Elvis
Filmbiographien über Musiker schaue ich mir normalerweise lieber als Doku an (bitte einteilig), weil die Filme meistens sehr dramatisch, aber vorhersehbar enden (das Schicksal der Protagonisten ist bekannt).
Dennoch gibt es einige gute Filme,
Ray (2004) oder
Straight Outta Compton (2015) zum Beispiel.
Elvis Presley als Musiker mochte ich ein paar Wochen als Kind ganz gerne, aber meine Schwester legte die CD vielleicht 10 Mal zu oft auf.
Einige seiner Titel sind unbestritten hervorragend, andere gehen mir zu weit ins Schlager Genre.
In der hessischen Wetterau bekommt man zusätzlich eine wöchentliche Überdosis Elvis verpasst, weil Presley hier stationiert war und in einer Villa in Bad Nauheim lebte.
So gibt es hier Elvis Plätze, Statuen und Führungen. Fan-Vereine und die Regionalzeitung schreibt mindestens einmal die Woche einen Artikel über irgendwas, was mit ihm zu tun hat.
Dieser
Kult überschattet andere, (in meinen Augen) wichtigere Persönlichkeiten und Ereignisse in der örtlichen, historischen Betrachtung. Nur Sisi kann es mit Elvis gerade so noch mithalten...
Naja, dafür kann aber der Herr Presley nichts.
Trotzdem entschieden wir uns mit der ganzen Familie in den Film zu gehen, ins neu eröffenete edle
20er Jahre Kino in Bad Nauheim, nicht weit von Elvis Villa entfernt, wo auch eine Szene im Film (die Hausparty) spielen soll.
Mit unter 30 waren meine Schwester und ich vermutlich die Jüngsten im Saal. Besonders auffällig waren die Ü75 Jährigen
Fangirls, die einen guten Teil der Zuschauerschaft ausmachten. Das erlebt man nicht alle Tage (sie benahmen sich aber zivilisiert).
Zum Film: Der über zweieinhalb Stunden lange Film ist eine Hymne auf Elvis Presleys Schaffen. Er wird als gute Person mit guten Werten (Familienmensch, progressiv, antirassistisch, loyal, unangepasst) gezeichnet, der sich aber nicht gegen seinen geldgierigen, aber spielsüchtigen Manager Colonel Tom Parker (Tom Hanks) durchsetzen kann. Der Colonel erzählt die Geschichte und stellt sich direkt als Bösewicht vor. Durch die Handlung und Hanks schauspielerischer Leistung fiebert man sogar etwas mit Colonel mit. Die Figur hinter der Fassade bleibt aber unbekannt, der Grund seiner Spielsucht wird nicht aufgedeckt und es gibt keine Persönlichkeitsentwicklung.
Für mich neu war Elvis Nähe zur schwarzen Community in den Südstaaten. Als Halbwaise (sein Vater war im Gefängnis) lebte er im Armenviertel, viele seiner Freunde waren Schwarze. So auch der Musikeinfluss.
Im Film wird es so dargestellt, dass sein Militärdienst einem Protestsong gegen die Rassentrennung geschuldet war. Ich nehme an, in Wirklichkeit war dies nur ein Faktor, auf seiner deutschen Wikipediaseite steht nichts Genaueres. Ein Imagewechsel soll ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Es ist oft schwierig zwischen Verklärung und Fakten in diesem Film zu unterscheiden. Die Androgynität Elvis ist ein weiterer Punkt, der sehr herausgearbeitet wird (aber gekonnt nicht so benannt wird).
Elvis ist ein Film reich an satten Farben, aufwendigen Kostümen und Musik. Die Szenenbilder sind detailreich gestaltet, die Farbgebungen durch das jeweilig dargestellte Jahrzehnt geprägt. Dass dies keine Nacherzählung sein soll, sieht man auch daran, dass viele Sets zu groß sind (z.B. das neue Tonstudio) und die Bildränder leicht verschwommen sind, wie in einem Traum.
Mit dem Tod der trinkenden Mutter beginnt Elvis Zerfall und seine Tablettensucht, die immer stärker wird. Seine Entscheidungskraft, die in der ersten Filmhälfte noch stark ist, nimmt immer weiter ab, bis er in den goldenen Käfig Vegas sehenden Auges sein Ende nehmen wird - und trotzdem blitzt seine musikalische Genialität auch in den letzten Jahren immer noch auf.
Es läuft ständig Musik. Entweder Elvis Songs, oder von den ihn prägenden Figuren der schwarzen Musik und des Countrys. Moderner Hip Hop wird passend genutzt, um Lebensgefühle der Communitys zu vermitteln.
Fazit: Die zähe zweite Hälfte des Films wird durch den starken Beginn, die tollen Sets und gute Musik ausgeglichen. Dieser Film wird für Musikfans Kult und trägt zur weiteren Legendenbildung Elvis bei.
8,5/10