Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

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Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Zu der Sache mit Nomadland und Chloe Zhao ist jetzt genug geschrieben von meiner Seite. Ich finde nach wie vor, dass man nicht zu zynisch und desillusioniert an das Business, Hollywood und Filmemachen generell herangehen sollte, weil man sich sonst die Magie kaputt macht. Das bedeutet ja nicht unkritisch zu sein.
Ich habe definitiv Artikel gelesen und Berichte/Interviews gesehen, in denen geschrieben bzw. gesagt wurde, dass die meistens in den Vans oder in den Wohnwagen waren. Aber sich jetzt immer weiter Zitate vorzulegen führt ja zu nix.
Die ganze Diskussion wurde ja getriggert, weil hier Habgier ("großer Paycheck") und in dem Bezug Werbung für Amazon vorgeworfen wurde. Dazu, dass das nicht stimmt und man den Film nicht alleine deswegen abwerten darf, stehe ich nach wie vor.

Die Diskussion gehört eigentlich auch gar nicht in den Thread, sondern in den allgemeinen Film-Thread. Vielleicht erbarmt sich ja ein Moderator das zu verschieben, damit es hier wieder nur um Reviews gehen kann.

Back to Business:

Let Me In
2010; Regisseur: Matt Reeves; DarstellerInnen: Chloe Grace Moretz, Kodi Smit-McPhee, Richard Jenkins; Genre: Horrordrama

Eine Zusammenfassung der Story spar ich mir mal, weil ich ja vorgestern schon das Original rezensiert habe. "Let Me In" hält sich nämlich zum aller größten Teil ziemlich streng an dieses. Auch die Themen, die verhandelt werden, sind die gleichen. Natürlich hat es so ein Remake erstmal schwer, weil man die Geschichte schon kennt und der Erstkontakt hinterlässt immer den größten Eindruck. Aber auch so lässt sich – finde ich – feststellen, dass die schwedische Version ihre Stärken viel besser ausspielt. Was einem gleich auffällt, sind die Kinderdarsteller. Kodi Smit-McPhee und Chloe Grace-Moretz sind nicht schlecht, kommen aber an die Nuancen und Ausdrucksstärke der kleinen Stars von "So finster die Nacht" nicht heran. Besonders der Junge ist dort viel stärker gespielt.
Die Nebenstory der Dorfbewohner aus dem Original, die einem dieses Kleinstadt-Feeling so wunderbar vermittelt haben, hat man gegen einen standardmäßigen Ermittler der Polizei ausgetauscht. Wie sein Plot enden wird, konnte ich dann natürlich schon vorhersehen. Den Vater hat man außer Telefonanrufen ganz ausgelassen und nimmt somit Backstory von Owen, wie Oskar hier heißt. Es gibt auch weniger und nur kürzere Szenen in der Schule und somit haben für meine Begriffe auch die Bullys weniger gezündet und was dann alles passiert, kommt etwas zu hastig und aus dem Nichts.
Dafür setzt man, wie ich es schon geahnt habe, auf mehr Schockeffekt. Abby (Eli) bekommt eine Fratze wenn sie Menschen angreift oder Blut wittert und knurrt. Sie bewegt sich dann deutlich als CGI-Körper erkennbar ruckartig und unnatürlich. Es ist alles ein bisschen knalliger, lauter und deutlicher. Dadurch wird vieles der unheilvollen Stimmung und Atmosphäre des Originals zerstört.
Das ist qualitativ immer noch über den meisten Hui-Buh-Horrorfilmen, die sonst so über den großen Teich kommen, anzusiedeln. Die Atmosphäre ist zwar schwächer, aber zumindest versucht man sehr oft mehr darauf zu setzen, als billige Jumpscares aneinander zu reihen. Und die Geschichte ist natürlich einfach gut. Wer nur eine Version schauen möchte, sollte trotzdem zur schwedischen greifen.

3,5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/let-me-in/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=x3guLR8aBpU


La Planète sauvage (Der phantastische Planet)
1973; Regeisseur: René Laloux; SprecherInnen: Jean Valmont, Jennifer Drake, Jeanine Forney; Genre: Zeichentrickabenteuer

Auf einem fremdartigen Planeten flieht eine Mutter mit ihrem Kind vor riesigen blauen Wesen namens Draag. Sie schafft es nicht und wird getötet. Ein Draag-Mädchen nimmt sich dem Baby an und zieht den Om – wie Menschen von ihnen bezeichnet werden – als Haustier groß. Ein Jahr in einem Menschenleben ist für sie jedoch nur eine Woche und so wächst der Kleine heran, während Frauchen dies nicht tut. Er lernt viel über die fremde Kultur dieser Wesen, ist aber auch der Willkür dieser ausgesetzt und muss quasi als Spielgegenstand einiges über sich ergehen lassen. So flieht er eines Tages und schließt sich den wilden Oms an, die auf dem Planeten in Stämmen organisiert sind und versucht mit ihnen zu überleben.

Ein Zeichentrickfilm, der – was mich nach dem anschauend verwundert – etwas vergessen zu sein scheint. Jedenfalls habe ich von dem noch nie gehört, bis ich mal in einem anderen Forum auf eine User-Kritik gestoßen bin und von den Zeichnungen sofort gebannt war. Und so war es jetzt endlich mal an der Zeit dieses wirklich kleine Kleinod (72 Minuten) zu sichten und war wirklich fast durchgehend begeistert. Der Film ist eine französisch-tschechoslowakische Koproduktionen und die Zeichnungen entstanden in dem Ostblockstaat und wurden ausschließlich von Frauen angefertigt. Was man vielleicht sofort aus dem Weg räumen muss: Die Animationen sind sehr grobschlächtig, abgehackt und weniger detailliert. Das war entweder eine Stilentscheidung, denn Zeichentrick konnte auch damals schon flüssiger laufen, oder eine Frage des Geldes. Das konnte ich auf die Schnelle nicht recherchieren, aber der Eindruck bleibt, dass das dem ein oder anderen vielleicht etwas sauer aufstoßen könnte. Auch ich fand es anfangs gewöhnungsbedürftig, was aber vom wirklich fantastischen Artdesign übertrumpft wird. Wie man die Draag und deren Gebäude und Technik, den Planeten selber und dessen Flora und Fauna gestaltet hat, ist atemberaubend. Ein Stil, der sehr einzigartig ist und den ich so nirgendwo anders gesehen habe. Und so so schafft es der Planet selber zu faszinieren und zu einem eigenen, interessanten und überraschenden Charakter zu werden.
"La Planète sauvage" ist audiovisuell generell sehr stark, denn zu diesen tollen Bildern kommt ein ebenfalls sehr eigenwilliger und psychedelischer Soundtrack. Vor allen Dingen Gitarren mit WahWah-Effekt bestimmen den Klangteppich.
Die Geschichte ist relativ simpel, aber in der kurzen Zeit packt sie einen doch sehr gut, weil man hin- und hergerissen ist zwischen der Faszination für die Draag – es wird eine ganz erstaunliche Lore aufgebaut, die vielleicht etwas plump über ein "Lerngeräts" erzählt wird - und deren Gefährlichkeit für die Menschen. Ganz davon abgesehen das Plots, in denen sich Menschen gegen eine äußere Gefahr zusammentun und wehren müssen, eigentlich immer spannend sind. Und für die Laufzeit wird das auch in einem schönen Spannungsbogen gemacht. Schwächen gibt es bei den Charakteren, denn die lernt man kaum kennen. Unsere Hauptfigur darf mal ein bisschen was aus dem Off erzählen, aber für mehr war anscheinend einfach keine Zeit.
Was aber viel interessanter ist, sind die philosophischen und moralisch-ethischen Implikationen. Das Macht- und Überlegenheitsgefühl der Menschen – die menschliche Hybris, wie man sagt – wird hier auf brutalste Weise zurechtgestutzt. Menschen sind hier nur Nutzvieh und Haustiere, die man wie wilde Biester von ihrem Planeten gefangen hat und versucht zu domestizieren. Sie sind Spielball einer physisch und technisch überlegenen Spezies... und sie sind zu einer invasiven Art geworden, die man wie Schädlinge und Ungeziefer bekämpfen und ausrotten muss.
Und da wären wir bei einer ersten und sehr unangenehmen Interpretationsmöglichkeit: Immer wenn Menschen als "Schädlinge" oder "Ungeziefer" gelten, die "ausgerottet" gehören, habe ich sofort Assoziationen zum Holocaust. Ich glaube auch, dass das von den Machern beabsichtigt ist, denn in einer ziemlich krassen Szene werden die Menschen in "Der phantastische Planet" auch mit Giftgas getötet. Das ist äußerst bitter, denn es zeigt einfach die Beiläufigkeit fremdes Leben als weniger wert oder unwert zu deklarieren, wenn man sich überlegen fühlt. Die Draag haben auch keinerlei Selbstreflexion oder ein Unrechtsbewusstsein; genauso wenig wie wir, wenn wir eine Fliege mit der Klatsche zu Brei hauen.
Und da wären wir bei der zweiten Interpretationsmöglichkeit, nämlich die der Umwelt- und Tierschutzbotschaft. Der Film regt an zu reflektieren, ob wir mit dem aus unserer Sicht unterlegenen Leben so umgehen sollten, wie wir es momentan machen. Darüber nach belieben als Ressource zu verfügen, zu Unterhaltungszwecken oder es als etwas zu deklarieren, was vernichtet werden muss, weil es uns nicht genehm ist.
Ebenso kommt hinzu, dass der Mensch wo er auch hinkommen mag, seine Umwelt verändert anstatt sich ihr anzupassen. Das ist besonders die letzte Botschaft des Films, die man entweder optimistisch oder pessimistisch sehen kann. Warum kann ich nicht erklären, denn das wäre ein Spoiler.
Abschließend lässt sich feststellen, dass "Der phantastische Planet" unbedingt aus seiner wahlweise Unbekanntheit oder Vergessenheit befreit werden muss, denn er ist wirklich fantastisch.+
Im Jahre 1973 hat "Der fantastische Planet" einen Sonderpreis in Cannes bekommen und von der Kritikerlegende Roger Ebert 4 Sterne und damit die volle Punktzahl.

4 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/fantastic-planet/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=ZkIAkDsiUoo

Und da ich gestern nicht dazu gekommen bin eine Kritik zu posten, gibt es heute einen Bonus:

Escape from New York (Die Klapperschlange)
1981; Regisseur: John Carpenter; Darsteller: Kurt Russell, Lee Van Cleef, Ernest Borgnine; Genre: Actionthriller

Im Jahr 1988 - in der (damaligen) Zukunft der USA - steigt die Verbrechensrate um 400% an. Die Gefängnisse sind überfüllt, also wird kurzerhand beschlossen ganz Manhattan zu einer riesigen Gefängnisstadt zu machen. Innerhalb dieser Stadt herrscht kein Recht und keine Ordnung und es gilt: Wer einmal rein geht, geht nie wieder aus. Aber drei Jahre später will es das Drehbuch so, dass ausgerechnet der Präsident der Vereinigten Staaten in Manhattan mit der Air Force One abstürzt. Er kann sich per Rettungskapsel retten, wird aber gleich gefangen genommen. Da kommt es gerade Recht, dass der Ex-Soldat Snake Pliskin einfahren soll und sogleich beauftragt wird im Austausch gegen seine Freiheit den Präsidenten zu befreien.

Ja, das ganze ist hanebüchener Quatsch... sehr unterhaltsamer allerdings. Der Film ist immer an mir vorbeigegangen, obwohl ich eigentlich alle großen Action- und Science-Fiction-Filme der 80er nachgeholt habe. Teilweise schon viel zu jung als Kind, denn ich konnte mich immer relativ ungestört am Videoregal meines Onkels bedienen. Snake Pliskin und "Escape from New York" spielen gegen Rambo,Terminator, Aliens, Die Hard, Predator, Indiana Jones und Lethal Weapon schon eher in der B-Ware mit und so war auch der Drang das nachzuholen nie so riesengroß. Aber jetzt begab es sich, dass er mal vor meine Flinte kam und ich habe abgedrückt.
Erstens muss man einfach sagen: Kurt Russell ist eine coole Socke als Snake mit seiner Augenklappe, dem Dreitagebart, und den langen Haaren. Das gilt allerdings vor allem optisch; ich denke ich werde hier im Forum niemanden etwas neues erzählen, wenn ich schreibe, dass er das Vorbild für Snake aus "Metal Gear Solid" war. Darstellerisch darf Russell hier allerdings nur einen einzigen Gesichtsausdruck zeigen und immer im gleichen bedrohlich-hauchenden Duktus sprechen. Das ist schon ein wenig mau, selbst bei eíner so einer behämmerten Prämisse. Und so konnte ich relativ wenig Bindung aufbauen und hatte wenig Angst, dass Snake irgendetwas passiert.
Zur Story lässt sich eigentlich wenig mehr sagen als: Erfüllt ihren Zweck. "Escape from New York" punktet vor allem bei der Inszenierung. Zum einen ist der Plot einfach spannend, denn es wird Zeitdruck aufgebaut und ich bin ein großer Freund des Szenarios "Held muss sich durch einen begrenzten Ort kämpfen". Wobei ich hier nochmal auf unsere Hauptfigur zurückkommen muss, denn ob Snake ein Held ist, ist sehr zweifelhaft. Aufgrund der letzten Szene, die ich natürlich nicht spoilern werde, würde ich sogar sagen, dass er nicht einmal der Antiheld ist, sondern eher der Villain. Das kann man so machen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass John Carpenter diese Intention nicht hatte und glaubt, dass sich da jemand einfach treu bleibt und wir das honorieren sollen.
Was mir außerordentlich gut gefällt ist das Worldbuilding, das relativ beiläufig und dezent geschieht und einem nicht zu sehr einfach durch Dia- und Monologe runtergebetet wird. Und atmosphärisch ist das dunkle und verlassene Manhattan ein richtig toller Schauplatz. Es ist schon bemerkenswert, wie viel Stimmung und "Enviromental Storytelling" man aus ein paar dunklen Gassen, vermüllten Straßen, brennenden Fässern und Graffitis heraus holen kann. Man merkt allerdings ab der Hälfte, dass man sich zu sehr darauf verlässt und die Begeisterung beim Zuschauer irgendwann nachlässt. Die Stimmung verändert sich irgendwann allein dadurch und wirkt weniger bedrohlich, weil es ja auch irgendwann hell wird. Wie man generell sagen kann: Der Beginn des Streifens, wenn man in die Welt eingeführt wird und sich der Konflikt aufbaut, ist sehr viel stärker als der Mittelteil und Schluss. Die Action ist nämlich selbst für die Zeit relativ unspektakulär und weit hinter den Leuchttürmen des Genres zurück. So gibt es auch keine ikonische Szene wie mir aufgefallen ist und was eigentlich jeder große Vertreter des Genres hat: "Rambo" zerlegt am Ende die halbe Stadt, "The Terminator" hat die Szene im Polizeirevier - der 2. Teil hat die Verfolgungsjagd mit dem Laster, "Aliens" hat das Exoskelett, bei "Die Hard" springt John McClane vom explodierenden Dach usw. you get the idea. Sowas hat "Escape from New York" einfach nicht. Ja, der Vergleich ist etwas unfair, weil Carpenter weniger Budget hatte, aber auch Terminator 1 hat mit ähnlich wenig Asche viel besseres hinbekommen.
Auch Sidekicks - außer vielleicht der Taxifahrer - und die blassen Nebencharaktere können wenig zur Unterhaltung beitragen, denn sie bleiben einfach leere Hüllen, die die Story treiben sollen. Auch hier wieder der Vergleich zu den Meistern der 80s-Action: Einen Al wie in "Die Hard" oder den Androiden aus "Aliens" gibt es einfach nicht. Die waren mir alle egal.
Selbst die Härte – auch wenn ich jetzt kein Gorehound bin - ist relativ lahm, sodass man dies auch nicht als etwas nehmen kann, woran man sich in einem ansonsten sehr inhaltsleeren Werk erfreuen könnte.
Die Antagonisten von Snake sind natürlich der Zeit und dem Genre entsprechend vollkommen einseitig und haben die denkbar naheliegendste und offensichtlichste Motivation: Sie wollen halt ausbrechen. Als Snake zu Beginn in ein altes Theater kommt und dort zu seiner und unserer Überraschung als Zuschauer die Insassen gerade ein Musical aufführen, dachte ich noch, dass es etwas tiefgründiger und nicht so schwarz-weiß wird - falsch gedacht.
Was soll ich sagen: Trotz all den negativen Punkten habe ich es nicht bereut das mal nachgeholt zu haben. Es ist halt einer dieser Filme, wo man sagt: "Hirn aus, Spaß an".

3 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/escape-from-new-york/
https://www.youtube.com/watch?v=PYYZFcvQfRg
Zuletzt geändert von Andreas29 am 3. Mai 2021, 03:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Dicker
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Dicker »

Die Taschendiebin
Einer dieser Filme, zu denen man im Vorfeld besser nicht so viel weiß, damit die Handlung richtig wirken kann. Wir haben das Jahr 1930 in Korea. Ein Betrüger will eine reiche japanische Erbin um ihr vermögen bringen und schleust zu diesem Zweck ein junges Mädchen in den Haushalt als Dienstmädchen ein. Im englischen heißt der Film auch The Handmaiden, das sie auch eine Taschendiebin ist, tut nichts zu Sache und zeigt wie dämlich der deutsche Titel ist.
Der Film ist dabei eine Mischung aus Erotikthriller und Gesellschaftsdrama. Man sieht diverse Sexszenen und einiges an nackter Haut. Das ist natürlich nicht immer zwingend nötigt, macht an den Stellen aber Sinn und ist stilsicher umgesetzt. Thriller ist der Film dabei eher weniger, er hat aber gerade gegen Ende einige Komponenten. Viel präsenter ist da das Gesellschaftsdrama. Reich gegen Arm, Oberschicht gegen Unterschicht, das sind Themen, die indirekt in dem Film behandelt werden. Viel mehr ist er aber klassisches Verwirrspiel, denn jeder Charakter hat etwas zu verbergen, nicht ist, was es auf den ersten Blick scheint. Und wenn, wie auch bei Parasite, in der 2. Hälfte des Films so langsam alle Motive und Motivationen ersichtlich werden, beginnt der Film auch voll seine Stärken auszuspielen. Die erste Hälfte ist noch recht eindimensional aufgebaut und hat mich sogar stellenweise etwas gelangweilt. Sie ist aber nötiges Vorgeplänkel für die 2. Hälfte, in der der der Film einen Sog entwickelt, den man so nicht hat kommen sehen.
Toller Film, tolle Schauspieler, grandiose Handlung und zurecht ein (Geheim-)Tipp. Klare Empfehlung, 8/10.
JanTenner
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von JanTenner »

Habe gestern Nomadland gesehen und fand ihn ziemlich gut.

Was mich sehr gewundert hat: Amazon spielt doch in dem Film kaum eine Rolle, bzw sieht man so wenig davon, dass der Film überhaupt keine Aussage dazu macht. Kann wirklich nicht verstehen wieso das hier im Forum so ein Aufreger ist - es ist doch einfach nur eine random prekäre Beschäftigung für Fern.
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Ironic Maiden
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Ironic Maiden »

Dicker hat geschrieben: 2. Mai 2021, 19:24 Die Taschendiebin
Einer dieser Filme, zu denen man im Vorfeld besser nicht so viel weiß, damit die Handlung richtig wirken kann. Wir haben das Jahr 1930 in Korea. Ein Betrüger will eine reiche japanische Erbin um ihr vermögen bringen und schleust zu diesem Zweck ein junges Mädchen in den Haushalt als Dienstmädchen ein. Im englischen heißt der Film auch The Handmaiden, das sie auch eine Taschendiebin ist, tut nichts zu Sache und zeigt wie dämlich der deutsche Titel ist.
Der Film ist dabei eine Mischung aus Erotikthriller und Gesellschaftsdrama. Man sieht diverse Sexszenen und einiges an nackter Haut. Das ist natürlich nicht immer zwingend nötigt, macht an den Stellen aber Sinn und ist stilsicher umgesetzt. Thriller ist der Film dabei eher weniger, er hat aber gerade gegen Ende einige Komponenten. Viel präsenter ist da das Gesellschaftsdrama. Reich gegen Arm, Oberschicht gegen Unterschicht, das sind Themen, die indirekt in dem Film behandelt werden. Viel mehr ist er aber klassisches Verwirrspiel, denn jeder Charakter hat etwas zu verbergen, nicht ist, was es auf den ersten Blick scheint. Und wenn, wie auch bei Parasite, in der 2. Hälfte des Films so langsam alle Motive und Motivationen ersichtlich werden, beginnt der Film auch voll seine Stärken auszuspielen. Die erste Hälfte ist noch recht eindimensional aufgebaut und hat mich sogar stellenweise etwas gelangweilt. Sie ist aber nötiges Vorgeplänkel für die 2. Hälfte, in der der der Film einen Sog entwickelt, den man so nicht hat kommen sehen.
Toller Film, tolle Schauspieler, grandiose Handlung und zurecht ein (Geheim-)Tipp. Klare Empfehlung, 8/10.
"Die Taschendiebin" ist ein ziemlich guter Film, ich würde aber auch die Buchvorlage "Fingersmith" / "Solange du lügst" von Sarah Waters wärmstens empfehlen. Der Roman spielt im viktorianischen London und nicht in Korea und die Handlung hat noch einige Wendungen mehr, so dass mir erst nach ungefähr der Hälfte aufgefallen ist, dass ich gerade die Vorlage der "Taschendiebin" lese. Leider wird das Buch vor allem in Deutschland (allein dieser blöde Titel...) so als "Frauenbuch" vermarktet, aber es ist ein wirklich spannender, sehr finsterer Thriller. Selbst wenn man den Film kennt, lohnt sich die Lektüre.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
PhelanKell
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von PhelanKell »

Mojen,

mir war am Freitag langweilig und ich hatte dann aus Entscheidungsunfreudigkeit diese Funktion bei Netflix ausprobiert "unentschlossen.
Dabei kam "The Old Guard" heraus.

Naja, Kopf aus Action. Viele gut-choreographierte Ballereien und Nahkämpfe.
Ein bisschen hol alles.
Ein paar Plotholes.
Ein bisschen lame.
Und am Ende macht man noch einen auf Fortsetzung folgt.
Charlize Theron ist ganz gut.
Das beste ist noch eine Liebesgeschichte zwischen einem Muslim und einem Kreuzritter, die sich gegenseitig vor Jerusalem mehrfach getötet haben :lol:

Grüße
expect the unexpected
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Golmo
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Registriert: 18. Nov 2019, 11:49

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Golmo »

Die Diskussion gehört eigentlich auch gar nicht in den Thread, sondern in den allgemeinen Film-Thread. Vielleicht erbarmt sich ja ein Moderator das zu verschieben, damit es hier wieder nur um Reviews gehen kann.
Geht es hier nur um Film Reviews? Ich glaube hier gehen die Meinungen auch auseinander. Soll hier nicht ne lockere Diskussion und vielleicht Kurz-Fazite zu den zuletzt gesehenen Filmen gepostet werden? So kenne ich es jedenfalls auch aus anderen Foren. Du schreibst hier als einziger riesen Reviews die die ganze Seite einnehmen. Vielleicht kannst du dich auch auf ein Kurz Fazit konzentrieren und dann halt dein Letterbox verlinken? Ich persönlich finde das einfach viel zu unübersichtlich mit diesen ganzen Wall-of-Text von dir. Ich lese hier lieber mehrere Kurz Meinungen und Tipps anstatt 2 Seiten runter zu scrollen und ich hab nur die drei Reviews von einem User gesehen....
Rince81
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Rince81 »

Ironic Maiden hat geschrieben: 2. Mai 2021, 21:24
Dicker hat geschrieben: 2. Mai 2021, 19:24 Die Taschendiebin
Einer dieser Filme, zu denen man im Vorfeld besser nicht so viel weiß, damit die Handlung richtig wirken kann.
"Die Taschendiebin" ist ein ziemlich guter Film, ich würde aber auch die Buchvorlage "Fingersmith" / "Solange du lügst" von Sarah Waters wärmstens empfehlen. Der Roman spielt im viktorianischen London und nicht in Korea und die Handlung hat noch einige Wendungen mehr, so dass mir erst nach ungefähr der Hälfte aufgefallen ist, dass ich gerade die Vorlage der "Taschendiebin" lese. Leider wird das Buch vor allem in Deutschland (allein dieser blöde Titel...) so als "Frauenbuch" vermarktet, aber es ist ein wirklich spannender, sehr finsterer Thriller. Selbst wenn man den Film kennt, lohnt sich die Lektüre.
Cool. Danke für den Tipp. Den film fand ich im Kino seinerzeit grandios.
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Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Golmo hat geschrieben: 3. Mai 2021, 14:37 Geht es hier nur um Film Reviews? Ich glaube hier gehen die Meinungen auch auseinander. Soll hier nicht ne lockere Diskussion und vielleicht Kurz-Fazite zu den zuletzt gesehenen Filmen gepostet werden?
Also zunächst einmal bin ich weder von The Pod noch Forenmoderator, also kann hier jeder schreiben, was er will. Ich fasse den Thread allerdings so auf. Natürlich muss man nicht stur Reviews posten und kann auch über diese diskutieren.

Die Tangente über die Produktion eines Films zu reden und was jetzt Werbung ist und was nicht, fand ich aber etwas ab vom Schuss. Genau dafür habe ich den anderen Film-Thread eröffnet.
Golmo hat geschrieben: 3. Mai 2021, 14:37 Du schreibst hier als einziger riesen Reviews die die ganze Seite einnehmen. Vielleicht kannst du dich auch auf ein Kurz Fazit konzentrieren und dann halt dein Letterbox verlinken? Ich persönlich finde das einfach viel zu unübersichtlich mit diesen ganzen Wall-of-Text von dir. Ich lese hier lieber mehrere Kurz Meinungen und Tipps anstatt 2 Seiten runter zu scrollen und ich hab nur die drei Reviews von einem User gesehen....
Wenn das hier mehrere stört, höre ich halt auf damit. Ich steck da sowieso zu viel Zeit rein dafür, dass ich das als Hobby mache.
Zuletzt geändert von Andreas29 am 3. Mai 2021, 15:04, insgesamt 1-mal geändert.
Sanity Assassin
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Sanity Assassin »

Andreas29 hat geschrieben: 3. Mai 2021, 14:56
Golmo hat geschrieben: 3. Mai 2021, 14:37 Du schreibst hier als einziger riesen Reviews die die ganze Seite einnehmen. Vielleicht kannst du dich auch auf ein Kurz Fazit konzentrieren und dann halt dein Letterbox verlinken? Ich persönlich finde das einfach viel zu unübersichtlich mit diesen ganzen Wall-of-Text von dir. Ich lese hier lieber mehrere Kurz Meinungen und Tipps anstatt 2 Seiten runter zu scrollen und ich hab nur die drei Reviews von einem User gesehen....
Wenn das hier mehrere stört, höre ich halt auf damit. Ich steck da sowieso zu viel Zeit rein dafür, dass ich das als Hobby mache.
Von mir aus bitte weitermachen, lese die Reviews immer sehr gern.
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Golmo
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Golmo »

Sanity Assassin hat geschrieben: 3. Mai 2021, 15:00
Andreas29 hat geschrieben: 3. Mai 2021, 14:56
Golmo hat geschrieben: 3. Mai 2021, 14:37 Du schreibst hier als einziger riesen Reviews die die ganze Seite einnehmen. Vielleicht kannst du dich auch auf ein Kurz Fazit konzentrieren und dann halt dein Letterbox verlinken? Ich persönlich finde das einfach viel zu unübersichtlich mit diesen ganzen Wall-of-Text von dir. Ich lese hier lieber mehrere Kurz Meinungen und Tipps anstatt 2 Seiten runter zu scrollen und ich hab nur die drei Reviews von einem User gesehen....
Wenn das hier mehrere stört, höre ich halt auf damit. Ich steck da sowieso zu viel Zeit rein dafür, dass ich das als Hobby mache.
Von mir aus bitte weitermachen, lese die Reviews immer sehr gern.

Keiner redet von aufhören, aber wie wärs mit ner komrpimierten Länge für Foren Threads + Link zu Letterbox wo das volle Review steht?
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Feamorn
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Feamorn »

Golmo hat geschrieben: 3. Mai 2021, 15:04
Sanity Assassin hat geschrieben: 3. Mai 2021, 15:00
Andreas29 hat geschrieben: 3. Mai 2021, 14:56

Wenn das hier mehrere stört, höre ich halt auf damit. Ich steck da sowieso zu viel Zeit rein dafür, dass ich das als Hobby mache.
Von mir aus bitte weitermachen, lese die Reviews immer sehr gern.

Keiner redet von aufhören, aber wie wärs mit ner komrpimierten Länge für Foren Threads + Link zu Letterbox wo das volle Review steht?
Öhm, bitte nicht?

Sind dir die einzelnen Beiträge von Andreas hier allen ernstes zu lang? Ich schätze das sehr, versuche ja selber, wenn ich mal wieder zum schauen komme. Immer ein paar Sätze zu schreiben, mal mehr, was weniger. Aber wenn das jetzt runter gekürzt wird, können wir auch zu Twitter umziehen...

Wer die Kommentare nicht lesen will, muss es ja nicht. Ich lese sie gerne.
Rince81
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Rince81 »

Andreas29 hat geschrieben: 3. Mai 2021, 14:56 Wenn das hier mehrere stört, höre ich halt auf damit. Ich steck da sowieso zu viel Zeit rein dafür, dass ich das als Hobby mache.
Nee, auch wenn ich im Regelfall nicht kommentiere und mich wunder, warum zum Geier du so lange Reviews schreibst, lese ich die gerne.
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Stew_TM
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Stew_TM »

Ich habe kürzlich zwei "Klassiker" gesehen. Irgendwie fühlt es sich für mich immer seltsam an, diese Filme zu schauen, zu denen man schon vorher vielfältige Bezüge hat, sei es nun aus der Popkultur oder anderen Gründen. Vielleicht liegt es an der Erwartungshaltung? Wobei mir beide Filme keineswegs schlecht gefallen haben, ganz im Gegenteil. Die Formulierung trifft es zwar nicht ganz genau, aber es ist für mich häufig kein so erfüllendes Erlebnis, wie wenn ich komplett naiv drangehe.

Papillon ist der erste der beiden. Von dem Film kannte ich bereits große Ausschnitte, habe ihn aber nie in seiner Gesamtheit vorne bis hinten gesehen. Außerdem ist mein Dad großer Fan, sowohl vom zugrundeliegenden Buch als auch vom Film, daher war ich auch ständig mit Referenzen von ihm in Berührung.
Papillon lebt von seinen intensiven Momenten, der ungewöhnlichen Inszenierung und der grandiosen schauspielerischen Leistung der beiden Hauptcharaktere. Es gibt zwar Szenen, bei denen man dem Werk sein Alter anmerkt, sowohl in technischer Hinsicht, als auch erzählerisch (der Abschnitt mit dem Indianerdorf fällt mir hier ein). Die haben mich zwar durchaus ein wenig rausgerissen, ich war aber trotzdem insgesamt immer voll dabei. Ich mochte sehr, wie viel Zeit sich der Film lässt, und wieviel Mut er auch hat, Steve McQueen komplett alleine in ruhigen Szenen zu inszenieren. Tolles Drama.

Ghost in the Shell ist der andere Film. Ich habe die Originalfassung von 1995 in der originalen deutschen Synchro gesehen (was im Nachhinein ein Fehler war, denn die ist gar nicht mal so gut). Es ist immer so eine Sache bei derart prägenden Filmen. Durch die vielen popkulturellen Berührungspunkte - nicht nur direkt mit dem Film, sondern auch mit von ihm beeinflussten Werken - hat manches heute einfach nicht mehr den gleichen Impact wie zum Erscheinungszeitpunkt.
Die Prämisse und auch das Worldbuilding mag ich sehr, der Film konnte mir zudem sehr effektiv ein Gefühl für Newport City vermitteln. Frage mich gerade, warum es davon keine Videospielumsetzung gibt. Die Ästhetik finde ich - für den großen Impact, den Ghost in the Shell hatte - generell immer noch erstaunlich einzigartig, bin aber auch nicht so sehr im Cyberpunk/Transhumanismus-Fandom drin. (Auch wenn es schon sehr lustig ist, wie direkt Matrix hier Stilelemente "entlehnt" hat :D )
Die durch die spannende Welt und die Erzählung aufgeworfenen Fragestellungen finde ich ebenfalls interessant. Auch wenn der Film sie an ein paar Stellen gefühlt doch etwas plump durch längere Monologe präsentiert, in vielen anderen Momenten stecken schöne Details. Seltsamerweise beschäftigt mich Ghost in the Shell momentan aber gedanklich nicht so sehr, wie ich das durch den Leumund im Vorfeld erwartet hätte. ^^ Für 1989 (das Erscheinungsjahr des Mangas) wirken viele Aspekte allerdings gefühlt erstaunlich fortschrittlich.

PS: Grandios finde ich übrigens das Making of, was auf meiner Blu-Ray enthalten ist. Da werden die Vorzüge der neuartigen digitalen Animeproduktion ggü. der analogen angepriesen. Und als der neuste heiße Scheiß sind dabei ständig Computer zu sehen, die halt so aussehen, wie sie 1995 aussahen. :D Total surreale Zeitreise. Passt auf der Metaebene vor allem fantastisch zum Film selbst.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Golmo hat geschrieben: 3. Mai 2021, 15:04 Keiner redet von aufhören, aber wie wärs mit ner komrpimierten Länge für Foren Threads + Link zu Letterbox wo das volle Review steht?
Nicht jeder nutzt Letterboxd und ob man die Review dann hier liest oder dort, ist doch Jacke wie Hose. Wenn man nicht so viele Follower hat, liest auf Letterboxd auch kein Schwein deutsche Reviews. Klar könnte ich die auf Englisch schreiben, aber das wäre - auch wenn ich die Sprache gut beherrsche - nicht auf dem Niveau eines Muttersprachlers.
So schlimm das hier zu scrollen ist es auch nicht. Und wie Du siehst, hat sonst anscheinend keiner ein Problem damit.
Rince81 hat geschrieben: 3. Mai 2021, 15:47 warum zum Geier du so lange Reviews schreibst, lese ich die gerne.
Die Frage habe ich mir auch gestellt. Mir reichte es irgendwann nicht mehr einfach nur Sternchen zu vergeben und ich wollte mich mehr mit den Filmen auseinandersetzen: Film gucken -> Einmal im Internet die Wertung einloggen -> Nächster Film... das fühlte sich irgendwann falsch an. Ich merke auch, dass sich oft meine initiale Wertung während des Schreibens noch verändert, weil ich mir so über vieles mehr bewusst werde, wenn ich es ausformuliere. Ich kann die Werke viel mehr wertschätzen bzw. vielleicht doch zu dem Schluss kommen, dass manches bei näherem Hinsehen doch nicht so toll ist.
Und natürlich hat man die Hoffnung anderen Perlen näher zu bringen, die man selber mag.
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LegendaryAndre
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von LegendaryAndre »

Die Länge von Andreas Rezensionen finde ich absolut in Ordnung, zumal die Qualität stimmt! Eine andere, allgemeine Lösung für längere Texte gäbe es dennoch, nämlich indem man das Fazit offen schreibt und den Haupttext in einen Spoiler packt und mit einer fetten Überschrift kennzeichnet. Allerdings würde ich das nur dann machen, wenn die Texte tatsächlich Überlänge haben, soll heißen klopapierlang. ;) Oder du eröffnest sogar einen eigenen Thread in dem man nur deine Filmrezensionen findet! Das würde ich auch begrüßen, weil ich dann alles auf einem Platz finden würde.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Zufällig habe ich auch vor Kurzem "The Handmaiden" geschaut ;)

The Handmaiden – Extended Version
2016; Regisseur: Park Chan-wook; DarstellerInnen: Kim Min-hee, Kim Tae-ri, Ha Jung-woo; Genre: Historiendrama

In den 1930er Jahren steht Korea unter dem Protektorat Japans. Die junge Frau Sooke fährt zu einem Anwesen. Dort soll sie das Dienstmädchen der Nichte eines Koreaners werden, der eine reiche Japanerin geheiratet hat. In seinem abgelegen und großem Haus er- und versteigert er europäische Bücher und hält Lesungen dieser ab. Sooke hat die verdeckte Aufgabe Hideko, die Nichte, so zu bearbeiten, dass sie dem japanischen Grafen Fujiwara verfällt. Dieser ist eigentlich ein koreanischer Bauerssohn und will an das Vermögen des Onkels, das rechtlich der Nichte gehört. Allerdings läuft nicht alles nach Plan...

Park Chan-wook ist mein Lieblingsregisseur - ohne jegliche Einschränkungen. Kein anderer außer vielleicht Kubrick, Tarkovsky oder mittlerweile auch Denis Villneuve hat so einen hochwertigen Track Record. Und zu dieser Riege darf er sich zählen. Mit Oldboy hat er einen der besten Filme aller Zeiten gemacht. Dieser gehört einer Trilogie an, in der "Sympathy for Mr. Vengance" und "Lady Vengance" dem Magnum Opus in wenig nachstehen. In "Joint Security Area" erzählt er einen berührenden und hochpolitischen Thriller über die Teilung seines Landes, testet in "I am a Cyborg but that's OK" die Grenzen der Skurrilität aus und trifft trotzdem mitten ins Herz, erzählt in "Thirst" ein packendes und innovatives Vampirdrama, in "Stoker" – seinem zugegeben schwächsten Film – tun sich menschliche Abgründe auf und die Ambivalenztoleranz wird auf die Probe gestellt. Dann kam das Historiendrama "The Handmaiden" und fiel gegenüber den genannten Werken in keiner Weise ab.
Wer Thema und Zeitepoche hört, mag gleich abwinken und an Schmalzopern wie "Legenden der Leidenschaft" denken. Aber Chan-wook wäre nicht er, würde er das nicht höchst unterhaltsam, spannend, mit viel Witz und irren Wendungen erzählen. Als ich hörte, dass es einen Extended Cut geben wird, der die Laufzeit von ca. 140 Minuten auf 160 Minuten erhöht, musste ich den natürlich haben. Und so war es dann auch endlich mal soweit. Gleich die erste positive Änderung zu meiner ersten Seherfahrung: Die Untertitel sind farbkodiert. Damals auf Amazon Prime gab es das nicht. Man muss wissen: Im Film wird koreanisch und japanisch gesprochen. Das ist nicht ganz unwichtig für die Geschichte und da sich die beiden Sprachen für deutsche Ohren so ähnlich anhören, habe ich das damals nur mitbekommen, wenn Charaktere darauf explizit ansprechen. Auf meiner englischen Blu-ray sind die Untertitel gelb, wenn japanisch gesprochen wird und weiß, wenn die Dialoge auf koreanisch stattfinden. In einer deutschen Synchronisation geht diese Ebene natürlich vollkommen verschütt und auch wenn das manche nicht gerne hören: Hier muss man dringend den O-Ton mit Untertiteln empfehlen. Ich war ja damals schon riesen Fan von "The Handmaiden" und daran konnte auch die längere Fassung nichts ändern. Die neuen Szenen bestehen vor allen Dingen aus zusätzlichen Einstellungen und Verlängerungen bestehender Szenen. Es gibt keine großen Veränderungen. Man hat einfach mehr Fleisch und das ist auch gut so, denn jede Minute mehr in diesem Werk ist eine gewonnene Minute.
Generell kann man die beiden Hauptdarstellerinnen nur loben. Kim Min-hee und Kim Tae-ri (auf Netflix in "Space Sweepers" zu sehen) haben eine fantastische Chemie. Leidenschaft, Verlangen, Romantik, Sinnlichkeit und Erotik bringen sie wunderbar auf den Punkt. Gerade letzteres wurde nicht nur in Korea heiß diskutiert. Es gibt eine ausschweifende und explizite Sexszene und auch das Ende ist in der Hinsicht ziemlich... eigenwillig. Der beliebte Vorwurf der "Herrenfantansie" stand im Raum. Für meine Begriffe wie so oft mal wieder Quatsch, denn die Szene hat einen Zweck und ist überaus ästhetisch inszeniert. So viel sehen, wie es einige Feuilletonisten anscheinend in ihrer Fantasie konnten, tut man auch nicht. Ganz im Gegenteil: Gerade mit geilen Böcken wird hier in der ein oder anderen Szene ziemlich abgerechnet. Es steht meiner Meinung nach auch außer Frage, dass es hier vor allem um weibliche Emanzipation geht und es eine klar feministische Botschaft gibt.
Was als nächstes ins Auge fällt ist das unfassbar hochwertige Szenenbild. Alles spielt in einem eher kleineren Rahmen, aber an den kristallklaren Bildern und bunten Farben, der traditionellen Ausstattung und Einrichtung, der Kleidung und den Kostümen kann man sich einfach nicht satt sehen. Eingefangen wieder einmal mit einer verspielten Kamera, die beweglich poetische und metaphorische Einstellungen im Minutentakt liefert.
Dazu gibt es messerscharfe und freche Dialoge, die vieles an diesem visuellen Dekorum konterkarieren.
Größtes Kapital des Streifens ist aber die Struktur der wendungsreichen Geschichte. Das konnte mich jetzt beim zweiten Mal nicht mehr so sehr überraschen, aber dafür konnte ich auf die ganzen Zahnrädchen achten, die ineinander greifen. Es gibt drei Akte, die auch wirklich mit Einblendungen getrennt werden. Der erste bietet schon Twists genug für einen ganzen Film, als der zweite Akt beginnt und den ersten aus anderer Perspektive erzählt. Das zieht alles komplett auf links und lässt alles in einem vollkommen anderen Licht erscheinen. Dann kommt der dritte Akt und setzt dem sehr spannungsgeladen das Sahnehäubchen auf. Es gibt – auch in der längeren Fassung – keine unnötige Szene, kein Gramm fett zuviel. Alles passt ineinander und erfüllt seinen Zweck. Wenn ich denn unbedingt kritteln muss, dann ist es, dass die Auflösung am Ende etwas zu einfach zu glatt läuft. Das ist aber nur ein wirklich ganz kleiner Kritikpunkt in einem sonst fast fehlerfreien Werk.
In Chan-wooks Vita ordnet sich "The Handmaiden" für mich auf dem zweiten Platz hinter "Oldboy" ein.

4,5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/the-handmaiden/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=vHOmrolJEiY

Und hier gibt es auch wieder die traurige Gewissheit, dass es vor "Parasite" schon massig koreanische Beiträge gab, die man mit Oscars hätte überhäufen müssen. "The Handmaiden" war im Jahr seines Erscheinens definitiv einer der besten Filme, wurde von der Academy aber nicht mal für den Auslandsoscar nominiert. Ich glaube Park Chan-wook war einfach etwas zu früh, denn jetzt scheint die Türe für asiatisches Kino auch in den USA weit offen zu stehen.


Ghibli der Woche:

Das wandelnde Schloss (Rewatch)
2004; Regisseur: Hayao Miyazaki; SprecherInnen: Chieko Baisho, Takuya Kimura, Akihiro Miwa; Genre: Anime

Die Hutmacherin Sophie trifft eines Tages zufällig auf den Magier Hauro, der mit einem riesigen Schloss durch die Lande reist. Eine böse Hexe, die sein Herz stehlen will, verzaubert sie daraufhin in eine alte Frau. Ihr ist es nicht möglich über den Fluch zu reden und um Hilfe zu bitten, also verlässt sie ihr Zuhause. Nach einiger Zeit trifft sie auf das wandelnde Schloss und heuert dort als Putzfrau an. Währenddessen tobt ein zerstörerischer Krieg im Land und Hauro wird zum König gerufen, möchte aber nicht darin verwickelt werden.

2004 gelang Studio Ghibli nach dem eher schwächeren "Das Königreich der Katzen" der nächste ganz große Wurf. Und hier kann ich mich nach meiner eher durchwachsenen und sicherlich kontroversen Meinung zu Chihiro wieder rehabilitieren, weil auch mir "Das wandelnde Schloss" sehr gut gefällt. Sophie ist für mich eine der besten Heldinnen, die Miyazaki je erfunden hat. Neben Nausicaä aus "Nausicaä aus dem Tal der Winde" ist sie sogar mein Liebling aus allen Ghibli-Filmen. Wie Sophie ihr Schicksal akzeptiert und nach ihrer Verwandlung sofort diese Sprüche bringt, die betagtere Menschen immer mal wieder von sich lassen ("Im Alter hat man es nicht leicht"), ist witzig und melancholisch zugleich. Aber sie lässt sich nicht hängen, ist nie passiv und treibt immer selbst die Handlung voran. So wird sie auch zu eine der emanzipiertesten Heldinnen des japanischen Animationsstudios.
Hauro ist auch ein sehr interessanter Charakter, den man nicht immer ganz greifen kann. Aber das meine ich durchaus positiv, weil ihn auch ständig eine gewisse Mystik umgibt. Er wirkt stark, aber auch sensibel; weise, aber auch naiv. Das ahnt man gar nicht, weil er zunächst wie ein ziemlich eindimensionaler Schönling wirkt.
Auch die Sidekicks sind echt super, weil sie zwar für die gewünschten Lacher sorgen, aber auch etwas hinter ihnen steckt. "Rübe", "Calcimero" und Markl habe ich jedenfalls sofort ins Herz geschlossen.
Da wir hier eine deutlich an europäische Märchen angelehnte und im 19. Jahrundert angesiedelte Welt haben, wirkt die Hexe als Antagonistin recht generisch. Aber ebenso wie Sophie keine in Märchen sonst übliche Damsel in Distress ist, wird mit der Hexe auch ganz anders verfahren als man denkt. Das kam – beim ersten Mal, ist ja ein Rewatch - schön überraschend. Das World Building gefällt mir sowieso sehr gut, weil es das Industrialisierungszeitalter, einen kleinen Schuss Steampunk und viele Märchenmotive, die man eigentlich im Mittelalter ansiedelt, vermischt. Das Setting erinnert stark an "Das Schloss im Himmel", der einer meiner liebsten Vertreter des Studios ist. Dass dieser tobende Krieg nicht weiter beleuchtet wird, hat mich auch nicht gestört. Denn um den geht es nicht. Man nimmt auch keine Seite ein. Und das wird von Hauro selbst benannt, denn es ist egal von wem das Kampfschiff ist, das gerade etwas zerstört. Denn die Zerstörung ist so oder so schlimm.
Wie man auf Wikipedia lesen kann und wo ich nicht selbst die Verbindung sofort herstellen konnte: Der Pazifist Miyazaki wollte wohl Parallelen zum Irakkrieg herstellen.
Da wir hier offensichtlich in einer Märchenwelt sind, verzeiht man auch das typische und wirklich wahnsinnig abgestandene Trope, dass nur wahre Liebe einen Fluch brechen kann und das etwas sehr hingebogene Happy End. Ich will nicht spoilern, aber warum da besonders in einer Hinsicht auf einmal Friede, Freude, Eierkuchen sein soll, habe ich nie ganz verstanden.
Bei Steampunk wären wir auch schon beim eigentlichen Star des Films: Das wandelnde Schloss. Das sieht nicht nur wie der Rest fantastisch aus, sondern bringt durch diese Teleportationsfunktion der Tür ordentlich Dynamik in die Story. Unsere Hauptprotagonisten können mit einem Fingerschnipsen ständig an anderen Orten sein. Ganz davon ab ist das auch einfach eine sehr coole Idee, die Hauro nachvollziehbar nutzt.
Mein größter Kritikpunkt ist, dass die Laufzeit zu lang ist und sich immer mal wieder Szenen etwas zu lang ziehen. Im letzten Drittel habe ich jetzt auch beim zweiten Mal etwas den Faden verloren, weil es dann doch sehr flott und sprunghaft geht.
Alles in allem aber eine wunderbare Erfahrung und bisher in meinen Top5 der Ghiblis. Sechs sind noch offen.

4 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/howls-moving-castle/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=j9JPu_XUa10

Nächste Woche kommen die "Chroniken vom Erdsee" dran. Das mit Sicherheit unbeliebteste Werk des Studios, das im Jahr seines Erscheinens sogar die "Goldene Himbeere" als schlechtester Film bekam. Ich bin sehr gespannt, ob das wirklich so eine Katastrophe ist oder damals nur die Erwartungshaltungen zu hoch waren.
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Dr. Zoidberg [np] »

Andreas29 hat geschrieben: 30. Apr 2021, 16:41 Låt den rätte komma in (So finster die Nacht)
2008; Regisseur: Tomas Alfredson; SchauspielerInnen: Kåre Hedebrant, Lina Leandersson, Per Ragnar; Genre: Mysterydrama
Den habe ich tatsächlich seinerzeit im Kino gesehen :D Der Saal war allerdings so klein, dass mein damaliger Chef, der mit dabei war und der sich zu der Zeit bereits ein HD-Heimkino mit Leinwand aufgebaut hatte nur meinte: "Das ist ja kleiner als mein Wohnzimmer!" :lol:

Toller Film, bei dem ich tatsächlich eher Angst vor der US-Version habe
"I'm still tired from all the crossfit this morning" - "It's pronounced croissant and you ate 4 of them"
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Antichrist (Rewatch)
2009; Regisseur: Lars von Trier; SchauspielerInnen: Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe; Genre: Drama

Während ein Pärchen leidenschaftlichen Sex hat, klettert ihr Kind aus dem Bett und macht sich auf dem Weg zu einem offen stehenden Fenster. Es kommt wie es kommen muss und der Junge fällt in den Tod. Auf der Beerdigung bricht die Mutter zusammen und muss ins Krankenhaus. Sie kommt mit der Trauer durch den Verlust ihres Kindes überhaupt nicht zurecht - auch nach Wochen. Der Mann, der selber Psychotherapeut ist, ist mit der Behandlung der Frau unzufrieden und beschließt sie selbst zu therapieren. Für eine Konfrontationstherapie gehen sie in ihre Waldhütte, wo die Mutter den letzten Sommer mit ihrem Sohn verbracht hat.

Mal wieder ein mieser Film von Lars von Trier. Nicht mies aus qualitativer Sicht, sondern aus emotionaler und menschlicher. Ich kann hier vieles von dem wiederholen, was ich bereits vor ein paar Wochen zu "Dancer in the Dark" geschrieben habe: Er ist einfach ein Pessimist und konzentriert sich in seiner Arbeit stets auf die schlechten und schattigen Seiten des Lebens. Hier also nun Verlust und Trauer.
"Antichrist" war ein ziemlicher Skandalfilm als er 2009 der Fachpresse vorgestellt wurde. Denn er schreckt nicht vor sehr expliziter Nacktheit und sehr unangenehmer Gewalt zurück. In Cannes haben mal wieder einige Journalisten den Saal verlassen, was von Trier sicherlich erneut eher als Ritterschlag empfunden hat. Ich weiß nicht, ob ich mittlerweile einfach zu abgehärtet bin, aber ich muss sagen, dass ich das in einen Rahmen empfunden habe, der gut ertragbar war. Für den Durchschnittszuschauer mag das jedoch schon eine gewisse Zumutung sein. Und so gab es im Jahr seines Erscheinens immer wieder Berichte, dass Zuschauer aus dem Kino gerannt wären. Meine Frage ist da wie immer, ob man sich auch als normaler Kinozuschauer nicht wenigstens etwas über den Film – z.B. einen Trailer – und das bisherige Werk des Regisseurs informieren kann.
Wen man als erstes Loben muss, wenn es um "Antichrist" geht, sind Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe. Der Schmerz, die Verzweiflung und die Wut der Frau und der Versuch des Ehemanns wieder Lebensfreude bei ihr zu wecken und zu helfen, ist alles auf den Punkt gespielt. Willem Dafoe war und ist immer einer meiner Lieblingsschauspieler gewesen und das, was er hier mit seiner weiblichen Drehpartnerin abliefert, ist echt klasse. Und das muss es auch sein, denn es wird sich nur auf sie konzentriert. Wie in Lars von Triers späteren Werk "Nymphomaniac" haben hier übrigens Bodydouble die sehr expliziten Aufnahmen gespielt. Besonders Charlotte Gainsbourg ist an einigen stellen aber trotzdem sehr mutig.
Abseits der Schockszenen ist das sehr ruhig und spröde und besteht quasi nur aus Dialogen. Man muss sich da nichts vormachen und auch nichts anderes erwarten: Der Streifen spielt zu 80% in und um einer Hütte im Wald und dort reden zwei Menschen miteinander oder laufen bedeutungsschwanger umher. Dafür muss man offen sein.
Allerdings wird das immer ganz punktuell angereichert mit sehr symbolischen, metaphorischen und manchmal surrealen Motiven und das erzeugt eine ziemlich aufgeladene und unangenehme Atmosphäre, die verbildlichen soll, dass wir hier eine Liebe und Beziehung sehen, die durch eine Tragödie zutiefst erschüttert wird.
Wie der Titel schon verrät, gibt es hier allerlei religiöse Bezüge. Auch hier muss ich wieder den Disclaimer machen, dass ich absolut nicht bibelfest bin und ich bei solchen Filmen immer Angst habe einige Aussagen in dieser Richtung zu verpassen. Aber man kann vieles trotzdem aus dem Kontext erschließen, auch wenn man nicht sonntags brav in die Kirche geht.
WAS "Antichrist" nun letztlich Aussagen will ist schwer zu beschreiben. Man würde zuviel vorwegnehmen, denn das kann einen durchaus überraschen, wenn man vorher nicht weiß in welche Richtung es geht.
Was man allgemein sagen kann ist, dass es um die Conditio humana geht... oder besser gesagt um die der Frau an sich. Dass das mit Lars von Trier ein männlicher Regisseur macht, wurde ihm teilweise übel genommen. Einige KritikerInnen halten das für frauenfeindlich. Und ich verstehe auch, warum man darauf kommen kann. Persönlich finde ich aber, dass man dem Werk ein bisschen auf den Leim geht, da es einen zur Überinterpretation anregt. Ich glaube gar nicht, dass hier so allgemeine Aussagen getroffen werden sollen, sondern es vor allem darum geht, wie der Mensch in Extremsituationen handelt: Um Rationalität vs. Irrationalität in diesem Moment, um Aggression, Sex und Gewalt als Ventil und Selbstbestrafung.
Es ist irgendwie schwer echte Kritikpunkte zu finden. Der Film ist – wenn man auf diese Art steht – ziemlich gut. Das, was er machen und erreichen will, tut er. Nur mich konnte er irgendwie emotional nicht ganz erreichen. Ich habe keine Kinder und vielleicht liegt es daran. Väter und Mütter habe ich schon sagen hören, dass sie "Antichrist" nicht ertragen können. Außerdem bin ich der Meinung, dass es bessere Werke über Trauer und Verlust gibt, beispielsweise "Manchester by the Sea", "A Single Man", "Three Billboars outside Ebbing Missouri" oder auch "Midsommar". Klar, "Antichrist" ist böser, sperriger, schonungsloser und konsequenter; die anderen Vertreter sind für meine Begriffe allerdings pointierter. Und ich reagiere halt nicht so stark auf die Schockszenen, was für viele Fans von Lars von Trier auch ein Qualitätsmerkmal ist - hier für mich eben nicht.
Also wer sich mal etwas runterziehen will, das sehr kompetent geschauspielert dargeboten bekommen möchte und kein Problem mit nackter Haut, Gewalt und Leid hat, der darf gerne zuschlagen.

3,5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/antichrist/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=ftsx69_jrwk
Zuletzt geändert von Andreas29 am 5. Mai 2021, 17:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Heretic »

Ich rekapituliere mal meine inzwischen 11 Jahre alten ( :shock: ) Ansichten zum Film aus einem anderen Forum:

"Antichrist" ist ein bedrückend derbes Kammerspiel, in das sich verdammt viel hineininterpretieren lässt. Verlustangst, Unterdrückung, Geschlechterrollen, das Wesen der Natur bis hin zum Hexenwahn - all das kann man in den düsteren, aber zu jeder Zeit visuell beeindruckenden Bildern entdecken. Dieser Film ist ein verdammt harter Brocken, selbst für von Triers Verhältnisse. [...] Ein Film, der auf Nachvollziehbarkeit scheißt ('tschuldigung :D). Es geht vielmehr ums große Ganze: Machtspielchen zwischen Mann und Frau, die Grausamkeit der Natur, die Abwesenheit von Gott in derselben - man kann so vieles in diesen Film hineininterpretieren, dass es eine wahre Freude ist. Chaos reigns!

Mein Hauptkritikpunkt wäre, dass es von Trier mit der Symbolik teilweise auf die Spitze treibt. Aber sie passt irgendwie zu diesem auf Film gebannten Tritt in die Kauleiste. "Antichrist" hätte wohl auch ohne die Gewaltspitzen funktioniert, aber ich finde es gut, dass von Trier seine Zuschauer nicht schont und die volle Härte auffährt, die seiner Meinung nach notwendig ist. Ich denke jedenfalls nicht, dass er es aus purer Lust an der Provokation tut.
Andreas29

Re: Welche Filme habt ihr zuletzt geschaut?

Beitrag von Andreas29 »

Moebius
2013; Regisseur: Kim Ki-duk; DarstellerInnen: Cho Jae-hyun, Lee Na-ra, Kim Jae-hong; Genre: Drama

Ein Mann betrügt seine Frau mit der Verkäuferin eines kleinen Kiosks, was diese jedoch leider mitbekommt. In ihrer Wut will sie ihrem Mann das Gemächt abschneiden, dem es aber gelingt das abzuwenden. Dann geht sie eben zum gemeinsamen Sohn und schneidet diesem den Penis ab, kaut auf diesen ein bisschen rum und nimmt danach Reißaus. Vater und Sohn müssen alleine mit den Folgen leben...

Und ja meine Damen und Herren: Das passiert in den ersten 10 Minuten und ist bei weitem nicht das Verrückteste, was in diesem Film passiert. Aber zunächst einmal generell: Nachdem ich die essentiellen Werke von Park Chan-wook und Bong Joon-ho gesehen habe, war ich gespannt darauf, was es denn sonst noch so alles aus Südkorea gibt. Hier im Forum wurde dann ja der im Dezember letzten Jahres an Corona verstorbene Kim Ki-duk genannt und ich habe gleich mal seine Werke recherchiert. Drei sind auf der Streamingseite "Mubi" zu finden – nein, ich bekomme wirklich kein Geld dafür – verfügbar und so habe ich gleich mal zugeschlagen und mit "Moebius" begonnen. Und damit gleich mal ein Werk ausgesucht, das wahnsinnig schwer zu rezensieren ist, denn alles was es ausmacht ist die Überraschung wie abgefahren und weit man es im Verlauf so treibt. Man kann schwammig sagen, dass das ein Werk der Grenzüberschreitung ist. Es ist sehr provokant und ich kann mir gut vorstellen, dass das einer dieser 50/50-Filme ist: Entweder du liebst ihn oder hältst ihn für totalen Müll. Die Spreu wird sich alleine schon vom Weizen trennen, weil hier kein einziges Wort gesagt wird. Die Schauspieler bleiben komplett stumm. Das ist durchaus interessant, denn manchmal hat man das Gefühl, dass jetzt etwas gesagt werden muss, aber es kommt einfach nichts. Andere Male hat man das Gefühl, dass um die Dialoge herumgeschnitten wird. "Moebius" meistert dabei, dass man trotzdem alles versteht. Das hat man vor allem den ausdrucksstarken Schauspielern zu verdanken. Natürlich ist der ein oder andere Gesichtsausdruck oder die ein oder andere Geste mal etwas sehr deutlich wie in einem Theaterstück, aber diesen Kompromiss muss man wohl eingehen. Hinter die Intention des Ganzen bin ich nicht ganz gestiegen. Vielleicht ist es nur ein Gimmick um möglichst künstlerisch zu wirken; vielleicht spiegelt es die Sprachlosigkeit der Zuseher ob der gezeigten Ereignisse wieder; vielleicht die der Protagonisten selbst; vielleicht will es aufzeigen, dass diese dysfunktionale Familie und Menschen allgemein zu wenig über ihre Probleme reden. Oder aber auch, dass man über die Dinge, die im Streifen (besonders im sexuellen Bereich) passieren eben nicht spricht - nicht mal in der Familie.
Diese Frage, ob man wirklich einen tieferen Sinn erkennen soll oder hier einfach nur mal jemand richtig freidrehen wollte, stellt man sich auch bei der Handlung. Wie ich bereits erwähnt habe, will ich hier nichts verraten. Wenn dann nur, dass es auch im weiteren gesamten Film um den Phallus geht. Natürlich kann man da etwas interpretieren, wenn man will: Es geht um Treue, Eifersucht, Familie, Rache, Schuld, Verantwortung - aber auch um Lust und Befriedigung. Und eben die heikle Vermischung davon. Wenn man ganz tief bohrt, kann man sogar Identitätsfragen verhandelt sehen. Aber das eben unter einer Oberfläche, die man auch genauso als absoluter Quatsch ohne große Hintergedanken sehen kann, der selbstzweckhaft und zur reinen Provokation möglichst krass ist.
Man muss dabei auch mehrfach seine Suspension of Disbelief bemühen, weil manche Dinge für so ein eher ernstes Drama dann doch so absurd und unrealistisch sind. Es entsteht irgendwie eine eigenartige Dissonanz. Zum einen geht es hier um richtig harte Themen und die Story ist ganz von oben betrachtet wirklich harter Tobak. Aber die Inszenierung ist teilweise so absurd, dass es schwer fällt das ernst zu nehmen. Irgendwie hat das so ein ganz unangenehmes Gefühl, das ich durchaus zu schätzen weiß, weil es mutig ist sowas dem Publikum zuzutrauen.
Und da muss ich auch gleich meine These vom 50/50-Film für mich selbst jedenfalls wieder einkassieren. Ich weiß "Moebius" durchaus einfach dafür zu schätzen, was man sich hier so alles traut. Solche Streifen haben immer einen Stein bei mir im Brett. Ob da so viel dahinter steckt, finde ich weniger zwingend und wenn es das tut, ist das für mich nicht klar genug herausgearbeitet. So liege ich bei der Bewertung irgendwo in der Mitte.
Wer Fan des abseitigen Kinos und der Grenzüberschreitung ist, sollte zuschlagen. Alle anderen müssen Vorsicht walten lassen.

Das war er also: Mein erster Kontakt mit Kim Ki-duk. Nach allem was ich so lese, ist "Moebius" ziemlich repräsentativ und dieser Regisseur drehte, wie man ja leider mittlerweile sagen muss, ziemlich gerne mal ab.

3 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/moebius-2013/
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=Sdv3qjz2i7s

Das ist übrigens quasi schon eine entschärfte Version, denn um in Südkorea eine Freigabe zu erhalten gab es einen echten Kampf und man musste mehrfach zur Prüfung eingereicht werden.
Achtung Spoiler: https://variety.com/2013/film/asia/kim- ... 200595255/
Die komplett ungeschnittene Fassung wurde nur einmal bei den Filmfestspielen in Venedig aufgeführt.
Das habe ich übrigens nur nachrecherchiert, weil man meines Erachtens nach Schnitte erkennt. Da hatte ich Uncut-Verfechter natürlich Angst eine geschnittene Version gesehen zu haben. Aber wie sich herausstellt, war das die längste verfügbare Fassung. Einen Directors Cut hätte Kim Ki-duk aber wenigstens für den amerikanischen oder europäischen Markt herausbringen können... wenn man es sich schon geben will, dann richtig :-D
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