Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

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Golmo
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Golmo »

The Empty Man

Echt ordentlich! Ich mag es wenn ich nach dem Ende noch bei Reddit reinschauen will um Theorien / Erklärungen usw. zu lesen. Das schaffen nicht viele Filme! Empty Man sieht hochwertig aus und glänzt mit einem mir bis dato völlig unbekannten Hauptdarsteller der seinen Job wirklich super macht.

Schöner Film, bin aktuell wieder bissel in Horror / Mysterie Stimmung und habe mir für die nächsten Tage noch ein paar auf die Platte gehauen, darunter:
Black Box, Relic, The Beach House, The Apartment 1BR, Synchronic und The Lodge. Habe keine Ahnung von keinem der Filme und ich denke so geht man da am besten ran. Nix lesen, keine Trailer, keine Wertungen - einfach mal gucken.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Love
2015; Regisseur: Gaspar Noé; DarstellerInnen: Karl Glusman, Aomi Muckum, Klara Kristin; Genre: Erotikdrama

Der US-Amerikaner Murphy will unbedingt Filmemacher werden und studiert in Paris. Er lernt dort die Kunststudentin Elektra kennen und die beiden starten eine sehr leidenschaftliche und wilde Beziehung mit viel Sex und viel Drogen. Mit ihrer jungen und attraktiven Nachbarin Omi kommt es zu einem Dreier. Murphy schläft allerdings hinter dem Rücken von Elektra nochmal mit ihr und dabei platzt das Kondom und Omi wird schwanger. Einige Zeit später lebt Murphy mit Omi und dem kleinen Gaspar zusammen. Er bekommt einen Anruf von Elektras' Mutter, die ihm unter Tränen sagt, dass Elektra – mit der er seit Monaten keinen Kontakt mehr hatte – verschwunden sei. Murphy beginnt sich zu sorgen, dass sie sich etwas angetan hat und er dabei nicht ganz unschuldig wäre.

Gaspar Noé ist neben Lars von Trier wahrscheinlich der größte Provokateur des europäischen Kinos. Und so überrascht es nicht, dass auch dieser Film radikal ist. Radikal in seiner Darstellung von Sex, denn die Schauspieler haben wirklich miteinander den Akt vollzogen und das wird auch in aller Ausführlichkeit gezeigt. Wobei man hier sagen muss, dass das männliche Geschlechtsteil und dessen... wie soll man sagen... "Lebenssaft" häufiger und deutlicher ausstaffiert wird, als das weibliche Geschlechtsorgan. Provokateur hin oder her, Vorwürfen ein geiler Bock und Sexist zu sein, der hier eine Herrenfantasie dreht – Vorwürfe die heutzutage bei viel Nacktheit und Sex unweigerlich kommen -, wollte er sich anscheinend nicht aussetzen.
Der Film wurde als 3D-Film vermarktet wegen einer einzigen Szene und zwar der erste POV-Cumshot der Filmgeschichte. Ihr habt richtig gelesen: An einer Stelle ejakuliert der Hauptdarsteller in die Kamera. In den "Genuss" das in 3D zu erleben bin ich hier bei mir zu Hause leider...*hust*... nicht gekommen. Und diese Szene kann man Noé wirklich vorwerfen, weil sie inhaltlich nichts beiträgt und reine Provokation ist... ein Gimmick um den Film in die Medien zu bringen mit der Hoffnung, dass sich irgendjemand aufregt.
Und auch generell stellt sich natürlich die entscheidende Frage: Ist das Kunst oder ein glorifizierter und prätentiöser Porno? Noé sagt es durch seinen Hauptdarsteller in einer Szene vielleicht etwas plump selber: Das wahre Leben besteht aus Blut, Schweiß und Sperma und deswegen sollten Filme das auch abbilden. Außerdem will Murphy einen Film drehen, in dem Sex und Liebe gleichwertig sind, sich bedingen und auseinander entstehen. Sowieso ist Murphy semi-autobiografisch angelegt und eine Mischung aus Erinnerungen von Noé selbst und seinem Avatar, über den er immer wieder direkt zum Zuschauer spricht und Intentionen erklärt.
Es sollen Sehgewohnheiten verändert werden: In den meisten Filmen gibt es vielleicht eine angedeutete Sexszene oder ein bisschen Gefummel unter der Decke und dann ist die sexuelle Komponente der Beziehung abgehakt. Dann wird ein romantisches Essen gezeigt, das Paar geht über eine Kirmes, in den Zoo, Fallschirmspringen oder fährt in Venedig mit der Gondel durch den Kanal. Außerhalb der Handlung in "Love", wenn unser Pärchen mal nicht streitet, wird als "Freizeitaktivität" ausschließlich der Sex gezeigt. Und zwar Sex manchmal als reine Triebbefriedigung, aber zumeist als Ausdruck von Zärtlichkeit, Liebe und Romantik. Und das unterscheidet sich sehr von dem, was uns in Pornos gezeigt wird.
Damit wird auch in den Sexszenen selbst gespielt, denn immer wieder mal sehen wir die DarstellerInnen in der für das prüde Hollywood typischen Einstellung von knapp über den Brüsten der Frau aufwärts, nur um das dann aber zu brechen und uns alles zu zeigen.
Man kann natürlich immer die Frage stellen, ob diese Sexszenen denn so lange gehen müssen und der Film macht sich dadurch angreifbar – und ist mit 135 Minuten sehr lang - , aber es soll einfach gezeigt werden, dass Sex einen großen Teil der Beziehung aus macht. Sex ist (meist) kürzer als ein romantisches Abendessen, aber eben auch intensiver. Und das soll verbildlicht werden.
Noé glaubt hier einen ehrlicheren Film über eine Beziehung zu machen als das, was uns meistens so präsentiert wird. Und ich kann ihm da größtenteils folgen.
Dass es sich hier natürlich nicht um einen Porno handelt zeigt auch die Problematisierung von Drogen, die hier wie in allen Werken von Gaspar Noé, der als Ex-Junkie selber genug Erfahrungen gemacht hat, als großer Beziehungs- und Lebenszerstörer gezeigt werden.
Auch formal hat der Film ordentlich Anspruch und ist gewöhnungsbedürftig, denn ähnlich zu seinem Meisterwerk und Magnum Opus "Irreversibel" wird er nicht chronologisch erzählt. Der Aufbau erinnert ein wenig an "Memento", wo der Film rückwärts abläuft, es aber immer wieder auch Sequenzen gibt, die vorwärts laufen und die Hauptfigur über sich reflektiert. In "Love" schließen die Szenen in umgekehrter Chronologie aber nicht nahtlos aneinander an, sondern haben Zeitsprünge... was es in gewisser Weise noch komplizierter macht. Hier könnte man zu dem Schluss kommen, dass das unnötig kompliziert ist. Aber am Ende des Films und besonders beim letzten Bild ergibt sich ein ähnliches Gefühl wie bei "Irreversibel". Nicht ganz so zerstörerisch, aber ich würde "Love" als die zärtliche Variante bezeichnen. Er endet auf einer ganz bitteren, depressiven Note und es bleibt die Botschaft, dass man seine Augen nicht vor Liebe und Zuneigung verschließen darf, denn es kann sein, dass einen das erst klar wird, wenn es schon zu spät ist.
Allerdings hat er hier vielleicht seine größte Schwäche, denn einige Sequenzen in denen Murphy über sich und Elektra sinniert nehmen hin und wieder etwas zu viel Tempo raus und sind teilweise redundant.
Atmosphärisch ist der Film meiner Meinung nach eine Wucht, denn er wirkt irgendwie entrückt. In welche Farben sich die Bilder hüllen wird immer von der Gefühlswelt der Charaktere bestimmt; begleitet von einer durchaus hypnotischen Musik. Auf audiovisueller Ebene kann man sich durchaus in "Love" verlieren. Die Musik besteht übrigens immer mal wieder aus Stücken, die aus Filmklassikern stammen und die Wohnung von Murphy ist tapeziert mit Filmpostern. Ein kleines Augenzwinkern an die Cineasten.
Was einen geradezu nerven kann sind die ständigen Schwarzblenden. In der Kinosprache bedeutet eine Schwarzblende normalerweise, dass eine etwas längere Zeit vergeht, aber Noé nutzt sie durchgehend in direkt aufeinanderfolgenden Szenen und sogar in Dialogen. Er wird sich etwas dabei gedacht haben... ich konnte es nur schwer nachvollziehen. Vielleicht will er damit zeigen, dass den Charakteren etwas länger vorkommt, als es eigentlich ist. Man gewöhnt sich irgendwann daran, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das manche richtig nerven wird.
Also ob der Film überhaupt etwas für einen ist, ob er einem gefällt, ob er gut oder schlecht ist, das ist alles subjektiv. Eins steht aber eigentlich wie bei allen Filmen von Noé außer Frage: Er ist interessant.

3,5 von 5 Sternen
(man sei gewarnt vor den pornografischen Szenen; wer das nicht mag, sollte die Finger davon lassen)
https://letterboxd.com/film/love-2015/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=h6dbr_E-Yl8
PrinzEisenerz
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von PrinzEisenerz »

Andreas29 hat geschrieben: 12. Apr 2021, 15:00
Peter hat geschrieben: 12. Apr 2021, 13:03 Hm, bei mir ist das Kim Ki-duk,
Habe ich in der Tat noch nichts von gesehen. Aber sein Werk steht schon lange auf meiner Liste.

Der ist aber nochmal etwas mehr Nische. Auf dem Streaminganbieter "Mubi" laufen immerhin 2 Filme von ihm. Den Rest muss man sich wahrscheinlich auf DVD und Blu-ray selber zusammen kaufen... vielleicht sogar importieren.

Ich bekomme übrigens kein Geld von "Mubi"... Ich habe den Anbieter mal getestet und war ziemlich begeistert. Der hat das Alleinstellungsmerkmal, dass er wirklich hervorragend kuratiert ist. Hat mehr Arthaus, aber auch bekanntere Filme wie Fight Club. Wenn man böse ist, könnte man sagen: Netflix für Schnösel :mrgreen:

Echt mal anschauen: https://mubi.com/de/showing

Ich habe auf Anhieb ca. 40 Filme gefunden, die mich interessieren und kein anderer Anbieter momentan im Programm hat.

PS: Peter war schneller :mrgreen: Ich poste es trotzdem mal.
Ich habe Mubi (und Kim Ki-duk) gestern ausprobiert. Leider aus technischer Sicht für mich ernüchternd. Auf dem LG Smart TV musste der Film ständig nachladen. Manche Apps haben Verbindungsprobleme auf dem TV (DAZN läuft kaum), aber Netflix und Prime kriegen das problemlos hin. Dann alternativ die PS4 getestet und dort gibts die Bibliothek nicht, d.h. ich konnte den angefangenen Film nicht auffinden. Dann mit stottern zu Ende geschaut.
Anschließend aus Vorsicht vor automatischer Abo-Verlängerung erstmal gekündigt (vergesse das sonst oft) und damit wurden auch meine restlichen 6 freien Testtage gestrichen. Sehr schade.

Geschaut habe ich übrigens Seom (The Isle).
Ungewöhnlicher Film. Kaum Dialog, sehr langsam und ein paar Gewaltszenen die hard to watch waren.
Hat mit insgesamt leider nur mittelmäßig gefallen. Ich mochte das Setting und die "Abgefucktheit", aber mir hat da was gefehlt, dass es für mich auf die nächste Ebene hebt.
Gebe mal für mich 6/10
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

PrinzEisenerz hat geschrieben: 14. Apr 2021, 09:49 Leider aus technischer Sicht für mich ernüchternd.
Mmh... Ich schaue auf dem PC und habe da noch nie irgendwelche Probleme gehabt. Die sind da ebenbürtig mit Netflix und Amazon.

Aber da das ein sehr viel kleineres Unternehmen ist, haben die vielleicht weniger Ressourcen um den Service auf jeden Gerät performant zu machen.

Das ist vielleicht dann die Schwäche. Mubi ist zwar besser sortiert und kuratiert, mehr Qualität statt Quantität, hat aber eben auch wesentlich weniger Filme zu bieten und eine spitzere Zielgruppe. Somit weniger Umsatz und eben auch technische Möglichkeiten.

Aber wie gesagt. Auf dem PC läuft das wie geschmiert. Habe einen großen Bildschirm und guck da eigentlich alle Filme drauf.
PrinzEisenerz
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von PrinzEisenerz »

Andreas29 hat geschrieben: 14. Apr 2021, 10:54
PrinzEisenerz hat geschrieben: 14. Apr 2021, 09:49 Leider aus technischer Sicht für mich ernüchternd.
Mmh... Ich schaue auf dem PC und habe da noch nie irgendwelche Probleme gehabt. Die sind da ebenbürtig mit Netflix und Amazon.

Aber da das ein sehr viel kleineres Unternehmen ist, haben die vielleicht weniger Ressourcen um den Service auf jeden Gerät performant zu machen.

Das ist vielleicht dann die Schwäche. Mubi ist zwar besser sortiert und kuratiert, mehr Qualität statt Quantität, hat aber eben auch wesentlich weniger Filme zu bieten und eine spitzere Zielgruppe. Somit weniger Umsatz und eben auch technische Möglichkeiten.

Aber wie gesagt. Auf dem PC läuft das wie geschmiert. Habe einen großen Bildschirm und guck da eigentlich alle Filme drauf.
Die schlechte WLAN Verbindung ist der LG TV Schuld (auch ein Armutszeugnis für einen relativ neuen OLED...), aber Netflix/Amazon buffern wohl besser, dass es da weniger stört.
Das auf der PS4 die Bibliothek fehlt liegt aber an MUBI, das Feature sollten sie unbedingt nachlegen.
Auf dem etwas älteren Panasonic TV gibt es leider gar keine MUBI App.
Auf dem PC gucken kommt für mich nicht in Frage, da sitze ich schon den ganzen Tag beim Arbeiten dran.
Vom Angebot hat mir Mubi schon zugesagt und ich hätte es auch gerne weiter getestet, ob es vlt ein Ausrutscher war.
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Peter
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Peter »

Ich habe das Problem bei Sky, dass das im Gegensatz zu Netflix & Co trotz sehr guter und stabiler Internetverbindung relativ häufig für 2-3sek auf eine miserable Qualität runterschaltet, was doch etwas nervt. Aber gut, ich habs nur für einen Monat und werde mir das ob des doch sehr bescheidenen Angebots (zum Teil kein O-Ton, sehr häufig keine oder nur deutsche oder englische UT etc) so schnell eh nicht mehr holen.
PrinzEisenerz
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von PrinzEisenerz »

Bei Sky ist das bei mir auch so.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

The Rocky Horror Picture Show
1975; Regisseur: Jim Sharman; DarstellerInnen: Tim Curry, Susan Sarandon, Barry Bostwick; Genre: Musical

Brad und Janet beschließen beflügelt von der Hochzeit eines befreundeten Paares ebenfalls zu heiraten. Kurz darauf wollen sie aber erst einmal ihren alten Lehrer auf dem Land besuchen, werden aber in der Nacht von einem Sturm aufgehalten. Sie fahren zum nächsten Unterschlupf, der sich als Schloss des flamboyanten und energiegeladenen Dr. Frank. N. Furter und seiner bizarren Gehilfen entpuppt. Dort werden sie in allerlei eigenartige und schlüpfrige Situationen verwickelt und sie scheinen ihre Realität verlassen zu haben.

Konnte ich diese Bildungslücke also endlich mal schließen... und es war zwar etwas eigenartig, aber den Unterhaltungswert kann man kaum absprechen. Mir ist bewusst, dass das ein Kultmusical ist und das natürlich dann gleich die Bewertung etwas erschwert, weil es die Erwartungshaltung hochschraubt. Ich muss aber sagen, dass der Film sich auch heute und ohne nostalgische Gefühle relativ gut hält. Man merkt zu jedem Zeitpunkt, dass man hier ein Theaterstück verfilmt hat; die Sets könnten allesamt auch so auf einer Bühne stehen... sind also nicht gerade die hochwertigsten, was aber durch abgedrehte Designs ausgewogen wird. Die Schauspieler spielen alle vollkommen überdreht und overacted, aber das passt zu der allgemeinen Hyperaktivität... und ist auch erwartbar, wenn der Großteil der Bühnenschauspieler auch im Film ihre Rollen spielen und diese auf der Theaterbühne auch theatralischer gespielt haben.
Auf der Oberfläche handelt es sich hier um eine Parodie von Frankenstein, aber da passiert einiges mehr, denn was wirklich mit Hinblick auf das Jahr des Releases sehr überrascht ist die Offenheit des Films was Sexualität und sogar Homosexualität anbelangt. Allen voran natürlich der großartige in Drag auftretende Tim Curry, der hier wahrscheinlich die Rolle seines Lebens spielte. Die tollen Kostüme sind fast durchweg von der Fetischszene inspiriert. Es gibt keine explizite Nacktheit oder etwas, dass über angedeuteten Sex hinaus geht, aber im Grunde ist es das Hauptthema des Films. Es geht um Verführung und Sinnlichkeit und eben um das Abfeiern des Unkonventionellen und des Abseitigen. Und da hat der Film wirklich eine relativ schöne Botschaft, denn diese Menschen, die wir da in dem Schloss sehen, sind die Außenseiter einer Gesellschaft, die prüde, doppelmoralisch und stromlininenförmig ist. Verkörpert wird das durch das Ehepaar - Jane wird übrigens von einer jungen Susan Sarandon gespielt - , dass ins Schloss stolpert; ebenso durch den ehemaligen Lehrer, den sie besuchen und einen immer wieder auftauchenden Erzähler, der die Handlung unterbricht und alles in einem strengen Ton kommentiert. Die Botschaft: Wenn man hier auf unserem Planeten als Außenseiter und Sonderling Liebe sucht, dann muss man sie sich eben selbst erschaffen. Gerade vor dem Hintergrund ist das Ende des Films überraschend bitter und pessimistisch, denn natürlich gibt es auch diese Kräfte im Film, die das Schloss und dessen Bewohner nicht dulden bzw. als sinnlos erachten, weil man immer ein Fremdkörper sein wird.
Aber machen wir uns nichts vor... der ganze Subtext spielt nur eine untergeordnete Rolle und was man wirklich sehen will sind die wirklich großartigen Performances mit ohrwurmigen Songs. Ganz besonders natürlich “Time Warp”, “Touch-A, Touch-A, Touch me” oder “Sweet Transvestite”. Eigentlich bin ich gar kein so großer Freund von Musicals, aber die Nummern machen Spaß.
Nüchtern betrachtet ist das natürlich alles ein riesen Quatsch und man muss schon eine gewisse Toleranz gegenüber dem Bizarren haben.
Wie gerne hätte ich die Möglichkeit gehabt das Theaterstück zu sehen, denn da soll wirklich die Post abgegangen sein und das Publikum sehr aktiv mitgewirkt haben.
Fun Fact: In einer Szene hat der junge und damals unbekannte Meat Loaf einen bemerkenswerten Auftritt.

3,5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/the-rocky-h ... ture-show/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=4plqh6obZW4
Zuletzt geändert von Andreas29 am 15. Apr 2021, 22:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Peter
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Peter »

Andreas29 hat geschrieben: 12. Apr 2021, 12:56 Ganz großes Kino und setzt sich auf meiner Bestenliste von Bong Joon-ho auf den zweiten Platz:

1.Snowpiercer
2.Memories of Murder
3.Parasite
4.Mother
5.The Host
6.Okja
Die habe ich inzwischen auch alle gesehen, bei mir ist die Reihenfolge etwas anders:

1. Mother (8/10)
2. Memories of Murder (8/10)
3. Parasite (8/10)
4. Snowpiercer (8/10)
5. Okja (7/10)
6. The Host (6/10)

Viele gute bis sehr gute Filme also, allerdings keiner, der mich so richtig vom Hocker gehauen hätte. Wobei ich bei meinem obigen Vergleich mit Kim Ki-duk und Park Chan-wook noch einschränkend ergänzen muss, dass ich diese schon seit 20 Jahren kenne, Bong Joon-ho dagegen erst seit Snowpiercer. Letzterer hatte es alleine deswegen schon schwerer, da es Filme heutzutage schwerer haben mich zu begeistern, als das früher der Fall gewesen ist.
Voigt
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Voigt »

Habe gestern und heute zuende den Film Violet Evergarden und das Band der Freundschaft gesehen.
Handwerklich extrem gut gemacht, insbesondere durch SVP in 60 FPS, die Geschichte war auch emotional sehr schön.
Echt gut der Film.
Spielt in einer Welt ähnlich zu Frankreich zum Ende des 19. Jahrhunderts und spielt grundsätzlich um das Postwesen, aber auch der tiefen Freundschaft zweier Personen, Adelige und einer ehemaligen Soldatin die jetzt Postangestellte ist.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Endlich kann ich mal einen aktuellen Film anbieten :mrgreen:

Love and Monsters
2020; Regisseur: Michael Matthews; DarstellerInnen: Dylan O'Brien, Michael Rooker, Jessica Henwick; Genre: Abenteuer

Ein Asteroid rast auf die Erde zu. Was tun? Die Menschheit macht das, was sie am besten kann: Sie ballert alle Raketen die sie hat darauf. Den Asteroid wehrt man ab, aber der Fallout fällt zurück auf die Erde und veranlasst die Tierwelt zu mutieren. Diese Monster brauchen nicht lange um die Menschheit als dominante Spezies der Erde zu verdrängen. Die Überlebenden verstecken sich wo sie können und harren aus. So wie Joel, der ein ziemliches Handtuch ist und in seiner Gruppe das Mädchen für alles. Eines Tages gelingt es ihm nach sieben Jahren über Funk Kontakt zu seiner großen Liebe Aimee aufzunehmen und erfährt, dass sie "nur" 85 Meilen entfernt ist. In der Post-Apocalypse ist das aber eine ganz schöne Strecke und so nimmt er all seinen Mut zusammen und macht sich auf den lebensgefährlichen Weg zu ihr.

Wieder mal ein Versuch das Feeling der Abenteuerfilme der 80er wiederzubeleben, produziert von Shawn Levy, der mit Stranger Things schon genau dasselbe gemacht hat und viele – auch mich – überzeugen konnte. "Love&Monsters" schafft das ebenfalls überraschend gut. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass man den Streifen, wäre er in diesem Jahrzehnt erschienen, heute einen Klassiker nennen würde. Das Ziel der Macher wurde erreicht... aber taugt das auch und ist das genug für einen Film, den man heute sieht? Meiner Ansicht nach: Ja!
Zum einen wäre da Joel, die Hauptfigur. Gespielt von Dylan O'Brien, den man vor allem aus den Maze Runner Filmen kennt; eine Young Adult Trilogie. Er spielt wirklich sehr erfrischend, humorvoll und überzeugend den Angsthasen, der sich überwinden muss, um sein Ziel zu erreichen. Es ist die klassische Heldenreise mit den kennzeichnenden Charakteren. So gibt es den Begleiter in Form des Hundes "Boy"...und ab da hatten sie mich schon. Bin Fan von Hunden und von Hundebegleitern in Filmen. Das ist sehr subjektiv, aber ich kann mich dem ja nicht aus Prinzip verschließen. Und "Boy" ist wirklich süß, wirkt nicht zu vermenschlicht in seinen Handlungen und damit authentisch, sodass er einem sofort ans Herz wächst. Für Leute die Angst haben, dass etwas mit ihm passiert, mal der Service:
SpoilerShow
Der Film hört auf das, was man in Testscreenings immer wieder feststellt: Dem Wauwau passiert nichts. Man hat nie wirklich Angst um ihn; er wird nicht einmal verletzt und muss auch nicht leiden. Also Menschen, die da Befürchtungen haben dürfen zugreifen.
Dann gibt es die Mentoren in Form des Mädchens Minnow und ihrer Vaterfigur Clyde. Clyde wird übrigens gespielt von Michael Rooker, den ich persönlich auch sehr gerne sehe. Bekannt dürfte er den meisten als Yondu aus "Guardians of the Galaxy sein (der Blaue mit dem Pfeif-Pfeil) oder auch aus den Anfangsstaffeln von "The Walking Dead". Auf die beiden trifft Joel und die dürfen ihm dann einiges beibringen; über das Leben und die Welt in der sie nun leben. Und die beiden sind echt coole Charaktere, die einem gleich sympathisch sind. Minnow ist eigentlich viel zu Badass für ihr Alter, aber das kauft man hier ab, weil daraus - wie sonst so oft - keine billigen Gags gemacht werden, sie auch mal verletzlich sein darf und eine Funktion hat außer witzig zu sein. Auch Clyde hat dort seine Stärken, wo er als ansonsten archetypischer Lehrmeister in wenigen Worten und Blicken klar macht, dass er wie alle in dieser Welt sein Päckchen zu tragen hat, egal wie souverän er wirkt. Lediglich Joels' Angebetete Aimee bekommt leider weniger Profil und hat natürlich auch aufgrund ihrer Rolle weniger Zeit dazu eines aufzubauen. Sie ist einem aber trotzdem schnell sympathisch, was vor allem an der tollen Jessica Henwick liegt und sie den Zeiten angepasst auch keine Damsel in Distress, die es einfach nur zu retten gilt.
Der Plot ist natürlich überaus simpel. Es geht von A nach B mit Hindernissen, die immer wieder Prüfungen für unseren auf der Heldenreise befindlichen Protagonisten sind. Das ist nicht besonders anspruchsvoll, aber immer wieder spannend und spektakulär in Szene gesetzt. Am Ende gibt es einen kleinen Twist, den ich persönlich nicht gebraucht hätte, weil mir die Monster als Bedrohung gereicht hätten.
Womit wir bei den Spezialeffekten wären. Und da habe ich echte Bauklötze gestaunt. Der Film hat ein Budget von 30 Millionen Dollar... das ist heutzutage wirklich ein kleines Budget, gerade wenn man sich vornimmt einen Monsterfilm zu machen. Aber mein lieber Schwan... die Effekte sind nicht zu Unrecht oscarnominiert... ja, richtig gelesen: "Love and Monsters" hat eine Nominierung für die besten Spezialeffekte bekommen. Jetzt kann man natürlich sagen, dass das kein besonders starkes Jahr ist, aber die handwerkliche Leistung ist sehr überzeugend. Ich finde sogar, dass die Effekte stellenweise viel besser aussehen als in so manchem neuen Vertreter von Marvel, denn die wirken dort oft sehr plastisch und heben sich von der Umgebung ab. Hier sind die Monster sehr glaubwürdig in der Welt und wirken wirklich so als könnten sie echt sein. Meiner Meinung nach nah an der Perfektion und fotorealistisch... auch wenn man das immer zu gutem aktuellem CGI sagt und sich dann ein paar Jahre später fragt, ob man blind war. Sie sehen aber nicht nur gut aus, sondern haben durch die Animationen und besonders durch das Soundediting und Mixing auch richtig schön Wucht und wirken auch so riesig, wie sie sind. Warum die Academy den Film nicht auch in den Tonkategorien nominiert hat, wenn sie ihn schon für die Effekte nominiert hat, weiß ich nicht. Vielleicht hat dann doch irgendjemand mal gesagt, dass das ja "nur" Abenteuer-Action mit komischen Monstern ist und da ist ihnen der Mut wohl abhanden gekommen.
Also muss man deutlich sagen, dass die Kreaturen auch die Stars des Films sind und wirklich für Bedrohung sorgen, aber auch gleichzeitig für einiges an Staunen... und das aus der Tatstatur eines CGI-Skeptikers wie mir, der gerne zu mehr praktischen Effekten zurückkehren würde.
Mit Querverweisen, Fanservice und Referenzen hält man sich erfrischend zurück. Nur einmal macht man es ganz deutlich und spielt "Stand by Me" von Ben E. King und lässt unseren Helden wenig später in einen Fluss fallen, dem er mit Egeln am Körper entsteigt. Das ist natürlich eine ziemlich offensichtliche Anspielung auf die Verfilmung eines Romans von Stephen King, die ebenfalls "Stand by Me" heißt und als Klassiker des Coming of Age Genres gilt.
Am Ende dann, in seiner letzten Sequenz sorgte "Love and Monsters" bei mir für ungeahnte Gänsehaut. Das hat vielleicht auch was damit zu tun, dass man gerade in einer Pandemie lebt, aber am Ende werden an einer Stelle wirklich schöne und vor allem optimistische Worte gefunden, die einem Hoffnung machen aus schlimmen Situation wieder entkommen zu können und man dem selbstbewusst entgegen treten muss.
Aber man darf dann letztlich auch nicht ganz überdrehen, was die Rezeption des Films anbelangt, denn was hier passiert, kennt man natürlich alles schon irgendwie. Der Film steht auf den Schultern von so vielen anderen, von denen man sich alles zusammenstibitzt hat. Auch die Prämisse an sich ist natürlich mehr als zweifelhaft, aber das hat in den 80ern ja auch keinen gestört.
Das ist alles so unterhaltsam und sympathisch, dass man hier Netflix für ihren Einkauf nur gratulieren kann.

3,5 von 5 Sternen

https://letterboxd.com/film/love-and-monsters/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=-19tBHrZwOM

"Love and Monsters" ist seit gestern auf Netflix.
Zuletzt geändert von Andreas29 am 16. Apr 2021, 11:08, insgesamt 1-mal geändert.
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kami
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von kami »

Andreas29 hat geschrieben: 15. Apr 2021, 16:14 Endlich kann ich mal einen aktuellen Film anbieten :mrgreen:

Love and Monsters
2020; Regisseur: Michael Matthews; DarstellerInnen: Dylan O'Brien, Michael Rooker, Jessica Henwick; Genre: Abenteuer

Das ist alles so unterhaltsam und sympathisch, dass man hier Netflix nur gratulieren kann. Und die benötigen endlich Eigenproduktionen, die etwas taugen, denn da gab es eine lange lange Durststrecke.

3,5 von 5 Sternen
Nicht dass es etwas am Film ändern würde, den ich übrigens noch ein bisschen besser als du sehe, aber eine Netflix-Eigenproduktion ist das nicht. In den Staaten ist der schon im letzten Herbst als VOD und im Kino veröffentlicht worden. Aber ein netter Zukauf ist der allemal.
“Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.” Philip K. Dick
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

kami hat geschrieben: 16. Apr 2021, 09:19 Nicht dass es etwas am Film ändern würde, den ich übrigens noch ein bisschen besser als du sehe, aber eine Netflix-Eigenproduktion ist das nicht. In den Staaten ist der schon im letzten Herbst als VOD und im Kino veröffentlicht worden. Aber ein netter Zukauf ist der allemal.
Das ist korrekt. Ich habe mich vom roten "N" oben links bei den Vorschaubildern irritieren lassen und nicht daran gedacht, dass darunter auch Einkäufe fallen.

Wird korrigiert.
Inkognito
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Inkognito »

Netflix hat ein exzellentes Marketing.
Das allerwenigste von ihnen sind tatsächlich Eigenproduktionen.

Babylon Berlin z.B. hält man in 199 Ländern für eine "Netflix Serie". Nur in Deutschland weiß man, dass es eine X-Filme Produktion für Sky und Das Erste ist.

BTW: Hat jemand gestern die RTL2 Produkionen Knight Rider und Game of Thrones gesehen? 😂
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Peter
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Peter »

Andreas29 hat geschrieben: 16. Apr 2021, 11:08
kami hat geschrieben: 16. Apr 2021, 09:19 Nicht dass es etwas am Film ändern würde, den ich übrigens noch ein bisschen besser als du sehe, aber eine Netflix-Eigenproduktion ist das nicht. In den Staaten ist der schon im letzten Herbst als VOD und im Kino veröffentlicht worden. Aber ein netter Zukauf ist der allemal.
Das ist korrekt. Ich habe mich vom roten "N" oben links bei den Vorschaubildern irritieren lassen und nicht daran gedacht, dass darunter auch Einkäufe fallen.

Wird korrigiert.
Selbst im Vorspann wird das als Netflix-Produktion ausgegeben. Aber das machen die ja gerne, zb auch bei Better Call Saul. Ich fand den Film nicht ganz so gut, aber ich habs auch nicht bereut, ihn gesehen zu haben.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Frances Ha
2012; Regisseur: Noah Baumbach; SchauspielerInnen: Greta Gerwig, Mickey Sumner, Michael Zegen; Genre: Dramedy

Die quirlige Frances ist Tänzerin und lebt zusammen mit ihrer besten Freundin Sophie zusammen in New York. Als letztere jedoch andere Pläne hat und wegzieht, kann sich Frances die Miete nicht alleine leisten, da sie in ihrer Karriere nicht vorankommt. So beginnt eine Odyssey durch New York von Wohngemeinschaft zu Wohngemeinschaft und mit immer neuen mehr oder weniger flüchtigen Bekanntschaften. Fortschreitend begreift sie, dass Sophie eine Art Anker in ihrem Leben war, der ihr mehr und mehr fehlt.

"France Ha" erzählt weniger eine große Geschichte, als viel mehr die Charaktere und vor allem die Dialoge in den Mittelpunkt zu stellen. Greta Gerwig, die mittlerweile in den Regiestuhl gewechselt ist und mit Filmen wie “Lady Bird” und “Little Women” für Aufsehen sorgt, lenkt als Hauptdarstellerin das größte Augenmerk auf sich. Sie verkörpert ultrasympathisch die Energie und Hyperaktivität dieses Charakters und kann auch die für Noah Baumbach typischen Dialoge rüberbringen, die irgendwo eine Mixtur aus Naturalismus und Künstlichkeit darstellen. Diese sind nämlich sehr “witty”. So redet zwar kein normaler Mensch und dennoch wirken sie im Spiel miteinander sehr natürlich. Höchstens Tarantino kann da noch mithalten, wobei ihm die Natürlichkeit weniger wichtig ist.
Wie in fast allen Werken Baumbachs ist mein Problem der Plot. Der mäandert manchmal ziemlich sprunghaft und dadurch nicht ganz kohärent wirkend mit Frances so vor sich hin. Das ist natürlich beabsichtigt, weil es den Verlust des Ankers Sophie darstellen soll. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass der Streifen selbst auch seine Stringenz verlieren muss, was die erzählte Geschichte anbelangt.
Es geht um Freundschaft und wie sehr uns manche Menschen erden, helfen und ohne die wir nicht ganz vollständig sind. Das löst sich am Ende dann jedoch mehr oder weniger zufällig auf, was mich erstaunlicherweise deswegen auch kaum berührt hat. Ich bin normalerweise sehr empfänglich dafür, wenn man Liebesbeziehungen komplett ausblendet und es eher um Freundschaft geht. In "Frances Ha" ist das der Fall, obwohl es in den Dialogen natürlich oft um Beziehungen und Sex geht. Filme über Liebe gibt es genug, über Freundschaft jedoch viel zu wenig. An den Stellen, wo man Frances die Sehnsucht nach ihrer Freundin anmerkt und sie immer wieder versucht Sophie zu kontaktieren, ist das sehr berührend. Man merkt hier einer Person einfach an, dass sie Halt sucht und das erwärmt einem einfach das Herz.
Ebenso geht es darum im Leben endlich richtig anzukommen. Frances ist schon 27 und sichtlich irritiert, wenn man sie darauf anspricht. Sie setzt sich selbst enorm unter Druck endlich Erfolg in Beruf und Liebe zu haben. Leider bedeutet hier “im Leben ankommen” vor allem in der Karriere erfolgreich zu sein. Es gab schon intelligentere Filme, die dann den Bogen machen und aufzeigen, dass materieller Erfolg vielleicht gar nicht so erstrebenswert ist und man sich deswegen vielleicht zu viel selbst unter Stress setzt.
Warum es denn Schwarz-Weiß sein musste, habe ich nicht ganz begriffen. Vielleicht will man etwas prätentiös darauf hinweisen, dass es Kunst ist. Ich habe kein Problem mit diesem Stilmittel, aber es sollte sich schon irgendwie aus dem Film ergeben.
So setzt es sich fort, dass ich Baumbachs' Werke zwar nie langweilig finde, aber für mich ist er ein Regisseur der Momente und nicht des Gesamten. Er kreiert wirklich fantastische Szenen und er kann wunderbar Schauspieler leiten und das Beste aus ihnen herausholen. Als Ganzes reißt mich das nie so komplett vom Hocker. “Frances Ha” ist allerdings trotzdem als Schauspielkino und Dialogporno äußerst sehenswert.
In einer kleinen Nebenrolle tritt übrigens der damals noch unbekannte Adam Driver auf.

3,5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/frances-ha/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=YBn5dgXFMis

Als nächstes wird Greta Gerwig übrigens mit Margot Robbie zusammen einen Film über die Barbie machen. Nicht unbedingt ein für mich interessantes Thema. Bei der Regisseurin/Drehbuchautorin und der Darstellerin muss man allerdings durchaus aufhorchen.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Kajillionaire
2020; Regisseurin: Miranda July; SchauspielerInnen: Evan Rachel Wood, Richard Jenkins, Gina Rodriguez; Genre: Tragikomödie

Old Dolio ist die erwachsene Tochter von Theresa und Robert. Die skurrile Familie verdient sich den Lebensunterhalt durch kleinere und größere Gaunereien, Coupons und Gewinnspiele. Um jeden Cent muss fast zwanghaft gefuchst werden. Als der Vermieter ihrer Bruchbude nach drei Monaten Mietrückstand damit droht die drei aus der Wohnung zu werfen, müssen schnellstmöglich 1500 Dollar her. Im Flugzeug wollen sie Gepäck aufgeben, es als gestohlen melden und die Versicherung kassieren. Dafür müssen sie einen Tagestrip nach New York unternehmen, auf dessen Rückflug sie Melanie kennenlernen. Diese freundet sich mit ihnen an und macht zunächst bei den Abzockereien mit, muss dann aber immer mehr feststellen, wie gestört das Verhältnis von Old Dolio zu ihren Eltern ist. Indes bringt Melanie auch Old Dolios' Gefühlswelt durcheinander. Die Blase, die dieser Lebensentwurf darstellt, beginnt zu platzen.

Zunächst einmal das einfachste Kriterium: Die Schauspieler sind wirklich großartig. Besonders Evan Rachel Wood, die man als Dolores aus der Serie “Westworld” kennt, beweist als Old Dolio in der Hauptrolle ihre Wandlungsfähigkeit. Nicht nur durch ihre Stimme, die sehr monoton und sehr tief ist, sondern auch ihr Verhalten irgendwo zwischen mechanischer Unterkühlung, Apathie und Verletzlichkeit weiß sehr zu überzeugen. Gina Rodriguez' lebensfrohe, feurige und emotional auftretende Melanie wiederum ist ein wunderbarer Counterpart zu ihr. Debra Winger und Richard Jenkins verkörpern kongenial die absolute scham- und gewissenlose Dreistigkeit der Eltern, die sich mit ihrer Tochter durch das Leben mogeln. Die Perfomances sind das größte Kapital des Films, der so ruhig und konventionell gefilmt daherkommt.
Dann wird die Bewertung schwieriger, denn “Kajillionaire” ist ein eigenartiges Werk... und das will es auch sein. Immer wieder gibt es skurrile Situationen und Gags, die im krassen Kontrast zu unangenehmen Szenen und dem bedrückendem Thema stehen. Old Dolio ist auf dem ersten Blick ein komischer und schwer zu greifender Charakter, bei dem man oft schmunzelt. Ohne zuviel spoilern zu wollen, steckt für meine Begriffe jedoch ein emotionaler Missbrauch der Eltern dahinter. Diese tonale Dissonanz ist sicherlich gewollt und sorgt für Unbehagen. In dieser Hinsicht kann man sogar unterstellen, dass ein gewisser Metakommentar intendiert ist: Immer wieder in der Geschichte des fiktionalen Bewegtbildes werden skurrile Charaktere, die für Erheiterung und Lacher sorgen sollen, beiläufig mit einem kleinen oder größeren psychischen Knacks erklärt. Das ist eine Konvention, die wir alle einfach so hinnehmen. “Kajillionaire” schafft es aber irgendwann klar zu machen, wie sehr Old Dolio darunter leidet. Die Stimmung kippt dann von der anfänglichen Erheiterung in eine bedrückende Empörung, weil man sich auch selbst in dieser Hinsicht irgendwie ertappt fühlt.
Es gibt einen großartigen Running Gag, der einen fast surrealen Touch hat und den ich mal verrate: Old Dolio und ihre Eltern wohnen in einer Bruchbude die an eine Fabrik anschließt. Zu einer bestimmten Tageszeit laufen an einer Wand aus der Decke immer Unmengen pinker Schaum. Sie müssen dann immer zu Hause sein, um diesen mit Eimern aufzufangen... das ist einfach so herrlich absurd. Es gibt sowieso immer mal wieder Szenen, die eigenartig entrückt wirken.
Das steht im dissonanten Widerspruch zum emotionalen Martyrium des Hauptcharakters, das man erst nach und nach mit dem Auftreten des Nebencharakters Melanie begreift. Sie wird dann auch der emotionale Anker des Films und die Verbindung zum Zuschauer, die einen an den richtigen Stellen aufrüttelt.
In zwei Momenten zeigt der Film, wie wichtig Berührungen, Zärtlichkeit und Zuneigungen sind. Besonders im Hinblick darauf, dass auch physisch einem anderen Menschen entgegen zu bringen und die Wichtigkeit von Körperkontakt zu zeigen. Diese Szenen stechen sehr heraus und gehen ans Herz. Ansonsten empfindet man vor allem Frustration und Wut gegenüber den Eltern. Das ist durchaus positiv zu verstehen, denn Figuren sind nicht nur wenn man sie mag gut geschrieben, sondern auch – vielleicht sogar gerade – wenn man sie hasst.
Der Streifen hat für mich zwei signifikante Schwächen: Erstens werde ich aus den Eltern und deren Motivation ihr Kind so zu ruinieren nicht schlau. Jetzt kann man natürlich das gern genommene Argument bringen, dass man ja nicht alles erklären muss. Dann sollte man es aber gar nicht tun, nicht mal andeuten. Was leider mit einer sehr unbefriedigend vorgeschobenen Begründung der Eltern gemacht wird. Ich finde das Verhalten wirklich so ungeheuerlich und pervers, dass es auch einfach interessant wäre, wie es dazu kam und wie man so wird. Deswegen wirkt das Ende auch ein wenig deplatziert, wo man zu allen Figuren fair sein möchte und versöhnlich abschließen will. Das hat mich wirklich irritiert.
Zweitens habe ich einige Längen verspürt, was bei 100 Minuten kein gutes Zeichen ist.
Ein durchaus besonderer Film, der einen doppelten Boden hat und uns Zuschauer hinterfragt, aber nicht fehlerfrei ist. Ob sich das für einen lohnt ist vorher schwer zu sagen. Die Charaktere sind nicht einfach und auf den ersten Blick nicht sympathisch, der Ton dissonant und manches wirkt sehr skurril. Hier muss man wohl das Label "Geschmacksache" vergeben.

3,5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/kajillionaire/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=xiMPCevu8Wk
Zuletzt geändert von Andreas29 am 17. Apr 2021, 15:37, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von lipt00n »

Love and Monsters (Netflix)

Nix dolles, hat mich aber gut unterhalten. Man merkt, das hier ganz viele Tropes abgearbeitet werden.


Zodiac (Netflix)

Geiles Teil, ich hatte erst Angst es wird langatmig und langweilig (Mindhunters zB ist mir zu laaaaahm), aber hier bleibt es durchgehend spannend, inkl. einiger Höhepunkte. Fand ich super.
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Seroon
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Seroon »

Ayka 2018 Drama
Directed by Sergei Dvortsevoy

Ich habe vor kurzem Ayka gesehen und der Film hat mich schwer beeindruckt, er erklärt fast nichts und man wird mit der Situation einer jungen Immigrantin in Moskau während heftigen Schneetreibens konfrontiert. Der Film erstreckt sich nur über wenige Tage, aber da kommt einiges zusammen, was die arme Frau bewältigen muss und das Ende ist sehr hart. Bloß keinen Trailer schauen, der Film funktioniert am besten, wenn man vorher so wenig wie möglich weiß. Sehr glaubhaftes Drama mit einer tollen Hauptdarstellerin und trotz all den schlimmen Dingen, die passieren, sieht der Film wirklich gut aus, keine Shaky-Cam oder unscharfe Aufnahmen.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

We Need to Talk About Kevin
2011; Regisseurin: Lynne Ramsay; SchauspielerInnen: Tilda Swinton, John C. Reilly, Ezra Miller; Genre: Drama

Eva ist Reisejournalistin und lernt Franklin kennen, mit dem sie ein Kind bekommt. Ihr Sohn Kevin stellt sich aber schnell als nicht normal heraus. Bereits als Baby schreit er rund um die Uhr und fängt erst spät an zu sprechen. Als Kind treibt er seine Mutter in den Wahnsinn, indem er keine Gelegenheit auslässt ihr zu zeigen, dass er den Vater mehr mag. Außerdem setzt er mit kleinen rebellischen Aktionen ständig Nadelstiche. Als Teenager wirkt er immer distanzierter. Mittlerweile haben Eva und Franklin auch eine Tochter bekommen. Die Differenzen nicht nur sich, sondern gerade ihre Tochter vor Kevin zu schützen, führen zu Spannungen in der Ehe. Eines Tages kommt es zur Eskalation und Eva muss wahrscheinlich für immer mit den Konsequenzen leben. Auch zwei Jahre später schlägt ihr noch eine Passantin ins Gesicht und ihr Haus wird mit Farbe beschmiert.

Die Story war nicht leicht zusammenzufassen, weil der Film nicht chronologisch aufgebaut ist und ständig mit Rückblenden arbeitet, die sich auch mal wiederholen und vor- und zurückspringen. Das ist auch gleich ein erster positiver Punkt, denn das passiert wirklich sehr flüssig und nie verwirrend. Man wendet einen einfachen Trick an, um die Übersicht behalten zu können: Evas Haare.
Sie wird gespielt von Tilda Swinton, die eigentlich immer sehenswert ist, aber hier ist sie wirklich bockstark. Sehr zurückhaltend und zerbrechlich wirkend, spielt sie dennoch eine starke Frau. Der eher für Komödien bekannte John C. Reilly als Franklin überrascht in einer ernsten Rolle. Ezra Miller als Kevin lässt einen stellenweise das Blut gefrieren. Wobei man hier auch den kleinen Darsteller, der Kevin als Kind spielt, beglückwünschen muss: Er schafft es, dass man das Bedürfnis hat, ihn mal ordentlich eine zu klatschen.
Die Frage, die ich mir vor dem Schreiben dieser Review gestellt habe ist, ob ich sie so aufziehen soll, dass ich die "Eskalation" verrate. Der Streifen wurde teilweise so vermarktet und ich bin mir nicht sicher, was jetzt besser ist: Sollte man wissen, was Kevin gemacht hat oder nicht? Man kann die Meinung vertreten, dass es gar nicht darum geht, sondern eher um die Auswirkungen auf die Mutter... aber dafür nimmt der Weg zur schrecklichen Entladung sehr viel Raum ein. Was denn letztlich passiert kann einen auch sehr überraschen. Es wird ja auch ständig durch die Reaktion der Mitmenschen auf Kevins' Mutter Spannung aufgebaut, was denn dahinter stecken mag. Deswegen als Kompromiss einen kleinen Spoilerteil:
SpoilerShow
Ich bin auf dem Film gestoßen, weil er immer als "Amoklauffilm" bezeichnet wird. Ich wusste also von vorneherein, dass es darum geht und es wird auch sofort klar, wer Amok läuft. Und somit zuckt man zusammen, wenn Kevin seine Begeisterung für das Bogenschießen entdeckt. Und man weiß natürlich sofort am Anfang, warum Evas' Haus beschmiert wird und ihr eine Passantin auf die Pelle rückt. Eva wird also aufgrund dessen gemieden und belästigt, weil ihr Sohn mehrere Menschen mit dem Bogen bei einem Schulamoklauf getötet und verletzt hat. Es werden also durchaus eigene Momente kreiert, wenn man das Thema kennt. Aber ich kann mir vorstellen, dass es genauso seinen Reiz hat nicht zu wissen, was passiert ist und das Ausmaß der Eskalation einen sehr überraschen kann.
Generell kann man sagen, dass "We Need to Talk About Kevin" wirklich starke Szenen hat. Eine der besten für mich ist, als sich Eva mit dem Kinderwagen neben einen Presslufthammer stellt. Sie will lieber für einen Moment den mechanischen und getakteten Lärm hören anstatt die chaotische Schreierei von Baby-Kevin ertragen zu müssen.
Sowieso stellt man Eva weder als Heilige noch als Opfer dar. Auch sie macht Fehler. Schnell merkt man, dass es ihr nicht passt nicht mehr so oft reisen zu können und nicht mehr so frei und ungebunden zu sein.
Eine Schwäche kann man allerdings bereits am Namen des Films festmachen. Denn irgendwann fragt man sich, warum man denn nicht mal mit Kevin zum Psychologen geht und mal wirklich über Kevin redet. Warnzeichen gibt es genug. Vielleicht spricht man aber da auch als jemand, der ja den weiteren Verlauf der Story kennt. Und das Ausmaß kann man sich vielleicht auch einfach nicht vorstellen - gerade beim eigenen Kind.
Die Abschnitte im "Danach", die von den Auswirkungen handeln, sind wesentlich stärker als die im "Davor". Denn wie so etwas entsteht und passiert, hat man schon öfters gesehen. Was es mit jemanden macht, der sich quasi indirekt mitschuldig fühlt und auch von vielen für schuldig gehalten wird, sieht man eher selten
Das ist auch das Hauptthema: Schuld. Aber es geht auch um Verantwortung und die bohrende Frage, ob man selbst anders oder besser gehandelt hätte. Ob man besser hätte handeln müssen... ob man überhaupt anders hätte handeln können, wenn es sich um das eigene Kind dreht. Wie weit geht die Liebe zum eigenen Fleisch und Blut, wie sehr trübt sie den Blick auf die Realität und wie gefährlich kann sie für unsere Gesellschaft sein. Das sind sehr harte und unbequeme Fragen.
Das letzte Bild finde ich durchaus kontrovers: Der Sohn wird immer der Sohn bleiben... ganz egal was passiert. Das ist durchaus mutig. Ich habe keine Kinder und kann das vielleicht gar nicht beurteilen, aber ich fand das eher befremdlich und ehrlich gesagt unglaubwürdig.
Gewarnt sei davor, dass das wirklich keine leichte Kost ist und wenig Licht bietet und fast nur Schatten.
Ein schockierender wie lohnender Film mit einer herausragenden Tilda Swinton.

4 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/we-need-to- ... out-kevin/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=SfQaRK3BCYU
Zuletzt geändert von Andreas29 am 27. Apr 2021, 16:16, insgesamt 1-mal geändert.
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