Krieg in der Ukraine

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Rigolax
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Rigolax »

Mauswanderer hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:15 Du meinst also, die Kinder in Afrika haben gefälligst nichttödliche Unterernährung zu ertragen, wenn mit dem Geld stattdessen Medikamente für schwerkranke Menschen in Südamerika finanziert werden?
Verstehe ich jetzt nicht. Aber im Grunde müsste man dort investieren, wo die meisten Menschenleben mit einem bestimmten Geldeinsatz gerettet werden können bzw. das meiste Leid verringert werden könnte (negativer Utilitarismus).

Der bessere Einwand wäre eigentlich, dass die Kooperation mit Putins Russland in Bezug auf Energieversorgung eher ein "crime of commission" ist und der Einsatz eigener Geldmittel für Luxusgüter statt sie zu spenden ein "crime of omission". Beim Ukraine/Russland-Beispiel sterben also womöglich Menschen, die sonst nie gestorben wären, wenn wir Russlands Kriegsmaschine finanzielle Mittel zuführen, beim Afika-Spenden-Beispiel wären die Menschen auch gestorben, wenn wir gar nichts gemacht hätten. Wobei am Ende trotzdem dasselbe Resultat steht, dass Menschen sterben, wenn kein Verzicht ausgeübt wird.
Rince81
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Rince81 »

Axel hat geschrieben: 2. Aug 2022, 18:29 Niemand spricht doch hier davon die Untersützung aufzugeben. Nur möchte man ukrainische Flüchtlinge helfen hier auch langfristig anzukommen, dann müssen auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zumindest einigermaßen stimmen.
Alles faktisch richtig, nur kann und darf die Endkonsequenz nicht sein, dass wir uns vor Putin in den Staub werfen. Das ist ja das nervige und kurzsichtige an solchen Debatten.

1. Deutschland ist keine Insel. Wir sind Teil der EU und darin DIE größte Wirtschaftsmacht. WIR haben uns seit Jahrzehnten auf die falschen Partner verlassen und erleben jetzt die Konsequenzen. Unsere europäischen Partner haben davor seit Jahrzehnten laut und deutlich gewarnt, wir wussten es aber besser. Wenn wir jetzt aus der europäischen Linie ausscheren und uns wegen den drohenden Unannehmlichkeiten wieder und weiter in russische Abhängigkeit begeben kannst du die EU und alles was dazu gehört in die Tonne treten. Dann haben wir auf Jahrzehnte in der EU völlig zurecht verschissen.

2. Nord Stream 2 ist Quatsch. Es gibt Nord Stream 1 welche vollkommen ausreicht um den deutschen Gasbedarf zu decken - wenn das Gas denn fließen würde. Tut es aber nicht uns zwar nicht erst seit Februar, seit Herbst 2021 sind die Gasflüsse gedrosselt weil Russland uns genau da haben will wo wir jetzt stehen. Der Gashahn ist eine Waffe, die Russland seit Jahrzehnten nutzt um unliebsamen Staaten zu zeigen wo es lang geht. Bislang haben wir in Deutschland bei sowas zugesehen und nie für möglich gehalten selbst Gegner zu sein. Dieses hin und her, Wartung ja oder nein, Turbine ja oder nein, fließt Gas oder fließt es nicht wird bis in den Herbst und Winter so weiter gehen weil genau das Putin nutzt und es gibt in Deutschland genug "Briefeschreiber", die dumm genug sind genau darauf anzuspringen.

Wenn es wirklich darum geht "Schaden vom deutschen Volke" abzuwenden gibt es keine Alternative dazu uns so schnell wie möglich aus der russischen Abhängigkeit in der Energieversorgung zu lösen - auch wenn das schmerzhaft wird.
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Mauswanderer
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Mauswanderer »

Rigolax hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:30
Mauswanderer hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:15 Du meinst also, die Kinder in Afrika haben gefälligst nichttödliche Unterernährung zu ertragen, wenn mit dem Geld stattdessen Medikamente für schwerkranke Menschen in Südamerika finanziert werden?
Verstehe ich jetzt nicht. Aber im Grunde müsste man dort investieren, wo die meisten Menschenleben mit einem bestimmten Geldeinsatz gerettet werden können bzw. das meiste Leid verringert werden könnte (negativer Utilitarismus).

Der bessere Einwand wäre eigentlich, dass die Kooperation mit Putins Russland in Bezug auf Energieversorgung eher ein "crime of commission" ist und der Einsatz eigener Geldmittel für Luxusgüter statt sie zu spenden ein "crime of omission". Beim Ukraine/Russland-Beispiel sterben also womöglich Menschen, die sonst nie gestorben wären, wenn wir Russlands Kriegsmaschine finanzielle Mittel zuführen, beim Afika-Spenden-Beispiel wären die Menschen auch gestorben, wenn wir gar nichts gemacht hätten. Wobei am Ende trotzdem dasselbe Resultat steht, dass Menschen sterben, wenn kein Verzicht ausgeübt wird.
Das hatten wir ja hier gerade erst. Ich dachte, du hättest hier mitgelesen, sonst hätte ich das nochmal wiederholt.
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Felidae
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Felidae »

Rigolax hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:03
Mauswanderer hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:00 Du bestimmst doch mit deiner Aussage auch, was in deinen Augen ein akzeptables Wohlstandsniveau wäre. Dein Vergleich ist extrem konstruiert, wenn man da nicht direkt die globale Systemfrage stellen will. Das passt überhaupt nicht zu der Diskussion um Axels (ja durchaus nachvollziehbare) Sorgen und den Ukrainekrieg.
Doch, natürlich passt das und es ist auch offensichtlich:
Felidae hat geschrieben: 2. Aug 2022, 17:00Menschenleben gegen warme Wohnung eintauschen wollen, ist in meinen Augen sehr wohl zynisch.
Genauso sage ich: Menschenleben gegen teure Schuhe eintauschen zu wollen, ist in meinen Augen sehr wohl zynisch.

Wo ist der Unterschied? Die Notsituationen sind beide akut, Krieg in der Ukraine, hungernde Kinder in Afrika und die Trade-Offs sind eben so klar: Auf etwas verzichten. Wobei ich noch die moralisch bessere Position habe, denn ich verlange nicht den Verzicht auf etwas Essentielles wie nicht frieren zu wollen (bzw. was genau "warme Wohnungen" im Ernstfall bedeutet), sondern nur (Quasi-)Luxusgüter wie teure Schuhe.
Der Unterschied ist, dass meines Wissens nach der Kauf von Schuhen nicht direkt dafür sorgt, dass mehr Menschen in Afrika hungern, wohingegen der Handel mit Putin/Russland durchaus dazu führen kann, dass der Krieg länger dauert. Direkter Zusammenhang und so.
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Smutje187
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Smutje187 »

Die Naivität ist schon irgendwie süß: Russland greift die Ukraine an, obwohl sie eigentlich nur ein Manöver geplant haben. Russland verspricht, dass Getreide ausgefahren werden kann und beschießt kurz darauf Odessa, Russland behauptet, es geht nur um die russischstämmige Bevölkerung/Nazis und Drogenabhängige und gibt dann später zu, es geht eigentlich nur um Geländegewinne - und trotzdem gibt es immer noch „Opfer“ im Westen, die glauben, dass mit dem Ende der Sanktionen auf einmal Milch, Honig und billiges Erdgas fließen. Meine Oma hat immer gesagt, wer einmal lügt, dem glaubt man eher nicht!
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Axel
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Axel »

Rince81 hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:33 auch wenn das schmerzhaft wird.
Die Frage ist doch am Ende eine ganz einfache: Wo ist die Schmerzgrenze? Die persönliche Schmerzgrenze, die wirtschaftliche Schmerzgrenze und die gesellschaftliche Schmerzgrenze? Auf all das gibt es sicherlich unterschiedlichste Antworten. Und das muss man eben auch aushalten können. Es gibt in dieser Frage kein richtig und falsch. Kein schwarz und weiß.

Jetzt nehmen wir mal die Aussage von unserem MP Michael Kretschmer, der Deutschland sogar in Richtung Deindustrialisierung sieht. Mal ganz unabhängig davon ob man seinen Aussagen zustimmt oder nicht. Ich persönlich sympathisiere mit Kretschmer seit Jahren für seine Geradlinigkeit und das er immer wieder sehr klar kommuniziert und auch nicht davor zurückschreckt seine Ansichten zu sagen, auch wenn sie unbequem mit der eigenen Parteilinie sind (das erwarte ich nämlich von Politiker egal welcher politischen Richtung!).

Aber davon unabhängig.

Nehmen wir nur mal rein hypothetisch an, dass Deutschland wirklich Richtung Deindustrialisierung gehen würde. Wäre das ein Preis, den eine Gesellschaft zahlen kann und will?

Ich habe in den letzten Monaten keine gesellschaftliche Diskussion wahrgenommen diesbezüglich. Mein Punkt ist allgemein folgender: Wenn Politiker, Medien, Wissenschaftler unisono sagen "Es wird schmerzhaft für uns. Vielleicht auch sehr schmerzhaft." dann hätte ich gerne auch die Diskussion über die Schmerzgrenze und wo genau diese liegt. Das würde zu einer fairen Diskussion nämlich auch dazugehören. Man kann nicht sagen "es wird schmerzhaft" ohne vorher die absolute Schmerzgrenze zu definieren.
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Mauswanderer »

Axel hat geschrieben: 2. Aug 2022, 21:51
Rince81 hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:33 auch wenn das schmerzhaft wird.
Die Frage ist doch am Ende eine ganz einfache: Wo ist die Schmerzgrenze? Die persönliche Schmerzgrenze, die wirtschaftliche Schmerzgrenze und die gesellschaftliche Schmerzgrenze? Auf all das gibt es sicherlich unterschiedlichste Antworten. Und das muss man eben auch aushalten können. Es gibt in dieser Frage kein richtig und falsch. Kein schwarz und weiß.

Jetzt nehmen wir mal die Aussage von unserem MP Michael Kretschmer, der Deutschland sogar in Richtung Deindustrialisierung sieht. Mal ganz unabhängig davon ob man seinen Aussagen zustimmt oder nicht. Ich persönlich sympathisiere mit Kretschmer seit Jahren für seine Geradlinigkeit und das er immer wieder sehr klar kommuniziert und auch nicht davor zurückschreckt seine Ansichten zu sagen, auch wenn sie unbequem mit der eigenen Parteilinie sind (das erwarte ich nämlich von Politiker egal welcher politischen Richtung!).

Aber davon unabhängig.

Nehmen wir nur mal rein hypothetisch an, dass Deutschland wirklich Richtung Deindustrialisierung gehen würde. Wäre das ein Preis, den eine Gesellschaft zahlen kann und will?

Ich habe in den letzten Monaten keine gesellschaftliche Diskussion wahrgenommen diesbezüglich. Mein Punkt ist allgemein folgender: Wenn Politiker, Medien, Wissenschaftler unisono sagen "Es wird schmerzhaft für uns. Vielleicht auch sehr schmerzhaft." dann hätte ich gerne auch die Diskussion über die Schmerzgrenze und wo genau diese liegt. Das würde zu einer fairen Diskussion nämlich auch dazugehören. Man kann nicht sagen "es wird schmerzhaft" ohne vorher die absolute Schmerzgrenze zu definieren.
Du stellst mit dieser "Schmerzgrenze" einen Zusammenhang auf, wo keiner ist. Wenn dir das Kniegelenk wehtut, kann man durchaus darüber reden, ob man die 600 Meter zum Supermarkt nicht doch mal mit dem Auto fahren kann, auch wenn es eigentlich unökonomisch und unökologisch ist. Da hätte dann trotzdem auch der überzeugteste Öko oder Sparfuchs Verständnis für. Aber die eigene Großmutter an einen Wunderheiler verkaufen, der verspricht, das Kniegelenk mit Schlangenöl zu behandeln, das ist halt totaler Quatsch.

Und ernsthaft, du sympathisierst mit Michael Kretschmer? Ich meine, das passt natürlich zu deinem Lob für diesen offenen Brief und ist insofern konsequent, aber ich verstehe nicht, was Menschen ernsthaft dazu bringt. Nicht, dass du alleine wärst, sonst wäre er nicht euer MP, aber kapieren werde ich das wohl nie.
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Felidae
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Felidae »

Axel hat geschrieben: 2. Aug 2022, 21:51
Rince81 hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:33 auch wenn das schmerzhaft wird.
Die Frage ist doch am Ende eine ganz einfache: Wo ist die Schmerzgrenze? Die persönliche Schmerzgrenze, die wirtschaftliche Schmerzgrenze und die gesellschaftliche Schmerzgrenze? Auf all das gibt es sicherlich unterschiedlichste Antworten. Und das muss man eben auch aushalten können. Es gibt in dieser Frage kein richtig und falsch. Kein schwarz und weiß.

Jetzt nehmen wir mal die Aussage von unserem MP Michael Kretschmer, der Deutschland sogar in Richtung Deindustrialisierung sieht. Mal ganz unabhängig davon ob man seinen Aussagen zustimmt oder nicht. Ich persönlich sympathisiere mit Kretschmer seit Jahren für seine Geradlinigkeit und das er immer wieder sehr klar kommuniziert und auch nicht davor zurückschreckt seine Ansichten zu sagen, auch wenn sie unbequem mit der eigenen Parteilinie sind (das erwarte ich nämlich von Politiker egal welcher politischen Richtung!).

Aber davon unabhängig.

Nehmen wir nur mal rein hypothetisch an, dass Deutschland wirklich Richtung Deindustrialisierung gehen würde. Wäre das ein Preis, den eine Gesellschaft zahlen kann und will?

Ich habe in den letzten Monaten keine gesellschaftliche Diskussion wahrgenommen diesbezüglich. Mein Punkt ist allgemein folgender: Wenn Politiker, Medien, Wissenschaftler unisono sagen "Es wird schmerzhaft für uns. Vielleicht auch sehr schmerzhaft." dann hätte ich gerne auch die Diskussion über die Schmerzgrenze und wo genau diese liegt. Das würde zu einer fairen Diskussion nämlich auch dazugehören. Man kann nicht sagen "es wird schmerzhaft" ohne vorher die absolute Schmerzgrenze zu definieren.
Axel, weißte, die nächsten Jahre, spätestens zwei Jahrzehnte werden sich für uns ALLE auf eine Art ändern, die wir uns eh noch nicht vorstellen können. Wir werden unseren Konsum drastisch umstellen müssen, unser Alltag wird sich drastisch ändern, der Arbeitsmarkt wird sich komplett wandeln, wir werden hier mit Problemen konfrontiert werden, die wir uns alle noch gar nicht vorstellen können, wir werden mit Geflüchteten in einem Ausmaß klarkommen müssen, gegen das alles bisherige Pipifax war. Du kannst Dir glaub recht sicher sein - ans Jahr 2022 wirst Du irgendwann als eins der besseren zurückdenken.

Vielleicht seh ich das deshalb auch alles so vergleichsweise pragmatisch - ich rechne seit 20 Jahren damit, dass der gesamte westliche Lebensstil kolossal gegen die Wand fahren wird. Und seit zwei Jahren ist der Punkt halt tatsächlich erreicht. Und wir sollten schleunigst anfangen, nicht dem alten Leben hinterherzuheulen, sondern Alternativen finden.
Rigolax
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 2. Aug 2022, 21:07
Rigolax hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:03
Mauswanderer hat geschrieben: 2. Aug 2022, 19:00 Du bestimmst doch mit deiner Aussage auch, was in deinen Augen ein akzeptables Wohlstandsniveau wäre. Dein Vergleich ist extrem konstruiert, wenn man da nicht direkt die globale Systemfrage stellen will. Das passt überhaupt nicht zu der Diskussion um Axels (ja durchaus nachvollziehbare) Sorgen und den Ukrainekrieg.
Doch, natürlich passt das und es ist auch offensichtlich:
Felidae hat geschrieben: 2. Aug 2022, 17:00Menschenleben gegen warme Wohnung eintauschen wollen, ist in meinen Augen sehr wohl zynisch.
Genauso sage ich: Menschenleben gegen teure Schuhe eintauschen zu wollen, ist in meinen Augen sehr wohl zynisch.

Wo ist der Unterschied? Die Notsituationen sind beide akut, Krieg in der Ukraine, hungernde Kinder in Afrika und die Trade-Offs sind eben so klar: Auf etwas verzichten. Wobei ich noch die moralisch bessere Position habe, denn ich verlange nicht den Verzicht auf etwas Essentielles wie nicht frieren zu wollen (bzw. was genau "warme Wohnungen" im Ernstfall bedeutet), sondern nur (Quasi-)Luxusgüter wie teure Schuhe.
Der Unterschied ist, dass meines Wissens nach der Kauf von Schuhen nicht direkt dafür sorgt, dass mehr Menschen in Afrika hungern, wohingegen der Handel mit Putin/Russland durchaus dazu führen kann, dass der Krieg länger dauert. Direkter Zusammenhang und so.
Das hab ich im Post später auch im Grunde eingeräumt. Wobei die Entscheidung für Schuhe statt spenden ist ja wieder eine Entscheidung zu Lasten anderer Leute, wenn man sich dem eben jetzt bewusst ist (tut mir leid).

Auch wenn es den Thread potentiell sprengt: Also, warum hat man kein schlechtes Gewissen, wenn man sich Dinge kauft, die man nicht unbedingt braucht, auf die man verzichten könnte, wenn man gleichzeitig davon überzeugt ist, dass das Geld als Spende spürbar dazu beitragen würde, ein Menschenleben zu retten? Oder halt, wenn man jemandem auf der Straße sehen würde, der akut am Verdursten ist und kein Geld hat, würde man ja wahrscheinlich notfalls eine Flasche Wasser im Supermarkt kaufen und auch keine Gegenleistung verlangen; das ist so wegen der physischen Nähe nur und damit Mitleid, aber das ist ja eine Art emotionaler Bias, weil rational gesehen müsste es auch global so sein, man dann also Geld ständig spenden. Die Globalisierung bzw. der technische Fortschritt hat vieles moralisch ziemlich abstrus gemacht imo. Also mir ist die Abgrenzung nicht so ganz klar.
Rince81
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Rince81 »

Axel hat geschrieben: 2. Aug 2022, 21:51 Nehmen wir nur mal rein hypothetisch an, dass Deutschland wirklich Richtung Deindustrialisierung gehen würde. Wäre das ein Preis, den eine Gesellschaft zahlen kann und will?
Das ist ein Preis, den die Gesellschaft dann zahlen muss. Ich komme mal mit einem Gegenbeispiel. Seit der Wende hat MV verzweifelt versucht die Werften des Landes zu erhalten. MV hat dabei nicht nur eine Werft, sondern mit Wismar, Rostock und Stralsund gleich drei Stück, die alle auf dem Weltmarkt mitspielen sollten und Kreuzfahrtschiffe bauen. Mecklenburg war nie eine industrialisierte Region und vor dem Krieg gab es zwar Werften aber nie in der Größe. In der DDR waren die Werften eine Notwendigkeit, nach der Wende ganz pragmatisch eigentlich überflüssig. Dennoch hat man Millionen investiert um diese und die daran hängenden Arbeitsplätze zu erhalten. Erst dieses Jahr hat man das ganze aufgegegen, nachdem mit Genting der letzte Betreiber Insolvenz war. Das ist Deindustrialisierung und zwar weil die Landesregierung endlich aufgehört hat irgendwelchen Illusionen hinterherzurennen. https://katapult-mv.de/artikel/alles-nur-nicht-offshore

Auch in anderen Regionen findet seit Jahrzehnten eine Deindustrialisierung statt, frage mal in den Steinkohleregionen. Es hat auch da Jahrzehnte gedauert, bis die Politik aufgehört hat den Leuten was vorzumachen.

Das droht eben nun auch Branchen, die von russischer Energie abhängig sind. Die gibt es eben nicht mehr. Kann diese Energie nicht ersetzt werden, hat diese Industrie an diesem Standort keine Zukunft mehr. Je eher man das akzeptiert, desto eher kann man den Regionen strukturell helfen.
Ich persönlich sympathisiere mit Kretschmer seit Jahren für seine Geradlinigkeit und das er immer wieder sehr klar kommuniziert und auch nicht davor zurückschreckt seine Ansichten zu sagen, auch wenn sie unbequem mit der eigenen Parteilinie sind (das erwarte ich nämlich von Politiker egal welcher politischen Richtung!).
Das sehe ich anders. Ostdeutsche Ministerpräsidenten und -innen hatten immer eine besondere Arroganz was Russland angeht. Bei dem Thema wusste man es im Osten immer besser, schließlich hatte eine "gemeinsame" Geschichte und man hat die Russen ohnehin in Schwerin, Potsdam, Erfurt, Magdeburg und Dresden besser verstanden als in Berlin oder im Westen. Das Ergebnis waren dann die "Russlandtage" in MV, Telefonaudienzen bei Putin, nachdem Kretschmer nach Moskau geflogen ist und ähnliches. Dieses peinliche Bild des Musterschülers am Telefon sollte man nicht vergessen: Bild

In Bezug auf Russland fand in den ostdeutschen Bundesländern immer eine Nebenaußenpolitik statt und man hat Moskau und St. Petersburg hofiert und dafür gerne die direkten Nachbarn in Polen oder Tschechien ignoriert. Das hat bis zum Februar wunderbar funktioniert. Während Schwesig seitdem konsequent Kreide futtert, ist Kretschmer selbst dafür zu arrogant...
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Axel
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Axel »

Felidae hat geschrieben: 2. Aug 2022, 22:10 Axel, weißte, die nächsten Jahre, spätestens zwei Jahrzehnte werden sich für uns ALLE auf eine Art ändern, die wir uns eh noch nicht vorstellen können. Wir werden unseren Konsum drastisch umstellen müssen, unser Alltag wird sich drastisch ändern, der Arbeitsmarkt wird sich komplett wandeln, wir werden hier mit Problemen konfrontiert werden, die wir uns alle noch gar nicht vorstellen können, wir werden mit Geflüchteten in einem Ausmaß klarkommen müssen, gegen das alles bisherige Pipifax war. Du kannst Dir glaub recht sicher sein - ans Jahr 2022 wirst Du irgendwann als eins der besseren zurückdenken.

Vielleicht seh ich das deshalb auch alles so vergleichsweise pragmatisch - ich rechne seit 20 Jahren damit, dass der gesamte westliche Lebensstil kolossal gegen die Wand fahren wird. Und seit zwei Jahren ist der Punkt halt tatsächlich erreicht. Und wir sollten schleunigst anfangen, nicht dem alten Leben hinterherzuheulen, sondern Alternativen finden.
Das witzige ist ja: Eigentlich stimme ich Dir zu! Und ob Du es jetzt glaubst oder nicht: Ich war früher mal genauso wie Du. :) Also ich war der Meinung, die Leute müssten das doch sehen und sich ganz schnell ändern und so weiter. Und wenn nicht, muss man sie zwingen. Den ganzen ideologischen Mist, den man vertritt wenn man Mitte 20 und noch voller Ideale ist.

Doch ich bin mittlerweile der Meinung: Sowas kann, wenn überhaupt, nur aus der Gesellschaft selbst heraus kommen und eine Verordnung von oben herab wird nie funktionieren. Nimm zum Beispiel das Rauchen: In meiner Jugend gehörte das zum guten Ton und als Nichtraucher hatte man es wirklich, wirklich schwer. Zum einen musste man sich rechtfertigen, wenn man nicht geraucht hat und es wurde auch keine Rücksicht genommen betreffs Passivrauchen. Heute ist das anders. Heute rauchen messbar sehr viel weniger Menschen, die Raucher sind in meinem Erleben seltener und auch rücksichtsvoller. Aber das ist eine Entwicklung, die nicht über Nacht kam, sondern über viele Jahre gesellschaftlich stattfand, Mit dem erhobenen Zeigefinger und einem "Du du du" hätte man es nie erreicht. Vergleich damals als man Rauchen in Restaurants verboten hat und es nur noch abgeschlossene Raucher-Zimmer gab. Das hielt genau ein Jahr oder so. Das war natürlich eine politische Leitblanke, die dazu führte, dass allgemein weniger Menschen rauchen. Aber ein direktes, allgemeines Rauchverbot hätte eher trotz augelöst.

Und so ist das doch bei allen Themen. Wenn man mit Pauschalverboten, Moralkeulen & Co. arbeitet, bringt man nur die Menschen gegen sich auf.
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Rince81 »

Könnte es nicht sein dass auch die Anhebung des Mindestalters zum Kauf von Zigaretten ab 18 Jahren, das Rauchverbot in weiten Teilen des öffentlichen Lebens und auch Schockbilder ihren Teil dazu beigetragen haben dass die Jugend rauchen heute schlicht und einfach nicht mehr attraktiv findet? Dass heute in Restaurants oder Zügen nicht mehr geraucht wird, liegt nicht an rücksichtsvolleren Rauchern sondern am Rauchverbot.
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Mauswanderer »

Gerade beim Rauchen gab es doch zig Verbote und Regulierungen. :think:

Edit: Rince war schneller (und ausführlicher). :D
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Felidae
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Felidae »

Mit Rauchern kann man diskutieren und verhandeln, mit dem Planeten nicht.
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Mauswanderer »

Unser Gas-Gerd wollte auch mal wieder was sagen:
Mögliche Zugeständnisse der Ukraine als "russischen 'Diktatfrieden' vorab zu verunglimpfen" sei ein großer Fehler, sagte Schröder. Die "wirklich relevanten Probleme" seien lösbar. So sei beispielsweise eine militärische Rückeroberung der von Russland annektierten Krim-Halbinsel durch die Ukraine "abwegig". "Wer glaubt denn ernsthaft, dass ein russischer Präsident die Krim je wieder aufgeben könnte?" Beim Thema Nato-Mitgliedschaft habe selbst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gesagt, "dass es eine Alternative gebe, etwa eine bewaffnete Neutralität für die Ukraine, ohne Nato- Mitgliedschaft, wie Österreich".

Dagegen sei die Lage mit Blick auf den ostukrainischen Donbass komplizierter, räumte Schröder ein. Dort werde man "eine Lösung nach dem Schweizer Kantonsmodell finden müssen". Was genau Schröder damit meint, blieb offen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... ngsloesung

Unrettbar, der Mann.
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Smutje187 »

Rauchen ist die nahezu perfekte Analogie: Jahrelang (Jahrzehntelang?) hat die Tabaklobby sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass Rauchen irgendwelche Gesundheitsfolgen hätte und als dann endlich das offensichtliche akzeptiert war, hat sich der Staat auch dazu durchgerungen, dem juristisch Rechnung zu tragen.

Und nur als Klarstellung, für mich sind die Putin-Relativierer die Entsprechung der Tabakindustrie in der Analogie :)
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Rigolax »

Rince81 hat geschrieben: 3. Aug 2022, 08:15 Könnte es nicht sein dass auch die Anhebung des Mindestalters zum Kauf von Zigaretten ab 18 Jahren, das Rauchverbot in weiten Teilen des öffentlichen Lebens und auch Schockbilder ihren Teil dazu beigetragen haben dass die Jugend rauchen heute schlicht und einfach nicht mehr attraktiv findet?
Ich bin mir nicht so sicher, weil etwa Cannabiskonsum unter Jugendlichen und insbesondere jungen Erwachsenen (18 bis 25) afaik stetig steigt bzw. angestiegen ist und Cannabis ja grundsätzlich verboten war/noch ist und auch stärker gesamtgesellschaftlich geächtet wird als Zigaretten wohl, auch wenn man die Schockbilder bedenkt. Ich glaub, der Rückgang von (Jugendlichem) Tabakkonsum ist eher eine Modeerscheining, so wie auch weniger Alkohol konsumiert wird, wobei imho aber auch sein kann, dass aufgeklärter konsumiert wird und die gesundheitlichen Gefahren verschiedener (Alltags-)Drogen besser bekannt sind und mancher Konsum daher zurückgeht oder zunimmt.
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Mauswanderer »

Selbst wenn dem so wäre, ohne Verbot (und andere Eingriffe wie die drastische Regulierung über Steuern) hätte sich eine "anti-woke Raucherquerfront" gebildet, die ganz bewusst so viel und so oft wie möglich Bahnen, Restaurants etc. vollqualmen würde.
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Heretic »

Rigolax hat geschrieben: 3. Aug 2022, 14:28 Ich bin mir nicht so sicher, weil etwa Cannabiskonsum unter Jugendlichen und insbesondere jungen Erwachsenen (18 bis 25) afaik stetig steigt bzw. angestiegen ist und Cannabis ja grundsätzlich verboten war/noch ist und auch stärker gesamtgesellschaftlich geächtet wird als Zigaretten wohl, auch wenn man die Schockbilder bedenkt.
Cannabis muss man nicht zwangläufig rauchen. Und beim Kauf in Deutschland fragt niemand nach Alter oder Ausweis. ;)
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Peter »

Rigolax hat geschrieben: 3. Aug 2022, 14:28 Ich bin mir nicht so sicher, weil etwa Cannabiskonsum unter Jugendlichen und insbesondere jungen Erwachsenen (18 bis 25) afaik stetig steigt bzw. angestiegen ist und Cannabis ja grundsätzlich verboten war/noch ist und auch stärker gesamtgesellschaftlich geächtet wird als Zigaretten wohl, auch wenn man die Schockbilder bedenkt. Ich glaub, der Rückgang von (Jugendlichem) Tabakkonsum ist eher eine Modeerscheining, so wie auch weniger Alkohol konsumiert wird, wobei imho aber auch sein kann, dass aufgeklärter konsumiert wird und die gesundheitlichen Gefahren verschiedener (Alltags-)Drogen besser bekannt sind und mancher Konsum daher zurückgeht oder zunimmt.
Ich würde da einfach mal behaupten wollen, dass zumindest in den jüngeren Altersgruppen Takak definitiv kritischer gesehen wird als Cannabis. Das war eigentlich selbst bei uns in den 90ern schon der Fall. Insofern überraschen mich beide Trends nicht im geringsten.
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