Andre Peschke hat geschrieben: ↑22. Sep 2021, 10:41
Okay, ich bin wohl wieder der Banause, aber: Dune gesehen. Er war "meh".
Visuell ist der Film fast alles, was ich mir gewünscht habe. Absolut fantastisches Kostümdesign, an dem man sich gar nicht sattsehen mochte. Allein die Begleiter von diesem Herold des Königs, die von einem Perry-Rhodan-Cover stammen könnten mit ihren riesigen, verspiegelten Helmen... superb. Die Szene, wie aus einem Bullethell-Shooter, wenn beim Bombardement der Harkonnen sich eine Spirale aus Raketen gen Boden schraubt: Super. Aber auch in den feinen Momenten, wie bei der Ankunft auf Arrakis: Wenn sich da die Tür öffnet hat man das Gefühl, man spürt den Sand über die eigenen Füße streichen. GROSSARTIG! Noch dazu war ich zum ersten Mal seit ca 18 Monaten im Kino - wunderbar. Ein paar visuelle Sachen haben mich zwar auch gestört (dazu unten mehr), aber insgesamt wurde hier abgeliefert.
Aber inhaltlich... meh. Ab hier mal sicherheitshalber Spoilertags. Ich hab IMO nix wirklich hartes gespoilert, aber ich will auch niemandem den Kaffee ausspucken lassen.
Ich habe das erste Buch vor ca. 20 Jahren mal gelesen und erinnerte mich an nix. Entsprechend ist die Erfahrung vermutlich eine andere, wenn man viele Hintergründe mitdenken kann. Für mich war's jedenfalls so, dass nach einer interessanten Einführung in diese Welt eigentlich nix mehr passiert ist. Ich kriege am Anfang direkt gesagt: "Yo, die Versetzung von Pauls Vater nach Arrakis klingt erstmal super, ist aber ein Game-of-Thrones-Dick-Move". Und so kommt es dann auch. Paul ist der Auserwählte und muss die Fremen treffen. Und dann trifft er die. The End.
Vom irren Cast kann man die Hälfte eigentlich gleich abziehen: Jason Momoa ist charismatisch, aber kaum da. Josh Brolin: Ich weiß nichtmal, ob der jetzt gestorben ist? In jedem Fall ist sein Charakter ein Abziehbild. Da war Arias Schwertkampf-Lehrmeister aus GoT ja prägnanter. Dave Bautista hat seine Screentime in der Kaffepause erledigt. Selbst Baron Harkonnen bekommt nicht irre viel zu tun und ist ziemlich flach. Gegen flache Bösewichte hab ich bekanntlich gar nix (siehe unseren "Beste Bösewichte"-Podcast), aber ich finde, die Harkonnen-Crew bekommt hier nicht genug Raum, um ihre Bösewichtigkeit (TM) richtig zu etablieren. Außerdem finde ich Stellan Skarsgard mit Blubber-Maske da eher solalalalaaaaa.
Dem Film schadet hier (auch) IMO seine PG-13-Gewaltlosigkeit. Die Geschichte mit den Herzsteckern wirkt heute vielleicht albern - ich habe Lynchs Dune seit ca. ebenfalls 20 Jahren nicht gesehen. Aber ich habe das als recht widerlich in Erinnerung und als viel effektiver als Charakterisierung des Bösewichts. Zumal in meiner Erinnerung die Harkonnen als degeneriert-dekadente Bösewichte in dem Film generell besser funktioniert haben, als hier wo sie so ne Mischung aus böse Industrielle und dem Imperium rüberkommen. Man kann auch ohne Blutfontänen einen tollen Bösewicht inszenieren (siehe Dark Knight), aber hier schien es zum Szenario nicht zu passen. In einer Vision sieht Paul niedergestreckte Soldaten in einem Raum voller Blut. Als sich diese Vision bewahrheitet, ist dort kein Blutstropfen zu sehen. Irritierend. Es gibt diese kurze Szene wo der Personal-Assistant von Baron Harkonnen (de Vries hießt der Charakter, glaube ich?) die kaiserlichen Soldaten anheuert. Da scheinen irgendwelche Menschenopfer abzulaufen. Warum? Keine Ahnung. Wird als Kulisse benutzt... lieber nicht zu nah ran. Nix erklären. Fein. Aber dann bleibt es bei "Polkadotman geht Söldner anheuern". Hier kommen wir auch zu einem der visuellen Effekte, den ich furchtbar fand: Die Schilde. Da muss ich einen an sich ätzenden Begriff bemühen: Das hatte für mich eine Videospielästhetik. Das sagen Filmkritiker ja gerne und meinen damit "künstlich und scheiße", was dem Medium gegenüber recht herablassend ist. Was ich meine ist: Diese Trefferanzeige mit blau/rot finde ich einen Effekt, den ich total mit einer spielmechanichen Visualisierung verbinde. Sowas würden wir auch in "unserem" Medium als Immersionsbruch innerhalb der Narration beschreiben. Und ich hatte den Eindruck, das Villeneuve hier ähnlich gedacht hat: Auch in hektischen Szenen ist sofort visuell klar, wer gerade stirbt und wer "geblockt" hat. Genau das, was normalerweise Trefferreaktionen und Blut erledigen (Trefferfeedback in Games). Auch in Spielen benutzt man diese Effekte u.a. dort, wo man die Altersfreigabe nicht riskieren will. Die ohnehin anämischen Kämpfe wurden dadurch für mich aber noch künstlicher und entpersonalisierter. Wenn Paul am Ende ohne Schild kämpfen muss, sieht man IMO auch direkt den Unterschied. Das wirkt IMO direkt intensiver.
Der zweite visuelle Effekt, der mich enttäuscht hat, waren die Sandwürmer, aber das wusste ich vorher. "Große CGI-Kreatur #22". Schnarch. Solange sie im Sand rumflitzen ist alles gut. Aber das Klimax, wenn sich der Wurm auftürmt, hat zwar wieder ein gutes Gefühl dafür, die Skala einzufangen, aber der Wurm sieht halt aus wie ein großer Rendertier. Die kurze Szene mit dem Wurmreiten ging Richtung albern.
Das ist aber, wie geschrieben, zu verschmerzen in einem visuell sonst so wunderbaren Film. Was mich zum "meh" geführt hat, war schlicht die Erzählung an sich.
Zwischenfrage: Ich habe nur einen frühen Trailer gesehen und ansonsten versucht, mich von Spoilern fern zu halten, weil ich da schon so begeistert war. Wurde vorher eigentlich klar gesagt, dass das ein Zweiteiler wird? Weil: Auf meinem Kinoplakat stand nur "Dune". Im Vorspann dann: "Dune - Teil 1" (sinngemäß). Und ich so: WTF? Ich wusste nicht, dass wir das "Kill Bill" / "Avengers Infinity War"-Spiel spielen! Und dann lese ich im Nachgang, der zweite Teil ist nichtmal garantiert? Ich fühlte mich leicht verarscht. Kann man sagen: "Selber schuld, informier dich mehr", aber ist das wirklich eine Holschuld von mir als Zuschauer? Sollte das nicht auf dem Kinoplakat stehen? Hmpf.
Ich wäre vermutlich darüber weniger verschnupft, würde der Film nicht wirklich mittendrin einfach aufhören. Paul Atreides trifft die Fremen, von denen er immer herumvisioniert hat! Nun kann er seine Bestimm...[Ende Teil 1]. Bah. Das war sehr unbefriedigend.
Andererseits endete der Film in einem Moment, in dem ich auch schon dachte: "Mir reicht es erstmal". Was daran lag, dass der Film IMO ein Problem mit seinen Payoffs hat. In der ersten Stunde war ich von der Optik weggeblasen und habe interessiert die Einführung in diese Welt verfolgt. Obwohl da mega viel Exposition abgeliefert wird, war extrem fluffig. Erstens, weil eine visuelle Idee die nächste jagd, aber auch, weil halt viel interessantes erzählt wird und das auch recht gut gemacht (einzig der Fremen-Audioguide den Paul anhört während er im Buch blättert, war etwas unbeholfen). Aber nach vielen guten Setups, sind viele Payoffs dann Blindgänger. Am besten ausgeführt ist die Geschichte mit der Voice. Konzept eingeführt und später gut eingesetzt. Aber sei es Momoas großer Fight, der Sandwurm, die Figur des Kaiers, der Geheimbund der Mutter, die angeblich so krassen kaiserlichen Truppen, die Begegnung mit den Fremen oder auch der Angriff der Harkonnen: Da wurden bei mir ständig Erwartungen aufgebaut, die dann erzählerisch nicht eingelöst wurden. Wenn man mir berichtet, wie krass diese *google* Sardaukar sind, dann sollten die im Kampf auch echt wie zähe Biester wirken. Aber: nope. Wenn man 2 Stunden auf den Sandwurm-Encounter hinarbeitet, dann sollte da mehr passieren, als der Money-Shot für den Trailer und Abgang nach links. Aber: nope. Wenn der Film mit dem Treffen der Fremen endet, sollte da so viel passieren, dass man nicht noch gefühlt einen unnötigen Fight reinschreiben muss, damit der Film nicht völlig mit abgewürgtem Motor ausrollt (ernsthaft: ist der im Buch? Erschien so sinnlos wie das Kampfritual mit dem Wakanda seine Monarchie regelt).
Und insgesamt hatte Dune zwar dieses wunderbar epische visuelle Pacing mit den verharrenden, grandiosen Einstellungen (toll!). Aber es wirkt, als hätte man zu viel reingestopft, so dass die Elemente oft nicht richtig atmen konnten. Allein das Konzept der Voice ist prinzipiell so spannend und auch so grausam (eine der wenigen Szenen im Film, wo es dann auch mal unangenehm wurde). Aber das ist, gerade im Angesicht des majestätisch voranschreitenden Plots, eher so reingehuscht. Jessica Jones hat aus der Transgressivität der Gedankenkontrolle eine ganze gute erste Staffel gemacht, bevor die Serie dann furchbar scheiße wurde. Da hätte man hier noch gerne ein wenig mehr rausholen dürfen. Aber dafür hat man keine Zeit, wenn Paul + Mutter auch noch beim Camping gezeigt werden müssen. Das wirkte nach zu viel Werktreue und mangelnder Bereitschaft Dinge aus dem Buch raus- und umzuschreiben. Lieber noch diese Szene reingestopft, noch diese Figur untergebracht. Wozu brauchte es Josh Brolin UND Jason Momoa? Hätte man easy in eine Figur runterkondensieren können und hätte mehr Screentime für andere Dinge gehabt. Was ist eigentlich mit dem Konzept der irren Hitze auf Arrakis geworden? Ein Charakter sagte IIRC, dass man da bei Tag keine 2 Stunden ohne Fremenanzug überlebt. Das war ne harte Ansage. Aber dann? Das wirkte sehr inkonsistent. Wenn sich da bei Ankunft die Tür öffnet, hätten da nicht alle erstmal "Oooh, shit! Wir brauchen eine größere Klimaanlage!"-Gesichter machen müssen, wie Andre bei Ankunft auf den Malediven? Wieso durfte so oft das Gesicht frei bleiben? Auch hier wieder: Gutes Setup, kein Payoff.
Score: War schon gut, aber so langsam denke ich bei Hans Zimmer regelmäßig: "Ah, diesmal nimmt er das Gladiator-Template!".
Gesehen in OV und 2D, wie Gott es gewollt hat.
Fazit: Transformers für Intellektuelle - Wunderschön, aber inhaltlich - insbesondere emotional/dramatisch recht leer. Und wenn der 2. Teil nie kommen sollte, wäre es eine gigantische Frechheit. Bring back the Jodorovsky-Cut!
Andre
PS: Ja, das war Provokation. Es ist nicht so dumm wie Transformers.