Felidae hat geschrieben: ↑24. Jun 2022, 18:11
Beim menschengemachten Klimawandel ist das ja ganz ähnlich - ja, es gibt Wissenschaftler:innen, die den menschengemachten Klimawandel bestreiten. Aber eine - grade für die Wissenschaft - überwältigende Mehrheit von über 97 % ist sich einig. Damit ist das Ding einfach durch. Überspitzt formuliert: Selbst Newtons Gravitationslehre wird vermutlich nichtmal 100 % aller Wissenschaftler:innen hinter sich haben, dafür sind Wissenschaftler:innen viel zu streitbare Menschen, die ALLES in Frage stellen (was ja grundsätzlich gut ist). Eine Übereinstimmung von 97 % in Wissenschaftskreisen gilt als "Zweifelsfrei erwiesen".
Auch wenn es explizit überspitzt formuliert wurde: Newtons Gravitationsgesetz wird imho wohl grundsätzlich kein Physiker bestreiten, jedenfalls im Kontext des "richtigen" Bezugssystems bzw. als Annährung. Wenn man ganz generell Gravitation beschreiben will, ist Newtons Gravitationslehre an sich dagegen schon obsolet; sie wurde durch Einsteins allgemeine Relativitätstheorie ersetzt bzw. ergänzt. Das heißt nicht, dass Newtons Gesetz gar nicht mehr valide ist: Es kommt auf das Bezugsystem an bzw. wie exakt man es haben will und in ganz vielen Fällen reicht Newton vollkommen aus, da braucht man Einstein nicht.
Bevor Einstein ankam, galt Newtons Lehre wohl gemeinhin als sicher bzw. so sicher wie derartige Theorien wohl denkbar waren. AFAIK hat gerade auch Einstein dazu beigetragen, dass die vermeintlich exakten Naturwissenschaften sich dem Fallibilismus hingewandt haben, d.h. dass auch sie immer falsch liegen können, dass keine letzte, abschließende Erkenntnis möglich ist bzw. man nie sicher wissen kann, dass man sicheres Wissen hat.
Der Unterschied zum Klimawandel ist wohl, dass man Newtons Gravitationsgesetz viel besser empirisch, mit Experimenten nachprüfen kann, dass es zumindest vordergründig als "gesichertes" Wissen gelten konnte bzw. teils darf, jedenfalls in einem idealisierten Kontext auch immer noch. Bei Klimawandel/Klimakatastrophe geht es dagegen ja vor allem um Zukunftsprognosen, was immer schwierig ist; aber es gibt auch da, wie geschrieben, einen wissenschaftlichen Konsens, ein solcher "Konsens" muss nicht zwingend 100% Zustimmung aller relevanten Wissenschaftler/Peers bedeuten.
tepete hat geschrieben: ↑24. Jun 2022, 19:12
Manchmal geht es doch eben nur schwarz oder weiß. Ich kann zwar das Auto kritisieren, aber ich darf es nicht verteufeln. Ich kann ein Auto weniger nutzen und mehr radeln. Wer aber radikal vorgeht, der müsste auch in jeder Hinsicht verzicht üben. Oder verzichten die Aktivisten etwa auf einen Kühlschrank der Jahrelang durchläuft bis er kaputt geht?
FFF und andere Gruppierungen sehen ja afaik schon mehr oder weniger von Konsumentenkritik ab, weil es die Verantwortung von den großen Firmen und Staaten abwälzt auf die Bürger, tendenziell auch dann die, die etwa nicht auf ein Auto verzichten können aus Mobilitätsgründen, sich kein Hybrid/Elektro-Auto leisten können etc. Also totales Mindset wird afaik nicht (mehr?) so konsequent im "Mainstream" vertreten, findet man in manchen Randgruppen vielleicht aber noch. Dennoch wird ja versucht, Bewusstsein für den eigenen Verbrauch zu schaffen, aber es wird halt nicht als so absolute moralische Notwendigkeit kommuniziert; moralisch notwendiges Handeln wird dagegen bei Staaten und großen Firmen gesehen.
Grundsätzlich finde ich es nicht verwerflich, wenn man nicht 100% auf etwas verzichtet, auch wenn man das lieber täte bzw. einen absoluten Verzicht als Norm gut fände und auch durchaus faktisch den Verzicht ausüben könnte; also wenn etwa jemand vertritt, dass man kein Fleisch essen sollte, weil es unethisch sei, aber selbst noch teils Fleisch isst, warum auch immer, sehe ich darin nicht zwingend einen Widerspruch und ich finde es nicht verwerflich, zumindest wenn man damit ehrlich umgeht. Das "richtige" zu wissen und das "richtige" zu tun sind halt verschiedene Dinge und oftmals scheitert es am Handeln, auch wenn man es eigentlich besser machen will und ich fände es grundsätzlich kontraproduktiv, wenn man Leute dafür verurteilt, dass sie an ihren Zielen scheitern.