gleichwertig viel Zeit für Kinder wie Karriere genommen. In meiner Wahrnehmung gabs da keine geschlechterspezifischen Unterschiede in der Rollenverteilung oder "Hierarchie", auch im weiteren Umfeld nicht, aber ich bin halt auch im Osten aufgewachsen. Natürlich ist der Job oft vor allem der Notwendigkeit geschuldet, genug Geld zum Leben zu haben und das wird immer schwieriger, auch in Deutschland.
Jup, ist mir auch sofort aufgefallen diese Assoziierung. Hier mal die letzten Zahlen aufgeteilt nach Bundesländern: https://www.destatis.de/DE/Presse/Press ... 3_132.html

In den ostdeutschen Ländern sind 40-50% aller Mütter vollzeit erwerbstätig. Dabei handelt es sich um Mütter mit Kindern zwischen 6 und 18 Jahren. Für Mütter von Kindern zwischen 1-5 habe ich jetzt keine Zahlen gefunden, wird aber nicht viel anders sein.

Jedenfalls: Ich finde es wirklich erschreckend, wie krass da der Unterschied zu westdeutschen Ländern ist, wo es ganz häufig nicht mal 20% sind! Und daher finde ich auch die Assoziierung von erwerbstätigen Frauen mit "Kassiererin im Supermarkt" irgendwie seltsam. Also wenn ich an die Frauen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis denke, da ist alles dabei: Erzieherin, Psychologin, Mediengestalterin, Veranstalterin, Krankenpflegerin, Busfahrerin, Ingeneurin, Friseurin, Elektronikerin, Gärtnerin. Also normale, mittelständische Arbeiterinnen. Die ihre Arbeit gerne machen und zum großen Teil natürlich auch Kinder haben. Ich verstehe da ehrlich das Problem nicht was manche haben?

@Lurtz:
Lurtz hat geschrieben: 4. Jan 2023, 19:01 In der Durchschnittsbevölkerung gibt es auch viele Frauen, die nicht so sehr an ihrem Job hängen, dass sie ihm ungedingt nachgehen wollten, der ist eben in erster Linie eine finanzielle Notwendigkeit.
Auf den Gedanken, dass man auch gerne auf Arbeit geht, kommst Du nicht? Dass Arbeit mehr ist als finanzielle Notwendigkeit? Ich verstehe einfach nicht, wie Du auf so eine Aussage kommst. Ich habe ja mittlerweile auch schon ein Alter erreicht wo ich meinem Leben viele Mütter kennengelernt haben. Und bei den allermeisten war es so, dass sie nach einem Jahr Elternzeit wieder froh waren auf Arbeit zu gehen, weil ihnen zuhause nämlich irgendwann die Decke auf'n Kopf gefallen. Gerade aktuell wieder ne gute Freundin, die ich seit Jugendtagen kenne. Hatte Ende 2021 ihr zweites Kind bekommen. Das Kind geht jetzt in die Eingewöhnung und der Plan ist, dass sie ab März wieder vollzeit arbeiten geht. Ihr Mann verdient nicht schlecht - das ist also keine finanzielle Notwendigkeit. Aber sie will arbeiten, weil es zu ihrem Lebensentwurf als selbstbestimmte Frau schlichtweg dazugehört.

Bei Dir klingt das ja fast so, als wenn Frauen allein wegen finanzieller Notwendigkeit arbeiten "müssen". Eine Aussage, die ich schon ziemlich schwierig finde, ehrlich gesagt.
Lurtz hat geschrieben: 4. Jan 2023, 19:01 Und der Politik geht es vor allem darum, den prekären Lohnsektor am Laufen zu halten, da steht sicher nicht die berufliche Selbstverwirklichung im Vordergrund, auch wenn es so gerne verkauft wird.
Das ist eine westdeutsche Sicht. Wie gesagt, hier im Osten verdienen Frauen statistisch gesehen häufig sogar mehr als Männer:
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschl ... n-100.html
Lurtz hat geschrieben: 4. Jan 2023, 19:01 Ich finde es furchtbar rückständig, dass Kindererziehung und Betreuung in dieser Gesellschaft weder finanziell noch dem Ansehen nach was wert sind sondern zu einem möglichst großen Anteil nach extern vergeben werden sollen um das Leben mit noch mehr Arbeit zu füllen, obwohl unsere Gesellschaft produktiver denn je ist.
Wie wäre denn Dein Ideal?
Lurtz hat geschrieben: 4. Jan 2023, 19:01 Und das nicht mal wie zB in Skandinavien wenigstens in altersgerechte Betreuungsmodelle, sondern in Massenunterbringung, wo vor allem die Kinder unterhalb des Kindergartenalters null davon profitieren und schlimmstenfalls sogar Schaden davontragen.
Das ist wirklich der schwierigste Satz von Dir. Hast Du eine Ahnung wie sich Erzieherinnen den Arsch für ihren Beruf aufreißen bei vergleichsweise wenig Gehalt? Wie sehr Erzieherinnen auch persönlich so einiges in ihren Beruf legen? Und dann kommst Du mit so einer - sorry - respektlosen Aussage! Bei Dir klingt das ja so, als ob Kindergärten der schlimmste Horror wären...

Auch das mit der "Massenunterbringung" stimmt einfach nicht von den Einrichtungen, die ich so kenne. Da ist es in der Regel so, dass in einer Gruppe 2 Erzieherinnen maximal 10 Kinder betreuen. Also eine Erzieherin für 5 Kinder. Im Alter zwischen 1-3. Bei den Gruppen mit den größeren Kindern ist das dann so, dass eine Gruppe aus maximal 10 Kindern und eine Erzieherin besteht (was auch den Betreuungsschlüssel im SächsKitaG entspricht). Das ist doch alles andere als eine Massenunterbringung würde ich meinen.
Dazu muss man aber auch sagen, dass wir auch ein gutes Kita-Netz haben. Hier in Chemnitz bspw. mit rund 150 Einrichtungen (rund die Hälfte in kommunaler Trägerschaft, die andere Hälfte in freier Trägerschaft) und insgesamt stehen rund 11.700 Betreuungsplätze zur Verfügung. Und da ist Chemnitz hier im Osten nicht ungewöhnlich. Denn überall gibt es ein dichtes Kita-Netz. Eines der wenigen Dinge, die man nach 1990 zum Glück beibehalten hat!

Nun mag das im Westen sicherlich anders sein. Aber Du kritisierst, dass Kinder in Ostdeutschland relativ früh in Betreuung gegeben werden, damit Mütter arbeiten können. Und empfindest das als "gruselige Vorstellung von Familie".
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Lurtz
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Lurtz »

Guthwulf hat geschrieben: 4. Jan 2023, 19:47Ist das eine Replik auf meinen Post? Assozierst du "Frauen" und "Vollzeitarbeit" automatisch mit "Kassiererin im Supermarkt"? Ich kenne keine Statistiken und das wäre natürlich ein Mißstand, aber genau das meinte ich mit "Karriere" eben nicht. Meine Eltern waren z.B. beide Akademiker und haben sich beide gleichwertig viel Zeit für Kinder wie Karriere genommen. In meiner Wahrnehmung gabs da keine geschlechterspezifischen Unterschiede in der Rollenverteilung oder "Hierarchie", auch im weiteren Umfeld nicht, aber ich bin halt auch im Osten aufgewachsen. Natürlich ist der Job oft vor allem der Notwendigkeit geschuldet, genug Geld zum Leben zu haben und das wird immer schwieriger, auch in Deutschland.
Axel hat geschrieben: 4. Jan 2023, 20:49Jup, ist mir auch sofort aufgefallen diese Assoziierung. Hier mal die letzten Zahlen aufgeteilt nach Bundesländern: https://www.destatis.de/DE/Presse/Press ... 3_132.html

In den ostdeutschen Ländern sind 40-50% aller Mütter vollzeit erwerbstätig. Dabei handelt es sich um Mütter mit Kindern zwischen 6 und 18 Jahren. Für Mütter von Kindern zwischen 1-5 habe ich jetzt keine Zahlen gefunden, wird aber nicht viel anders sein.

Jedenfalls: Ich finde es wirklich erschreckend, wie krass da der Unterschied zu westdeutschen Ländern ist, wo es ganz häufig nicht mal 20% sind! Und daher finde ich auch die Assoziierung von erwerbstätigen Frauen mit "Kassiererin im Supermarkt" irgendwie seltsam. Also wenn ich an die Frauen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis denke, da ist alles dabei: Erzieherin, Psychologin, Mediengestalterin, Veranstalterin, Krankenpflegerin, Busfahrerin, Ingeneurin, Friseurin, Elektronikerin, Gärtnerin. Also normale, mittelständische Arbeiterinnen. Die ihre Arbeit gerne machen und zum großen Teil natürlich auch Kinder haben. Ich verstehe da ehrlich das Problem nicht was manche haben?
Wir wohnen hier in einem recht durchmischten Viertel, aber einem wo man schon maximal so das antrifft, was man als untere bis mittlere Mittelschicht bezeichnen würde. Oder bezeichnet hätte, die Grenze hin nach weiter unten sind ja mittlerweile je nach Lebensumständen nur wenige hundert Euro monatliches Einkommen. Viele mit Migrationshintergrund.
Hier arbeiten die meisten in den typischen Angestelltenjobs, und da geht halt kaum jemand aus Erfüllung arbeiten. Den meisten muss man das nicht mal sonderlich aus der Nase ziehen, die machen das schon selbst sehr deutlich. Und selbst unter den Besserverdierern gibts hier noch einige, die sich extra viel Elternzeit gegönnt haben, damit wenigstens ein Elternteil zuhause bleiben konnte.

Ist das wirklich so fernliegend für euch? Die Burnoutquoten und andere psychische Probleme im beruflichen (und familiären) Kontext steigen nicht umsonst seit Jahren. Der Druck wird selbst in vermeintlich guten Jobs, wie bei mir in der IT, beständig höher. Überall wird Personal abgebaut, müssen immer weniger Leute immer mehr leisten, gleichzeitig wird mit permanenter Beschallung per Emails, Tools, die direkt oder indirekt die Arbeitsleistung messen, der Druck erhöht.
Von den wirklich krassen Berufsgruppen, wie den seit Jahren überlasteten Erziehern oder dem langsam vor sich hin kollabierenden Gesundheitswesen fange ich da gar nicht an.
Oder komplett entmenschlichten Jobs wie Amazon Logistics-Fahrer, wo im Grunde nur noch Menschen arbeiten, weil Maschinen die Arbeit noch nicht übernehmen können.

Dazu kommt die Tatsache, dass man selbst mit Unterstützung der Fremdbetreuung (und nicht gerade im gleichen Haus wohnenden Großeltern) mit zwei Vollzeitjobs einfach keinen vernünftigen Haushalt schmeißen kann. Geht rein zeitmäßig einfach nicht.
Auf den Gedanken, dass man auch gerne auf Arbeit geht, kommst Du nicht? Dass Arbeit mehr ist als finanzielle Notwendigkeit? Ich verstehe einfach nicht, wie Du auf so eine Aussage kommst. Ich habe ja mittlerweile auch schon ein Alter erreicht wo ich meinem Leben viele Mütter kennengelernt haben. Und bei den allermeisten war es so, dass sie nach einem Jahr Elternzeit wieder froh waren auf Arbeit zu gehen, weil ihnen zuhause nämlich irgendwann die Decke auf'n Kopf gefallen. Gerade aktuell wieder ne gute Freundin, die ich seit Jugendtagen kenne. Hatte Ende 2021 ihr zweites Kind bekommen. Das Kind geht jetzt in die Eingewöhnung und der Plan ist, dass sie ab März wieder vollzeit arbeiten geht. Ihr Mann verdient nicht schlecht - das ist also keine finanzielle Notwendigkeit. Aber sie will arbeiten, weil es zu ihrem Lebensentwurf als selbstbestimmte Frau schlichtweg dazugehört.
Ohne dir zu nahe treten zu wollen (wobei, tust du mir ja auch, also ist das vielleicht einfach dein Diskussionsstil): Du bist doch jetzt auch nicht gerade das was man in Deutschland als Held der Arbeit bezeichnen würde und klassischer Karrieremensch, wenn ich mich recht erinnere.

Wenn das für deine Freundin so ist, ist das doch wunderbar, ich würde das auch niemandem nehmen wollen. Die meisten Leute in meinem Umfeld lassen klar durchscheinen, dass Arbeit für sie nur Mittel zum Zweck ist.
Bei Dir klingt das ja fast so, als wenn Frauen allein wegen finanzieller Notwendigkeit arbeiten "müssen". Eine Aussage, die ich schon ziemlich schwierig finde, ehrlich gesagt.
Ist sie das? Unser Gesellschaftsvertrag ist ein knallharter Tausch von Lohnarbeit für den Lebensunterhalt gegen alles andere im Leben. Natürlich ist es faktisch für den Großteil eine Notwendigkeit arbeiten zu gehen, das hat nicht viel mit einer unabhängigen Entscheidung zu tun.
Also was genau ist schwierig an der Aussage?
Nur weil es so verbreitet ist, weil es (fast) alle tun müssen, trifft das noch keine Aussage darüber, ob es auch alle wollen würden.
Das ist eine westdeutsche Sicht. Wie gesagt, hier im Osten verdienen Frauen statistisch gesehen häufig sogar mehr als Männer:
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschl ... n-100.html
Das wäre mir neu, dass unterbezahlte Arbeit im Osten kein Problem wäre, eher im Gegenteil. Das wird doch immer als einer der Gründe angeführt, wieso immer mehr junge und gebildete Leute in den Westen abwandern.
Wie wäre denn Dein Ideal?
Dass die Entscheidung, seine Kinder selbst zu erziehen und Zeit mit ihnen zu verbringen, annähernd adäquat vergütet wird. Wenigstens hinsichtlich der Rentenzeit.
Das ist wirklich der schwierigste Satz von Dir. Hast Du eine Ahnung wie sich Erzieherinnen den Arsch für ihren Beruf aufreißen bei vergleichsweise wenig Gehalt? Wie sehr Erzieherinnen auch persönlich so einiges in ihren Beruf legen? Und dann kommst Du mit so einer - sorry - respektlosen Aussage! Bei Dir klingt das ja so, als ob Kindergärten der schlimmste Horror wären...
Du solltest dringend an deinem Leseverständnis arbeiten und/oder nicht Dinge in meine Aussagen reininterpretieren, die da nicht stehen. Ich habe ein systemisches Problem beschrieben, keines, für das Einzelpersonen verantwortlich sind.

Und dass die Kitas massiv unterbesetzt sind, war allein in Pandemiezeiten nun wirklich oft genug Thema in den Medien. Nur mal kurz von vor kurzem rausgegriffen:
BR Recherche hat eine Umfrage unter 76 Kita-Aufsichtsbehörden im Freistaat durchgeführt. 59 haben geantwortet. Demnach wurden heuer bis Anfang Dezember 232 Verdachtsfälle gemeldet, im vergangenen Jahr waren es 129. Besonders auffällig sind demnach Verstöße gegen die Aufsichtspflicht, sie haben sich mehr als verdoppelt (2021: 24, 2022: 57 Fälle). Ähnlich verhält es sich bei den Meldungen zu seelischer Gewalt (2021:16, 2022: 32 Fälle). Auch die Meldefälle von körperlicher Gewalt gegenüber Kindern sind angestiegen (2021: 43 Fälle, 2022: 59 Fälle).
Lisa Pfeiffer vom Verband Kita-Fachkräfte Bayern e.V. wundert sich nicht über den Anstieg der Verdachtsfälle. Die Meldungen zu Aufsichtspflichtverletzungen führt sie auf Personalmangel und Unterbesetzung zurück: "Wir erleben es tagtäglich in der Praxis. Das liegt auch an der ständigen Überlastung der Kollegen und an immer mehr Krankmeldungen, die wiederum mehr Stress für das übrige Personal zur Folge haben – und dann kann es zu mehr Grenzverletzungen kommen."
https://www.br.de/nachrichten/bayern/ge ... an,TPu3dnT
Auch das mit der "Massenunterbringung" stimmt einfach nicht von den Einrichtungen, die ich so kenne. Da ist es in der Regel so, dass in einer Gruppe 2 Erzieherinnen maximal 10 Kinder betreuen. Also eine Erzieherin für 5 Kinder. Im Alter zwischen 1-3. Bei den Gruppen mit den größeren Kindern ist das dann so, dass eine Gruppe aus maximal 10 Kindern und eine Erzieherin besteht (was auch den Betreuungsschlüssel im SächsKitaG entspricht). Das ist doch alles andere als eine Massenunterbringung würde ich meinen.
Dazu muss man aber auch sagen, dass wir auch ein gutes Kita-Netz haben. Hier in Chemnitz bspw. mit rund 150 Einrichtungen (rund die Hälfte in kommunaler Trägerschaft, die andere Hälfte in freier Trägerschaft) und insgesamt stehen rund 11.700 Betreuungsplätze zur Verfügung. Und da ist Chemnitz hier im Osten nicht ungewöhnlich. Denn überall gibt es ein dichtes Kita-Netz. Eines der wenigen Dinge, die man nach 1990 zum Glück beibehalten hat!
Toll, wenn das bei euch so ist. Laut Statista ist der Betreuungsschlüssel im Osten aber schlechter als im Westen:
https://de.statista.com/infografik/2268 ... slaendern/

Aber die hier genannten Zahlen erscheinen mir eh als Idealvorstellung. Bei uns sind 25 Kinder bis 3 Jahre in einer Kita-Gruppe. Bei 2-3 anwesenden Erziehern, eine davon nur Teilzeit. Den Schlüssel kann man sich gerne ausrechnen und wie viel Zeit für Beschäftigung, geschweige denn individuelle, da bleibt.
Nun mag das im Westen sicherlich anders sein. Aber Du kritisierst, dass Kinder in Ostdeutschland relativ früh in Betreuung gegeben werden, damit Mütter arbeiten können. Und empfindest das als "gruselige Vorstellung von Familie".
Für mich ist es gruselig, Kleinkinder (!) den Großteil ihrer wachen Lebenszeit in Fremdbetreuung zu geben. Das ist nicht warum ich (und meine Frau) Kinder bekommen habe.
Man möge das gerne anders sehen, aber ich werde mich auf dem Sterbebett hoffentlich mal nicht an all die letztlich sinnlosen Stunden im Büro erinnern, sondern an die unfassbar anstrengende, aber ebenso unfassbar schöne Zeit mit meinen Kindern. Wenn es finanziell möglich wäre, hätte ich das gerne noch mehr getan.
Zuletzt geändert von Lurtz am 4. Jan 2023, 22:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Lurtz hat geschrieben: 4. Jan 2023, 21:49 Ohne dir zu nahe treten zu wollen (wobei, tust du mir ja auch, also ist das vielleicht einfach dein Diskussionsstil): Du bist doch jetzt auch nicht gerade das was man in Deutschland als Held der Arbeit bezeichnen würde und klassischer Karrieremensch, wenn ich mich recht erinnere.
Nur kurz dazu, weil ich das sehr unfair von Dir finde. Ich würde gerne, wie ich wöllte. Aber mit ner schweren Erkrankung die zur Erwerbsunfähigkeit geführt hat, ist das nunmal schwer umzusetzen. Aber heißt übrigens nicht, dass ich gar nix mache. Auch in der Erwerbsunfähigkeitsrente gibt es die Möglichkeit etwas hinzu zu verdienen, was ich auch in Anspruch nehme.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Lurtz »

Dass das auf eine Erkrankung zurückzuführen ist, war mir nicht bewusst, sorry dafür.

Ich leiste im Job ja auch was gefordert wird. Und zeitweise macht es sogar Spaß. Aber es ist für mich einfach absolut nichts, was meinen Lebensinhalt darstellt. Entweder ich habe nie den wirklich richtigen Job gefunden (wobei ich die Suche danach zumindest in einem Angestelltenverhältnis auch für weitgehend futile halte, aber als Selbständiger ist die Aufteilung Job/Freizeit in der Regel noch schlechter), oder es ist am Ende eine Einstellungssache, oder...

Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich meinen Job ohne zwei Mal nachzudenken an den Nagel hängen.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Voigt »

Wenn Geld null Probleme wäre, müsste ich zumindest sehr stark überlegen ob ich weiter arbeiten wollen.
Ich habe zwar bereits 36h Woche, würde dann aber dann zumindest massiv reduzieren auf 24h Woche (6hx4Tage).
Wäre dann abwegen von solch einem Modell vs garnich arbeiten und stattdessen noch stärker Hobbies nachgehen, eventuell soweit dass die genauso als Arbeit zählen könnten.
Daher bei mir in jedem Fall "zwei Mal nachdenken" dabei. Ist aber glaube mehr Persönlickeitsache. Ich finde Familienfeste und sowas viel mehr Zeitverschwendung, solange es selbstgewählt Zeug mache bin selten unzufrieden/unglücklich. Ich mach dann auch viel Zeug/Tätigkeiten auf Arbeit mit, wo Kollegen eher genervt von sind.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Lurtz hat geschrieben: 4. Jan 2023, 22:31 Dass das auf eine Erkrankung zurückzuführen ist, war mir nicht bewusst, sorry dafür.
Schon in Ordnung. Entschuldigung angenommen. :)
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Lurtz »

Wieler hört beim RKI auf.

Leben mit Covid bedeutet immer noch eine massiv erhöhte Übersterblichkeit:
Die Übersterblichkeit in der Schweiz ist weiterhin aussergewöhnlich hoch. Eine Studie zeigt, dass Covid einer der Hauptgründe ist.
In der Schweiz starben 2022 rund 73’000 Menschen, das sind gegen 6650 Personen oder etwa zehn Prozent mehr, als das Bundesamt für Statistik (BfS) aufgrund der Mortalitätsentwicklung der letzten fünf Jahre erwartet hat.
Staub ist über die fehlende öffentliche Diskussion über die stark erhöhte Sterblichkeit überrascht: «Es scheint, als habe man im Moment akzeptiert, dass wir es in der abklingenden Akutphase der Pandemie nun eher mit einer quasi chronischen Bedrohungslage zu tun haben.»
So sei in der Schweiz im Pandemiejahr 1918 die Übersterblichkeit am höchsten gewesen. Damals grassierte die Spanische Grippe, was zur Folge hatte, dass 50 Prozent mehr Menschen als erwartet gestorben waren. Direkt danach taucht das erste Jahr der Corona-Pandemie in der Statistik auf.
https://www.20min.ch/story/die-ueberste ... 4261809211
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Andre Peschke »

Floki hat geschrieben: 12. Jan 2023, 09:52 Für mich ist das Thema der Schutzmaßnahmen aber auch zur sunk cost fallacy "verkommen". Wer sich als harter Verfechter sämtlicher Maßnahmen positioniert hat vor 1,2 Jahren, kann nun nicht mehr zurück und verhaart weiter auf dem Standpunkt, egal wie sich die Lage entwickelt. Vermutlich aber auch eine menschliche Eigenschaft.
Sehe ich nicht so. Die Einschätzung, die man vor 1-2 Jahren getroffen hat, fand ja unter ganz anderen Vorzeichen statt. Sowohl was zB den Impfstatus der Bevölkerung anging, als auch welche Informationen man generell hatte.

Die Leute, die damals fälschlich eine Lockerung gefordert haben, obwohl das nach der damaligen Informations- und Sicherheitslage bescheuert war, johlen jetzt zwar, sie hätten recht gehabt. Aber das nur, weil sie damals wie heute eben das kritische Denken nicht beherrschen.

Sunk Cost Fallacy würde aber bedeuten, diejenigen hätten sich wirklich geirrt und das gilt vermutlich für die meisten nicht (außer den Zero-Covid-Leuten, aber da war damals schon klar, dass das unrealistisch war. Nur WIE falsch es gewesen wäre, sah man jetzt erst in China).

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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Alienloeffel »

Natürlich kann man "zurück". Es gehört ja dazu, Standpunkte wie auch Maßnahmen dem Kenntnisstand bzw der Lage anzupassen. Man kann und sollte seine Meinungen ja auch weiter überprüfen. Wenn ich die Änderung meines Standpunktes erklären kann gibt es doch keinen glaubwürdigkeitsverlust?
Es ist aber auch nicht automatisch ein "aus Prinzip dabei bleiben", wenn man z.B. auch jetzt denkt dass es kurzsichtig und falsch ist jetzt so zu tun als gäbe es keine Pandemie mehr, nur weil es die Leute nervt. Es sterben nach wie vor viele Leute durch die Pandemie und auch durch das "fuck it" der Gesellschaft(en).
Warum es bei dem Thema nicht generell mehr Differenzierung gibt wundert mich immer noch.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Nephtis »

Ich bin ja immer noch der Meinung das man sich den ganzen Quatsch mit Lockdowns etc. komplett hätte sparen können. Allerdings gilt man dann ja direkt als "rechter Querdenker". (Übrigens: Ich war auf keiner einzigen Anti-Corona Demo. Mit Nazis und Verschwörungstheoretikern will ich nichts zu tun haben!)
Das Problem war doch immer nicht Covid-19 an sich sondern unser marodes Gesundheitssystem welches kaputt gespart wurde und schon vor Corona bereits aus dem letzten Loch pfiff.

Aber ein Paniker wie Karl Lauterbach würde wahrscheinlich heute noch am liebsten an allen Maßnahmen festhalten. Es könnte ja etwas mit 0,0000000001% Wahrscheinlichkeit eintreten. Die German Angst, die weiter oben verlinkt wurde, passt eigentlich wie die Faust aufs Auge.

An China sieht man ja was es gebracht hat. So eine Krankheit kann man einfach nicht 100% eindämmen.
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Andre Peschke
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Andre Peschke »

Alienloeffel hat geschrieben: 12. Jan 2023, 10:22 Natürlich kann man "zurück". Es gehört ja dazu, Standpunkte wie auch Maßnahmen dem Kenntnisstand bzw der Lage anzupassen. Man kann und sollte seine Meinungen ja auch weiter überprüfen. Wenn ich die Änderung meines Standpunktes erklären kann gibt es doch keinen glaubwürdigkeitsverlust?
This.

Ich kann mir schon vorstellen, dass bei einem Teil der Leute diese Neubewertung nicht vorgenommen wird und sie deswegen zu lange an Forderungen festhalten, die früher mal ihre Berechtigung hatten, inzwischen aber überholt sind. Oder das Leute den Spott von Idioten nicht ertragen, die wie oben geschildert nun ihre Idiotenposition legitimiert sehen, nur weil die Maßnahmen unter ganz anderen Vorzeichen aufgehoben werden. Aber das ist alles erstens mit "Sunk Cost Fallacy" falsch bezeichnet, IMO, denn das impliziert sie hätten vorher auch schon Unrecht gehabt (gutes Geld dem schlechten hinterher werfen).

Es kann aber auch sein, dass die Leute einfach eine neue Sensibilität erworben haben und nun sagen: Ja, WARUM haben wir eigentlich das mit dem Maske tragen nicht viel früher entdeckt? Warum sollen wir das nicht einfach fortsetzen, wie es in Asien teilweise der Fall ist, um auch in der Grippesaison die Risikogruppen zu schützen? Wäre das so schlimm?

Das wäre ja durchaus ein Punkt, den man diskutieren kann. Die Rückkehr zum vorigen Status Quo kann im Lichte von diesem neuen Bewusstsein generell falsch erscheinen, wenn man die Erkenntnis erworben hat, dass der vorige Status Quo eben verbesserungswürdig war.

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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Alienloeffel »

Andre Peschke hat geschrieben: 12. Jan 2023, 10:30
Alienloeffel hat geschrieben: 12. Jan 2023, 10:22 Natürlich kann man "zurück". Es gehört ja dazu, Standpunkte wie auch Maßnahmen dem Kenntnisstand bzw der Lage anzupassen. Man kann und sollte seine Meinungen ja auch weiter überprüfen. Wenn ich die Änderung meines Standpunktes erklären kann gibt es doch keinen glaubwürdigkeitsverlust?
This.

Ich kann mir schon vorstellen, dass bei einem Teil der Leute diese Neubewertung nicht vorgenommen wird und sie deswegen zu lange an Forderungen festhalten, die früher mal ihre Berechtigung hatten, inzwischen aber überholt sind. Oder das Leute den Spott von Idioten nicht ertragen, die wie oben geschildert nun ihre Idiotenposition legitimiert sehen, nur weil die Maßnahmen unter ganz anderen Vorzeichen aufgehoben werden. Aber das ist alles erstens mit "Sunk Cost Fallacy" falsch bezeichnet, IMO, denn das impliziert sie hätten vorher auch schon Unrecht gehabt (gutes Geld dem schlechten hinterher werfen).

Es kann aber auch sein, dass die Leute einfach eine neue Sensibilität erworben haben und nun sagen: Ja, WARUM haben wir eigentlich das mit dem Maske tragen nicht viel früher entdeckt? Warum sollen wir das nicht einfach fortsetzen, wie es in Asien teilweise der Fall ist, um auch in der Grippesaison die Risikogruppen zu schützen? Wäre das so schlimm?
...

Ich glaube, dass das hinterfragen der eigenen Position und auch des eigenen Handelns schon ein kritisches Thema in der deutschen Gesellschaft ist. Die Überzeugung recht zu haben ermöglicht m.E. auch erst die Rechtfertigung zur Übergriffigkeit an sich. Sei es bei der Diskussion um covid Maßnahmen, Verkehr, Umweltschutz etc.

Eine neue Sensibilität wäre schön, aber gerade die paradesituation Pandemie hat ja leider eher gezeigt das eben nicht ist was nicht sein darf. Da hätte ich auch auf mehr gehofft.
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Felidae
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Felidae »

Das mit der Maske ist im übrigen nach wie vor nicht so einfach - da man durch das Tragen vor allem seine Mitmenschen schützt. Das bedeutet nunmal auch konkret: Wenn ich auf das Tragen verzichte, beschneidet das andere Menschen in ihrem Leben. Es gibt nach wie vor Menschen, die eine Covid-Infektion nach allen Möglichkeiten verhindern sollten. Jenen wäre durchaus geholfen, wenn das Masketragen bei beispielsweise größeren Veranstaltungen nach wie vor üblich wäre.

Bei der Maske geht es nunmal nicht nur um die eigene Sicherheit. Sondern vor allem um Rücksicht auf seine Mitmenschen.
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Alienloeffel
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Alienloeffel »

Nephtis hat geschrieben: 12. Jan 2023, 10:26 Ich bin ja immer noch der Meinung das man sich den ganzen Quatsch mit Lockdowns etc. komplett hätte sparen können. Allerdings gilt man dann ja direkt als "rechter Querdenker". (Übrigens: Ich war auf keiner einzigen Anti-Corona Demo. Mit Nazis und Verschwörungstheoretikern will ich nichts zu tun haben!)
Das Problem war doch immer nicht Covid-19 an sich sondern unser marodes Gesundheitssystem welches kaputt gespart wurde und schon vor Corona bereits aus dem letzten Loch pfiff.

Aber ein Paniker wie Karl Lauterbach würde wahrscheinlich heute noch am liebsten an allen Maßnahmen festhalten. Es könnte ja etwas mit 0,0000000001% Wahrscheinlichkeit eintreten. Die German Angst, die weiter oben verlinkt wurde, passt eigentlich wie die Faust aufs Auge.

An China sieht man ja was es gebracht hat. So eine Krankheit kann man einfach nicht 100% eindämmen.
Das kann deine Meinung sein, wird aber vom Stand der Wissenschaft einfach nicht gestützt.
China ist da auch eine völlig andere Situation aus vielerlei Gründen.
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Axel
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Nephtis hat geschrieben: 12. Jan 2023, 10:26 Ich bin ja immer noch der Meinung das man sich den ganzen Quatsch mit Lockdowns etc. komplett hätte sparen können.
Dazu ein gutes, aktuelles Interview mit Kekule in der Welt (hinter der Paywall): https://www.welt.de/politik/deutschland ... zahlt.html

Zusammengefasst attestiert er, dass beispielsweise Länder wie Schweden oder Japan deswegen besser durch die Pandemie gekommen sind, weil sie sehr viel mehr das große Ganze im Blick hatten. Angefangen bei der psychischen Belastung (insbesondere bei Kindern) bis hin zur Wirtschaft. Die "Bazooka" im Folge der beiden großen Lockdowns werden auch noch unsere Urenkel abbezahlen müssen - womit er ja Recht hat. Auch haben Länder wie Schweden ihre Bevölkerung ehrlicher informiert, womit zum einen die Polarisierung innerhalb der Gesellschaft wegfiel und zum anderen hatten die Menschen von selbst angefangen Kontakte zu minimieren, usw.

Desweiteren wiederholt er seine Forderung nach einem Untersuchungsausschuss um für zukünftige Pandemien zu lernen. Insbesondere den zu engen Meinungskorridor der letzten Jahre kritisiert er. Etwa dass Kollegen wie Hendrik Streeck oder Jonas Schmidt-Chanasit immer wieder persönlich angegriffen wurden. Und die Medien irgendwelche "Virologen-Streiks" inszenierten, als handelte es sich um die britische Königsfamilie. Insgesamt hätte er sich mehr offenen, wissenschaftlichen Diskurs gewünscht.

Sehr wichtiges Zitat aus dem Interview:
Beim Kampf um die wissenschaftliche Deutungshoheit haben sich Forscher in dieser Pandemie leider Methoden aus der Politik abgeschaut. Es ging dabei nicht nur um Eitelkeiten, sondern auch um handfeste Vorteile bei der Vergabe von Forschungsmitteln. Da kann es auch einmal von Vorteil sein, die Karriere eines unbequemen Kollegen zu torpedieren. So wurde per Telefon und über E-Mails viel mit Dreck geworfen. Schlimm für den Rest der Bevölkerung ist, dass sich mit dieser Methode nicht immer die besten Konzepte durchgesetzt haben. In der Schlammschlacht erfolgreiche Wissenschaftler verbreiteten anfangs sogar die Mär, das Virus sei weniger gefährlich als die Grippe und werde ohnehin nicht nach Europa kommen. Auch die berühmte Behauptung, dass Kinder genauso ansteckend wie Erwachsene wären, erwies sich als folgenschwerer Irrtum. Leider halfen auch Wissenschaftsjournalisten renommierter Zeitungen mit, die Irrtümer zu perpetuieren.

Die häufig zu lesende Darstellung, es gäbe in Sachen Pandemie nur „eine Wissenschaft“, zu deren Vertretung nur bestimmte Wissenschaftler qualifiziert wären, ist falsch. Die Pandemie war für alle etwas Neues, da gab es keine etablierte und methodisch sauber geprüfte Position der Wissenschaft. Die angeblich „richtige“ Wissenschaft entsteht hier allenfalls durch Konformitätsdruck, sie ist dann eine Frage der Gesinnung. Statt zu diskutieren üben sich Forscher im Moralisieren und in persönlichen Angriffen.
Zuletzt geändert von Axel am 12. Jan 2023, 10:51, insgesamt 1-mal geändert.
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