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Axel
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Axel »

Die Blaue Stunde - Krieg oder Frieden

Ganz viel Liebe für Serdar Somuncu! In 60 Minuten seziert er auf geniale Weise die heutige Meinungsgesellschaft, in der es nur noch schwarz und weiß gibt. Gut und böse. Richtig und falsch. Er beklagt die verlorengegangene Debattenkultur und das es Menschen nicht mehr aushalten, dass es Menschen gibt, die eine andere, konträre Meinung als die eigene haben. Er beklagt, dass heute kein "sowohl als auch" mehr möglich ist, oder: Ambivalenz. Und er beklagt, dass einem ständig irgendwas in den Mund gelegt wird, weil man etwas nicht sagt und das was man sagt ja nur eine Schutzbehauptung wäre, weil man insgeheim ja das vertreten würde, was man nicht sagt. Und er beklagt eine Kultur, in der eine bestimmte Klientel alle Moral und alle Deutungshoheit für sich pachten will. Und es ist ein Aufruf! Ein Aufruf zu den humanistischen Grundwerten, ohne die es in der Gesellschaft nicht geht: Liebe, Respekt, Toleranz.

Diesen wunderbaren Essay sollten sich auch hier im Forum so einige mal anhören und zu Herzen nehmen. Ich würde es mir sehr wünschen! Denn am Ende zeigt Serdar auf, wie man nicht diskutieren sollte in einer zivilisierten, aufgeklärten Gesellschaft.
Yano
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Yano »

Bin auch ein großer Fan der Blauen Stunde mit Somuncu.
Zum einen sind seine Interview Folgen auf einem so hohen Niveau wie man sie nur selten sieht, zum anderen ist die Folge wo er ein imaginäres Gespräch mit einer Person führt die Corona "verpasst " hat schlichtweg Preis Verdächtigt.
Mauswanderer
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Mauswanderer »

Hab es mir jetzt auf die Empfehlung hin angehört. Und da der Podcaster ja schon etabliert, dass man zwar jede Meinung tolerieren und ernstnehmen muss, aber wer seine kritisiert, der will ganz ein bisschen vielleicht das Dritte Reich zurück, könnt ihr jetzt von mir halten, was ihr wollt, aber: was ein Unfug!

Ich will das jetzt nicht komplett aufdröseln, aber mal ein paar Gedanken dazu.

Der Einstieg war vielversprechend, die Prämisse interessant, einige Feststellungen nicht ganz neu, aber deshalb nicht weniger scharfsinnig (zum Beispiel der Zusammenhang zwischen einer durch die Pandemie gezeichneten Gesellschaft und der Verunsicherung durch den Ukrainekrieg).

Dann folgt der Appell, dass man sich doch mehr respektieren müsse, gerade auch im Internet, auch gegenüber abwegigen Meinungen wie Coronaleugnung und bei rechten Äußerungen. Da war ich schon etwas irritiert, zumal er die Gewaltexzesse einiger Verschwörungstheoretiker ganz allgemein "beiden Parteien" zugeordnet hat. So, als ob es hier wie bei Babylon5 um Grün gegen Purpur ginge und nicht um Neonazis und Coronaleugner gegen, ja wen? Die Wissenschaft? Den nichtrechten, nichtcoronaleugnenden Teil der Bevölkerung?

An dieser Stelle war ich ehrlich verwirrt, wo er hinmöchte. Hat er aber schnell aufgeklärt: Sascha Lobo ist für ihn ein "faschistoider Demagoge". Wer nicht gegen die Waffenlieferungen ist, ist für den Krieg. Die Ukrainer sollten halt einfach Geduld haben, dann endet das auch irgendwie. Viele seien ja gegen Waffenlieferungen, aber im Gegensatz zu ihm seien die nur zu feige, das zu sagen.

Die Aussage, man würde den aufrechten Gegnern von Waffenlieferungen ja immer ganz gemein Ungesagtes unterstellen, die hätte er sich sparen können. Er hat die genannten Sachen ja explizit gesagt und das reicht schon aus.

Was ich daran besonders perfide finde: Sein Framing der "boshaft gewordenen Gesellschaft" und der "Lagerbildung", während er die als dem Faschismus verdächtig abkanzelt, die nicht seiner Meinung sind. Und dann geht er übergangslos wieder zu "Liebe, Respekt, die Grundlagen des Humanismus über".

Ich habe ja angesichts einiger Aussagen zum Ende hin eine Theorie, welches Gefühl ihn dazu getrieben hat, diese Hassrede gegen vermeintlichen Hass zu halten, aber ganz in seinem Sinne möchte ich hier nicht über ungesagtes spekulieren.

Immerhin muss man ihm zugute halten, dass sein Wunsch nach Frieden und Einigkeit als grundehrlich rüberkommt. Aber was er sagt und wie er es sagt, teilweise "ausspuckt", konterkariert diesen Wunsch bis ins Absurde. Und fordert in seiner Radiosendung/seinem Podcast, man solle doch auch einfach mal schweigen und seine Meinung nicht äußern.
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Tengri Lethos
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Tengri Lethos »

Mauswanderer hat geschrieben: 25. Apr 2022, 19:00 Hab es mir jetzt auf die Empfehlung hin angehört....
Danke, kann viele deiner Gedanken absolut nachvollziehen und Du hast es schön auf den Punkt gebracht. +1 sowieso wegen der Babylon 5 Referenz :dance:
Yano
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Yano »

Mauswanderer hat geschrieben: 25. Apr 2022, 19:00 An dieser Stelle war ich ehrlich verwirrt, wo er hinmöchte...Wer nicht gegen die Waffenlieferungen ist, ist für den Krieg. Die Ukrainer sollten halt einfach Geduld haben, dann endet das auch irgendwie. Viele seien ja gegen Waffenlieferungen, aber im Gegensatz zu ihm seien die nur zu feige, das zu sagen.

Die Aussage, man würde den aufrechten Gegnern von Waffenlieferungen ja immer ganz gemein Ungesagtes unterstellen, die hätte er sich sparen können. Er hat die genannten Sachen ja explizit gesagt und das reicht schon aus.
Hey, interessante Gedanken von dir:)
Bin mir bei ein paar Dingen nur nicht sicher ob da vielleicht Kontext fehlt?

Die erste Behauptung hat er ja im Kontext der Geschichte gesetzt.
Also das in so gut wie allen vergangenen Kriegen Waffenlieferungen egal an welche Seite in Retrospektive zu schlicht noch mehr Gewalt geführt hat.
Das ist erstmal rein Historisch richtig.
Ich glaube dieser Punkt ist Somuncu wichtig, das aus der Geschichte nicht gelernt wird.
Persönlich empfinde ich das eher als Ethisches Dilemma, kann seine Sichtweise aber nachvollziehen weil wie gesagt - inhaltlich stimmt sie.


Zum zweiten Punkt der Kontext das ihm das in der Vergangenheit nunmal vorgeworfen wurde, teilweise äußerst radikal.
Auch dort hatte er es expliziet erklärt, genutzt hatte es trotzdem nichts.
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Axel
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Axel »

Mauswanderer hat geschrieben: 25. Apr 2022, 19:00 Dann folgt der Appell, dass man sich doch mehr respektieren müsse, gerade auch im Internet, auch gegenüber abwegigen Meinungen wie Coronaleugnung und bei rechten Äußerungen. Da war ich schon etwas irritiert, zumal er die Gewaltexzesse einiger Verschwörungstheoretiker ganz allgemein "beiden Parteien" zugeordnet hat. So, als ob es hier wie bei Babylon5 um Grün gegen Purpur ginge und nicht um Neonazis und Coronaleugner gegen, ja wen? Die Wissenschaft? Den nichtrechten, nichtcoronaleugnenden Teil der Bevölkerung?
Das hat er so doch gar nicht gesagt. Wer ihn in den letzten beiden Jahren verfolgt hat, der weiß, dass er sich von rechten Coronaleugnern sehr massiv abgegrenzt hat.

Es gibt aber eben nicht nur zwei Seiten, sondern auch noch eine dritte, die erst in den letzten paar Monaten vermehrt Öffentlichkeit gefunden hat. Nämlich die Seite der kritischen Wissenschaft. Zu denen Menschen gehören wie: Alexander Kekulé, Klaus Stöhr, Andreas Radbruch, Jonas Schmidt-Chanasit, Ulrike Guérot, Gerhard Scheuch, Gerd Antes und viele mehr. Oder auch Verbände wie die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), das Institut für Sozialmedizin der Charité, die Covid Data Analysis Group der LMU München, die Bundesärztekammer u.a.
Sie alle haben sich ebenfalls immer wieder sehr umfangreich, sehr fundiert und eben auch hinterfragend zu Maßnahmen geäußert, für mehr Differenziertheit geworben und vor allem: für evidenzbasierte Entscheidungen.

Und genau diese Seite ist in den letzten beiden Jahren in großen und ganzen zu kurz gekommen, außer Kekulé der nen eigenen MDR-Podcast hat. Und das ist es, was Serdar Somuncu kritisiert: Das es in der öffentlichen Debatte immer nur noch zwei Seiten gibt. Dafür oder Dagegen. Dass sehr vieles immer wieder genau darauf heruntergebrochen wird. Wir reden hier ja nicht über spinnerte Nazis mit abstrusen QAnon-Verschwörungen. Dass aber die Öffentlichkeit über weite Teile nicht kritisch war, hat diesen Spinnern in die Hände gespielt. Auch etwas, was Somuncu in den letzten zwei Jahren, auch im gemeinsamen Podcast mit Florian Schröder, immer wieder hart kritisiert hat. Auch weil er sich seit Jahrzehnten im Rahmen seiner Arbeit damit auseinandergesetzt hat wie sich Menschen radikalisieren.

Und genau diese Entwicklung muss man ansprechen, muss man auch kritisieren. Und: Gewalt muss nicht immer körperlich sein, sie kann sehr wohl auch verbal sein. Und da hat sich in den letzten Jahren niemand mit Ruhm bekleckert.

Wir sehen doch auch in anderen Ländern, dass es auch da harte Probleme gibt, dass sich Menschen nicht gehört und nicht verstanden fühlen. Gestern haben beispielsweise 42% aller Wähler in Frankreich Le Pen gewählt. Die große Mehrheit dessen sind ja keine strammen Neonazis. Hier in Deutschland gab es zuletzt eine Allensbacher Umfrage, wonach 1/3 der Bevölkerung glaubt in einer Scheindemokratie zu leben. Ein Drittel! Das ist doch viel zu viel, findest Du nicht auch?

Und wie das kommt, das hat Serdar im ersten Teil seines Essays sehr schön aufgedröselt. Wo ich sagen würde, dass da sehr viel plausbles dran ist. Und das sind keine Probleme, die Deutschland exklusiv hat. Die gibt es überall in den westlichen Ländern.
Mauswanderer
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Mauswanderer »

Yano hat geschrieben: 25. Apr 2022, 22:34
Mauswanderer hat geschrieben: 25. Apr 2022, 19:00 An dieser Stelle war ich ehrlich verwirrt, wo er hinmöchte...Wer nicht gegen die Waffenlieferungen ist, ist für den Krieg. Die Ukrainer sollten halt einfach Geduld haben, dann endet das auch irgendwie. Viele seien ja gegen Waffenlieferungen, aber im Gegensatz zu ihm seien die nur zu feige, das zu sagen.

Die Aussage, man würde den aufrechten Gegnern von Waffenlieferungen ja immer ganz gemein Ungesagtes unterstellen, die hätte er sich sparen können. Er hat die genannten Sachen ja explizit gesagt und das reicht schon aus.
Hey, interessante Gedanken von dir:)
Bin mir bei ein paar Dingen nur nicht sicher ob da vielleicht Kontext fehlt?

Die erste Behauptung hat er ja im Kontext der Geschichte gesetzt.
Also das in so gut wie allen vergangenen Kriegen Waffenlieferungen egal an welche Seite in Retrospektive zu schlicht noch mehr Gewalt geführt hat.
Das ist erstmal rein Historisch richtig.
Ich glaube dieser Punkt ist Somuncu wichtig, das aus der Geschichte nicht gelernt wird.
Persönlich empfinde ich das eher als Ethisches Dilemma, kann seine Sichtweise aber nachvollziehen weil wie gesagt - inhaltlich stimmt sie.


Zum zweiten Punkt der Kontext das ihm das in der Vergangenheit nunmal vorgeworfen wurde, teilweise äußerst radikal.
Auch dort hatte er es expliziet erklärt, genutzt hatte es trotzdem nichts.
Waffenlieferungen an Kriegsparteien führen in einer sehr engen Betrachtung zu Gewalt, ja. Dafür sind sie ja gedacht. Aber gerade eine kontextuelle Einordnung fehlt mir hier: Diese Gewalt ist kein Selbstzweck. Hier treffen sich nicht Hooligans zu einer geplanten Keilerei, sondern hier hat Russland die Ukraine überfallen. Für ihn scheint das beides das gleiche zu sein, und so bleibt ihm nur der Appell "Hört auf, auch wenn der andere noch nicht aufhört!".

Habe ihn bisher nicht verfolgt (und werde das nach diesem Podcast auch ganz sicher nicht mehr tun), kann daher über frühere Vorfälle nicht urteilen. Wenn diese Episode aber sinnbildlich für sein Auftreten ist, dann kann ich mir gut vorstellen, dass ihm die eine oder andere Andeutung zu recht auf die Füße gefallen ist. Man sollte anderen natürlich nichts weit hergeholtes in den Mund legen, und diese Unsitte beklagt er zu recht. Auch stimme ich ihm zu, dass Schweigen zur einen Position nicht automatisch Zustimmung zur anderen bedeutet. Er übersteigert das aber ins Kategorische. Wenn ich nach ihm gehe, dann haben in Deutschland vielleicht noch 0,5% Bevölkerung mit auch nur geringfügig fremdenfeindlichen Ansichten, der Rest sind nur ehrlich besorgte Bürger, die keinerlei Vorurteile gegenüber Fremden haben. Wäre schön, aber glaube ich nicht dran.
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Mauswanderer »

Axel hat geschrieben: 25. Apr 2022, 23:18
Mauswanderer hat geschrieben: 25. Apr 2022, 19:00 Dann folgt der Appell, dass man sich doch mehr respektieren müsse, gerade auch im Internet, auch gegenüber abwegigen Meinungen wie Coronaleugnung und bei rechten Äußerungen. Da war ich schon etwas irritiert, zumal er die Gewaltexzesse einiger Verschwörungstheoretiker ganz allgemein "beiden Parteien" zugeordnet hat. So, als ob es hier wie bei Babylon5 um Grün gegen Purpur ginge und nicht um Neonazis und Coronaleugner gegen, ja wen? Die Wissenschaft? Den nichtrechten, nichtcoronaleugnenden Teil der Bevölkerung?
Das hat er so doch gar nicht gesagt. Wer ihn in den letzten beiden Jahren verfolgt hat, der weiß, dass er sich von rechten Coronaleugnern sehr massiv abgegrenzt hat.

Es gibt aber eben nicht nur zwei Seiten, sondern auch noch eine dritte, die erst in den letzten paar Monaten vermehrt Öffentlichkeit gefunden hat. Nämlich die Seite der kritischen Wissenschaft. Zu denen Menschen gehören wie: Alexander Kekulé, Klaus Stöhr, Andreas Radbruch, Jonas Schmidt-Chanasit, Ulrike Guérot, Gerhard Scheuch, Gerd Antes und viele mehr. Oder auch Verbände wie die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), das Institut für Sozialmedizin der Charité, die Covid Data Analysis Group der LMU München, die Bundesärztekammer u.a.
Sie alle haben sich ebenfalls immer wieder sehr umfangreich, sehr fundiert und eben auch hinterfragend zu Maßnahmen geäußert, für mehr Differenziertheit geworben und vor allem: für evidenzbasierte Entscheidungen.

Und genau diese Seite ist in den letzten beiden Jahren in großen und ganzen zu kurz gekommen, außer Kekulé der nen eigenen MDR-Podcast hat. Und das ist es, was Serdar Somuncu kritisiert: Das es in der öffentlichen Debatte immer nur noch zwei Seiten gibt. Dafür oder Dagegen. Dass sehr vieles immer wieder genau darauf heruntergebrochen wird. Wir reden hier ja nicht über spinnerte Nazis mit abstrusen QAnon-Verschwörungen. Dass aber die Öffentlichkeit über weite Teile nicht kritisch war, hat diesen Spinnern in die Hände gespielt. Auch etwas, was Somuncu in den letzten zwei Jahren, auch im gemeinsamen Podcast mit Florian Schröder, immer wieder hart kritisiert hat. Auch weil er sich seit Jahrzehnten im Rahmen seiner Arbeit damit auseinandergesetzt hat wie sich Menschen radikalisieren.

Und genau diese Entwicklung muss man ansprechen, muss man auch kritisieren. Und: Gewalt muss nicht immer körperlich sein, sie kann sehr wohl auch verbal sein. Und da hat sich in den letzten Jahren niemand mit Ruhm bekleckert.

Wir sehen doch auch in anderen Ländern, dass es auch da harte Probleme gibt, dass sich Menschen nicht gehört und nicht verstanden fühlen. Gestern haben beispielsweise 42% aller Wähler in Frankreich Le Pen gewählt. Die große Mehrheit dessen sind ja keine strammen Neonazis. Hier in Deutschland gab es zuletzt eine Allensbacher Umfrage, wonach 1/3 der Bevölkerung glaubt in einer Scheindemokratie zu leben. Ein Drittel! Das ist doch viel zu viel, findest Du nicht auch?

Und wie das kommt, das hat Serdar im ersten Teil seines Essays sehr schön aufgedröselt. Wo ich sagen würde, dass da sehr viel plausbles dran ist. Und das sind keine Probleme, die Deutschland exklusiv hat. Die gibt es überall in den westlichen Ländern.
Jetzt machst du das, was er beklagt: Du meinst, ich würde ihm Sympathie für oder fehlende Abgrenzung von Rechten und Coronaleugnern unterstellen. Darum geht es aber gar nicht. Ich glaube gern, dass er da auch kein Fan von ist, er bezeichnet sie ja sogar als Verirrte. Aber dennoch misst er ihrer Meinung den gleichen Wert zu wie der "Gegenseite", die er zu sehen glaubt. Und das ist eben doppelt falsch. Ich bin für Pluralismus, aber dort, wo Randmeinungen zu schädlichem Handeln für andere führen, da muss eine Gesellschaft laut gegenreden.
Die Meinung, dass alle Syrer Vergewaltiger sind und abgeschoben gehören, ist nicht gleichwertig zur Meinung, dass wir die Grenzen für alle Geflüchteten bedingungslos aufmachen sollten, auch wenn es in der Konsequenz erstmal schlicht zu den Extrempositionen in der Debatte führt: Alle raus oder alle rein. Die Argumentation, warum alle raus sollten, ist aber gefärbt durch eine Sichtweise, die zur echten Gefahr für Menschen in Deutschland führt und bereits geführt hat, dazu noch ist die Forderung als solche ungesetzlich und völkerrechtswidrig. Das muss man denen, die diese Position vertreten, auch erwidern dürfen. Und wenn sich Leute mit fremdenfeindlichen Ansichten dann durch den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit verletzt fühlen, dann ist das kein Grund, diesen Vorwurf nicht auszusprechen.

Ich möchte aber eigentlich gar nicht so tief in die Corona- oder Flüchtlingsdebatte einsteigen, denn letztlich sind das für ihn nur die plakativen Beispiele. Was er beklagt, ist ja vor allem, dass uns ganz grundsätzlich die Fähigkeit abhanden gekommen sei, andere Meinungen, auch toxische, zu tolerieren. Er stellt das als etwas erstrebenswertes dar. Worauf seine Forderungen hinauslaufen: absolute Äußerungsfreiheit mit dem Anspruch, auch bei Extrempositionen niemals den Mensch mit der Meinung zu verknüpfen. Letzteres ist aber unmöglich, also bleibt die absolute Äußerungsfreiheit. Und da könnten wir jetzt eine ganze Lagerhalle voller Fässer aufmachen.
Ein Beispiel: Normalisierung. Er möchte, dass es "wie früher" wird. Das hieße aber auch, dass beim "Herrenwitz" wieder pflichtschuldig mitgelacht wird (wie es heute immer noch viel zu oft der Fall ist). Von da an rückwärts ist es dann zum "Poklappser" nicht mehr weit. Gleiches gilt für den "Türkenwitz". Und wer jetzt denkt, man müsse ja nicht mitlachen, sondern könne einfach schweigen oder seine Meinung dazu sachlich äußern: Das wäre im persönlichen Kontakt nunmal schon konfrontativ. Alles in allem bin ich froh, dass wir mittlerweile an dem Punkt sind, an dem toxischen Äußerungen Paroli geboten wird. Über die Umgangsformen dabei, insbesondere im Internet, da könnte man sich drüber unterhalten, die sind oft ziemlich unter der Gürtellinie. Aber da kann er sich gerne auch an die eigene Nase fassen.

Und diese Mär von der "unkritisch" gewordenen Bevölkerung wird langsam langweilig. Wann war der Großteil der Bevölkerung denn mal kritischer gegenüber Politikern, Firmen, Medien als heute? Höchstens dann, wenn sich jemand bewusst gegen Mehrheits- oder lautstarke Minderheitsmeinungen gestellt hat. Das eigentliche Problem ist, dass hier Lager gesehen werden, wo eigentlich keine sind. Es gibt nicht nur zwei oder auch drei Meinungen, sondern viele viele mehr. Bloß kann nicht in jeder Diskussion zu einem Thema jede Meinung komplett mit allen Facetten ausgebreitet werden. Zur echten Lagerbildung neigen dann Randmeinungsgrupoen, aber diejenigen, die keine Extremposition vertreten, sind nicht automatisch alle zusammen in einem Lager.

Der Aufstieg rechter Parteien, Verrohung von Teilen der Bevölkerung, Zulauf zu Verschwörungstheorien und Politikverdrossenheit sind alles echte Probleme. Aber ich bin von seiner Herleitung, diese Probleme auf den harten Widerspruch der Zivilgesellschaft gegenüber toxischen Äußerungen zurückzuführen, nicht überzeugt.
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schreckofant
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von schreckofant »

Ich war lange ein Fan von Serdar, aber seinen letzten Aussagen zum Ukraine krieg, insbesondere im Schröder und Somuncu Podcast halte ich teilweise für indiskutabel.
Serdar verteidigt hier permanent Putins Motive und stellt es so dar als hätte er keine Wahl gehabt.
Außerdem verwendet er andauernd die "ich Stelle ja nur Fragen" Phrase, die man nun hauptsächlich in der Verschwörungsbubble findet.

Glücklicherweise ist mit Florian Schröder hier eine fantastische Gegenstimme zu hören, welche ihm argumentativ weit überlegen ist, sonst könnte ich mir das auch nicht mehr anhören.

Ergänzend kommt dann leider so ein Querer Unsinn zur Meinungsdiktatur in Deutschland, was den Begriff Diktatur ad absurdum führt.

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HerrReineke
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von HerrReineke »

Kurze Erinnerung, hier bitte nicht noch eine weitere inhhaltliche Debatte zu Corona, Russland, Flüchtenden etc. loszutreten und fortzuführen. Sammelt gerne weiter interessante Podcasts hier, aber deren inhaltliche Beurteilung bzw. Debatte zu den dort aufgeworfenen Thesen ist in anderen Threads (oder teilweise vielleicht sogar auf den Kanälen dieser Podcasts) besser aufgehoben.
Oder kurz und knapp: Bitte back2topic
;)
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Dicker
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Dicker »

Mir hat es ja Talk ohne Gast angetan. Mit Till Reiner und Moritz Neumeier. Ersteren Ken t man aus der Heute Show. Das ist ein Laber Podcast und da stimmt das wichtigste, die Chemie zwischen den beiden. Dazu ist es auch nicht so unstrukturiert, wie man vermuten möchte, da sich sich diverse lustige Kategorien ausgedacht haben. Am geilsten ist imo "Dinge, die nach Fakten klingen" bei der sich Moritz Fakten ausdenkt und Till erraten muss, was davon stimmt. Die Herleitungen von Till sind oft zum Schießen.

Ansonsten höre ich seit kurzem Zwei wie Pech und Schwafel als einen der wenigen Podcasts zu Filmen und Serien. David Hain und Robert Hofmann könnte man kennen.
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von bluttrinker13 »

Ich habe wieder mit den Magnus Archives angefangen. So schön passend zum sommerlichen Kontrast. :D

Bin jetzt in der zweiten Staffel. Die Tonqualität ist immer noch zu leise (sonst gut), ich habe aber einen besseren Bluetoothspeaker für den Heimgebrauch, deshalb geht das nun deutlich besser.

Mir gefällt, wie der Autor jetzt langsam die äußere Ebene zu der in den einzelnen Archiveinträgen mit reinbringt. The plot thickens, sozusagen. Der Besuch von "Michael" bei Jonathan Sims war da schon ein kleiner Höhepunkt, und gutes Horror-Hörspiel. Nice.
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Feamorn
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Feamorn »

bluttrinker13 hat geschrieben: 11. Mai 2022, 17:16 Ich habe wieder mit den Magnus Archives angefangen. So schön passend zum sommerlichen Kontrast. :D

Bin jetzt in der zweiten Staffel. Die Tonqualität ist immer noch zu leise (sonst gut), ich habe aber einen besseren Bluetoothspeaker für den Heimgebrauch, deshalb geht das nun deutlich besser.

Mir gefällt, wie der Autor jetzt langsam die äußere Ebene zu der in den einzelnen Archiveinträgen mit reinbringt. The plot thickens, sozusagen. Der Besuch von "Michael" bei Jonathan Sims war da schon ein kleiner Höhepunkt, und gutes Horror-Hörspiel. Nice.
Sehr schön! :)

Berichte gern weiter! Der, ich nenne es mal, "Meta-Plot", wächst im weiteren Verlauf zusehends, nimmt auch irgendwann quasi einen guten Teil des Spotlights ein, das Coole ist, wie dann frühere Sachen teilweise in einen neuen Kontext gerückt werden. Johnny hat, meiner Meinung nach, schon einige feine Sachen im Writing! Und die Produktion wird auch immer besser (am Anfang haben sie noch im Flur unter Bettdecken aufgenommen ;) ).
Später dann ordentliches Equipment, allerdings Pandemiebedingt dann teils per Post an die Voice-Actors verschickt. Oo


Und hach ja... Michael :D
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Axel
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Axel »

Deutschlandfunk Feature: Zwiespalt und Zwiesprache - Die komplizierte Freundschaft zwischen einer Linksdenkenden und einer Querdenkerin

Sehr einfühlsames Portrait zweier Frauen die seit Jahrzehnten befreundet sind und deren Freundschaft während der Pandemie fast zerbrach. Es geht darum, was es mit Menschen macht, wenn man plötzlich in unterschiedlichen Echokammern ist. Es ist aber auch ein Plädoyer trotz unterschiedlicher Ansichten Menschen nicht von sich wegzustoßen. Ich finde auch den Umgang der beiden miteinander sehr vorbildlich: Nicht versuchen sich gegenseitig zu bekehren. Und weiter das Positive im jeweils anderen zu sehen.
Dennis Diel
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Dennis Diel »

Wolfgang und ich haben mit Jochen darüber gesprochen, ob es in Deutschland guten Videospiel-Journalismus gibt. Und falls nein, warum nicht.

Unter dem Link findet ihr den Teaser; die komplette Episode gibt es für alle Backer.

https://tinyurl.com/2p8jnnzd

Steady: https://steadyhq.com/de/leidersteil/about

Viel Vergnügen. Und Feedback zu dieser (und allen anderen Episoden) gerne an mich via PN oder E-Mail.

Liebe Grüße und Danke an Jochen,
Dennis
Mauswanderer
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Mauswanderer »

Fall of Civilizations

https://m.soundcloud.com/fallofcivilizations

Hier stellt Paul Cooper in jeder Folge (Länge variiert stark, ein paar Stunden muss man für die meisten Folgen aber einplanen) den Aufstieg und Fall einer untergegangenen Zivilisation vor. Der Podcast ist zwar auf Englisch, aber mit eher gemächlichem Sprechtempo und einer sehr klaren Aussprache.

Unterlegt ist das ganze mit Ambientgeräuschen, Nachstellungen der alten Sprache sowie der Musik der jeweiligen Zivilisation. Die Erzählung nimmt auch archäologische Aspekte mit (Grüße gehen raus an Dom!) und findet eine in meinen Ohren perfekte Mischung zwischen "Edu" und "tainment".

Das ganze ist kostenfrei, Backer bekommen ein bisschen Zusatzmaterial wie z. B. Karten der thematisierten Region.

Einer der ersten Podcasts, die ich zu hören begonnen habe und meiner Meinung nach bis heute ein echter Showcase für das, was das Medium zu leisten vermag. Habe bisher 8 Folgen gehört (empfehle sehr, die Folgen in Ruhe und am Stück zu hören, aber da komme ich angesichts der Länge leider nur selten zu, zumal Folge 9 mit über 4 Stunden ein echter Brocken ist; genieße es dann aber umso mehr!) und bin jedesmal begeistert.

Ich kann jedem, der nicht komplett an der Sprache scheitert, nur allerwärmstens empfehlen, da mal reinzuhören. Dank der naturgemäß abgeschlossenen Thematik ist das ganze auch noch ungeschlagen zeitlos, es gibt also keinen Grund, nicht direkt mit der Zivilisation anzufangen, die einen besonders interessiert.
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Indii
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Indii »

Sorry, ich war mir gerade nicht sicher, wo das sonst passen würde, daher hier eine interessante Info aus dem Stay Forever Newsletter. Ein gewisser Christian Schmidt ist offenbar zu Gast im kommenden Filmpodcast mit André und Christoph. :)
Christoph Petersen
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Christoph Petersen »

Indii hat geschrieben: 1. Aug 2022, 11:20 Sorry, ich war mir gerade nicht sicher, wo das sonst passen würde, daher hier eine interessante Info aus dem Stay Forever Newsletter. Ein gewisser Christian Schmidt ist offenbar zu Gast im kommenden Filmpodcast mit André und Christoph. :)
... als ich dazu zu gesagt habe, wusste ich allerdings auch noch nicht, dass der liebe Christian Schmidt nur nach 22 Uhr kann und ich deshalb bis Mitternacht allein im dunkeln Büro hocken muss...
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bluttrinker13
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von bluttrinker13 »

Ich habe schon Filmpodcastentzug!

Freue mich daher sehr drauf. Christoph, hoffentlich hast du dich nicht zu sehr gegruselt. :D
Henselinho
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Re: Wir hören fremd! Oder: Andere tolle Podcasts

Beitrag von Henselinho »

Da ich ja erst relativ spät zur Podcastparty gekommen bin höre ich mich momentan noch durch den kostenlosen Backlog von Stay Forever.
Viel dazu sagen brauch ich nicht, ich wollte nur mal erwähnen wie genial der the Pod Auftritt in der 10x10 Jubiläumsfolge ist. Zehn Minuten Zeit über eine Filmversoftung zu reden, André blödelt vier Minuten in ganz anderen Gewässern, und Sebastian mehr oder minder als Zirkusäffchen redet vielleicht insgesamt drei Sätze. Großartig. Hast du wenigstens deine Minischnitzel noch bekommen?
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