Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

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Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Jacob's Ladder
1990; Regisseur: Adrian Lyne; Darsteller_Innen: Tim Robbins, Elizabeth Peña, Danny Aiello; Genre: Mysterythriller

Jacob ist Vietnam-Veteran und wurde bei seinem Einsatz schwer verwundet. Heute arbeitet er bei der Post und liefert mit einem Kleintransporter Briefe und Pakete aus. Von seiner Frau Sarah hat er sich getrennt und diese zieht die beiden gemeinsamen Kinder bei sich auf. Seinen Sohn Gabe hat er durch einen Unfall verloren. Jetzt lebt er mit seiner schönen Freundin Jezebel zusammen und führt ein eigentlich unaufgeregtes Leben. Wären da nicht die immer wiederkehrenden Albträume und Flashbacks, die ihn an seinen Kriegseinsatz zurückerinnern. Als er dann anfängt eigenartige Gestalten und seinen eigentlich toten Sohn zu sehen und es zu immer entrückteren Situation kommt, hinterfragt er seine Existenz und was eigentlich noch real ist.

"Jacob's Ladder" gilt so ein bisschen als Geheimtipp unter den anspruchsvollen und eher gediegenen Horrorfilmen. Und da fängt es eigentlich schon an, denn das Genre trifft für mich nicht ganz zu. Die sparsam eingesetzten Schock- und Gruselszenen sind zwar effektiv und funktionieren, aber sie sind eher nur untergeordnetes Beiwerk eines Psycho- bzw. Mysterythrillers. Das muss nichts schlechtes sein, nur bin ich mit der Erwartungshaltung eines waschechten Horrorfilms hier herangegangen. Die Erwartungshaltung war sowie ziemlich hoch, denn wie bereits angedeutet, genießt der Streifen in Kennerkreisen ein hohes Ansehen.
Fangen wir trotzdem mit dem übernatürlichen Teil an, denn der ist wirklich lobenswert. Es wird ganz klar auf Atmosphäre gesetzt und nicht auf Splatter oder billige Jumpscares. Für besonders unangenehme Momente sorgen die in der Storyzusammenfassung bereits erwähnten "Gestalten"; denn das sind keine abgefahrenen Monster mit irgendwelchen aufwendigen Designs, sondern lediglich Menschen mit verwaschenen und verformten Gesichtern, die sich unnatürlich ruckartig bewegen. Die sitzen dann mal in einem Auto, einer U-Bahn oder stehen einfach plötzlich irgendwo und schauen Jacob einfach nur an. Das ist wirklich verdammt creepy, obwohl hier nur ganz wenig Mittel eingesetzt werden.
Und natürlich ist das alles auch wirksam, weil im Verlauf der Story alles immer surrealer (Tentakelspaß auf der Tanzfläche - super Szene!) wird und man sich mit dem Hauptprotagonisten fragt, was denn jetzt real ist und was nicht und vor allem, was denn hinter alledem steckt.
Das Thema des Streifens ist eigentlich sofort klar: Es geht um die "Post Traumatic Stress Disorder", also PTSD. Das wird schon bei den Albträumen und Flashbacks klar. 1990 war es noch ziemlich frisch reale psychische Traumata in einem übernatürlichem Setting zu verarbeiten, in dem man die geschädigte Psyche und was sie eigentlich im Kopf an Gedanken hervorbringt, in der Realität des Films manifestiert. Oder zumindest dort wo die handelnde Person glaubt, die Realität zu erkennen. Und da ist wieder das Problem der späten Geburt, das einen Innovation nicht mehr so richtig wertschätzen lässt: Heute funktionieren die allermeisten Horrorfilme, die etwas auf sich halten, genau nach diesem Prinzip der Psychologisierung. Hier seien nur einmal als Beispiel die Werke "Hereditary" und "Midsommar" von Ari Aster genannt, in denen es um Trauer und Verlust geht und der Horror eigentlich nur eine Manifestation dieser Gefühle ist. "Jacob's Ladder" mag seiner Zeit voraus gewesen sein und nicht zuletzt deswegen auch das Publikum begeistert haben - ich für meinen Teil konnte das nicht mehr ganz nachvollziehen. Das ist natürlich unfair, weil das Werk ja nichts dafür kann, das ich es erst jetzt zu Gesicht bekomme. Aber ich kann ja nicht die gesamte Entwicklung des Genres einfach ausblenden. Selbst wenn ich es versuchen würde, wäre es ganz einfach unterbewusst nicht möglich. Kurz gesagt: Der Film sticht heute einfach nicht mehr so heraus, wie er es damals tat.
Uneingeschränkt positiv möchte ich die Leistung der Schauspieler und allen voran Tim Robbins bewerten, der seine Verwirrtheit sowie den geistigen und körperlichen Zerfall im Verlauf super mimt. Er wirkt immer kaputter und kaputter. Aber auch die Nebendarsteller, seien es noch so kleine Rollen und Auftritte, bringen dieses Mysteryelement wunderbar subtil rüber. Es wirkt immer so als wüssten sie stets ein kleines bisschen mehr als Jacob, wollen oder können es aber nicht sagen. Da wird schon ganz gut auf der Klaviatur des Genres gespielt.
Die Auflösung, was denn nun dahinter steckt, fand ich letztlich enttäuschend. Enttäuschend, weil ich sie erstens vorhergesehen habe und zweitens, weil das auch damals schon kein besonders neues Thema war. Das werde ich natürlich nicht verraten, aber der Auslöser hinter alledem ist ziemlich banal und antiklimaktisch. Die unbestreitbare Kompetenz ein Mysterium aufzubauen fällt "Jacob's Ladder" hier unglücklich vor die Füße, denn das kann nicht eingelöst werden.
Auch das Pacing fand ich nicht durchweg gut. Es fängt mit einem Knalleffekt und für mich der besten Szene (U-Bahnstation) an. Der Aufbau danach, wie Jacob immer weiter in den Kaninchenbau klettert, ist auch durchweg spannend. Wenn es dann im letzten Viertel an das Lüften des Geheimnisses geht, wird es aus den genannten Gründen deutlich schwächer. Besonders die Art, wie man es erfährt, finde ich regelrecht schlecht. Denn dann taucht einfach irgendjemand auf, der wenig Grund hatte sich so lange zurückzuhalten und erzählt uns und Jacob einfach in einem langen Monolog, was Sache ist. Die allerletzte Szene holt dann da noch einmal viel raus, weil sie aufgrund philosophischer Implikationen das Gehirn nochmal ordentlich anwirft. Denn dann steht auch zur Frage, ob eigentlich gar nichts real war oder es sogar eine Parallelwelt gibt – aber auch hier keine Spoiler. Es entstehen auf jeden Fall einige interessante Fragezeichen über die man selbst wiederum lange Aufsätze schreiben könnte.
"Jacob's Ladder" ist weit weg davon ein schlechter Film zu sein, kann aber heutzutage nicht mehr so herausstechen. Aufgrund seiner Horrorelemente, sehr guter Schauspielerei und einem vielfach interpretierbaren Ende ist er aber trotzdem immer noch sehenswert.

3,5 von 5 Steren
https://letterboxd.com/film/jacobs-ladder/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=rJztRnDxdM8
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Haferbrei
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Registriert: 19. Mär 2017, 07:06

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Haferbrei »

Black Widow
Dieser Film lässt sich sehr schön mit einem Wort beschreiben: warum?
Warum habe ich ihn angeguckt? - Die Abendvorstellung von Godzilla vs Kong war ausgebucht.
Warum habe ich die Vorstellung nicht früher verlassen? - Gute Frage.
Warum existiert dieser Film überhaupt (außer, um Geld zu machen)? - Keine Ahnung.

Tja, das war leider gar nichts. Ich konnte mich ja bisher noch mit jedem MCU-Film anfreunden, selbst die schlechteren haben mich noch milde unterhalten im Kino. Aber das hier ist ein Totalausfall. Die Geschichte versucht sich in den Hauptplot der Reihe einzufügen, scheitert dabei meiner Meinung nach aber. Es darf um nichts gehen, da es an der Kontinuität rütteln würde, geht am Ende aber wieder um alles. Da schießt der Film sich das erste Mal ins Knie, ein Setting vor den Ereignissen der Infinity Saga wäre da vielleicht die bessere Wahl gewesen.
Dann beantwortet der Film Fragen, die ich(!) mir nie gestellt habe. Black Widow zählte für mich immer zu den uninteressantesten Charakteren. BLabla, schwere Kindheit, blub blub, osteuropäische Geheimagentin. Reicht dann auch. Mag in den Comics alles anders sein, die habe ich aber nie gelesen. Leider gesellen sich zur Geschichte dann auch noch die schlimmsten Dialoge, die ich seit langem in einem Film zu hören bekam. Hab ihn auf deutsch gesehen, möglicherweise ist im O-Ton einiges besser. Der Wortwitz, die Oneliner und die Komik, die die letzten MCU-Filme zum Teil wirklich gut abgeliefert haben, saufen hier schon lange vor der Pointe ab, da man schon von weitem sieht, was kommt. Und dann bis dahin in Fremdscham versinkt, weil es so furchtbar ist...

:?
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Haferbrei hat geschrieben: 10. Jul 2021, 13:55 Es darf um nichts gehen, da es an der Kontinuität rütteln würde, geht am Ende aber wieder um alles. Da schießt der Film sich das erste Mal ins Knie, ein Setting vor den Ereignissen der Infinity Saga wäre da vielleicht die bessere Wahl gewesen. #
Der Witz ist ja, dass sich diese Frage auch beim nächsten Hauptfilm des MCUs ganz gewaltig stellt.

Ich bin mal gespannt, welche Begründung es dafür geben wird, dass die allmächtigen Wächter des Universums "The Eternals" nicht eingegriffen haben, als Thanos ebenjenes um die Hälfte dezimiert hat.

Das Filmuniversum passt sich also langsam dem Comicuniversum in dem Sinne an, dass das alles ein großer Continuity-Clusterfuck ist. Ein Grund übrigens, warum ich niemals bei großen Comicreihen einsteigen werde.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

The Empty Man
2020; Regisseur: David Prior; Schauspieler_Innen: James Badge Dale, Marin Ireland, Sasha Frolova; Genre: Horror

Wenn man auf einer Brücke steht und in eine leere Flasche bläst, kommt der "Empty Man". So sagt es eine urbane Legende. Als die Tochter seiner Nachbarin verschwindet macht sich der Ex-Cop James auf die Suche. Schulkameraden von ihr werden tot aufgefunden und er muss feststellen, dass an dem zunächst albern anmutenden Mythos mehr dran ist als gedacht.

"The Empty Man" wurde vom Studio fallen gelassen und kaum beworben. Dem Regisseur hat man sogar verwehrt noch Schnitte vorzunehmen und den Film gegen seinen Willen veröffentlicht. Und diese Schnitte hätten auf jeden Fall noch gut getan, denn die für einen Horrorstreifen epischen 137 Minuten können nicht komplett zwingend und spannend gefüllt werden. Ansonsten ist man aber überrascht, dass das alles ziemlich frisch und effektiv ist: Keine billigen Jumpscares, keine albernen und deplatzierten Comedy-Elemente und keine Effektüberladenheit... womit wir wahrscheinlich auch beim Grund sind, warum das Studio kein Vertrauen hatte. Man entzieht sich also den modernen Horrorkonventionen und erzählt eine spannende, gruselige und sehr atmosphärische Geschichte. Und dass gerade die Story bei dieser hanebüchenen Prämisse dieser albernen Urban Legend funktioniert und ganz und gar nicht dumm wirkt, ist die nächste positive Überraschung. Nach und nach sehen wir James in den Wahnsinn absteigen. Das letzte Viertel hat mich sehr an "Jacob's Ladder" erinnert und hat das Zeug einen ordentlich zu verwirren. Damit, dass es am Ende so abgefahren wird, rechnet man auch zu keinem Zeitpunkt.
Neben den Längen, die hier und da auftauchen, war für mich auch der Hauptcharakter ein Problem. Mit dem konnte ich nämlich relativ wenig anfangen, weil er generisch wirkt. Auch seine Backstory Wound ist bekannt und ausgelutscht.
"The Empty Man" ist trotz der validen Kritikpunkte zu Unrecht untergegangen, ist er doch einer der interessanteren Horrorfilme der letzten Jahre.

4 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/the-empty-man/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=tk6u9X1bW30 (der Trailer bestätigt übrigens auch, dass man kein Vertrauen in den Film hatte, denn er ist wesentlich mehr auf Krawall gebürstet als es dann letztlich der Fall ist; nicht täuschen lassen!)
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Incendies
2010; Regisseur: Denis Villeneuve; Schauspieler_Innen: Lubna Azabal, Mélissa Désormeaux-Poulin, Maxim Gaudette; Genre: Drama

Jeanne und ihr Bruder Simon werden nach dem Tod ihrer Mutter zu einem befreundeten Notar bestellt, um der Verlesung des Testaments beizuwohnen. Zu ihrer großen Überraschung bekommen sie zwei Briefe übergeben. Einer ist für ihren Vater, der andere für den Bruder bestimmt. Das Problem: Sie kennen ihren Vater nicht, denn der ist schon vor langer Zeit in seinem Herkunftsland im Nahen Osten umgekommen. Von einem Bruder haben sie nie etwas gehört. Der letzte Wunsch ihrer Mutter ist es, dass die Geschwister nach den beiden zu suchen – sie nach dem Vater, er nach dem Sohn. Simon will nicht noch weiter wühlen und lehnt ab, aber Jeanne macht sich auf den Weg. Angekommen sucht sie in dem ehemaligen Kriegsgebiet nach ihrem Erzeuger und findet dabei heraus, dass ihre Mutter früher eine Rolle im Bürgerkrieg gespielt hat und sehr berüchtigt ist.

Denis Villeneuve konnte mit diesem Werk seinen internationalen Durchbruch feiern und schickt sich seitdem an einer der größten Regisseure aller Zeiten zu werden. Mit "Prisoners" gelang ihm danach ein berührendes und hartes Rachedrama, mit dem brachial inszenierten Kartell-Thriller "Sicario" brachte er den Puls der Zuschauer auf neue Höhen, in "Arrival" erschuf er einen vollkommen frischen Ansatz für so etwas ausgelutschtes wie einen Alien-Invansions-Film und schuf mit dem bombastischen "Blade Runner 2049" eine mehr als würdige und ebenso faszinierende Fortsetzung eines Sci-Fi-Klassikers. Heiß wird seine Interpretation von "Dune" erwartet, die in dem bisher veröffentlichten Material viel verspricht.
"Incendies" steht seinem englischsprachigen Werken in absolut nichts nach und wurde 2011 für den Auslandsoscar nominiert, konnte diesen jedoch vollkommen unverständlich nicht gewinnen.
Auch wenn hier noch nicht Roger Deakins an der Kamera war, der später für "Blade Runner 2049" den Oscar für sein Handwerk bekam, merkt man hier bereits den visuellen Stil von Villeneuve, der es stets versteht in seinen Bildern eine Weite zu erzeugen. Durch sie wird einem klar, dass die Geschichte nicht nur die der Charaktere ist, sondern auch die der Welt und die Verknüpfung zwischen beiden. Wenn es intim wird, spielt er mit Unschärfen über die uns wahlweise noch mehr Beklemmung durch Fokussierung der handelnden Person bzw. deren Entfremdung von der Umwelt gezeigt werden soll. Wie schon in den späteren Werken des Kanadiers versteht er es wie vielleicht kein anderer auch über die Kamera zu erzählen.
Wie der Plot konstruiert ist, ist ebenso meisterhaft. Auf zwei Ebenen wird uns präzise verzahnt gezeigt, wie es zu der Ausgangslage gekommen ist und vor allen Dingen warum. Einerseits wird die Suche der Tochter nach dem Vater gezeigt und wie sie sich trotz einiger Sprachprobleme durch dieses fremde Land kämpft. Dabei muss sie immer wieder erfahren, dass ihre Mutter ganz schön was auf dem Kerbholz hatte, weswegen auch Jeanne selbst auf Ablehnung stößt. Und dann wird uns eben dieser Weg der Mutter damals gezeigt und mit welchen Schicksalsschlägen sie im vom beginnenden Bürgerkrieg zwischen Christen und Muslimen konfrontiert wird, die sie zu dem machten, was sie zuletzt war. Dabei schafft man es immer wieder Haken zu schlagen und Dinge in der Vergangenheit, deren Anschlusspunkt man in der Gegenwart schon verortet zu haben scheint, sich als falsche Fährte heraus stellen. Das wird an einer Stelle auf besonders schonungslose und brutale Weise gezeigt – ich schreibe hier für die Kenner nur mal, dass es um eine Szene mit einem Bus geht. Sowieso fragt man sich am Ende nicht nur, wie man jetzt bei der Ausgangslage zu diesem Finale kommen konnte und das trotzdem alles so schlüssig ineinander greift, sondern auch wie tief man hier in den Abgrund menschlichen Daseins geschaut hat. Der Film hält nämlich wirklich ein paar richtig harte Tritte in die Magengrube bereit und bietet einen der krassesten Twists, die ich bisher so gesehen habe. Nicht so sehr wegen der Herleitung oder der Überraschung, sondern einfach aus thematischer Sicht, denn hier werden wirklich ganz heiße Eisen angepackt, die ich schlicht nicht erwartet habe. Und vor allem die Steigerung dieser Themen: Du meinst irgendwann in der Mitte, dass es nicht krasser werden kann und dann geht das immer so weiter bis zum Schluss.
Die Gewalt wird dabei nie selbstzweckhaft oder ausschlachtend benutzt, sondern eher nüchtern dargestellt oder angedeutet. Gerade deswegen wirkt sie, weil es authentisch ist und man sich an einigen Stellen die furchtbarsten Dinge selber ausmalt.
Es geht hier um Schuld, Hass, Vergebung und vor allen Dingen darum, was ideologische und mit Waffengewalt ausgetragene Konflikte nicht nur mit einem direkt betroffenen Menschen machen können, sondern wie das noch lange Einfluss auf das Schicksal der Nachkommen dieses Menschen haben kann, auch wenn sie selbst bereits nicht mehr leben. Etwas bleibt, wirkt nach.
Grandios gespielt wird das vor allem von den beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen Lubna Azaba als Mutter und Mélissa Désormeaux-Poulin als Jeanne. Erstere ist eine unglaublich starke Frauenfigur, die trotz der harten Proben immer den Kopf oben und ihre Würde behält. Letztere spielt eine sehr engagierte und einfühlsame Tochter, die dieses Rätsel um ihre Familie unbedingt lösen will. Maxim Gaudette als Sohn kommt etwas kurz, was seine Rolle jedoch einfach verlangt. Aber auch er hat zweifelsohne ein paar starke Szenen. Einen besonderen Platz in meinem Herzen geht an den Notar, der von Rémy Girard gespielt wird. Ohne ein unpassender Comic Relief zu sein, schafft er es wenigstens in seiner Screentime durch den von ihm verkörperten Überernst seiner Tätigkeit ("Das ist heilig!") und seine loyale Freundschaft ein bisschen zu erheitern.
Ich finde einfach keine Fehler und es gibt nichts zu meckern. Jedes erzählerische Zahnrädchen greift ineinander, es ist fantastisch inszeniert und großartig gespielt. Ein Meisterwerk, das in der Vita von Villeneuve für mich hinter "Blade Runner 2049" den zweiten Platz einnimmt.
Wenn man "Incendies" gesehen hat, weiß man, warum das sein Durchbruch war und man ihm heute Projekte in Hollywood mit einem Budget von 100 Mio. Dollar+ anvertraut.

5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/incendies/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=0nycksytL1A
Zuletzt geändert von Andreas29 am 12. Jul 2021, 09:30, insgesamt 2-mal geändert.
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Feamorn
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Feamorn »

Hab deinen Text noch nicht gelesen (vermeide das bei Filmen, die ich eh schauen werde vorher eher ;) ).
Ist Incendies zur Zeit bei irgendeinem Streaming-Dienst? Oder wo hast Du das geschaut? Die BluRay ist leider schwer zu bekommen, und DVD würde ich gerne vermeiden...
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Heretic
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Heretic »

The Green Inferno

Eine Gruppe Umweltaktivisten, die meisten noch grün hinter den Ohren, werden nach einer missglückten Protestaktion im peruanischen Regenwald von einem Eingeborenenstamm zum Essen eingeladen. Als Hauptgericht. Das war's im Grunde auch schon.

Ich kann mit den meisten Filmen des Regisseurs Eli Roth wenig anfangen, und "The Green Inferno" bildet da keine Ausnahme. Seine Hommage an die berühmt-berüchtigten Kannibalenfilme der Siebziger und Achtziger unterscheidet sich eigentlich nur durch das Dschungel-Szenario von einem handelsüblichen Slasher. Die eindimensionalen Klischeecharaktere dienen nur einem Zweck, und man weiß bereits zu Beginn, wer den Räucherofen von innen sehen oder anderweitig ins Gras beißen wird. Das geschieht immerhin auf recht spektakuläre Weise, die Goreszenen sind ordentlich. Leider hinterlassen sie kaum Eindruck, da einem das Schicksal der Leute egal ist. Da eine Handlung nur rudimentär vorhanden ist, zieht sich die Chose zum Ende hin immer mehr, da helfen auch die selten dämlichen Comedy-Einlagen nichts. Im Gegenteil, sie schieben den Film nur noch stärker Richtung Belanglosigkeit. Das unspektakuläre und unbefriedigende Finale setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf.

Ich habe den Kannibalenfilm immer ignoriert, da in einigen Genre-"Klassikern" bekanntlich echte Tiere ihr Leben lassen mussten. Sowas geht gar nicht. Tiere für ein Unterhaltungsprodukt zu opfern ist abartig und unnötig. Andere Zeiten hin oder her. Eli Roth verzichtet zum Glück auf derlei Eskapaden und splattert stattdessen ausschließlich mit Latex und Kunstblut. Und das durchaus drastisch. Leider ist der Rest des Films trotz des halbwegs frischen "Aktivisten im Dschungel"-Szenarios derart belanglos und öde, dass ich das Ende regelrecht herbeigesehnt habe. Hat vielleicht seinen Grund, dass das Kannibalengedöns in den Achtzigern quasi ausgestorben ist...
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Dicker
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Dicker »

Peter hat geschrieben: 7. Jul 2021, 14:38
Andreas29 hat geschrieben: 7. Jul 2021, 14:27 Gefunden habe ich dieses schöne Diagramm, das ich mal verlinke: https://de.wikipedia.org/wiki/Primer_(F ... d-2.de.svg
Oder: http://unrealitymag.com/wp-content/uplo ... -chart.jpg
Ja, über den Film kann man sich ganz schön den Kopf zerbrechen ;)
Schöne Übersicht zu Primer. Ich habe den Film jetzt ein zweites mal gesehen und immer noch nicht alles verstanden. Erst nach deinem Diagramm ging es. Und dann habe ich noch auf Youtube eine 23min Zusammenfassung gesehen. Für einen Film, der nur 104 Minuten lang ist :ugly:
https://youtu.be/tUzy-xPf0MI
Aber die ist wirklich gut und zeigt, dass man den Film nicht einmal oder zweimal, sondern mindestens dreimal sehen muss, um sich alles grob zu erschließen. Der Autor sagt wohl selbst, dass er ihn absichtlich so kompliziert konstruiert hat, damit die Leute ihn mehrmals sehen (quasi die eigene Zeitschleife ^^). Ich halte von sowas wenig.
Hier wird ja ganz bewusst mit dem zurückhalten von Informationen gearbeitet, gewisse wesentliche Informationen bekommt man nur in zwei drei kurzen Sätzen, anderes wird nur angedeutet, wie die Rolle von Thomas Granger. Und ein wesentliches Element mit dem Failsafe habe ich auch nach der zweiten Sichutng nicht voll verstanden, da die Konsequenz im Film nur angedeutet aber nicht klar ausgesprochen wird. Ich finde das wie gesagt Schade, der Film hätte weniger kryptisch deutlich besser funktioniert und die tolle Zeitreisegeschichte einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.
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Peter
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Peter »

Die Frage ist halt, ob ein solch kleiner, billiger Film überhaupt dieses Publikum gefunden hätte, wenn er zugänglicher und einfacher nachvollziehbar gewesen wäre. Ich wage das zu bezweifeln, sondern glaube, dass wir alle den Film nur deswegen kennen, weil er so ist, wie er eben ist.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Feamorn hat geschrieben: 11. Jul 2021, 11:30 Hab deinen Text noch nicht gelesen (vermeide das bei Filmen, die ich eh schauen werde vorher eher ;) ).
Ist Incendies zur Zeit bei irgendeinem Streaming-Dienst? Oder wo hast Du das geschaut? Die BluRay ist leider schwer zu bekommen, und DVD würde ich gerne vermeiden...
Die Antwort ist da wie so oft: Mubi. https://mubi.com/de/films/incendies

Wenn Du noch nie einen Account hattest, kannst Du die Testphase nutzen und ein paar Filme für lau schauen. Wenn man gerne Arthaus oder Kunstfilme schaut, ist der Streamingdienst allerdings sehr empfehlenswert. Das ist meine Entdeckung des Jahres bisher. Hab da bestimmt schon um die 50 Filme geschaut seit Januar. ("Durst" von Park Chan-wook läuft in 3 Tagen aus... anschauen!)
Heretic hat geschrieben: 11. Jul 2021, 13:29 Ich habe den Kannibalenfilm immer ignoriert, da in einigen Genre-"Klassikern" bekanntlich echte Tiere ihr Leben lassen mussten.
Das ist ein Thema, das nicht nur Kannibalen-Klassiker tangiert - die übrigens durchgehend absoluter Müll sind -, sondern auch ziemlich viele Klassiker generell. Wenn man sich nur ansieht, was die früher mit Pferden angestellt haben in den großen Munumentalfilmen... 100 Pferde sollen beim Dreh von "Ben Hur" (1959) gestorben sein. Manches ist auch umstritten: Der Büffel, der am Ende von "Apocalypse Now" geköpft wird, ist echt. Allerdings hat hier die Frau von Coppola einfach die Kamera spontan auf ein Ritual der Natives gehalten, mit denen sie gedreht haben. "Animal Abuse" kommt auch heute noch vor. Bei "Der Hobbit" sind auch mehrere Schafe und Ziegen gestorben.

Zu Eli Roth: Einer der Kritiker, die ich verfolge, hat mal die ehrlich-empörte Frage gestellt: "Warum darf der eigentlich noch Filme machen?". Damit ist alles gesagt finde ich.
Dicker hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:07 Ich finde das wie gesagt Schade, der Film hätte weniger kryptisch deutlich besser funktioniert und die tolle Zeitreisegeschichte einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.
Ich bin da hin- und hergerissen. Ich mag es eigentlich, wenn man auf - flapsig gesagt - alles scheißt und sein Ding durchzieht. Gerade im von Fokusgruppen verseuchten Film tut das unendlich gut. Aber er hat es halt maßlos übertrieben und wie in meiner Kritik beschrieben mit keiner emotionalen Tiefe und Identifikationsfigur gemacht. Man kann sich einfach an gar nichts festhalten und hat nur Fragezeichen im Kopf.
Wenn man wenigstens etwas fühlen würde...
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Enemy
2013; Regisseur: Denis Villeneuve; Schauspieler_Innen: Jake Gyllenhaal, Mélanie Laurent, Sarah Gadon; Genre: Psychodrama

Adam Bell ist Geschichtsprofessor an einem College. Er ist ein eher zurückhaltender Typ und wirkt etwas durcheinander, hat aber mit seiner attraktiven Freundin regelmäßig Sex. Eines Tages leiht er sich einen Film aus der Videothek aus und entdeckt darin einen Charakter, der haargenau so aussieht, wie er. Er macht sich auf die Suche nach seinem Doppelgänger und trifft auf den Schauspieler Anthony Claire, der sehr extrovertiert und aufbrausend ist und mit seiner im sechsten Monat schwangeren Frau zusammenlebt. Sie vereinbaren ein Treffen.

Denis Villeneuves rein englischsprachiges Debüt ist ein Verwirrspiel frei nach David Lynch. Das ist einer dieser Filme, auf die man Lust haben muss, weil sie auf einer rein metaphorischen Ebene spielen und so gut wie keine Erklärung bieten. Die muss man sich selbst erarbeiten und mein Vergleich wäre neben Lynchs Werken ein Film wie etwa "mother!" von Darren Aronofsky. Aus verschiedenen Gründen finde ich den Beitrag von Villeneuve eher schwächer.
Eine Besprechung ist gar nicht mal so einfach, weil die Interpretationen und Themen die hier angesprochen werden der Film sind und hier auf der Oberfläche weniger eine stringente und ausgearbeitete Geschichte erzählt wird. Wer ganz unbefleckt daran gehen möchte, sollte jetzt aufhören zu lesen.
Ich habe zwar im Großen und Ganzen viele Motive, Symbole und Metaphern verstanden, aber ausgerechnet die vom Autor und Regisseur intendierte Ebene der Beziehung von Adam und Anthony zu ihren Partnerinnen und die sich daraus ergebenen Implikationen sind mir aber wohl entgangen, nachdem ich mir eine Analyse von Villeneuve selber angeschaut habe. Vielleicht weil ich Single bin, vielleicht weil es auch einfach nicht Klick gemacht hat. Für mich war das eher eine Geschichte um Identität. So habe ich das immer wiederkehrende Motiv der Spinne etwas anders aufgefasst. Was auch daran liegen mag, dass ich Spinnen mag und die für mich nicht als Angsterzeuger funktionieren. Dass Bell und Claire zwei Facetten derselben Person sind, es um Verführung, Angst und Kontrolle bzw. Kontrollverlust geht, habe ich aber begriffen und das schließt die Beziehungsebene ja auch mit ein. Gewisse metaphorische Spielereien habe ich wohl etwas zu wörtlich genommen und ich dachte es ginge mehr in die Richtung "Eyes Wide Shut" von Kubrick, aber so war das nicht. Da steckt laut einiger Analytiker auch viel Freud drin, aber mit dem kenne ich mich zu wenig aus, als dass ich da irgendein Urteil fällen könnte.
Zugute kommt mir allerdings, dass ich solche Streifen einfach mag und das möchte ich an einer Szene festmachen: Ganz unvermittelt und ohne erkennbare Zusammenhänge wird Adam in einem Aufzug von einem Mann angesprochen, der etwas von einem Schloss erzählt, das er angebracht hätte und ihm mitteilt er selbst wäre nicht auf einer gewissen "Liste". Das kommt so unvermittelt und surreal, dass es bei mir Gänsehaut verursacht – ganz egal, ob das jetzt irgendeinen Sinn ergibt. Im Zusammenhang mit Lynch ist mir mal folgendes (nicht mehr zuzuordnendes) Zitat untergekommen: "Manche Filme kann und soll man nicht verstehen, man muss sie fühlen". "Enemy" ist so ein Werk.
Jake Gyllenhaal ist hier also in einer Doppelrolle zu sehen. Zweifellos kein schlechter Mime, der aber leider hin und wieder etwas overacted. Das kann mal passen - wie etwa in "Nightcrawler" - aber besonders wenn er den sehr introvertierten Adam spielt, ist das etwas zu drüber. Bei dem aggressivem Anthony passt das dann wieder etwas besser. Die beiden Darstellerinnen, um die es nach Aussage von Villeneuve ja auch geht, werden leider neben der Präsenz des doppelten männlichen Darstellers zu reinem Beiwerk. Am ehesten noch darf die Schwangere etwas Profil gewinnen.
Auch finde ich, dass man in diesem mit 90 Minuten sowieso nicht langen Film trotzdem längen verspürt. Atmosphäre und Bilder kann der Regisseur – das wissen wir alle. Aber das reicht auch nicht um alle Leerstellen, Auslassungen und ereignisarmen Reflexionspassagen so zu gestalten, dass sie einen nicht langweilen. Auf Letterboxd habe ich gelesen, dass das besser in einem Kurzfilm hätte verpackt werden sollen und dem muss ich zustimmen.
Trotz der Schwächen übt "Enemy" einen gewissen Sog auf mich aus und ist für Menschen, die diese Art von Filmen mögen eine Empfehlung wert.

3,5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/enemy/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=FJuaAWrgoUY

Ghibli der Woche:

Erinnerungen an Marnie
2014; Regisseur: Hiromasa Yonebayashi; Sprecherinnen: Sara Takatsuki, Kasumi Arimura, Nanako Matsushima; Genre: Anime

Das Mädchen Anna wird von Asthma geplagt und zieht für eine Weile auf's Land. Sie kommt mit ihrer Umgebung dort nicht ganz zurecht und verbringt die meiste Zeit alleine und malt. Eines Tages trifft sie jedoch auf die geheimnisvolle Marnie, die in einem Anwesen auf einer Insel wohnt. Das scheint aber tagsüber vollkommen verlassen zu sein. Anna zweifelt daran, ob ihre neue Freundin wirklich existiert.

Der vorletzte Ghibli, den ich hier besprechen werde, ist einer der vielen, die das hohe Niveau halten, aber nicht besonders herausstechen können. Anne ist ein sehr sympathischer und vor allen Dingen interessanter Charakter. Sie hat nämlich ihre Fehler und benimmt sich ihrer Umgebung gegenüber nicht immer fair. Das ist aber nachvollziehbar und echt, denn sie ist durch ihre Krankheit gefrustet, weil sie nicht wie alle anderen Mädchen in ihrem Alter sein kann. Marnie dagegen ist aufgeschlossen und lebensfroh und der perfekte Gegenpart. Ähnlich wie bei dem von mir besprochenen "Der Mohnblumenberg" hat man hier in einer Phase des Films das Gefühl, dass es hier mal in eine ganz unvorhersehbare und mutige Richtung geht, was aber hier ebenso in sich zusammenfällt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das keine Absicht ist und da muss man kritisch hinterfragen, ob es OK ist, sowas als quasi "Red Herring" einzusetzen. Bei dem, was letztlich hinter dem Geheimnis steckt, wird einem sicherlich warm ums Herz, aber es ist auch etwas konventionell. Es geht um Familie und hier nochmal speziell darum, was Generationen verbindet. Eins der Grundthemen fast aller Ghiblis – Coming of Age – steht hier natürlich auch wieder zentral im Mittelpunkt.
Das obligatorische Lob für die technische und stilistische Umsetzung sei hier wie immer erwähnt. Hier sind die Zeichnungen sehr satt und klar.
Wer gerne Animes schaut, wird auch hier nichts falsch machen.

3,5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/when-marnie-was-there/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=jjmrxqcQdYg
Zuletzt geändert von Andreas29 am 12. Jul 2021, 17:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Edelknödel »

Ich habe mir vorgenommen endlich mal alle Filme die ich noch unangeschaut rumliegen habe einfach in alphabetischer Reihenfolge wegzuschauen.

Bisher geschaut:

10 things I hate about you
Kurzweilige Highschool Komödie, nichts besonderes aber tatsächlich ganz unterhaltsam: 3 von 4

20th Century Women
Wow was für ein toller Film. Lustig, Traurig, Rührend, Schön... 4 von 4

21 Jump Street
Joa ganz unterhaltsame Komödie: 3 von 4

(500) Days of Summer
Eigentlich so gar nicht mein Genre, hat mich dann aber doch sehr überrascht. Über die Höhen und Tiefen einer Beziehung. Toller Film: 4 von 4

2010: The year we make contact
Auch dieser Film hat mir erstaunlich gut gefallen. Ja 2001 ist sicherlich der bedeutendere Film, aber ehrlich gesagt war 2010 sehr viel 'leichter' anzuschauen und wenn man ihn nicht an 2001 misst, bleibt ein durchaus unterhaltsamer Science-Fiction Film: 3 von 4

A.I. Artificial Intelligence
Bisher der schwächste Film den ich gesehen habe. Hat meiner Meinung nach einfach zu wenig aus dem Thema rausgeholt. Eher langweilig: 2 von 4
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Kesselflicken
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Kesselflicken »

Eigentlich traue ich mich bei dem aktuellen Rezensions-Niveau in diesem Thread ja gar nicht mehr, meine unqualifizierten Eindrücke zu teilen. Aber meine gestrige Abendunterhaltung fand und finde ich so gut, dass ichs wieder mal versuchen möchte.

Palm Springs (2020)
Nyles wacht an einem 9. November in einem Hotel auf, weil er zu einer Hochzeit dort eingeladen ist. Es ist aber nicht der erste 9. November, an dem er in diesem Hotel erwacht. Wie er es ausdrückt: „Gestern, heute, morgen. Alles dasselbe." Nyles ist schon lange in einer Zeitschleife gefangen und erlebte diesen Tag bereits unzählige Male.

Nyles, gespielt von Andy Samberg (mir zuerst bekannt aus Brooklyn Nine-Nine), hat sich mit dieser Daseinsform mittlerweile abgefunden und lebt einfach nur noch in den Tag hinein. Dann zieht er jedoch versehentlich Sarah, die Schwester der Braut, mit in den Loop und es passieren Dinge...

Der Film hat einen wunderbar trockenen Humor, der aber meines Erachtens nie bösartig wird. Nyles und Sarah sind einfach zwei sehr lakonische Menschen, die in diesem Loop haufenweise Unsinn anstellen und die Hochzeit auf die verschiedensten Arten und Weisen crashen. Gleichzeitig wird es aber nie zum reinen Klamauk, denn beide verhalten sich so ehrlich und nachvollziehbar. Die seelischen Sinnkrisen, die so eine Existenz auslösen würde sind genauso überzeugend gespielt, wie die Scheiß-Egal-Attitüden der beiden. Ich bin mir deshalb gar nicht sicher, ob ich den Film eher als Komödie mit sehr dramatischen Zügen, oder doch als Drama mit SEHR witzigen Zügen bezeichnen würde. Absurde Komik und Tragik halten sich hier die Waage.

Wirklich jede Emotion hat mich hier voll abgeholt. Ich hab Tränen gelacht, bei der Verzweiflung teilweise schlucken müssen und auch die Romantik hat mich vollends begeistert. Gott finde ich diesen Film genial! :clap:

Imo eine volle Empfehlung für absolut jeden.
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bluttrinker13
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von bluttrinker13 »

Super, danke Kesselflicken, für die Erinnerung!

Wollten ihn damals auf dem Fantasy Filmfest schon gerne sehen, hat aber nicht geklappt. Muss den nun endlich mal nachholen. Läuft Palm Springs auf Amazon?

Edit: Ich gebe meiner lieben Nachrednerin darüber hinaus aus vollstem Herzen recht. Hier sind imo auch Zweizeiler Synopsen willkommen etc. :D
Zuletzt geändert von bluttrinker13 am 12. Jul 2021, 16:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Ironic Maiden
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Ironic Maiden »

Kesselflicken hat geschrieben: 12. Jul 2021, 15:45 Eigentlich traue ich mich bei dem aktuellen Rezensions-Niveau in diesem Thread ja gar nicht mehr, meine unqualifizierten Eindrücke zu teilen. Aber meine gestrige Abendunterhaltung fand und finde ich so gut, dass ichs wieder mal versuchen möchte.
Bitte nicht aufhören! So sehr ich die ausführlichen Rezensionen aufgrund der damit verbundenen Mühe und Sorgfalt auch bewundere - auch wenn ich sie nicht immer ganz lese :whistle: - so schön finde ich auch die kurzen, subjektiven Eindrücke zu Filmen, wie ich sie ja auch gelegentlich schreibe. Dieser Thread kann schließlich alles, von "EPD Film" über "TV Spielfilm" zu "ich erzähle meinen Kumpels empört, wie scheiße Film XY ist". Das hier ist nämlich ein super Thread! :D
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Ironic Maiden hat geschrieben: 12. Jul 2021, 16:12 Bitte nicht aufhören! So sehr ich die ausführlichen Rezensionen aufgrund der damit verbundenen Mühe und Sorgfalt auch bewundere - auch wenn ich sie nicht immer ganz lese :whistle: - :D
Meine Rezensionen werden wie angekündigt auch kürzer werden. Ich hatte nur noch so viele von den langen auf Halde und die will ich nicht wegschmeißen.
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Kesselflicken
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Kesselflicken »

Pardon, so war das gar nicht gemeint. Hab nur einen griffigen Einstieg für den Post gesucht. Ist mein generelles Problem, dass ich eh meist nur wenig sinnvolles beizutragen habe. :shifty:
bluttrinker13 hat geschrieben: 12. Jul 2021, 16:02 Super, danke Kesselflicken, für die Erinnerung!

Wollten ihn damals auf dem Fantasy Filmfest schon gerne sehen, hat aber nicht geklappt. Muss den nun endlich mal nachholen. Läuft Palm Springs auf Amazon?

Edit: Ich gebe meiner lieben Nachrednerin darüber hinaus aus vollstem Herzen recht. Hier sind imo auch Zweizeiler Synopsen willkommen etc. :D
Jups, gibts auf Amazon seit letzten Freitag glaube ich.
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Peter
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Peter »

bluttrinker13 hat geschrieben: 12. Jul 2021, 16:02 Läuft Palm Springs auf Amazon?
Wäre übrigens sehr praktisch, wenn immer erwähnt werden würde, wo und wie ein Film zu sehen ist. Dann würde ich mich nicht so oft auf einen Film freuen, der dann nicht per Stream-Flat zu sehen ist :)
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Un 32 août sur terre (Der 32. August auf Erden)
1998; Regisseur: Denis Villeneuve; Schauspieler_Innen: Pascale Bussières, Alexis Martin, Paule Baillargeon; Genre: Tragikomödie

Simone hat auf einer verlassenen Landstraße einen Unfall, bei dem sich ihr Fahrzeug überschlägt und in einem Maisfeld landet. Als sie kopfüber und fast unverletzt am 32. August erwacht, fasst sie auf dem Weg ins Krankenhaus einen Entschluss: Sie will ein Baby – JETZT! Kurzerhand kontaktiert sie ihren besten Freund Philippe, den sie dazu überreden will ein Kind mit ihr zu zeugen. Er war jahrelang unglücklich in sie verliebt, ist in der Friendzone gelandet und hatte schon aufgegeben. Das plötzliche Angebot überfordert ihn und er sagt nicht ganz im Ernst, dass er sie nur in der Wüste begattet und rechnet nicht damit, dass Simone sofort Tickets für einen Flug von Montreal nach Salt Lake City bucht, wo es wegen der ausgetrockneten Salzseen so etwas wie Wüsten gibt.

Hier handelt es sich um das Spielfilmdebüt von Denis Villeneuve und der Startpunkt seiner unglaublichen Karriere. Es hat die ganz normalen und erwartbaren Merkmale eines Frühwerks: Man erkennt an gewissen Stellen schon das Aufblitzen des späteren Genies, aber wirklich ausgereift ist das nicht und man findet ein paar Ecken und Kanten.
Besonders die spektakulären Kameraeinstellungen in einem Salzsee deuten auf eine der späteren absoluten Stärken des Regisseurs hin. Für eine Low-Budget-Indie-Produktion entstehen wirklich wundervolle Bilder von gleißend weißen Oberflächen, die sich Kilometerweit und absolut flach und ohne Unebenheiten erstrecken und in denen unsere beiden Hauptprotagonisten manchmal wie zwei verlorene Ameisen wirken. Hier muss man aber sagen, dass auch vieles einfach die beeindruckende Location ausmacht. Auch wenn das natürlich wieder metaphorisch für die Verlorenheit der Charaktere steht.
Auch sonst ist die Kamera wieder sehr dynamisch mit einigen interessanten Schwenks und manchmal sogar für meinen Geschmack etwas zu experimentell abgehakt bei Übergängen. So bricht man ein wenig die visuelle Kohärenz und man wird ein wenig aus der Immersion herausgerissen und erinnert sich, dass man hier einen Film schaut. Entweder normal schneiden oder einen Smash Cut, aber bitte nichts dazwischen.
Die witzigen Dialoge sind natürlich ein absoluter Pluspunkt. Und da kommen auch die beiden tollen Schauspieler Pascale Bussières und Alexis Martin zum Zug, die der allgegenwärtigen Melancholie mit viel Charme entgegen wirken und dem Streifen viel von seinem depressiven Potenzial nehmen. Denn eigentlich wird hier eine sehr traurige Geschichte von verpassten Chancen, unerwiderter bzw. nicht erkannter Liebe und Kommunikationsproblemen erzählt. Und es wird natürlich die Botschaft gesendet, dass man schon gemachte Versäumnisse nicht einfach mit Zwang ausbügeln kann. Durch die surreale Komponente des Datums – es gibt übrigens auch noch einen 33., 34. August etc. – kann man sich auch die Frage stellen, ob es nicht vielleicht einfach schon zu spät für etwas spät ist.
Das Problem ist, dass Villeneuve die 88 Minuten damit nur sehr schwer füllen kann. Das ist alles sehr langsam und in fast meditativen Bildern erzählt, aber so unglaublich viel zum Nachdenken hat man jetzt auch nicht – was man zumindest dem später erschienen und ähnlich behäbigen "Enemy" zugutehalten kann. Die Themen sind nicht neu und wurden schon öfter und vor allem pointierter und provokativer verhandelt. Die Metaphern sind schnell entschlüsselt, die Aussage am Ende ebenso leicht vorhersehbar. So zieht sich dieser Film wie ein sehr zähes Kaugummi immer mal wieder sehr lang – ganz zum Trotz der eigentlich kurzen Laufzeit. Wieder muss man die Frage stellen, ob ein Kurzfilm nicht das bessere Zuhause für den Stoff gewesen wäre.
Wenn man sich für Denis Villeneuve als Regisseur interessiert, ist das natürlich trotzdem eine deutliche Empfehlung, denn es ist spannend seine Entwicklung zu verfolgen. Besonders natürlich, dass er bei den allermeisten seiner späteren Werke aus diesen Fehlern gelernt hat.
Zu negativ will ich jetzt aber auch nicht abschließen, denn die Schauspieler und einige Kameraeinstellungen sind es auch an sich wert, sich das mal anzuschauen. Großes erwarten darf man allerdings wirklich nicht.

3 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/august-32nd-on-earth/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=t4_s82xvQ80
Erhältlich: https://www.werstreamt.es/film/details/ ... auf-erden/ (guter Tipp Peter)

"Polytechnique" und "Maelstrom" stehen jetzt noch auf meinem Zettel zur Komplettierung von Villeneuve. Zumindest ersterer soll auch sehr gut sein und sich zu seinen großen Werken gesellen.
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Heretic
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Heretic »

Buffalo '66

Ziemlich genau 13 Jahre nach meiner Erstsichtung hab' ich mir den Film ein zweites Mal angesehen (aktuell bei Starzplay zu finden), und er hat nichts von seiner Faszination eingebüßt. Daher kopiere ich einfach mal meine alte Kritik aus einem anderen Forum hier rein:

Billy Brown, gerade frisch aus dem Knast entlassen, muss aufs Klo. Und zwar dringend. Auf der Suche nach einer Toilette landet er in einer Tanzschule, wo er spontan ein Mädchen namens Layla entführt, die sich beim anstehenden Besuch bei Billys Eltern als seine Ehefrau ausgeben und fortan auf den Namen Wendy hören soll. Und dann wäre da noch die Sache mit Ex-Footballspieler Wood, dem Billy auf gewisse Weise seinen Knastaufenthalt zu verdanken hat...

Es lebe der Independent-Film: Buffalo '66 glänzt aufgrund guter Story, skurriler Charaktere und ungewöhnlicher Inszenierung. Kurze Bild-in-Bild-Rückblenden zeigen Billys Vergangenheit und enthüllen nach und nach die Ursachen seines verqueren Charakters. Einen beträchtlichen Anteil Schuld daran haben seine Eltern (genial: Ben Gazarra und Anjelica Huston), die man als Horrorausgabe einer „normalen“ Familie bezeichnen kann. Die Szenen im Elternhaus während des Besuchs sprechen Bände: Billy mimt den Karrieremann, Vater Jimmy spricht trotzdem kaum ein Wort mit seinem Sohn und begrapscht lieber „Schwiegertochter“ Wendy, während Mutter Janet geradezu fanatisch die Aufzeichnung des einzigen Footballspiels der Buffalo Bills, das sie (wegen Billys Geburt) jemals verpasst hat, in sich aufsaugt. Szenen, die einem trotz unterschwelliger Komik das Lachen im Halse stecken bleiben lassen. Trotz überwiegend melancholischer Grundstimmung sind es gerade die gelegentlich aufblitzenden komischen Elemente, die diesen Film zu etwas Besonderem werden lassen.

Die Besetzung ist über jeden Zweifel erhaben: Regisseur und Hauptdarsteller Vincent Gallo ist unausstehlich, erbärmlich und sympathisch zugleich. Christina Ricci - mit gewohnt stoisch motzigem Gesichtsausdruck und auf ihre ganz spezielle Art sexy - gibt die etwas naive, nette aber trotzdem mystisch wirkende Schönheit von nebenan. Dazu kommen gelungene Kurzauftritte von Rosanna Arquette, Mickey Rourke und „Airwolf“ Jan-Michael Vincent.

Fazit: Buffalo '66 ist eine in ruhigen Bildern erzählte, aber zu keinem Zeitpunkt langweilige Tragikomödie mit ganz speziellem Charme.
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