Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

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IpsilonZ
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von IpsilonZ »

Leonard Zelig hat geschrieben: 22. Mär 2021, 14:26
IpsilonZ hat geschrieben: 22. Mär 2021, 12:54
ZiggyStardust hat geschrieben: 22. Mär 2021, 00:24

Bei dem N-Wort und Z-Wort kann ich die Kritik nachvollziehen, aber gibt es in Deutschland Native Americans, die als Indianer beleidigt werden? Stellt der Begriff nicht eher die Europäer in ein schlechtes Licht? Zwischen Indien und den USA liegen ja doch recht viele Seemeilen und das einfach mal für Jahre zu glauben ist ziemlich peinlich. Ist ja nicht so, dass es im Vorfeld keine Zweifel an dem Plan von Columbus gab.
Sicher lässt der Begriff die Europäer dumm aussehen. Aber es zeigt eben auch wie unfassbar egal es den Leuten ist, was den amerikanischen Ureinwohner:innen angetan wurde und wer sie überhaupt sind. Für die einen ist es ne witzige, vielleicht etwas peinliche Anekdote. Für die anderen ein Symbol dessen wie egal man denen ist die einem vor Jahrhunderten die Heimat geraubt haben.
Und das kann man am Namen festmachen? Die Europäer haben die Menschen auf anderen Kontinenten nicht viel besser behandelt. Immerhin ist die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner und der Verbrechen gegen sie recht präsent in der deutschen Allgemeinbildung. Dass die Belgier Ende des 19. Jahrhunderts zehn Millionen Kongolesen ermordet haben und dort über 300 Jahre ein Königreich existierte zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert ist hingegen nur wenigen Deutschen bekannt. Trotzdem stehen überall in Belgien noch Statuen von Königs Leopold II., der verantwortlich für den Genozid war. Auch die Franzosen haben in Afrika viel schlimmer gewütet als in Nordamerika.

Der Begriff Amerika wurde übrigens vom Vornamen des Italieners Amerigo Vespucci abgeleitet, der die Amazonasmündung als erster Europäer entdeckte. Er ist also auch keine Eigenbezeichnung der dortigen Menschen.
Ich weiß nicht wirklich worauf du hinaus willst, wenn ich ehrlich bin. Völker überall mussten leiden, ja. Aber was hat das mit der Bedeutung des Worts "Indianer" und dem Wunsch diesen Begriff nicht mehr zu nutzen zu tun?
Voigt
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Voigt »

Wessen Wunsch ist das nun eigentlich, weil zumindest laut dem Video von CGP Grey wird in den Reservaten eher Indianer/Indian als Native Americans bevorzugt.
Redskins ist dann nochma eine davon abweichende Verunglimpfung und hat nix mit dem Begrifd Indianer/Indians zu tun.
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IpsilonZ
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von IpsilonZ »

Voigt hat geschrieben: 22. Mär 2021, 15:05 Wessen Wunsch ist das nun eigentlich, weil zumindest laut dem Video von CGP Grey wird in den Reservaten eher Indianer/Indian als Native Americans bevorzugt.
Redskins ist dann nochma eine davon abweichende Verunglimpfung und hat nix mit dem Begrifd Indianer/Indians zu tun.
Also die meisten Google-Ergebnisse sagen mir, dass der Begriff wohl von vielen Stämmen als kränkend empfunden wird. Und mir scheint darüber gibts nen relativ großen Konsens.
Andreas29

Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Andreas29 »

Also bei mir ist das "Native" schon in Fleisch und Blut übergangen.

Aber wenn man es mal hinterfragt erfüllt es dieselben Kriterien wie das I-Wort: Es ist fremdbestimmt, denn vor der Vertreibung und den Genozid (was ja bis heute viele Amis nicht hören wollen) der europäischen Siedler gab es das Wort nicht. Denn es war keine Unterscheidung zwischen Siedlern und eben den "Natives" nötig. Die Natives haben sich ja nicht so selbst bezeifchnet, weil es niemanden gab, von dem man sich unterscheiden muss.

Viel spannender finde ich die Diskussionen um das Z-Wort. Denn der heute gewählte Begriff "Sinti&Roma" schließt einige Volksgruppen aus, die unter dem Sammelbegriff "Zigeuner" zusammengefasst sind. Die wiederum fühlen sich ausgeschlossen, wenn man nur "Sinti&Roma" verwendet.
Der Begriff "Gypsy" auf Englisch ist viel inklusiver und wohl auch deswegen bis heute dort im Einsatz.
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Leonard Zelig
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Leonard Zelig »

IpsilonZ hat geschrieben: 22. Mär 2021, 15:01
Leonard Zelig hat geschrieben: 22. Mär 2021, 14:26
IpsilonZ hat geschrieben: 22. Mär 2021, 12:54
Sicher lässt der Begriff die Europäer dumm aussehen. Aber es zeigt eben auch wie unfassbar egal es den Leuten ist, was den amerikanischen Ureinwohner:innen angetan wurde und wer sie überhaupt sind. Für die einen ist es ne witzige, vielleicht etwas peinliche Anekdote. Für die anderen ein Symbol dessen wie egal man denen ist die einem vor Jahrhunderten die Heimat geraubt haben.
Und das kann man am Namen festmachen? Die Europäer haben die Menschen auf anderen Kontinenten nicht viel besser behandelt. Immerhin ist die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner und der Verbrechen gegen sie recht präsent in der deutschen Allgemeinbildung. Dass die Belgier Ende des 19. Jahrhunderts zehn Millionen Kongolesen ermordet haben und dort über 300 Jahre ein Königreich existierte zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert ist hingegen nur wenigen Deutschen bekannt. Trotzdem stehen überall in Belgien noch Statuen von Königs Leopold II., der verantwortlich für den Genozid war. Auch die Franzosen haben in Afrika viel schlimmer gewütet als in Nordamerika.

Der Begriff Amerika wurde übrigens vom Vornamen des Italieners Amerigo Vespucci abgeleitet, der die Amazonasmündung als erster Europäer entdeckte. Er ist also auch keine Eigenbezeichnung der dortigen Menschen.
Ich weiß nicht wirklich worauf du hinaus willst, wenn ich ehrlich bin. Völker überall mussten leiden, ja. Aber was hat das mit der Bedeutung des Worts "Indianer" und dem Wunsch diesen Begriff nicht mehr zu nutzen zu tun?
Wenn die Grünen diesen Begriff in Zukunft nicht mehr nutzen wollen, ist das natürlich ihre Entscheidung. Ich finde es nur problematisch, wenn einen der Begriff mehr stört als die eigentlichen Verbrechen und daher der Blick auf die Kolonialzeit zu sehr auf Amerika zentriert ist und Asien und Afrika kaum vorkommen in der öffentlichen Debatte.

Man reproduziert amerikanische Debatten mit einer emotionalen Schärfe, die befremdlich wirkt, ist aber ziemlich gleichgültig wenn ehemalige Sowjetrepubliken sich Bezeichnungen wie Belarus, Kyjiw und Republik Moldau wünschen. Obwohl das viel mehr Menschen betrifft, die hier leben.
Zuletzt geändert von Leonard Zelig am 22. Mär 2021, 17:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Felidae
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Felidae »

Voigt hat geschrieben: 20. Mär 2021, 17:41 Diebstahl von Kulturgütern, als auch Sklaverei und Menschen in Zoos austellen ist aber halt was ziemlich anderes als was unter "Culture Appropriation" verstanden wird.
Darum geht es bei dem Punkt nicht, sondern darum, dass manche vergessen, dass es einen Unterschied macht, ob Weiße z.B. ihre Haut künstlich dunkler machen und Dreadlocks tragen oder ob beispielsweise jemand aus den Niederlanden oder aus Singapur Country Music macht. Mir ging es um den Kontext. Man darf eben nicht vergessen, dass Weiße in der Geschichte der Menschheit immer wieder ein hegemoniales Verhältnis zu Schwarzen Menschen bzw. People of Color herstellen und betonen wollten. Und wenn man sich Aspekte einer Kultur (teils auf sinnentfremdende Weise) aneignet und für die eigenen Zwecke nutzt oder sich sogar als Angehörige*r einer Bevölkerungsgruppe ausgibt, indem man seine Haut ab und zu ansprühen lässt, dann muss klar sein, dass man da eine Grenze überschreitet.

Terranigma hat geschrieben: 20. Mär 2021, 17:48
Felidae hat geschrieben: 20. Mär 2021, 16:11Und abschließend noch ein Absatz zu Aussagen wie "Die Aufregung ist Quatsch, denn wer entscheidet denn, was respektlos ist?" [...] Die Antwort: Ganz sicher nicht die Person, die ein Verhalten an den Tag legt, welches einen oder viele Menschen verletzt. Man muss sich klar machen, dass etwas nicht erst dann gilt, wenn man es selbst 100 %ig nachfühlen kann.
Letzteres scheint mir der Kern der Frage zu sein, eben weil's ja nicht immerzu ausgemacht ist, ob ein Verhalten die Betroffenen tatsächlich verletzt. Der Hinweis gilt für mein Verständnis insofern in beide Richtungen: in die Richtung derjenigen, die nur als verletzend empfinden, was ihnen selbst als verletztend erscheint. Ebenso auch in die Richtung derjenigen, die wohlwollend im Namen einer (Sozial-)Gruppe sprechen gemäß der Annahme, dass ein Verhalten verletztend sei. Sie dies aber ehrlicherweise nicht wissen.
[...]
Die Annahme im US-Diskurs war offenbar, dass es unangemessen sei und man hat auf der Grundlage diskutiert, dass diese Annahme wahr sei. Man hat diese Annahme allerdings nicht überprüft, indem man sich ein Stimmungsbild einholte. Nun könne man mit "Better safe than sorry" argumentieren, dass es behutsamer ist prinzipiell davon auszugehen, dass man jemanden auf die Füße tritt. Ich würde mir aber auch etwas mehr Gelassenheit - lies: nicht Rücksichtslosigkeit - wünschen, sodass man ggf. erst einmal abklärt, ob ein Verhalten wirklich als problematisch wahrgenommen wird, ehe man davon ausgeht, dass dem so sei. Dieser Diskurs scheint mir aus beiden Richtungen typischerweise im Namen von Betroffenen geführt zu werden, während Betroffene selbst nicht gefragt werden oder ihre Meinung selbst artikulieren können.
Ich halte den Einwand letztlich nicht für zielführend, weil eben immer wieder sehr deutlich wird, dass Betroffene auf Missstände hinweisen und sich bei Debatten zu Wort melden. Der von mir verlinkte Artikel zum Thema der kulturellen Aneignung und des "Blackfishings" stammt z.B. von der afrodeutschen Autorin Fabienne Sand. Das genannte Werk Afrokultur stammt von Natasha A. Kelly, ebenfalls eine afrodeutsche Autorin. Zu nennen wäre hier z.B. auch Tupoka Ogette, afrodeutsche Autorin und Trainerin im Bereich Anti-Rassismus. Zwei Schlüsselwerke der postkolonialen Theorie sind The West and the Rest von Stuart Hall und Orientalism von Edward W. Said - Hall ist jamaikanischer und Said palästinensischer Herkunft. Ich empfehle, sich mit den Ansätzen und Ansichten nicht-weißer AutorInnen zu befassen, um zu begreifen um was es geht. Dann versteht man, dass man nicht erst Umfragen starten muss, um abzuklären was okay ist und was nicht - wie im Thread ja dargelegt worden ist, kommt man bei denen ja offenbar auch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Es wäre ein wichtiger Schritt einfach mal mit einem sensibilisierten Bewusstsein mit bestimmten Themen umzugehen. Es ist eben kein Einzelfall, dass so etwas wie Blackfishing Menschen verletzt.

Terranigma hat geschrieben: 20. Mär 2021, 17:48Ich würde daher bei der Verwendung von Gruppenbegriffen aufpassen, um Menschen nicht darauf zu reduzieren, nur Mitglied einer (Sozial-)Gruppe zu sein und ihnen darüber eine homogene Meinungsbildung zu unterstellen. Bei derartig großen Begriffen wie "die Weißen", "die People of Colour", u.Ä. wäre ich sehr behutsam. Weil dies nur jeweils ein Merkmal ist, wir als Individuen aber vielfältige Identitäten besitzen und zeitgleich Angehöriger verschiedener (Sozial-)Gruppen sind. Ein Individuum auf seine Gruppenzugehörigkeit zu reduzieren wäre ebenfalls nicht respektvoll. Bewusst überzeichnetes Beispiel: "Der ist ja ein <Minorität hier einfügen> und deshalb verzichte ich darauf <Verhalten> zu tun. Weil die empfinden das ja alle als verletzend." Das hat auch ein Geschmäckle, selbst wenn es gut gemeint ist.
Natürlich ist jeder Mensch Teil verschiedener Gruppen und ich habe nichts Gegenteiliges behauptet. Gruppen sind nicht hermetisch voneinander abgetrennt. Ich glaube, dass ich das auch schon alleine dadurch deutlich gemacht habe, als ich schrieb, dass ich weiblich und weiß bin. Der Begriff "Gruppe" hat sich durchgesetzt, wenn es darum geht eine unbestimmte Anzahl von Menschen, die ein oder mehrere Merkmal/e (Geschlecht, Herkunft, Alter etc.) teilen, benennen zu können - und das ist erforderlich, um eben überhaupt auf Diskriminierung aufmerksam machen zu können. Eigentlich logisch. Dadurch wird keinesfalls ein homogenes Meinungsbild unterstellt - als Beispiel aus einem anderen Bereich:
Auch wenn ich Sexismus gegenüber Frauen am eigenen Leib erfahren habe und ihn verurteile, weiß ich gleichzeitig auch, dass es Frauen gibt, die konservative Rollenbilder gut finden und keine "Emanze" sein wollen. Ändert nix daran, dass es scheiße ist, wenn jemand (in dem Fall ein Mann) davon ausgeht, dass es absolut normal sei, dass er arbeiten geht und ich automatisch zuhause bei den Kindern bleibe. Da spielt es keine Rolle, wie viele Frauen sagen "ich find's aber unproblematisch, wenn nur der Mann arbeiten geht".
Voigt
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Voigt »

@IpsilonZ, habe jetzt nicht viel gegooglet, aber sie ersten Einträge die ich las sind entweder ausgeglichen, oder leichte Präferenz für Indian, wie etwa hier: https://americanindian.si.edu/nk360/faq/did-you-know
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Terranigma
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Terranigma »

Felidae hat geschrieben: 22. Mär 2021, 16:55Ich empfehle, sich mit den Ansätzen und Ansichten nicht-weißer AutorInnen zu befassen, um zu begreifen um was es geht.
Ich habe mich im Studium damit beschäftigt - insb. ausführlich mit Said - und beschäftige mich in meiner Arbeit damit. Würde mich daher als sensibilisiert bezeichnen. Dass wir hier womöglich unterschiedliche Schwerpunkte legen, nehme ich als Hinweis auf den Punkt, welchen ich machen wollte: Sich mit etwas zu beschäftigen oder Teil einer Gruppe zu sein sagt per se nichts darüber aus, wie man zu einem Sachverhalt steht. Ich vermute, dass ich deine Perspektive verstehe und wir uns beide damit jeweils intensiv beschäftigt haben. Und dennoch haben wir hier scheinbar teilweise unterschiedliche Ansichten.

Ich halte es insofern durchaus für sinnvoll, das Meinungsbild innerhalb entsprechender Gruppe abzuklären. Du hast diesbezüglich ein Beispiel genannt, dass es z.B. auch Frauen gibt, die konservative Rollenvorstellungen vertreten. Diese finden es - anders als du - in diesem Fall womöglich nicht scheiße, wenn sie Zuhause bleiben und der Mann arbeiten geht. Das entspricht nicht meinem Rollenverständnis, aber ich nehme zur Kenntnis, dass es derartiges gibt. Diese finden es ggf. auch nicht scheiße, wenn der Mann konservative Rollenvorstellungen vertritt. Um Bevölkerungsgruppen nicht eine einheitliche Meinung nachzusagen finde ich's sehr naheliegend, dass man z.B. auch Umfragen (Studien) durchführt, um Evidenz zu haben, wie gedacht wird. Evidenz erscheint mir nie verkehrt.

Nur damit dies nicht missverstanden wird: Ich sage nicht, dass ich konservative Haltungen alâ "Frau ist Hausfrau, weil wegen darum", o.Ä. gut finde. Ich beschreibe nur, dass es Männer als auch Frauen gibt, die derartige Ansichten vertreten. Frau-Sein heißt nicht, dass man automatisch eine progressive Feministin ist. Mann-Sein heißt nicht, dass man automatisch ein konservativer Sexist ist. Eine konservative Frau würde dir insofern womöglich widersprechen, dass der obere Satz scheiße sei. Ein progressiver Mann würde dir zustimmen. Das war mein Punkt. Auf das Beispiel bzgl. Native Americans übertragen bedeutet es, dass es Native Americans gibt, welche den Namen "Washington Redkins" unproblematisch finden und dass es welche gibt, die ihn problematisch finden. Das Meinungsbild ist vielfältig. Ich wollte nicht mehr sagen, als dass man dies auch berücksichtigen soll.
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kami
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von kami »

Das Gefährliche an der Diskussion um "kulturelle Aneignung" ist, dass es wie andere dem akademischen Diskurs entlehnte Buzzwords eine wunderbare Nebelgranate ist, die den oberflächlichen Anschein erweckt, etwas würde sich zum Besseren wenden, wobei die grundlegenden Strukturen kaum angetastet werden. Wirklich helfen würde man den vormals unterdrückten und bis heute benachteiligten Bevölkerungsgruppen mit Maßnahmen, die diese Nachteile ausgleichen. Das kostet Geld, welches in einer gerechten Gesellschaft vor allem von den finanzstärksten Gruppen eingefordert werden müsste, die großteils auch die größten Profiteure der Unterdrückung waren und z.T. bis heute sind. In einer kapitalistischen Gesellschaft möchte man das nicht, stattdessen werden Phantomkriegsschauplätze im Bereich der Identitätspolitik erfunden oder aufgebauscht, in denen dann wilder Aktionismus an den Tag gelegt werden kann. Das kostet alles nichts und ausbeuterische Großkonzerne wie Amazon, Apple oder Disney können sich ohne Problem auf die "richtige Seite" stellen ohne Angst haben zu müssen, ihre Profite oder ihre Machtstellung würden in Frage gestellt. Als toller Nebeneffekt wird dadurch auch noch ein Lagerkampf provoziert, bei dem "linke" und rechte Identitätsreduktionisten gegeneinander ins Feld ziehen, der alle Aufmerksamkeit auf sich zieht und wunderbar von strukturellen Ungerechtigkeiten und katastrophalen Fehlentwicklungen ablenkt. Als akademisches Konzept ist "kulturelle Aneignung" also ein durchaus interessantes und wichtiges Forschungsfeld, in der Praxis - von Social-Media-"Aktivisten" zweckentfremdet - sehe ich den vermeintlichen Kampf gegen sie jedoch als bedenklich, tendenziell reaktionär und lehne ihn ab. Das heißt nicht, dass ich in Filmen wie Exodus nicht lieber jemand anders als Super-Weißbrot Christian Bale in der Moses-Rolle gesehen hätte, aber eben aus Gründen der Authentizität, nicht aus einer politischen Notwendigkeit heraus. Und Respekt vor den kulturellen Leistungen anderer Völker und Kulturen ist ebenfalls wünschenswert, aber nicht der moralische Imperativ, als der er häufig dargestellt wird.
BTW, wenn nichtweiße Menschen bestimmte Frisuren oder Klamotten nicht tragen dürfen, weiße Menschen aber schon, dann ist es bestimmt nicht die sinnvollste Reaktion darauf, dafür zu kämpfen, dass auch Weiße sie nicht mehr tragen dürfen, sondern dass es bei allen akzeptiert wird. Und zur gewählten Selbstbezeichnung: Wir Deutschen werden von den Englisch sprechenden als Germans und von den Franzosen als Allemande bezeichnet, obwohl wir weder Germanen noch Allemannen sind. Und daran ist nichts Schlimmes, fast in jeder Sprache gibt es eigene Begriffe für fremde Länder und Kulturen. Insofern sehe ich auch keinen Grund, z.B. nicht mehr von Indianern zu sprechen. Im Unterschied zur englischen Version gibt es auch keine Verwechslungsgefahr mit Indern.
“Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.” Philip K. Dick
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