Vinter hat geschrieben: ↑8. Okt 2021, 21:10
Das die Union, wenn ihr die Machtoptionen ausgehen kaum noch Scheu haben wird, mit der AfD ins Bett zu steigen, sieht man im Osten, wo bereits jetzt vor jeder Landtagswahl entsprechende Stimmen laut werden. Je länger die Union nicht regiert, desto lauter werden diese Stimmen werden. Auch im Bund.
Hier muss ich mal intervenieren:
Michael Kretschmer ist eine Koalition mit den, in der sächsischen CDU geradezu verhassten, Grünen eingegangen - nur um nicht mit der AfD auch nur zu reden. Die sächsischen Grünen sind auch nicht mit der Bundes-Grünen zu vergleichen. Da sind Leute wie Jürgen Kassek in Leipzig, der fleißig als Anwalt irgendwelche Connewitzer Autonome vor Gericht vertritt, wenn die mal wieder Ärger mit der Polizei haben. Und auch sonst jegliche Gewaltausschreitung seitens jener Autonomen fleißig verharmlost und relativiert. Die sächsischen Grünen sind sehr viel linker und radikaler als die sächsischen Linken.
Mit so einer Partei ist die sächsische CDU ins Bett gegangen um die AfD auf der Landesebene zu verhindern. Und sie regieren sogar ziemlich geräuschlos. Und Kretschmer ist ein recht beliebter Ministerpräsident, siehe auch die letzten Wahlumfragen wo die CDU an die 40% kratzt und auf landesebene die AfD weit hinter sich lässt.
Hier mal zwei Grafiken des Sachsentrend von August des MDR:
Übrigens ist der Trend der Umfrage recht nah an dem letztlichen Ergebnis für Sachsen in der BTW.
Das zeigt sehr schön die Stimmung hier im Land: Die Stammwählerschaft der AfD liegt bei rund 20%. Das heißt, dass auch in Sachsen rund 80% nicht von der AfD regiert werden wollen. Die haben hier auch noch nie eine Kommunalwahl gewonnen und stellen auch nirgendwo einen Bürgermeister. Dirk Neubauer, Bürgermeister von Augustusburg, hat das letztens auf Facebook mal schön zusammengefasst: "Für den Bund wählen die Sachsen Protest. Aber von der AfD regiert werden? Das will dann doch nur eine Minderheit."
Insofern würde man auch in Sachsen die Wähler verschrecken, wenn man nun plötzlich seitens der CDU Avancen an die AfD senden würde. Es würde auch wirklich nicht zu Kretschmers Politik der letzten Jahre passen.
Gleichzeitig zeigen eben die ostdeutschen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer in Sachsen wie auch Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt der Bundes-CDU wie man es macht: volksnah sein, die Sprache der einfachen Menschen sprechen und auf inhaltlicher Ebene nicht abgehoben wirken. Damit hat Haseloff bei der LTW dieses Jahr 37,1% geholt! Und auch die Umfragen in Sachsen sehen die CDU in diesem Bereich.
Nun kann ich dir nicht sagen was Haseloff in seinem Bundesland macht, da ich dort nicht lebe. Aber ich kann Dir sagen was Kretschmer in Sachsen macht: Der geht dorthin wo es weh tut. Auch nachdem er 2019 die LTW gewonnen hat, geht er unaufhörlich und sehr regelmäßig in die kleinen Kuhkäffer von denen vorher noch keine Sau gehört hat und macht dort Bürgergespräche. Der stellt sich dort hin und hört sich das an was die Bürger und die Vereine vor Ort zu sagen haben. Da geht es ganz häufig nicht um die Bundespolitik oder Landespolitik, sondern häufig um die kleine Kommunalpolitik. Er ist in seinem ganzen Auftreten und in seiner Sprache sehr verbindend statt trennend. Und überhaupt nicht abgehoben wie seine Vorgänger. Und das krasse ist halt: Du kannst da als 08/15-Bürger wirklich hin, einfach so. Der ist auch nach so ner Veranstaltung weiter da und redet mit dem wer will.
Aber vor allem: Inhaltlich stellt Kretschmer alte christsoziale Werte in den Vordergrund. Also er beschwört nicht den kalten Neoliberalismus, sondern eher das was die CDU in der BRD in den 50ern und 60ern groß gemacht hat. Werte die auf der einen Seite die Freiheit betonen, auf der anderen Seite das Soziale aber nicht vernachlässigen.
Und all das macht den Kretschmer hier so beliebt. Und das kann man auch auf den Bund übertragen. Die CDU muss in Zukunft weg vom Neoliberalismus der letzten 40 Jahre. Also eben nicht den Merz-Weg gehen. Sondern die CDU muss wieder zu einer konservativen und christsozialen Partei werden. Auch nach außen wahrnehmbar. Ich sehe da Themenbereiche wie Pflege und Gesundheit beispielsweise. Gerade in der CDA, dem Sozialflügel der CDU, gibt es gute (bisher unbekannte) Leute, die nachrücken können. Und die Konservatismus mit christsozialen Werten verbinden können.
Hier kann man vom Erfolg der Ost-Ministerpräsidenten für den Bund lernen. Und das heißt eben nicht noch radikaler und noch krasser zu werden. Ganz im Gegenteil. Übrigens sind die "Stimmen", die in den Ostverbänden für eine Zusammenarbeit mit der AfD werben, schlicht und einfach unrelevant, da das immer irgendwelche Hinterbänkler sind. Wird gerne in den Medien hochgejazzt, aber siehe Haselhoff und Kretschmer: Wenn die wöllten, hätten die schon lange mit der AfD was machen können. Haben sie nicht und werden sie nicht.
Wie gesagt: Die CDU wird die nächsten Jahre nen Richtungsstreit haben, wie es auch die SPD in den letzten Jahren hatte. Und will sie in Zukunft erfolgreich sein, muss sie wieder christlicher und sozialer werden. Nahbarer werden. Das Personal dazu haben die auch. Eine Radikalisierung der CDU halte ich für ausgeschlossen. Dafür ist beispielsweise der CDA-Flügel zu stark innerhalb der Partei.