GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

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Raptor 2101
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Raptor 2101 »

bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 10:03 Und das ist jetzt mal eines der Argumente die ich vormals mit Kontext meinte, und warum sowohl timing als auch Intensität des bahnstreiks kurzsichtig, egoistisch und unmoralisch sind. Wenn die Bahn irgendwann mal das Verkehrsmittel der Wahl werden soll, ist das aktuelle Geschehen für dieses Verkehrsmittel ein PR Gau. Das vor dem Hintergrund, dass die Bahn eh schon alltagssalopp nicht als zuverlässig gilt. Und ja, die Beschäftigten sitzen da genau so mit im Boot wie die renitente führungsebene.
Ich denke du bellst den falschen Baum an. Die Moralfrage stellt sich nicht. Die GDL is qua "Tarifeinheitsgesetzt" gezwungen so hart und Egoistisch wie möglich zu agieren. Kann sie keinen signifikanten Vorteil heraushandeln, ist sie obsolet (Gesetzestext hatte ich hier schon mal zitiert). Das kann man als Betroffener (zu recht) schlecht finden, aber den Unmut sollte man da Abladen wo er hingehört: Bahn AG und Politik. Es gibt Lösungen für alle von der GDL angemahnten Probleme, man wollte sie halt nur nie Lösen (oder hat es gar nicht als Problem begriffen).

Und wenn die Bahn (und ihre Mitarbeiter) für diese Gesellschaft und den Klimawandel so wichtig sind, warum sieht der von der EVG ausgehandelte Tarifvertrag eine Gehaltserhöhungen unter Inflationsausgleich vor (was defacto eine Gehaltskürzung bedeutet)
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bluttrinker13
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von bluttrinker13 »

Gegenfrage: Warum treten dann nicht alle die es können aus der EVG aus und in die GDL ein, die deutlich mehr als 1.9% herausgeholt hat, oder wirken darauf hin dass das die Linie der EVG sein muss bzw jagen ihren Vorsitz zum Teufel?

Und aktuell verhandelt die GDL nicht, sie streikt.

Im übrigen sehe ich natürlich die Politik und die Bahnführung in der Verantwortung. Verstaatlichte Bahn mit verbeamtetem Personal wäre genau die sichere Grundlage die eine mobilitätswende braucht.
Aber ich sehe halt auch noch keinerlei kausalen Pfad vom jetzigen Streik und seinen negativen Auswirkungen auf die allgemeine Bevölkerung zu diesen Entscheidungsträgern, denen es bisher offenkundig vollkommen egal ist. Ist ja nicht mal Thema im Wahlkampf oä. Es bleibt daher erst mal mE beim kunden liegen alles, wie immer. Und das ist in der aktuellen Situation unverantwortlich.
Raptor 2101
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Raptor 2101 »

bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 11:48 Gegenfrage: Warum treten dann nicht alle die es können aus der EVG aus und in die GDL ein, die deutlich mehr als 1.9% herausgeholt hat, oder wirken darauf hin dass das die Linie der EVG sein muss bzw jagen ihren Vorsitz zum Teufel?
Das kannst du zb. Seil fragen, so wie der Geschrieben hat, macht der genau das. Aber das ist eine Frage die du an die EVGler stellen musst.
bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 11:48 Und aktuell verhandelt die GDL nicht, sie streikt.
Wenn du die GDL und Bahn-Verlautbarungen ließt, gab es Verhandlungen, die waren wohl nicht zufriedenstellend...
bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 11:48 Es bleibt daher erst mal mE beim kunden liegen alles, wie immer. Und das ist in der aktuellen Situation unverantwortlich.
Das ist die Essenz eines Streiks. Wenn du nur streiken kannst, wenn niemanden davon betroffen ist, dann kannst du dir das Streiken auch sparen. In meiner Branche ist das zb so. Immer dann wenn wir (über den Kunden) richtig Druck aufbauen könnten, kommt ein "unverhältnismäßige wirtschaftliche Härte"-Argument und der Streik ist beendet. Konsequenz ist: bei uns wird durch Kündigung gestreikt... ist auch irgendwie nicht im Sinne des Kunden... (vor allem wenn du es auf die Lokführer überträgst)
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bluttrinker13
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von bluttrinker13 »

Dann kommen wir da aktuell nicht zusammen, raptor. Das Beeinträchtigung die Essenz eines Streiks ist, ist mir klar. Nur ist sie in diesem Fall und in dem aktuellen Kontext mit Pandemie etc mE nicht gerechtfertigt. Das ist gerade mein Punkt.

Und wie viele Lokführer kündigen denn? Gibt es da eine signifikante Abwanderung?
Falls nein, fehlt ein weiterer Grund zur legitimierung. Der im übrigen beim Streik der pflegekräfte gegeben ist (aktuell vivantes / Charité, weitet sich aber aus). Deren Streik ist noch viel heikler hinsichtlich der Beeinträchtigungen (Gesundheit und Menschenleben) , aber auch viel legitimer da da mE eine erkennbare Notlage im Personal vorhanden ist die so verzweifelte massnahmen rechtfertigt. Es fällt mir schwer, auch nur ansatzweise eine ähnliche Notlage oder Druck durch die notwendige Aufrechterhaltung gesellschaftlichen funktionierens bei den Lokführern zu erkennen.
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Raptor 2101 »

bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 12:52 Dann kommen wir da aktuell nicht zusammen, raptor. Das Beeinträchtigung die Essenz eines Streiks ist, ist mir klar. Nur ist sie in diesem Fall und in dem aktuellen Kontext mit Pandemie etc mE nicht gerechtfertigt. Das ist gerade mein Punkt.
Dem stimme ich zu. Du argumentierst moralisch. Ich über das Recht. Es gibt im Streikrecht die Abwägung ob ein Streik "gerechtfertigt" ist. Ein Streik kann von den Gerichten aufgrund von Unverhältnismäßigkeit untersagt werden. (Was bei den Fluglotsen passiert ist). Es steht der Bahn frei, diesen Weg zu beschreiten...
bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 12:52 Und wie viele Lokführer kündigen denn? Gibt es da eine signifikante Abwanderung? Falls nein, fehlt ein weiterer Grund zur legitimierung.
Ich habe nicht gesagt, dass sie das machen noch hab ich darauf eine Legitimierung aufgebaut. Ich habe nur beschrieben, was in meiner Branche passiert und hab eine Extrapolation auf die Bahner angeboten. Ich habe schon mal mit einem Kunden zusammengearbeitet, dessen Lieferant die komplette Belegschaft gekündigt hat (ausgehend von der Belegschaft, die haben in einem 2-Monatsfenster geschlossen die Arbeit niederlegt). Die hätten sich über seinen Zeitlich befristeten Streik gefreut ... :ugly:
bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 12:52 Der im übrigen beim Streik der pflegekräfte gegeben ist (aktuell vivantes / Charité, weitet sich aber aus). Deren Streik ist noch viel heikler hinsichtlich der Beeinträchtigungen (Gesundheit und Menschenleben) , aber auch viel legitimer da da mE eine erkennbare Notlage im Personal vorhanden ist die so verzweifelte massnahmen rechtfertigt. Es fällt mir schwer, auch nur ansatzweise eine ähnliche Notlage oder Druck durch die notwendige Aufrechterhaltung gesellschaftlichen funktionierens bei den Lokführern zu erkennen.
Wer legt den Fest, wann "verzweifelte massnahmen" gerechtfertigt sind? Das muss doch jeder Arbeitnehmer für sich selbst entscheiden. Anders ausgedrückt: Dem Rest der Bevölkerung sind 99.99% der Zeit die Arbeitsbedingungen der Bahner, Logistiker Pflegekräfte relativ egal, während eines Streiks sollen diese Arbeitsgruppen jetzt Rücksicht auf eben diese Bevölkerung nehmen?
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bluttrinker13
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von bluttrinker13 »

Wollte auch nicht behaupten das du das aus den Kündigungen aufgebaut hast, sondern nur dein Argument aufgreifen, dass Kündigungen hier eine interessante und relevante variable darstellen und einen Indikator, gerade weil sie die Alternative zu Streik sind. Und im Hinblick auf die Bewertung von verzweiflung und Rechtfertigung ist sie sogar ein guter Indikator, führen die Pflegekräfte doch selbst die hohe Abwanderung explizit als Grund für Streikbedarf an (und ich finde das nachvollziehbar). Oder um zu zitieren: "Wir müssen jetzt streiken sonst ist bald keiner mehr da, der überhaupt noch was fordern könnte" (basierend auf RBB Interview).

Und ja, ich argumentiere hier moralisch, ist mir klar.

Edit: Sry, schreibe auf dem Handy, da unterwegs, deshalb keine vernünftigen zitationen von mir.

Edit 2: ja, die frage nach der Abwanderung würde mich auch ehrlich interessieren, schließlich verfüge ich über keine verlässlichen daten hierfür. Allein aus den Medien hört man zumindest nichts, im Gegensatz zu pflegekräften bspw.
Zuletzt geändert von bluttrinker13 am 31. Aug 2021, 13:35, insgesamt 2-mal geändert.
Raptor 2101
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Raptor 2101 »

bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 13:22 Wollte auch nicht behaupten das du das aus den Kündigungen aufgebaut hast, sondern nur dein Argument aufgreifen, dass Kündigungen hier eine interessante und relevante variable darstellen und einen Indikator, gerade weil sie die Alternative zu Streik sind. Und im Hinblick auf die Bewertung von verzweiflung und Rechtfertigung ist sie sogar ein guter Indikator, führen die Pflegekräfte doch selbst die hohe Abwanderung explizit als Grund für Streikbedarf an (und ich finde das nachvollziehbar). Oder um zu zitieren: "Wir müssen jetzt streiken sonst ist bald keiner mehr da, der überhaupt noch was fordern könnte" (basierend auf RBB Interview).
Dan richten wir die Frage doch an Siel (als Betroffenen): Wie schaut es bei euch mit Abwanderung aus? Verkleinert sich die Belegschaft oder kann sie stabil gehalten werden?
bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 13:22 Und ja, ich argumentiere hier moralisch, ist mir klar.
In diesem sinne: I agree to disagree
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Andre Peschke
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Andre Peschke »

Rince81 hat geschrieben: 31. Aug 2021, 01:36 Der Bluttrinker hat schon auf der letzten Seite geschrieben, dass er das nicht so geil findet, ist also explizit keine Nimby Meinung.
War nur eine humorige Beschreibung meiner Umstände. Ich war (und bin) hier Team Lokführer, aber ich werde nun vermutlich diese Medizin selbst zu schmecken bekommen. Was mich schon nicht glücklich macht. Ich finde, sie könnten für mich ne Ausnahme machen, weil ich doch Supporter bin! :D

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Leonard Zelig
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Leonard Zelig »

Am Sonntag nach anderthalb Jahren mal wieder ein Ticket für den Fernverkehr gekauft, weil ich nur nächstes Wochenende Zeit habe meinen Bruder zu besuchen und dann kommt ein Streik. Hoffentlich einigen sie sich bis Freitag. Generell ist es aber meine Schuld, weil die Bahn jedes Jahr unattraktiver und teurer wird und daher ein Auto eigentlich viel mehr Sinn ergeben würde. Dann würde ich auch viel schneller zu meinem neuen Arbeitgeber kommen (30 statt 90 Minuten), wobei ich aktuell die Strecke nur zweimal pro Woche fahre. Von meinen Bekannten fahren auch fast alle Auto, meine Eltern sowieso.
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ZiggyStardust
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von ZiggyStardust »

Der Streik erinnert mich an Großbritannien in der Thatcher-Zeit. Jede kleine Gewerkschaft in einer Schlüsselstellung streikt, nur damit sie eine Darseinsberechtigung hat. Am Ende wird das ganze Land immer wieder lahmgelegt.

Hier geht es aus meiner Sicht primär darum, dass das Tarifbindungsgesetz ausgehebelt wird. Die Forderungen für die Mitarbeiter dienen als notwendige Verpackung.

Wenn man dies auf die Automobilindustrie übertragen würde, wäre es ja so, als würde es neben der IG-Metall noch Gewerkschaften für Bandarbeiter, Flurförderfahrzeugbediener, Mascineneinrichter, Ingenieure, Kantinenpersonal, Wachdienst usw. geben. Jede dieser Micro-Gewerkschaften wäre in der Lage die Fertigung lahm zu legen, wenn sie für ihre Sparte bessere Konditionen erreichen möchte. Unter diesen Bedingungen wäre die Industrie bald am Boden.

Sorry, aber unter diesem Blickwinkel habe ich kein Verständnis dafür, dass eine kleine Gewerkschaft für ihren Machtkampf die gesamte Republik lahmlegt.

Wo sollen solchen Micro-Gewerkschaften den hinführen? Morgen streikt dann die Gewerkschaft der Stellwerksmitarbeiter. Übermorgen würden die Instandhaltungsgewerkschaft streiken. Und dann könnten Rangierer, Reinigungspersonal, Fahrkartenverkäufer, Disponenten usw. ja auch ihre eigenen Gewerkschaften gründen. Super Zukunft.

Ein Zitat von Weselsky zum EVG Streik 2018:
Außerdem muss man sehen, in welchem Zustand sich der Bahn-Konzern aktuell befindet. Gerade eben erst wurde auf Winterfahrplan umgestellt. Das ist eine riesige Herausforderung für alle Beteiligten. Außerdem leidet die DB unter den Sparzwängen der letzten Monate und Jahre. Züge fehlen und sie hat große Personalprobleme. All das führt ohnehin schon bei den Reisenden zu Enttäuschung und Empörung. In einer solche Phase zu streiken, halte ich für schwierig. Aber das hat nicht die GDL zu bewerten und schon gar nicht zu verantworten.
Hände hoch wer glaubt, dass die Bahn nach anderthalb Jahren Pandemie in einem besseren Zustand ist als 2018. Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge, daher sollten die Angestellten der Bahn wieder Beamte werden. Das wird zwar nicht billig, aber das werden die Folgen eines ungebremsten Klimawandels auch nicht.
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Jochen Gebauer
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Jochen Gebauer »

ZiggyStardust hat geschrieben: 31. Aug 2021, 22:28Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge, daher sollten die Angestellten der Bahn wieder Beamte werden. Das wird zwar nicht billig, aber das werden die Folgen eines ungebremsten Klimawandels auch nicht.
Es wäre erheblich billiger, die Forderungen der GdL einfach zu erfüllen. Denn die sind angesichts einer aktuellen Inflation von 3,9 Prozent sogar noch recht moderat. Der Umstand, dass es sonst kaum noch Gewerkschaften gibt, die für ihre Beschäftigten auch nur ansatzweise einen Inflationsausgleich erreichen, sagt nämlich erheblich mehr über den jämmerlichen Zustand der deutschen Gewerkschaften und ziemlich wenig über die vermeintliche Überheblichkeit der GdL.
ZiggyStardust
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von ZiggyStardust »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 31. Aug 2021, 22:42
ZiggyStardust hat geschrieben: 31. Aug 2021, 22:28Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge, daher sollten die Angestellten der Bahn wieder Beamte werden. Das wird zwar nicht billig, aber das werden die Folgen eines ungebremsten Klimawandels auch nicht.
Es wäre erheblich billiger, die Forderungen der GdL einfach zu erfüllen. Denn die sind angesichts einer aktuellen Inflation von 3,9 Prozent sogar noch recht moderat. Der Umstand, dass es sonst kaum noch Gewerkschaften gibt, die für ihre Beschäftigten auch nur ansatzweise einen Inflationsausgleich erreichen, sagt nämlich erheblich mehr über den jämmerlichen Zustand der deutschen Gewerkschaften und ziemlich wenig über die vermeintliche Überheblichkeit der GdL.
Da ist noch der klitzekleine Punkt der Tarifeinheit, der offen ist. Es geht nicht um die 3,9%, ansonsten hätte man sich schon längst geeinigt.

Andere Gewerkschaften haben einfach nicht so viele Möglichkeiten mit einem Streik etwas zu bewirken. Bei Amazon wird regelmäßig gestreikt, aber da ist der Schaden für die Kunden überschaubar. In der Pflege wäre ein Streik für die Patienten tödlich und ethisch nicht zu verantworten. Am Ende bleibt einfach festzuhalten, dass die Politik mit dem Tarifeinheitsgesetz ziemlichen Murks beschlossen hat.
Mutantenjupp
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Mutantenjupp »

Das Schlimme ist, wenn man weiß, wofür der Bahnkonzern intern so sein Geld ausgibt (bzw. zum Fenster rausschmeißt...) anstatt es Mal den Leuten zukommen zu lassen, die auch in der Pandemiezeit arbeiten wie gewohnt arbeiten mussten und kein Home-Office machen konnten.
Ich war mal für ~2,5 Jahre in einem IT-Projekt das kostenmäßig völlig aus dem Ruder lief. Da wurden Junior-Leute mit Senior-Tagessätzen in Rechnung gestellt (und das der eigenen Konzernmutter gegenüber), externe IT-Dienstleister nutzten die Situation schamlos aus,...
Es gibt in dem Bahnkonzern leider kein großes Bewusstsein bzgl. sorgsamen Umgangs mit Geld. Das habe ich leider aber auch in zahlreichen anderen deutschen Großkonzernen erlebt. Das sind irgendwie Strukturprobleme in großen Organisationen und Projekten.

Die Beschwerden darüber, dass der Streik "unmoralisch", nicht gerechtfertigt oder unverhältnismäßig sei, finde ich übrigens irritierend. Das ist halt immer eine Frage der Perspektive.
Gerade in Deutschland sollte man noch einmal darüber nachdenken, ob man Gewerkschaften das Streikrecht aberkennt (oder gar die Existenzberechtigung in Frage stellt).
Rince81
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Rince81 »

Mutantenjupp hat geschrieben: 1. Sep 2021, 07:43 Das Schlimme ist, wenn man weiß, wofür der Bahnkonzern intern so sein Geld ausgibt (bzw. zum Fenster rausschmeißt...) anstatt es Mal den Leuten zukommen zu lassen, die auch in der Pandemiezeit arbeiten wie gewohnt arbeiten mussten und kein Home-Office machen konnten.
Die Aussage ist auch eine Frage der Perspektive. Die Bahn hat selbst zu den Hochzeiten der Pandemie ihre Züge zum normalen Fahrplan leer durchs Land rollen lassen - obwohl die reinen Betriebszahlen es mehr als gerechtfertigt hätten, einen guten Teil der Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken und den Fahrplan massiv auszudünnen. Nein, stattdessen konnten die Lokführer ganz normal weiterarbeiten als ob nichts sei - und zwar allein in ihren separaten Führerständen ohne Kontakt zu den Fahrgästen. Die Chuzpe bei den Vorzeichen für diese Berufsgruppe eine "Corona-Prämie" zu fordern, empfinde ich vorsichtig ausgedrückt irritierend.
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Raptor 2101
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Raptor 2101 »

Rince81 hat geschrieben: 1. Sep 2021, 09:22 Die Aussage ist auch eine Frage der Perspektive. Die Bahn hat selbst zu den Hochzeiten der Pandemie ihre Züge zum normalen Fahrplan leer durchs Land rollen lassen - obwohl die reinen Betriebszahlen es mehr als gerechtfertigt hätten, einen guten Teil der Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken und den Fahrplan massiv auszudünnen. Nein, stattdessen konnten die Lokführer ganz normal weiterarbeiten als ob nichts sei - und zwar allein in ihren separaten Führerständen ohne Kontakt zu den Fahrgästen. Die Chuzpe bei den Vorzeichen für diese Berufsgruppe eine "Corona-Prämie" zu fordern, empfinde ich vorsichtig ausgedrückt irritierend.
Als Nutzer der Bahn war ich Froh, dass die "fast leer" (unwirtschaftlich) gefahren sind. Wenn die ihre Fahrpläne auch noch ausgedünnt hätten, wären die verbleibenden Bahnen entweder rappelvoll gewesen oder man wäre halt nicht an sein Ziel gekommen... Wir sollten uns glaube ich erstmal einigen ob ÖPNV/Bahn zur kritischen Infrastruktur gehört (dann müssen sie auch in Kriesenzeiten ihren Dienst verrichten) oder eben nicht, dann darf sich aber auch niemand beschweren wenn sie Streiken, sie sind ja nicht kritisch...
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Rince81 »

Raptor 2101 hat geschrieben: 1. Sep 2021, 10:48 Als Nutzer der Bahn war ich Froh, dass die "fast leer" (unwirtschaftlich) gefahren sind. Wenn die ihre Fahrpläne auch noch ausgedünnt hätten, wären die verbleibenden Bahnen entweder rappelvoll gewesen oder man wäre halt nicht an sein Ziel gekommen... Wir sollten uns glaube ich erstmal einigen ob ÖPNV/Bahn zur kritischen Infrastruktur gehört (dann müssen sie auch in Kriesenzeiten ihren Dienst verrichten) oder eben nicht, dann darf sich aber auch niemand beschweren wenn sie Streiken, sie sind ja nicht kritisch...
Das tut in dem Fall nichts zur Sache wenn es darum geht ob die Lokführer jetzt wirklich zu den Berufsgruppen gehören, bei denen eine "Corona-Prämie" angebracht ist und das finde ich persönlich nicht. Es geht mir jetzt explizit nicht um die Forderung eine Einmalzahlung im Rahmen der Tarifverhandlungen, sondern um die implizierte Behauptung, dass die Lokführer während Corona entsprechend "mehr" leisten mussten oder sich einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt hätten oder auch nur "mehr belastet" waren, da sie nicht ins Home Office "durften"...
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von bluttrinker13 »

Mutantenjupp hat geschrieben: 1. Sep 2021, 07:43 Die Beschwerden darüber, dass der Streik "unmoralisch", nicht gerechtfertigt oder unverhältnismäßig sei, finde ich übrigens irritierend. Das ist halt immer eine Frage der Perspektive.
Gerade in Deutschland sollte man noch einmal darüber nachdenken, ob man Gewerkschaften das Streikrecht aberkennt (oder gar die Existenzberechtigung in Frage stellt).
Da du das einfach so nebeneinander stellst, mit einer moralischen Kritik an der Streikentscheidung stelle ich weder streikrecht noch noch existenz von Gewerkschaften in Frage!
Was ich irritierend finde, wiederum, ist so zu tun als sei die konkrete Entscheidung zu Streik x in Situation z nicht auch eine moralische Entscheidung der Gewerkschaft und der ihr angehörenden Arbeitnehmer. Man kann sie ja treffen, ist dann aber auch mit-verantwortlich, und muss sich entsprechend auch Kritik stellen.
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Andre Peschke »

bluttrinker13 hat geschrieben: 1. Sep 2021, 12:16 Was ich irritierend finde, wiederum, ist so zu tun als sei die konkrete Entscheidung zu Streik x in Situation z nicht auch eine moralische Entscheidung der Gewerkschaft und der ihr angehörenden Arbeitnehmer. Man kann sie ja treffen, ist dann aber auch mit-verantwortlich, und muss sich entsprechend auch Kritik stellen.
Hätten die denn warten können? Oder gibt's da für die auch irgendeine Deadline?

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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Rince81 »

Andre Peschke hat geschrieben: 1. Sep 2021, 16:20 Hätten die denn warten können? Oder gibt's da für die auch irgendeine Deadline?
Man hätte sich als GDL auch hinstellen können und erklären, dass man weder den Fahrgästen noch den eigenen arbeitenden Kollegen in den Zügen(!) mitten in der Pandemie das entsprechende Gedränge zumuten möchte und daher den Streik auf den Güterverkehr konzentriert und dies im Personenverkehr beschränkt. Den kompletten Personenverkehr bundesweit für fünf volle Tage zu bestreiken ist eine bewusste Entscheidung der GDL und zwar inklusive der Auswirkungen auf Fahrgäste und Kollegen.
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Re: GDL/Bahn Streik meine Meinung als Lokführer!

Beitrag von Andre Peschke »

Rince81 hat geschrieben: 1. Sep 2021, 19:12 Man hätte sich als GDL auch hinstellen können und erklären, dass man weder den Fahrgästen noch den eigenen arbeitenden Kollegen in den Zügen(!) mitten in der Pandemie das entsprechende Gedränge zumuten möchte und daher den Streik auf den Güterverkehr konzentriert und dies im Personenverkehr beschränkt. Den kompletten Personenverkehr bundesweit für fünf volle Tage zu bestreiken ist eine bewusste Entscheidung der GDL und zwar inklusive der Auswirkungen auf Fahrgäste und Kollegen.
Ja, aber wie sehr blicken wir da durch, was die an Handlungsspielraum haben? Also, haben die genug Geld erstmal Güter zu bestreiken und wenn das nicht klappt, dann müssen sie doch nochmal an den Personenverkehr ran?

Andre
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