Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

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Rince81
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Rince81 »

Andreas29 hat geschrieben: 19. Mär 2021, 16:41
Rince81 hat geschrieben: 19. Mär 2021, 16:00 Wo hast du im Netz diese Erfahrungen gesammelt und wobei?
Heute hauptsächlich Twitter, früher mehr Facebook. Und diverse Foren. Und das mache ich seit etwa 10 Jahren, seitdem diese Themen vermehrt diskutiert werden.

Ich habe immer wieder und in den letzten Jahren immer häufiger die Erfahrung gemacht, dass viele - KEINE Einzelfälle - bei diesen Themen absolut keine ausgewogene Meinung mehr ertragen, sondern nur noch ihre eigene ideologisch geprägte. Du kannst denen zu 99% entgegen kommen und mehrfach feststellen, dass Du eigentlich auf ihrer Seite bist, aber sie hängen sich nur an dem einen 1% auf. Es ist ein Glaubenskrieg geworden... in den USA nennt man es ja "Culture War".
Aber was erwartest du auf Facebook und ganz insbesondere auf Twitter anderes? Niemand führt eine ausgewogene Debatte auf Twitter, da geht es nur um Bullet-Points. Je kürzer und treffender desto besser- Zeichenlimit sei Dank. Das bewirkt natürlich, dass da nur Ja oder Nein Statements gepostet werden. Dazu kommt bei Twitterern imho immer auch ein gewisser Geltungsdrang. Ich habe seit Jahren einen Account lese passiv da viel mit aber dort in Diskussionen einsteigen? No way. Twitter ist aber grandios für Kundensupport, gerade im englischsprachigen Raum. Du wartest ne Woche auf irgendeine Reaktion auf eine 08/15 Mail von einer Fluggesellschaft? Auf Twitter bekommst du binnen einer Stunde ne hilfreiche Antwort per PN - du könntest schließlich jederzeit einen Shitstorm starten... :ugly:
Gleiches für Facebook. Da kommt man ganz schnell in irgendwelche Rabbitholes. Ich glaube die Diskussion müsste nicht im Ansatz so kontrovers sein wie sie ist, wenn nicht Social Media dazu neigen würde, gerade diese extremen Standpunkte zu verstärken. Siehe das Youtube Video zu den Dreads in deinem ersten Post. Das führt sofort einen extremen Standpunkt in diese Diskussion und da lassen sich Nuancen schlecht diskutieren - Sie greift ihn körperlich an, warum ist da eigentlich schon egal.
Das sich aber z.B. amerikanische Ureinwohner von sowas auf den Schlips getreten fühlen, kann ich wunderbar nachvollziehen.
https://media.spokesman.com/photos/2012 ... Bonnet.jpg
Das ist für mich aber kein Kulturkrieg, sondern eine Frage von grundlegendem Respekt vor anderen Kulturen bzw. dem Mangel davon bzw. teils auch eine Ignoranz aus Unwissen.
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XfrogX
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von XfrogX »

Ich finde hier sieht man wieder mal das Problem das Leute auf verschiedenen Ständen sind bei dem ganzen Themenbereich Rassismus.

Manche sehen es absolut, und dazu gehört dann natürlich auch das jeder alles von jeder Gruppe nutzen SOLLTE eben genau weil das die Gruppen aufreißt und niemand dann mehr plump wegen Musik, aussehen usw. zu einer Gruppe gezählt wird und man dann das ganze einfach rassistisch z.b. als „dumm“ diskreditieren kann.

Etwas das ich auch lange so gesehen habe und immer noch als Ziel verstehe. Den so lange wir „Dinge“ nur einer Gruppe zu gestehen schützen wir diese in dem wir sie ausgrenzen.

Aber wenn man sich damit mehr beschäftigt, sieht man halt das man diese Ideal aktuell wohl nur aus der Rolle, weiß, männlich und in den großen Ländern aufgewachsen schon als nah sehen kann. Wahrscheinlich sogar in Deutschland noch mit am meisten.

Nur sind wir als Gesellschaft am Ende doch noch nicht so weit, und daher sollte man respektieren das man halt noch zum Schutz anderer sich eben nicht einfach an deren Kultur bedienen sollte.
Das man wenn einem diese Kultur gefällt man sie unterstützt statt einfach kopiert usw.

Aber jeder sollte schon verstehen das in den meisten Fällen es einen großen Unterschied macht ob man etwas aus anderen Kulturen übernimmt weil man es mag oder ob man diese Dinge her nimmt um sich über diese Kulturen zu stellen.

Und das wird gefühlt bei solchen Themen immer wieder vermischt. Dreadlocks oder afro zu tragen ist nicht das gleiche wie blackfacing z.b.

Aber hey wir leben halt in einem Wandel, diese Kämpfe und Diskussionen braucht es und sie sind gut. Den sie zeigen halt auch das die meisten Gruppen mittlerweile stark genug sind sich zu wehren und auch das viele diese Probleme sehen und verstehen. Und das sind die Schritte um irgendwann wirklich das Ziel zu erreichen das alle Menschen auf der selben Ebene ankommen.
Und dann braucht man endlich wirklich keine Unterschiede mehr zu machen, und nur noch auf die individuellen Schwächen Rücksicht zu nehmen.
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Heretic
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Heretic »

Feamorn hat geschrieben: 19. Mär 2021, 17:58 Du hast den Knackpunkt ja selbst schon geschrieben *manche* Leute.
Eine Diskussion auf der Basis ist doch aber wirklich relativ zwecklos, oder? Ich meine, man wird immer zu allen Themen Leute finden, die sich irgendwie aufregen. Das ist (leider) unsere aktuelle Welt, zumal, meinen bisherigen Beobachtungen nach, die Leute die in solchen, für uns absurden, Fällen herum krähen meistens eben nicht die tatsächlich Betroffenen sind.
Ein Problem ist halt, dass genau diese Leute meist am lautesten krähen und damit die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich selbst nutze weder Twitter, Facebook noch andere soziale Medien. Doch auch in Foren und Kommentarspalten hat die "Empörungskultur" in den letzten Jahren gefühlt stark zugenommen. Das nervt ungemein und erweist dem eigentlichen Anliegen meist einen Bärendienst. Klar, man kann solche Extremfälle versuchen zu ignorieren. Aber das wird zunehmend schwieriger, wenn man sie überall um die Ohren geballert bekommt und eine fruchtbare Diskussion dadurch bereits im Keim erstickt wird. Ich beiße dann normalerweise in die Tischkante und halte mich von der Tastatur fern, um keinen unbedachten Kommentar zu verfassen, der mir später womöglich leid tun könnte. Aber das klappt nicht immer. ;)
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DickHorner
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von DickHorner »

Terranigma hat geschrieben: 19. Mär 2021, 17:23 Solche Diskussionen kamen vereinzelt ja auch in Deutschland auf, u.a. etwa vor einigen Wochen (?), dass nur homosexuelle Schauspieler auch homosexuelle Figuren sollten spielen dürfen. Es liegt in der Natur des Schauspiels, dass ein Schauspieler Figuren darstellt, die nicht ihm entsprechen.
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Terranigma
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Terranigma »

DickHorner hat geschrieben: 20. Mär 2021, 11:36
Terranigma hat geschrieben: 19. Mär 2021, 17:23 Solche Diskussionen kamen vereinzelt ja auch in Deutschland auf, u.a. etwa vor einigen Wochen (?), dass nur homosexuelle Schauspieler auch homosexuelle Figuren sollten spielen dürfen. Es liegt in der Natur des Schauspiels, dass ein Schauspieler Figuren darstellt, die nicht ihm entsprechen.
Ernsthaft? Wahnsinn, was alles für Scheiße abläuft...
Persönlich würde ich das nicht überschätzen. Es sind eben Meinungen, die's halt so gibt. Ich denke man kann guten Gewissens davon ausgehen, dass jedwede Meinung, die man sich zu einem Sachverhalt selbst vorzustellen fähig ist, auch von irgendwem vertreten wird. Soziale Medien und auch der Einfluss sozialer Medien auf die etablierten Medien - Twitter-Shitstorms werden ja mittlerweile auch von ARD und ZDF aufgegriffen - führen dazu, dass derartige Ansichten verstärkt öffentlich werden. Diese Meinungsbeiträge bzgl. "nur Homosexuelle sollten homosexuelle Figuren spielen" wurde in meiner letzten Monat im Kontext des Outings einiger deutscher Schauspieler*innen geäußert. Das ist für mich spätestens so'n Punkt, wo Identitätspolitik in das Gegenteil dessen kippt, was es eigentlich leisten will. Nämlich die Diskriminierung und Schlechterstellung von gesellschaftlichen Minoritäten abbauen, nicht aber Gräben durch die Gesellschaft ziehen.
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Felidae
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Felidae »

Ich möchte jetzt zunächst gar nicht auf einzelne Äußerungen in diesem Therad eingehen, weil ich sonst emotional werden könnte, sodass die Diskussion vielleicht schnell sehr hitzig werden könnte.

Erst mal würde ich gerne darauf hinweisen, dass man nie den Kontext außer Acht lassen sollte und es dementsprechend eine Rolle spielt, was von wem übernommen wird. Kulturelle Aneignung hatte wohl ihren ersten Höhepunkt in der Kolonialzeit, als es als faszinierend galt, Kunst und religiöse Objekte aus ihren Ursprungsländern zu rauben und in Europa zu präsentieren. Und nicht nur das: Es wurden Menschen verschleppt, die wie Attraktionen den neugierigen Blicken der EuropäerInnen ausgesetzt wurden. Im Europa des 19. Jahrhunderts ist die sogenannte "Völkerschau", bei der "fremde" Kulturen so dargestellt wurden, dass sie zur europäischen Vorstellung von Exotik passen, absolut en vogue. Auch der Orientalismus war Teil dieser Praxis: Gegenstände und Darstellungen werden aufgegriffen, zweck- und sinnentfremdet und in den herrschaftlichen Räumen in Europa als "orientalische" Dekoration ausgestellt. Zur gleichen Zeit wird "der Orient" aber auch als befremdliches Gegenbild zur vertrauten "westlichen Welt" inszeniert. (Hierzu kann ich das Buch AFROKULTUR von Natasha A. Kelly und den Aufsatz Die Welt als Ausstellung von Timothy Mitchell empfehlen)
Es gibt etliche weitere Beispiele, die nach diesem Prinzip funktionierten. Hier zeigt sich also, dass man sich bestimmten Aspekten einer Kultur bediente und sie sich für eigene Zwecke aneigntete - während die Angehörigen dieser Kultur gleichzeitig von EuropäerInnen verspottet, diskriminiert, bestohlen, ausgebeutet, getötet und/oder versklavt wurden.
Der Rassismus diente Europa als Legitimationsversuch, anderen Völkern diese Dinge anzutun. Und während ausgebeutete, ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen bis heute unter diesem Rassismus leiden, kommen z.B. weiße Prominente daher und geben sich als People of Color aus, um "exotisch" zu wirken. Sie nutzen dieses Aussehen für ihre Marketing-Inszenierung, während Menschen, die tatsächlich dieser Gruppe angehören, ihr Leben lang wegen ihres Aussehens Erfahrungen von Diskriminierung und Rassismus machen. Dieser Artikel widmet sich diesem Thema: https://ze.tt/blackfishing-warum-es-nic ... schminken/

Und abschließend noch ein Absatz zu Aussagen wie "Die Aufregung ist Quatsch, denn wer entscheidet denn, was respektlos ist?"
Die Antwort: Ganz sicher nicht die Person, die ein Verhalten an den Tag legt, welches einen oder viele Menschen verletzt. Man muss sich klar machen, dass etwas nicht erst dann gilt, wenn man es selbst 100 %ig nachfühlen kann. Ich als weiße Frau, die auf die 30 zugeht, WEISS NICHT wie sich struktureller und alltäglicher Rassismus anfühlt. Ich weiß nur, dass es passieren kann, dass mein Verhalten bei einem anderen Menschen schmerzhafte oder unangenehme Gefühle auslöst - mir das aber nicht bewusst war, weil ich gewisse Dinge aufgrund meiner Biografie einfach nicht vollumfänglich nachvollziehen kann. Deswegen bin ich darauf angewiesen, dass ich Denkanstöße bekomme. Dass ich mich informieren kann, welche Dinge einfach nicht okay sind, auch wenn ich mir darüber früher möglicherweise keine Gedanken gemacht habe.
Und genau deswegen ist diese Thematik extrem relevant und es ist unverzichtbar, dass man sich damit auseinandersetzt, wenn wir als Menschheit respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen wollen.
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Voigt »

Diebstahl von Kulturgütern, als auch Sklaverei und Menschen in Zoos austellen ist aber halt was ziemlich anderes als was unter "Culture Appropriation" verstanden wird.
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Terranigma
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Terranigma »

Felidae hat geschrieben: 20. Mär 2021, 16:11Und abschließend noch ein Absatz zu Aussagen wie "Die Aufregung ist Quatsch, denn wer entscheidet denn, was respektlos ist?" [...] Die Antwort: Ganz sicher nicht die Person, die ein Verhalten an den Tag legt, welches einen oder viele Menschen verletzt. Man muss sich klar machen, dass etwas nicht erst dann gilt, wenn man es selbst 100 %ig nachfühlen kann.
Letzteres scheint mir der Kern der Frage zu sein, eben weil's ja nicht immerzu ausgemacht ist, ob ein Verhalten die Betroffenen tatsächlich verletzt. Der Hinweis gilt für mein Verständnis insofern in beide Richtungen: in die Richtung derjenigen, die nur als verletzend empfinden, was ihnen selbst als verletztend erscheint. Ebenso auch in die Richtung derjenigen, die wohlwollend im Namen einer (Sozial-)Gruppe sprechen gemäß der Annahme, dass ein Verhalten verletztend sei. Sie dies aber ehrlicherweise nicht wissen. Es gab 2020 in den USA eine kurze Debatte, ob das Tragen von Kimono durch Weiße als Cultural Appropriation zu bewerten sei und diesbezüglich wurde auch Kritik am Tragen von Kimono geübt. Nach einer Weile wurde von diesem Shitstorm auch in Japan Notiz genommen, in der Berichterstattung und bei Interviews auf den Straßen zeigten sich die meisten Personen allerdinsg irritiert, weshalb es ein Problem sein solle, wenn Weiße gerne Kimono tragen und offenbar traditionelle Kleidung schön finden. Der Konsens lag eher da, dass man dies als Kompliment empfand.

Die Annahme im US-Diskurs war offenbar, dass es unangemessen sei und man hat auf der Grundlage diskutiert, dass diese Annahme wahr sei. Man hat diese Annahme allerdings nicht überprüft, indem man sich ein Stimmungsbild einholte. Nun könne man mit "Better safe than sorry" argumentieren, dass es behutsamer ist prinzipiell davon auszugehen, dass man jemanden auf die Füße tritt. Ich würde mir aber auch etwas mehr Gelassenheit - lies: nicht Rücksichtslosigkeit - wünschen, sodass man ggf. erst einmal abklärt, ob ein Verhalten wirklich als problematisch wahrgenommen wird, ehe man davon ausgeht, dass dem so sei. Dieser Diskurs scheint mir aus beiden Richtungen typischerweise im Namen von Betroffenen geführt zu werden, während Betroffene selbst nicht gefragt werden oder ihre Meinung selbst artikulieren können. Denn auch innerhalb der entsprechenden (Sozial-)Gruppen wird's erwartbarerweise unterschiedliche Ansichten geben.

Als Beispiel. Erneut die USA, weil's Thema dort gegenwärtig noch weitaus größer ist als hierzulande. Es gab eine lang anhaltende Debatte, ob der Namen "Washington Redskin" aufgrund des Begriffs "Redskin" verletzend sei. Diesbezüglich wurden Umfragen durchgeführt, u.a. nach Kritik an einer Studie von 2004 unter Einbeziehung der Kritik und Abänderung der Methodik - u.a. Anrufe auf Handy, weitere Regionen einbezogen, u.Ä. - wurden in einer Studie von 2016 ca. 500 Native Americans angerufen und gefragt, ob sie den Namen "Washington Redskins" verletzend empfinden. 9 von 10 sahen in dem Begriff kein Problem. Selbst wenn man die Repräsentanz der Umfrage in Zweifel zieht und andere Zahlen vermutet, so wäre für mich die relevante Konklusion, dass man bei der Debatte bzgl. Cultural Appropriation aufpassen sollte, "die Weißen", "die Native Americans", "die Homosexuellen", etc. pp. nicht als eine homogene Gruppe zu begreifen. Es sind Individuen, die über Sachverhalte individuell empfinden und denken. Offenbar gibt es insofern Native Americans - laut Umfrage womöglich die Mehrheit - welche "Washington Redskins" nicht als verletzend empfinden. Ebenso gibt's welche, die das nicht tun.


Ich würde daher bei der Verwendung von Gruppenbegriffen aufpassen, um Menschen nicht darauf zu reduzieren, nur Mitglied einer (Sozial-)Gruppe zu sein und ihnen darüber eine homogene Meinungsbildung zu unterstellen. Bei derartig großen Begriffen wie "die Weißen", "die People of Colour", u.Ä. wäre ich sehr behutsam. Weil dies nur jeweils ein Merkmal ist, wir als Individuen aber vielfältige Identitäten besitzen und zeitgleich Angehöriger verschiedener (Sozial-)Gruppen sind. Ein Individuum auf seine Gruppenzugehörigkeit zu reduzieren wäre ebenfalls nicht respektvoll. Bewusst überzeichnetes Beispiel: "Der ist ja ein <Minorität hier einfügen> und deshalb verzichte ich darauf <Verhalten> zu tun. Weil die empfinden das ja alle als verletzend." Das hat auch ein Geschmäckle, selbst wenn es gut gemeint ist.
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von meieiro »

Terranigma hat geschrieben: 20. Mär 2021, 17:48 Die Annahme im US-Diskurs war offenbar, dass es unangemessen sei und man hat auf der Grundlage diskutiert, dass diese Annahme wahr sei. Man hat diese Annahme allerdings nicht überprüft, indem man sich ein Stimmungsbild einholte. Nun könne man mit "Better safe than sorry" argumentieren, dass es behutsamer ist prinzipiell davon auszugehen, dass man jemanden auf die Füße tritt. Ich würde mir aber auch etwas mehr Gelassenheit - lies: nicht Rücksichtslosigkeit - wünschen, sodass man ggf. erst einmal abklärt, ob ein Verhalten wirklich als problematisch wahrgenommen wird, ehe man davon ausgeht, dass dem so sei. Dieser Diskurs scheint mir aus beiden Richtungen typischerweise im Namen von Betroffenen geführt zu werden, während Betroffene selbst nicht gefragt werden oder ihre Meinung selbst artikulieren können. Denn auch innerhalb der entsprechenden (Sozial-)Gruppen wird's erwartbarerweise unterschiedliche Ansichten geben.
Dann stellt sich aber wirklich die Frage, welchen Sinn die Diskussion hier im Forum hat, wenn wir höchst wahrscheinlich gar keinen Betroffen dabei haben. Dann machen wir ja genau das. Wir reden für die Betroffenen und nicht mit ihnen.
Terranigma hat geschrieben: 20. Mär 2021, 17:48 Als Beispiel. Erneut die USA, weil's Thema dort gegenwärtig noch weitaus größer ist als hierzulande. Es gab eine lang anhaltende Debatte, ob der Namen "Washington Redskin" aufgrund des Begriffs "Redskin" verletzend sei. Diesbezüglich wurden Umfragen durchgeführt, u.a. nach Kritik an einer Studie von 2004 unter Einbeziehung der Kritik und Abänderung der Methodik - u.a. Anrufe auf Handy, weitere Regionen einbezogen, u.Ä. - wurden in einer Studie von 2016 ca. 500 Native Americans angerufen und gefragt, ob sie den Namen "Washington Redskins" verletzend empfinden. 9 von 10 sahen in dem Begriff kein Problem. Selbst wenn man die Repräsentanz der Umfrage in Zweifel zieht und andere Zahlen vermutet, so wäre für mich die relevante Konklusion, dass man bei der Debatte bzgl. Cultural Appropriation aufpassen sollte, "die Weißen", "die Native Americans", "die Homosexuellen", etc. pp. nicht als eine homogene Gruppe zu begreifen. Es sind Individuen, die über Sachverhalte individuell empfinden und denken. Offenbar gibt es insofern Native Americans - laut Umfrage womöglich die Mehrheit - welche "Washington Redskins" nicht als verletzend empfinden. Ebenso gibt's welche, die das nicht tun.
Ich als Fan der NFL haben die Debatte natürlich auch verfolgt. Ich hab mich da jetzt noch mal kurz eingelesen und da wurde die 90%-Studien stark kritisiert. Die neueste Umfrage zu dem Thema stammt aus dem letzten Jahr und die zeichnet ein ziemlich anders Bild. Da stören sich 49%, der Teilnehmer die sich selbst als Native bezeichnen, an dem Namen. Von den Natives die noch mehr in ihrem Stamm involviert sind sind es sogar 69%.
Aber die Frage die ich mir bei dem Thema stelle, ist es wirklich so wichtig ob sich 10%, 49% oder 90% daran stören, wenn man durch eine kleine Änderung das beheben kann. Das Team hat mittlerweile den Namen (erstmal) zu Washington Football Team geändert und ich möchte behaupten in 5 Jahren kräht da kein Hahn mehr danach.
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Terranigma »

meieiro hat geschrieben: 20. Mär 2021, 19:16Wir reden für die Betroffenen und nicht mit ihnen.
Ich finde das Thema spannend, hatte mir deshalb aber auch überlegt, ob's Sinn ergibt, sich überhaupt dazu zu äußern. Ich sehe es so: Ja, wir können nichts darüber aussagen, ob jemanden etwas verletzt oder nicht. Ich habe dabei konkret Individuen im Sinn, keine Gruppen. Obwohl wir beide - nehme ich einfach mal an! - in allerlei Merkmalen recht ähnlich sein dürften, würde ich auch nicht in deinem Namen sprechen. Einerseits weil ich's nicht kann, andererseits weil ich's unhöflich fände. Auf dieser Ebene sehe ich tatsächlich wenig Sinn in der Diskussion. Ich denke aber man kann darüber reden, was man eben selbst mit dem Thema verbindet oder mit dem übergeordneten Thema der Identitätspolitik. Irgendeinen neuralgischen Punkt müssen diese Themen bei vielen Menschen ja treffen, ansonsten würden die entsprechenden Diskussionen nicht derart emotional geführt werden. Da sehe ich eher Gesprächspotential.
Terranigma hat geschrieben: 20. Mär 2021, 17:48Ich als Fan der NFL haben die Debatte natürlich auch verfolgt. Ich hab mich da jetzt noch mal kurz eingelesen und da wurde die 90%-Studien stark kritisiert.
Welche Umfrage genau meinst du? Es gab allerlei, und ich habe zwei im Blick. Es gab eine von 2004, die - wie ich eingangs schrieb - stark kritisiert wurde, insb. im Hinblick auf die Methodik. Es gab 2016 eine weitere Umfrage, welche die Kritikpunkte aufgriff und ausbesserte, allerdings zu ähnlichen Ergebnissen wie 2004 kam. Eine Grundsatzkritik an der Umfrage ist mir nicht bekannt. Ich möchte allerdings auch nicht auf die Zahlen hinaus, weil dies nicht mein Punkt war. Ich könnte ebenso deine Zahlen bzgl. 49% oder auch 69% nehmen. Es zeigt, dass man nicht von "den Native Americans" derart sprechen kann, als wären diese eine homogene Gruppe die gleich empfindet. Es sind Individuen mit eigenen Befindlichkeiten und Ansichten, weshalb ich es problematisch finde diese Diskussion bzgl. Cultural Appropriation derart anhand von "die Weißen", "die People of Colour", "die Männer", u.Ä. zu führen, weil dies Individuen auf ein einziges Merkmal reduziert und Trennendes betont, während es auch Verbindendes gibt.

Du hast die für mich interessante Frage aber aufgeworfen: Ist es relevant, ob sich 90%, 49% oder 10% durch etwas verletzt fühlen? Der Diskussions willen sage ich: Ja, ist es. Denn wäre die Anzahl derer, die sich verletzt fühlen, irrelevant, so könnten wir weiter fragen: Was ist, wenn sich 1% verbal angegriffen fühlt - oder 0,1%? 0,001%? Was ist, wenn es auf die Gesamtbevölkerung gesehen nur 10 Personen sind? Ich denke nicht, dass man dies quantifizieren und auf eine Zahl bringen kann, ab wann ein emfpundenes Problem als tatsächliches Problem verstanden wird. Aber ich denke ebenfalls nicht, dass die Frage nach der Zahl bedeutungslos ist.

Das NFL-Beispiel ist hier sicherlich recht simpel, weil es nur eine Namensänderung ist. Allerdings nehme ich an, dass diese Namensänderung dem Verein einiges an Kosten verursacht. Wären diese Kosten gerechtfertigt, wenn sich nur 10 Personen in den Vereinigten Staaten an den Namen stören würden? Die Frage kann man stellen. Aber an dem Punkt ist wohl nicht mehr Cultural Appropriation im engeren Sinne das Thema, sondern die Abwägung von Partikularinteressen unter- und gegeneinander. Und darauf fällt mir keine bessere Antwort ein als: "Muss man im Einzelfall entscheiden."
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von meieiro »

Terranigma hat geschrieben: 20. Mär 2021, 20:47
meieiro hat geschrieben: 20. Mär 2021, 19:16Wir reden für die Betroffenen und nicht mit ihnen.
Ich finde das Thema spannend, hatte mir deshalb aber auch überlegt, ob's Sinn ergibt, sich überhaupt dazu zu äußern. Ich sehe es so: Ja, wir können nichts darüber aussagen, ob jemanden etwas verletzt oder nicht. Ich habe dabei konkret Individuen im Sinn, keine Gruppen. Obwohl wir beide - nehme ich einfach mal an! - in allerlei Merkmalen recht ähnlich sein dürften, würde ich auch nicht in deinem Namen sprechen. Einerseits weil ich's nicht kann, andererseits weil ich's unhöflich fände. Auf dieser Ebene sehe ich tatsächlich wenig Sinn in der Diskussion. Ich denke aber man kann darüber reden, was man eben selbst mit dem Thema verbindet oder mit dem übergeordneten Thema der Identitätspolitik. Irgendeinen neuralgischen Punkt müssen diese Themen bei vielen Menschen ja treffen, ansonsten würden die entsprechenden Diskussionen nicht derart emotional geführt werden. Da sehe ich eher Gesprächspotential.
Terranigma hat geschrieben: 20. Mär 2021, 17:48Ich als Fan der NFL haben die Debatte natürlich auch verfolgt. Ich hab mich da jetzt noch mal kurz eingelesen und da wurde die 90%-Studien stark kritisiert.
Welche Umfrage genau meinst du? Es gab allerlei, und ich habe zwei im Blick. Es gab eine von 2004, die - wie ich eingangs schrieb - stark kritisiert wurde, insb. im Hinblick auf die Methodik. Es gab 2016 eine weitere Umfrage, welche die Kritikpunkte aufgriff und ausbesserte, allerdings zu ähnlichen Ergebnissen wie 2004 kam. Eine Grundsatzkritik an der Umfrage ist mir nicht bekannt. Ich möchte allerdings auch nicht auf die Zahlen hinaus, weil dies nicht mein Punkt war. Ich könnte ebenso deine Zahlen bzgl. 49% oder auch 69% nehmen. Es zeigt, dass man nicht von "den Native Americans" derart sprechen kann, als wären diese eine homogene Gruppe die gleich empfindet. Es sind Individuen mit eigenen Befindlichkeiten und Ansichten, weshalb ich es problematisch finde diese Diskussion bzgl. Cultural Appropriation derart anhand von "die Weißen", "die People of Colour", "die Männer", u.Ä. zu führen, weil dies Individuen auf ein einziges Merkmal reduziert und Trennendes betont, während es auch Verbindendes gibt.

Du hast die für mich interessante Frage aber aufgeworfen: Ist es relevant, ob sich 90%, 49% oder 10% durch etwas verletzt fühlen? Der Diskussions willen sage ich: Ja, ist es. Denn wäre die Anzahl derer, die sich verletzt fühlen, irrelevant, so könnten wir weiter fragen: Was ist, wenn sich 1% verbal angegriffen fühlt - oder 0,1%? 0,001%? Was ist, wenn es auf die Gesamtbevölkerung gesehen nur 10 Personen sind? Ich denke nicht, dass man dies quantifizieren und auf eine Zahl bringen kann, ab der ein emfpundenes Problem auch als tatsächliches Problem begriffen wird. Aber ich denke ebenfalls nicht, dass die Frage nach der Zahl völlig bedeutungslos ist.

Das NFL-Beispiel ist hier sicherlich recht simpel, weil es nur eine Namensänderung ist. Allerdings nehme ich an, dass diese Namensänderung dem Verein einiges an Kosten verursacht. Wären diese Kosten gerechtfertigt, wenn sich nur 10 Personen in den Vereinigten Staaten an den Namen stören würden? Die Frage kann man stellen. Aber an dem Punkt ist wohl nicht mehr Cultural Appropriation im engeren Sinne das Thema, sondern die Abwägung von Partikularinteressen unter- und gegeneinander. Und darauf fällt mir keine bessere Antwort ein als: "Muss man im Einzelfall entscheiden."
Sorry hab den Link vergessen. https://news.berkeley.edu/2020/02/04/na ... ts-survey/
ja ich habe mich evtl etwas unverständlich ausgedrückt. Wenns sich jetzt nur 10 Menschen darüber beschweren, dann muss ein NFL Team seinen Namen natürlich nicht ändern. Aber alle Umfragen zeigen, dass es doch ein gewisser Anteil der Natives ist. Da kann ein Milliardär schon mal ein paar Flocken locker machen für einen neuen Namen. Er ist danach immer noch Miliardär.
Mich stört das halt, dass das oft nur kleine Änderungen bedarf, dass andere Menschen weniger dikriminiert werden. Wir hatten erst vor kurzem eine viel diskutierte Talkshow, wo sich 5 weiße darüber aufregen, weil sie ein Schnitzel anders nennen sollen. Die selbe Diskussion hatte wir mit Schokoküssen. Ich muss mich oft nur minimal auf die Minderheiten zu bewegen und verlier quasi nichts dadurch. Trotzdem ist es immer ein Riesendrama
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Terranigma
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Terranigma »

meieiro hat geschrieben: 20. Mär 2021, 21:12Mich stört das halt, dass das oft nur kleine Änderungen bedarf, dass andere Menschen weniger dikriminiert werden.
Sehe ich persönlich ebenso. Hatte auch nur versucht, die Diskussion an der Stelle zu vertiefen und den Advocatus Diaboli zu miemen, aber, ... ja. Ich kann die Aufregung in der Richtung in aller Regel ebenso nicht nachvollziehen. Ich esse kein Schnitzel, aber selbst wenn ich's täte, wär's mir doch gleich welchen Namen es trägt. Oder wie die Soße dazu heißt. Ufz. Womöglich müsste ich mich mehr auf Twitter rumtreiben, um die notwendige Reizbarkeit und Aggressivität zu entwickeln. :D
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von ZiggyStardust »

Schade, dass selbst der Öffentlich Rechtliche Rundfunk bei sowas mitmacht.
«Natürlich ist der Herr der Ringe ein Stück weisse Kultur. Und natürlich lese ich ihn deshalb auch strukturell rassistisch.»
Beiträge aus einem besessenen Paralleluniversum. So stirbt Kultur.
https://twitter.com/a_nnaschneider/stat ... 2061612032
DickHorner hat geschrieben: 20. Mär 2021, 11:36
Terranigma hat geschrieben: 19. Mär 2021, 17:23 Solche Diskussionen kamen vereinzelt ja auch in Deutschland auf, u.a. etwa vor einigen Wochen (?), dass nur homosexuelle Schauspieler auch homosexuelle Figuren sollten spielen dürfen. Es liegt in der Natur des Schauspiels, dass ein Schauspieler Figuren darstellt, die nicht ihm entsprechen.
Ernsthaft? Wahnsinn, was alles für Scheiße abläuft...
Die Diskussion gab es auch als Rocketman in die Kinos kam, in dem der heterosexuelle Taron Egerton Elton John spielt. Was übrigens auch der Wunsch von Elton John war. Da der Hauptdarsteller in dem Film auch sehr gut singen kann, war das Casting da sicher nicht so einfach. Das ist schon was anderes als wenn man bei Rote Rosen einen Schauspieler für eine homosexuellen Serienfigur sucht.

Bei dem Gedicht von Amanda Gorman gab es ja auch letztens die Diskussion, ob nur Schwarze ihre Werke übersetzen dürften. Sie hatte sich eine niederländische Übersetzerin ausgesucht, die nicht schwarz war und das kam nicht so gut an. Sicher wäre ein 80 Jahre alter weißer Mann nicht der passende Übersetzer für das Gedicht einer 20 Jahre alten Amerikanerin, aber die eigentlich vorgesehene Übersetzerin war ebenfalls jung und Teil einer Minderheit. Sollen dann in Zukunft auch Weiße keine Romane mehr mit schwarzen Romanfiguren schreiben und Schwarze keine Romane mehr mit weißen Romanfiguren? Ansonsten ist es entweder Rassismus oder Cultural Appropriation? Wird dadurch nicht die Kultur total eingeengt, wenn jeder nur noch über und für seine eigene Bubble schreibt? Gibt es dann am Ende nicht nur noch Einzelkämpfer:innen und keine Möglichkeit mehr sich gemeinschaftlich gegen die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus zu wehren? Das beobachte ich vor allem in den USA.
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Rince81 »

ZiggyStardust hat geschrieben: 21. Mär 2021, 00:06 Schade, dass selbst der Öffentlich Rechtliche Rundfunk bei sowas mitmacht.
«Natürlich ist der Herr der Ringe ein Stück weisse Kultur. Und natürlich lese ich ihn deshalb auch strukturell rassistisch.»
Beiträge aus einem besessenen Paralleluniversum. So stirbt Kultur.
https://twitter.com/a_nnaschneider/stat ... 2061612032
Yoah, die Twitterin hat ja eine richtige Obsession gegen alles, was ihr irgendwie link(s) erscheint..
Nun, mit einem ordentlichen Feindbild hat der Tag zumindest eine Struktur. :lol:
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Crenshaw
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Crenshaw »

ZiggyStardust hat geschrieben: 21. Mär 2021, 00:06
Die Diskussion gab es auch als Rocketman in die Kinos kam, in dem der heterosexuelle Taron Egerton Elton John spielt. Was übrigens auch der Wunsch von Elton John war. Da der Hauptdarsteller in dem Film auch sehr gut singen kann, war das Casting da sicher nicht so einfach. Das ist schon was anderes als wenn man bei Rote Rosen einen Schauspieler für eine homosexuellen Serienfigur sucht.

Bei dem Gedicht von Amanda Gorman gab es ja auch letztens die Diskussion, ob nur Schwarze ihre Werke übersetzen dürften. Sie hatte sich eine niederländische Übersetzerin ausgesucht, die nicht schwarz war und das kam nicht so gut an. Sicher wäre ein 80 Jahre alter weißer Mann nicht der passende Übersetzer für das Gedicht einer 20 Jahre alten Amerikanerin, aber die eigentlich vorgesehene Übersetzerin war ebenfalls jung und Teil einer Minderheit. Sollen dann in Zukunft auch Weiße keine Romane mehr mit schwarzen Romanfiguren schreiben und Schwarze keine Romane mehr mit weißen Romanfiguren? Ansonsten ist es entweder Rassismus oder Cultural Appropriation? Wird dadurch nicht die Kultur total eingeengt, wenn jeder nur noch über und für seine eigene Bubble schreibt? Gibt es dann am Ende nicht nur noch Einzelkämpfer:innen und keine Möglichkeit mehr sich gemeinschaftlich gegen die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus zu wehren? Das beobachte ich vor allem in den USA.
das verstehe ich auch nicht, wenn der betreffende Künstler, der verkörpert werden soll bzw. dessen Werk übersetzt werden soll, sich jemanden aussucht, das zu kritisieren kann ich auch nicht nach vollziehen, zeigt aber meiner Meinung nach nur, das es manchen nur ums Prinzip geht und nicht um die Sache

gerade bei einer Übersetzung, ist doch die Qualität der Übersetzung entscheidend und nicht die Hautfarbe des Übersetzers, es gibt genug Beispiele von Übersetzungen, die nur begrenzt mit dem Original zu tun, da will ich doch lieber jemanden, der der die Essenz/Seele/Sinn/Aussage richtig übersetzt, als das es danach nur heißt "Schlechte Übersetzung, aber die Hautfarbe/Sexualität/wasauchimmer hat gepasst"

und schon immer hat vieles/alles auf einander Einfluß gehabt (bewusst oder unbewusst), da ist es in den meisten Fällen fast unmöglich Trennlinien zu ziehen.
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Rince81 »

ZiggyStardust hat geschrieben: 21. Mär 2021, 00:06 Bei dem Gedicht von Amanda Gorman gab es ja auch letztens die Diskussion, ob nur Schwarze ihre Werke übersetzen dürften. Sie hatte sich eine niederländische Übersetzerin ausgesucht, die nicht schwarz war und das kam nicht so gut an. Sicher wäre ein 80 Jahre alter weißer Mann nicht der passende Übersetzer für das Gedicht einer 20 Jahre alten Amerikanerin, aber die eigentlich vorgesehene Übersetzerin war ebenfalls jung und Teil einer Minderheit. Sollen dann in Zukunft auch Weiße keine Romane mehr mit schwarzen Romanfiguren schreiben und Schwarze keine Romane mehr mit weißen Romanfiguren? Ansonsten ist es entweder Rassismus oder Cultural Appropriation? Wird dadurch nicht die Kultur total eingeengt, wenn jeder nur noch über und für seine eigene Bubble schreibt?
Nein. Ein Übersetzer sollte ich aber in den Autor versetzen können. Das ist bei Belletristik einfach und dürfte keine besonderen Anforderungen an die Person des Übersetzers stellen. Bei sehr persönlicher Lyrik, die auf dem eigenen Hintergrund und den eigenen Erfahrungen beruht, ist ein 80jähriger weißer Europäer ganz sicher in dem Fall nicht der richtige Übersetzer. Ich denke allerdings nicht, dass an unbedingt jemand Schwarzes oder weibliches sein muss, es ist aber von Vorteil. Wichtiger ist genügend Wissen und Erfahrung mitzubringen, um die Verweise und Allegorien zu erkennen, zu verstehen und zu übertragen. Von daher bekommst du wahrscheinlich eine schlechtere Übersetzung, wenn jung, weiblich und schwarz Kriterien sind, die Wissen und Erfahrung vorgezogen werden.
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von meieiro »

ZiggyStardust hat geschrieben: 21. Mär 2021, 00:06 Schade, dass selbst der Öffentlich Rechtliche Rundfunk bei sowas mitmacht.
«Natürlich ist der Herr der Ringe ein Stück weisse Kultur. Und natürlich lese ich ihn deshalb auch strukturell rassistisch.»
Beiträge aus einem besessenen Paralleluniversum. So stirbt Kultur.
https://twitter.com/a_nnaschneider/stat ... 2061612032
Ich habe mir den Artikel mal durchgelesen. Was offentsichtlich viele die unter dem Tweet kommentieren nicht gemacht haben. Und wo ist das Problem an dem Artikel?
Man muss halt Herr der Ringe als Kind seiner Zeit sehen. In einem Roman fliest immer auch das Weltbild des Autors mitein. Dass das in einigen Szenen von Herr der Ringe rassistisch oder sexistisch ist, ist meiner Meinung nach unbestritten. Deswegen ist Tolkien noch lange kein Rassist oder Sexist. Das wurde von ihm damals vielleicht gar nicht hinterfragt, weil ihm der Blick darauf fehlte.
Und genau das macht der Autor. Er betrachtet die Bücher/Filme aus der Perspektive von 2021 und ist sich bewusst, dass man diese Standards nicht an Herr der Ringe anlegen muss. Er sagt aber nicht, dass man Herr der Ringe nicht mehr lesen/sehen darf, sondern genau das Gegenteil.
Sollten wir den Herrn der Ringe canceln?

Nein, natürlich nicht. Es wäre ein Fehler, den Herrn der Ringe zu canceln, weil man den strukturellen Rassismus darin sieht. Ich kann diesen Film auch dann genießen, wenn ich seine Handlung nicht nach den Maßstäben von 2021 bewerte. Natürlich ist der Herr der Ringe ein Stück weiße Kultur. Und natürlich lese ich ihn deshalb auch strukturell rassistisch. Ich kann mich bei diesen Filmen aber immer noch über den großartigen Look freuen, die Landschaft, die Motion-Capture bei Andy Serkis, die epochalen Schlachten, die witzigen Dialoge und die großen Gefühle am Ende. Nur glorifizieren sollte man das alles heute nicht mehr.
[/qoute]
ZiggyStardust hat geschrieben: 21. Mär 2021, 00:06 Ernsthaft? Wahnsinn, was alles für Scheiße abläuft...
Die Diskussion gab es auch als Rocketman in die Kinos kam, in dem der heterosexuelle Taron Egerton Elton John spielt. Was übrigens auch der Wunsch von Elton John war. Da der Hauptdarsteller in dem Film auch sehr gut singen kann, war das Casting da sicher nicht so einfach. Das ist schon was anderes als wenn man bei Rote Rosen einen Schauspieler für eine homosexuellen Serienfigur sucht.

Bei dem Gedicht von Amanda Gorman gab es ja auch letztens die Diskussion, ob nur Schwarze ihre Werke übersetzen dürften. Sie hatte sich eine niederländische Übersetzerin ausgesucht, die nicht schwarz war und das kam nicht so gut an. Sicher wäre ein 80 Jahre alter weißer Mann nicht der passende Übersetzer für das Gedicht einer 20 Jahre alten Amerikanerin, aber die eigentlich vorgesehene Übersetzerin war ebenfalls jung und Teil einer Minderheit. Sollen dann in Zukunft auch Weiße keine Romane mehr mit schwarzen Romanfiguren schreiben und Schwarze keine Romane mehr mit weißen Romanfiguren? Ansonsten ist es entweder Rassismus oder Cultural Appropriation? Wird dadurch nicht die Kultur total eingeengt, wenn jeder nur noch über und für seine eigene Bubble schreibt? Gibt es dann am Ende nicht nur noch Einzelkämpfer:innen und keine Möglichkeit mehr sich gemeinschaftlich gegen die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus zu wehren? Das beobachte ich vor allem in den USA.
Die Forderung danach, dass nur homosexuelle Schauspieler, homosexuelle Charaktere spielen sollen, kommt meiner Meinung daher, dass der weiße heterosexuelle Schauspieler, alles spielen kann. Vom ägyptischen Prinzen, über einen asiaten Herrscher bis zum kubanischen Drogenboss. Und dazu noch alle Rollen, die nicht genauer spezifiziert sind. Also der Großteil der Mainstream-Filme. Für den Rest bleibt dann oft noch der "Quoten-Schwarze" oder klischehafte Schwule.
Klar das ist bei unterschiedlichen Ethnien ein größeres Problem als bei Homosexuellen, weil mans denen ja nicht ansieht. Ich denke nur, dass es von da kommt.
Das heißt nicht, dass ich der Meinung bin, dass homosexuelle Rollen nur noch von Homosexuellen gespielt werden sollen, aber evtl. sollte man bei homosexuellen Rollen verstärkt nach homosexuellen Schauspielern suchen.
Voigt
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Voigt »

Oder aber bei allen Rollen weniger auf sexuelle Identifikation schaun, Homosexuelle können ja auch Heterosexuelle Rolle spielen.
Tal Rusha
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Tal Rusha »

ZiggyStardust hat geschrieben: 21. Mär 2021, 00:06 Schade, dass selbst der Öffentlich Rechtliche Rundfunk bei sowas mitmacht.

https://www.br.de/radio/bayern2/sendung ... n-100.html
Es ist also laut Artikel "problematisch" (was auch immer das implizieren mag), wenn die Figuren in einer von der nordischen Mythologie inspirierten Fantasygeschichte weiß sind? Und wer zur Hölle interpretiert krummbucklige, ungewaschene Orks mit fettigen Haaren und wahlweise grüner, roter, blauer, brauner, schwarzer und weißer Hautfarbe als Schwarze? Spoiler: der Autor. Ich würde an der Stelle entweder mehr oder weniger Vorstellungskraft empfehlen.
Mit welchem primitiven Verständnis von Symbolik versteht man bitte Licht und Schatten als menschliche Hautfarben? Nach dieser Auffassung sind Horrorspiele rassistisch, weil sie das Schwarze, das Dunkel als das Bedrohliche darstellen.


Außerdem ein Zitat aus dem Artikel:
"Und wer darüber hinaus Diversität und Pluralismus innerhalb der jeweilgen Rassen finden möchte, sucht vergeblich. Klar sind da hin und wieder Typen wie Denethor oder Grima Schlangenzunge – aber genau wie die Frauen, braucht der Film die gar nicht für seine Handlung."

Mir würden da noch andere weiße Charaktere mit zwiespältigen Eigenschaften einfallen: Boromir, Smeagol, Bilbo, Isildur, Saruman der Weiße (!)... aber wenn man die mit aufzählt, funktioniert das Argument mit der Handlungsrelevanz leider nicht mehr.


"Grundsätzlich sind die guten Rassen die Guten und die bösen Rassen die Bösen. Es fehlt der eine gutmütige Ork, der keinen Bock auf Menschenfleisch hat und lieber mit den Elben am Fluss chillen will. "

Nein, der fehlt nicht. Es ist Unterhaltung, da darf es Figuren und Gruppen geben, die einfach nur böse sind, weil sie böse sind. Menschen mit einem IQ über T_Zimmer können zwischen Unterhaltung und Realität trennen und übertragen eindeutige Feindbilder aus einem Film/Buch/Spiel nicht auf das reale Leben. Wie im Podcast ja schon oft erwähnt wurde, beschwert sich auch niemand, wenn wir Zombies, Nazis und Storm Trooper über den Haufen schießen, ohne jeden Einzelnen vorher über seine Motivation und Lebensumstände zu fragen.


Artikel wie diese sind es, die die Fronten nur noch weiter verhärten. Nicht falsch verstehen: ich bin immer offen für abwegige Ideen, Gedankenspiele und dem Hinterfragen von Bestehendem. Aber wenn man mit der Rassismuskeule schwingt, sollte man auch darauf achten, ob man den Richtigen trifft.

...uuund außerdem wurde hier meinem geliebten HdR ans Bein gepisst, also entschuldigt den teilweisen Offtopic-Beitrag, das musste raus :D
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Terranigma
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Re: Cultural Appropriation - Wirklich ein Problem?

Beitrag von Terranigma »

Fairerweise ist aber anzumerken, dass der Autor selbst sagt, man kann den Herrn der Ringe rassistisch lesen. Und ja, das kann man. Man kann ihn ebenso feministisch, freudianisch, marxistisch, o.Ä. lesen und wird da zu entsprechenden Einsichten kommen, wenn man entsprechende Brillen aufsetzt. Ob das jetzt aber sonderlich geistreiche Einsichten sind, ... ufz. Das ist die Art von substanzlosen Feuilleton, auf den ich gut verzichten kann.

Aber dann wiederum: es ist halt nur eine Meinung. Tut nicht weh, kann man haben, kann man aber auch ebenso doof finden.
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grows by itself.
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