Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

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GoodLord
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von GoodLord »

Rince81 hat geschrieben: 27. Mär 2023, 17:42 Auch ein Lehrer wird vor einem rechtskräftigen Urteil beurlaubt, wenn ihm glaubhaft vorgeworfen wird Schülerinnen sexuell zu belästigen. Um mal dein Statement zu verballhornen:
Es ist imho ganz problemlos möglich, Opfern erst einmal zu glauben, ohne den (vermeintlichen) Täter öffentlich hinzurichten. Man muss nicht fordern, dass jemand, dessen Schuld im Rahmen unseres Rechtssystems nicht erwiesen ist, keine Schüler mehr unterrichtet Man kann dem Opfer auch glauben und sich solidarisch zeigen und sich entsprechende öffentliche Schmäh an den (vermeintlichen) Täter enthalten, bis für alle die Sach- und Faktenlage klarer ist.
Und da wären wir bei dem Punkt wo ich sage, nein, das geht so nicht wenn privates Fehlverhalten im Kontext des Berufes passiert. Es wäre was anderes, wenn der Lehrer beim klauen im Supermarkt erwischt worden wäre. In dem obigen Fall wäre ein entsprechenden Lehrer aber bis zur Klärung der Vorwürfe mit Sicherheit Beurlaubt - die Unschuldsvermutung gilt da nicht.
Eine Beurlaubung (bei voller Bezahlung) ist aber was völlig anderes als ein Rauswurf oder ein öffentlicher Lynchmob.

Davon unabhängig muss ich bei solchen News immer daran denken, wie froh ich bin, dass ich noch nie in einer Situation war, wo es relevant war ob ich einem vermeintlichen Opfer glaube oder nicht.
Zuletzt geändert von GoodLord am 27. Mär 2023, 18:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Jochen Gebauer
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Jochen Gebauer »

Rince81 hat geschrieben: 27. Mär 2023, 17:42 Auch ein Lehrer wird vor einem rechtskräftigen Urteil beurlaubt, wenn ihm glaubhaft vorgeworfen wird Schülerinnen sexuell zu belästigen
Das ist ja auch ganz richtig so. Aber er wird ohne entsprechendes Urteil nicht aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Oder?

Nun ist das natürlich in den USA und ihrer Hire-and-Fire-Mentalität was anderes. Das wird von den Cancel-Culture-Krakeelern auch gerne verschwiegen - nämlich, dass es dort Usus ist, Leute einfach zu kündigen, dafür braucht es in der Regel nicht mal einen Grund, geschweige denn, einen guten. Wenn also Netflix sagt, mit Spacey wollen wir nix mehr zu tun haben, der ist raus, dann ist das für ein amerikanisches Unternehmen ein ziemlich normaler Vorgang. Passiert dort täglich tausendfach.

Aber muss ich das als Unbeteiligter im Netz einfordern? Muss ich öffentlichen Druck mitaufbauen, ohne die Wahrheit zu kennen? Ich finde, da gebietet es die Moral, sich daran einfach nicht zu beteiligen. Das heißt eben nicht, dass man den Opfern nicht glaubt oder nicht solidarisch mit ihnen sein kann. Sondern einfach, dass ich harte Konsequenzen bis zum Verlust der Arbeit erst dann fordern sollte, wenn erwiesen ist, dass die Vorwürfe stimmen. Eben wie beim o.g. Lehrer.
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Jochen Gebauer
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Jochen Gebauer »

lolaldanee hat geschrieben: 27. Mär 2023, 18:14Niemand will, dass die Opfer sich nicht äußern, wenn sie keine hieb- und stichfesten Beweise haben. Aber es ist doch nicht zu viel verlangt, nicht jeder Anschuldigung erst mal per Definition zu glauben, und die Schuld als gegeben anzusehen
Dass man dem Opfer erst einmal grundsätzlich glaubt, ist doch ein vollkommen normaler Vorgang. Auch in der Polizeiarbeit. Wenn du morgen zur Polizei gehst, weil man bei dir eingebrochen hat, dann wird man dir das auch erstmal glauben und nicht davon ausgehen, dass du den Einbruch fingiert hast, um deine Versicherung zu bescheißen. Sexuelle Gewalt war diesbezüglich eben lange ein strafrechtlicher Vorwurf, dem eben nicht grundsätzlich geglaubt wurde, sondern dem im Gegenteil grundsätzlich misstraut wurde. Dass sich das ändert - auch in der Öffentlichkeit - ist eine gute Sache. Und bedeutet im Zirkelschluss eben nicht, dass ich die Schuld als gegeben ansehe.
Rince81
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Rince81 »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 27. Mär 2023, 18:30 Das ist ja auch ganz richtig so. Aber er wird ohne entsprechendes Urteil nicht aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Oder?
Nein und niemand hat Avallone ein Berufsverbot ausgesprochen. Wir sehen ja z.B. an der Ubisoft Kontroverse, dass dies für die Betroffenen teils keine bleibenden beruflichen Konsequenzen hatte. Ashraf Ismail, der 2020 von Ubisoft gefeuert wurde arbeitet heute bei Tencent.
https://www.gamestar.de/artikel/assassi ... 59216.html
https://www.videogameschronicle.com/new ... t-tencent/
Das gilt auch für andere. Selbst ein Kevin Spacey dreht heute wieder Filme und hat erst vor zwei Monaten einen Lifetime Achievement Award vom Nationalen Kinomuseum in Turin bekommen.

Aber muss ich das als Unbeteiligter im Netz einfordern? Muss ich öffentlichen Druck mitaufbauen, ohne die Wahrheit zu kennen? Ich finde, da gebietet es die Moral, sich daran einfach nicht zu beteiligen. Das heißt eben nicht, dass man den Opfern nicht glaubt oder nicht solidarisch mit ihnen sein kann. Sondern einfach, dass ich harte Konsequenzen bis zum Verlust der Arbeit erst dann fordern sollte, wenn erwiesen ist, dass die Vorwürfe stimmen. Eben wie beim o.g. Lehrer.
Aber das ist illusorisch, wie soll das in solchen Positionen gehen? Soll Paradox, sein Vampires Bloodlines 2 in einen Hiatus für unbestimmte Zeit schicken bis die Vorwürfe geklärt sind, sofern sie es je final sind? Okay, in dem Fall vielleicht ein dummes Beispiel.. :ugly: Das braucht imho keinen öffentlichen Druck, die Unternehmen reagieren erstmal auch so und klar, die stellen keine Projekte, die Millionen kosten ein oder verschieben sie. Auch bei dem Lehrer aus dem Beispiel werden seine Klassen erstmal von jemand anderem unterrichtet. Er hat eben nicht das Recht, die 8a wieder mit dem damaligen Wissenstand zu übernehmen.
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Jochen Gebauer
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Jochen Gebauer »

Rince81 hat geschrieben: 27. Mär 2023, 19:01Er hat eben nicht das Recht, die 8a wieder mit dem damaligen Wissenstand zu übernehmen.
Aber das fordert doch auch keiner. Und auch nicht, dass Paradox (oder sonstwer) ein Produkt verschiebt, bis die Vorwürfe geklärt sind. Ich habe ja selbst erklärt, wie normal Kündigungen gerade in den USA sind. Ich sage lediglich, dass es für mich als Unbeteiligten, der die Wahrheit nicht kennt und gar nicht kennen kann, sowohl moralische Pflicht ist, dem Opfer zu glauben, wie auch mich des öffentlichen Prangers zu entsagen. Zumindest bis jene Stellen, die wir gesellschaftlich zur Suche nach jener Wahrheit legitimiert haben, zu einem Ergebnis gekommen sind.
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Heretic
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Heretic »

Man sollte bei allen getroffenen Aussagen immer im Hinterkopf behalten, dass die Leben der Opfer höchstwahrscheinlich für immer ruiniert sind. Das gilt sowohl für die Opfer sexueller Gewalt, als auch für die Opfer falscher Anschuldigungen.

Der oben genannte Lehrer würde doch auch nach einem Freispruch in seiner alten Schule/Umgebung kein Bein mehr auf den Boden kriegen. Irgendwas bleibt immer hängen. Da würde doch mindestens ein Umzug und der Wechsel an eine andere Schule anstehen. Bei Prominenten ist's noch heikler. Man denke z. B. an den Fall Andreas Türck (um mal nicht Kachelmann zu nennen).
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Ironic Maiden
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Ironic Maiden »

An der Schule, auf die ich selbst gegangen bin, hat damals, als ich dort war, ein Lehrer eine Vierzehnjährige geschwängert und ihr im Anschluss daran eine Abtreibung organisiert. Das Ganze wurde zu dem Zeitpunkt nicht öffentlich und nicht weiter verfolgt, weil das Opfer damals nicht wollte, dass das weiter verfolgt wird. Der Lehrer wurde an eine andere Schule versetzt. Unter den Schüler*innen damals war bekannt, dass der Typ creepy ist und man aufpassen sollte, aber öffentlich wurde nie darüber gesprochen. Von dem Missbrauch wussten wir damals aber nichts.

Als das Opfer sich Jahre später, nach dem Tod des Täters, öffentlich geäußert hat, wusste im Grunde sofort jeder, welcher Lehrer der Täter war.

Wir stehen in einer Tradition des Totschweigens von Missbrauch und Übergriffen, und es ist wichtig, dass darüber gesprochen wird und dass Opfer die Sicherheit haben, sich äußern zu können. Ich würde mir wünschen, dass sowas wie damals heute nicht mehr passieren könnte, weil nicht nur darüber getuschelt wird, dass jemand zu übegriffigem Verhalten neigt, sondern sowas frühzeitig rauskommt.

Und wenn jetzt einige Männer als ersten Reflex Angst haben, dass es ihnen passieren könnte, selbst zu Unrecht beschuldigt zu werden, dann sollten die vielleicht an ihrem Frauen-/ Menschenbild arbeiten.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
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Felidae
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Felidae »

Ironic Maiden hat geschrieben: 27. Mär 2023, 19:59 Der Lehrer wurde an eine andere Schule versetzt.
Und wieder denk ich an "Spotlight".

Zum Thema "offene Geheimnisse" übrigens noch ganz nett - eine Lehramtsstudentin hat mir mal erzählt, dass es an ihrer Uni ganz normal sei, dass gewisse Professoren Studentinnen zu speziellen mündlichen Prüfungen bitten. (Sie hatte bis zu dem Zeitpunkt das Glück, denen nicht selbst zu begegnen.) Das war übrigens nicht in der grauen Vergangenheit - sondern im Jahr 2008.
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Terranigma
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Terranigma »

Ironic Maiden hat geschrieben: 27. Mär 2023, 19:59Und wenn jetzt einige Männer als ersten Reflex Angst haben, dass es ihnen passieren könnte, selbst zu Unrecht beschuldigt zu werden, dann sollten die vielleicht an ihrem Frauen-/ Menschenbild arbeiten.
Fairerweise würde ich soweit umgekehrt auch nicht gehen. Um eine Anekdote aus der anderen Perspektive zu erzählen: eine Schülerin hat einen Kollegen an meiner Schule im Anschluss an ein Beratungsgespräch vorgeworfen, dass er übergriff wurde - d.h. sich zu ihr gebeugt und ihr wiederholt an die Brüste gegriffen hätte. Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten. Allerdings: dieses Gespräch fand im Erdgeschoss eines Klassenraums statt mit einsehbaren Fenstern. Während dieser Zeit war eine Schulklasse vor dem Klassenraum sowie diverse Kolleg*innen. Es war evident, dass der Vorwurf nicht stimmte, weil viele Personen wiederholt - nebenher - in den Klassenraum geschaut haben und sich diese Situation so nicht zugetragen hat. Erst nach wiederholten Nachfragen und dem Verweis darauf, dass Außenstehende das Gespräch von Außen beobachtet haben, gab die Schülerin zu, den Vorwurf fingiert zu haben.

Seitdem wird insb. uns als männlichen Kollegen geraten die Tür bei Beratungsgesprächen stets offen zu halten. Oder eben nicht alleine Gespräche zu führen. Halte ich nun auch nicht für hilfreich und überzogen. Das ist in diesem Fall keine Frage des Frauen-/Menschenbildes, denn es gibt auch den umgekehrten Fall, dass Vorfälle erfunden werden. Will nur sagen: Ich fände es umgekehrt auch nur fair, wenn man auch die andere Schattenseite - das Opfer ist derjenige, welcher zu Unrecht beschuldigt wird - ebenfalls nicht zu schnell abgekanzelt wird. Zugleich darf die Möglichkeit (!), dass eine Anschuldigung falsch ist, eben nicht zum Täterschutz oder grundsätzlichen Zweifeln an Anschuldigungen führen.

Schwieriges Thema, weil eine falsche Entscheidung in beide Richtungen jeweils Existenzen zerstören kann. Entweder die des Opfers, dem niemand glaubte. Oder die des Unschuldigen, dem niemand glaubte. Möge ich damit nie persönlich in Kontakt kommen ...
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Jochen Gebauer
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Jochen Gebauer »

Ironic Maiden hat geschrieben: 27. Mär 2023, 19:59Und wenn jetzt einige Männer als ersten Reflex Angst haben, dass es ihnen passieren könnte, selbst zu Unrecht beschuldigt zu werden, dann sollten die vielleicht an ihrem Frauen-/ Menschenbild arbeiten.
Aber wäre diese diffuse Angst nicht eine ausgezeichnete Gelegenheit, eine Brücke zu schlagen? Zu sagen: Ich kann verstehen, wie sich das anfühlt, wenn man Angst hat, das einem aus heiterem Himmel, ohne eigenes Verschulden, etwas Schlimmes passiert, bloß weil man ein bestimmtes Geschlecht hat? Und jetzt kannst du vielleicht verstehen, wie es uns seit Jahrhunderten geht?
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IpsilonZ
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von IpsilonZ »

Der Problem ist halt, dass eine der beiden Szenarien um ein vielfaches wahrscheinlicher ist als das andere. Ich muss mir nicht ständig Sorgen machen, dass ich nicht genug Vorsichtsmaßnahmen geschaffen habe um nicht Gefahr zu laufen falsch beschuldigt zu werden.

Dementsprechend kann ich mir gut vorstellen, wenn es manchen dann sehr schwer fällt diese Brücke zu schlagen und sie auch nur auf irgendeine Weise als "gleichwertig" zu behandeln.
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Rigolax »

Imho ist der Diskurs in solchen Fällen sprachlich nicht optimal, weil es in erster Linie nicht um "glauben" gehen sollte ("beleve the victim", "believe women" etc.), sondern um ernst genommen zu werden ("take serious") -- wobei das auch semantische Spitzfindigkeit sein könnte, please bear with me: Wenn ich eine Anzeige bei der Polizei mit schweren Vorwürfen abgebe, will ich primär ernst genommen werden, dass mein Anliegen gehört und dem nachgegangen wird; sekundär möchte ich, dass mir geglaubt wird, aber ich verlange und erwarte das auch nicht unbedingt (gerade bei Polizisten erwarte ich berufsbedingt eine gewisse Zurückhaltung). Dass man mir unmittelbar glaubt, erwarte ich bei Freunden/der Familie (ein Vertrauensvorschuss) oder (auch bei Fremden) wenn ich (aus meiner Sicht) sehr schlüssig argumentiere, starke Indizien, Belege vorweisen kann; erstes ist bei solchen Vorwürfen nicht der Fall, zweites oft aber auch nicht (wobei -- zugegeben -- das schwierig ist); insofern sehe ich tatsächlich teils eine schlechte Erwartungshaltung, nämlich, dass einem geglaubt wird, wenn es eher sein sollte, dass man ernst genommen wird.
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IpsilonZ
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von IpsilonZ »

Nein, sehe ich anders. Wenn mir etwas schlimmes passiert ist, ich dann zur Polizei gehe und erzähle was mir schlimmes passiert ist, dann ist meine Erwartung auf jeden Fall, dass man meiner Darstellung glaubt.
Ich kann mir kein Szenario vorstellen in dem ich ein für mich traumatisches Erlebnis melde und dann nach Hause gehe und mich damit zufriedengebe dass man mir evtl. nicht glaubt.
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Jochen Gebauer
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Jochen Gebauer »

IpsilonZ hat geschrieben: 27. Mär 2023, 21:02 Der Problem ist halt, dass eine der beiden Szenarien um ein vielfaches wahrscheinlicher ist als das andere. Ich muss mir nicht ständig Sorgen machen, dass ich nicht genug Vorsichtsmaßnahmen geschaffen habe um nicht Gefahr zu laufen falsch beschuldigt zu werden.

Dementsprechend kann ich mir gut vorstellen, wenn es manchen dann sehr schwer fällt diese Brücke zu schlagen und sie auch nur auf irgendeine Weise als "gleichwertig" zu behandeln.
Das kann ich mir auch gut vorstellen. Und ich will nicht andeuten, dass beide Szenarien gleichwertig sind. Das sind sie nicht. Aber ich glaube, dass man sich auf dieser emotionalen Ebene annähern kann. Die Ängste anderer anzuerkennen, ist oft viel mächtiger als jedes Argument. Auch wenn die Ängste wie in diesem Fall keine sonderlich rationalen sind.
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Heretic
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Heretic »

Ironic Maiden hat geschrieben: 27. Mär 2023, 19:59 Und wenn jetzt einige Männer als ersten Reflex Angst haben, dass es ihnen passieren könnte, selbst zu Unrecht beschuldigt zu werden, dann sollten die vielleicht an ihrem Frauen-/ Menschenbild arbeiten.
Wieso das? Auch diese Fälle gibt es, wenn auch weniger häufig. Es muss ja nichtmal Vorsatz oder Böswilligkeit dahinterstecken. Manchmal reicht als Auslöser womöglich schon ein Missverständnis.

Ich empfehle als Beispiel mal Thomas Vinterbergs Film "Die Jagd".
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Ironic Maiden
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Ironic Maiden »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 27. Mär 2023, 21:18
IpsilonZ hat geschrieben: 27. Mär 2023, 21:02 Der Problem ist halt, dass eine der beiden Szenarien um ein vielfaches wahrscheinlicher ist als das andere. Ich muss mir nicht ständig Sorgen machen, dass ich nicht genug Vorsichtsmaßnahmen geschaffen habe um nicht Gefahr zu laufen falsch beschuldigt zu werden.

Dementsprechend kann ich mir gut vorstellen, wenn es manchen dann sehr schwer fällt diese Brücke zu schlagen und sie auch nur auf irgendeine Weise als "gleichwertig" zu behandeln.
Das kann ich mir auch gut vorstellen. Und ich will nicht andeuten, dass beide Szenarien gleichwertig sind. Das sind sie nicht. Aber ich glaube, dass man sich auf dieser emotionalen Ebene annähern kann. Die Ängste anderer anzuerkennen, ist oft viel mächtiger als jedes Argument. Auch wenn die Ängste wie in diesem Fall keine sonderlich rationalen sind.
Jupp, die Szenarien sind nicht gleichwertig. Ja, es gibt Fälle, in denen Menschen zu Unrecht beschuldigt werden. Aber die sind sehr, sehr selten.

Umgekehrt sind Belästigungen und Übergriffe sehr häufig. Und ich spreche hier bewusst auch von Taten, die strafrechtlich noch nicht von Belang sind. Bei dem von mir genannten Lehrer war unangenehmes, aber an sich noch nicht strafbares Verhalten, lange bekannt. Wenn sowas nicht totgeschwiegen bzw. nicht ernst genommen würde, würde sowas vielleicht gar nicht so weit eskalieren. Und da kommen dann auch die unberechtigten Beschuldigungen ins Spiel. Es ist etwas anderes, wenn jemand, über den man noch nie was negatives mitbekommen hat, plötzlich eines Übergriffes beschuldigt wird, als wenn es jemanden trifft, der sich schon öfter durch negatives Verhalten, z.B. gegenüber Frauen, ausgezeichnet hat. Es ist ja nicht so, als würden große Teile der männlichen Bevölkerung ständig Frauen belästigen. Es sind wenige Täter, die aber viele Taten verübern. Deswegen muss man auf diese Muster achten, und da sehe ich auch die "anständigen" Männer in der Verantwortung, unangemessenes/übergriffiges Verhalten zu missbilligen und anzusprechen.
Und deswegen ist es wichtig, dass darüber gesprochen wird.
Heretic hat geschrieben: 27. Mär 2023, 21:33
Ironic Maiden hat geschrieben: 27. Mär 2023, 19:59 Und wenn jetzt einige Männer als ersten Reflex Angst haben, dass es ihnen passieren könnte, selbst zu Unrecht beschuldigt zu werden, dann sollten die vielleicht an ihrem Frauen-/ Menschenbild arbeiten.
Wieso das? Auch diese Fälle gibt es, wenn auch weniger häufig. Es muss ja nichtmal Vorsatz oder Böswilligkeit dahinterstecken. Manchmal reicht als Auslöser womöglich schon ein Missverständnis.

Ich empfehle als Beispiel mal Thomas Vinterbergs Film "Die Jagd".
Lies dir den Thread hier nochmal durch. Mein Eindruck ist, dass bei einigen Leuten als erstes eine Verteidigungshaltung aufkommt, die teilweise auch auf Angst begründet ist. Aber nicht auf Fakten.

Thomas Vinterberg hat übrigens auch den schönen Film "Das Fest" gemacht, wo es darum geht, dass berechtigte Missbrauchsvorwürfe eben nicht geglaubt werden. Und jetzt?
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
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Heretic
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Re: Berichte über sexuelle Übergriffe, Belästigung und Fehlverhalten in der Spiele-Branche

Beitrag von Heretic »

Ironic Maiden hat geschrieben: 27. Mär 2023, 22:52 Thomas Vinterberg hat übrigens auch den schönen Film "Das Fest" gemacht, wo es darum geht, dass berechtigte Missbrauchsvorwürfe eben nicht geglaubt werden. Und jetzt?
Weiß ich. Aber seinen Beitrag zum Thema Vorverurteilung inklusive Folgen für die Beschuldigten und deren Familie halte ich für genauso sehenswert. Tut dabei nichts zur Sache, dass es in diesem Film um einen Mann geht. Es geht ja nicht allein um ihn, sondern vordergründig um das Verhalten der Leute in seinem Umfeld. War zumindest meine Empfindung.
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