Heute war endlich
Michael Hatzius in Chemnitz und ich habe immer noch tiefe Bauchschmerzen von all dem Lachen. Oh man, so viel an einem Abend habe ich echt viele Jahre lang nicht mehr gelacht. Live ist Michael nämlich noch sehr viel geiler als in den Videos im Internet oder bei seinen TV-Auftritten, wo er sich inhaltlich hart zurückhält.
Das schöne ist ja, dass seine Kunstfigur, die Echse, ein zutiefst nihilistisches Tier ist, dem man es nicht übel nehmen kann, wenn er sich über einen lustig macht. Das ist der erste Unterschied zu den Videos: Live zelebriert Michael Impro-Comedy im Zusammenspiel mit dem Publikum. Ein Beispiel wäre am Anfang, als er durch die ersten Reihen ging und die Leute befragte woher sie kamen, was sie beruflich machen, usw. Einer antwortete: "Komme aus dem Erzgebirge, bin bald 66 Jahre." Echse: "Da gibt es ja bald Rente?" Er: "Nö, die habe ich seit zwei Jahren." Echse: "Na dann willkommen auf der Welt des Lichtes. Jetzt musst Du nicht mehr in dunklen Bergwerken schuften." Und der ganze Saal tobt vor Lachen!
Ich durfte sogar auf die Bühne (weil ich mich als einziges als Freiwilliger gemeldet habe) und eine kleine improvesierte Handpuppen-Nummer mit Micha spielen. War auch sehr geil. Auch zu mir die Frage nach dem Beruf am Anfang. Ich: "Ich bin Frührentner mit meinen 38 Jahren." Echse: "Da muss sich jetzt aber der Bergwerker aus dem Erzgebirge sicher ärgern!" Und wieder kocht der Saal! Und im Laufe das Abends hat sich Echse noch mehrmals über meine Frührente und über meine psychischen Erkrankungen lustig gemacht. Ratet mal, wer von allen Anwesenden am lautesten gegröhlt hat!
Das ist einfach so geil, weil die Echse frei nach Serdar Somuncu zu dessen schönsten Zeiten agierte: Jede Minderheit hat das Recht, dass man sich über ihn lustig macht. Und so gab es im Laufe des Abends am laufenden Band bitterböse Gags über Vegetarier, Biomarkt-Verkäufer, Gender-Ideologien, usw.
Aber nicht nur das. Auch Chemnitz selbst bekam gehörig das Fett weg: "Ich bin 14:00 hier angekommen, habe mir alles angeguckt was relevant ist und um 14:05 bin ich ins Hotel." Oder: "Ich weiß nicht, ob man das hier ein Stadtzentrum nennen kann. Immerhin habt ihr eine Straße, auf der man hoch und runter laufen kann. Ich fürchte, das muss wohl genügen als Highlight für die Kulturhauptstadt 2025." Und auch darüber hat der ganze Saal getobt als gäbe es kein Morgen. Man muss dazu sagen, dass Micha das erste Mal in Chemnitz spielte. Hat sich aber wohl so schlau gemacht, dass die Entwicklungen innerhalb der Innenstadt und das ganze Kulturhauptstadt-Gedöns bei vielen Chemnitzern schlicht nicht gut ankommt. Ich finde das toll, dass er das so selbstbewusst ins Programm aufgenommen hat. Hätte ja auch schiefgehen können. Aber stattdessen war das wirklich so, dass Micha immer wieder Pausen machen musste, weil so oft so laut gelacht, gegröhlt und gekreischt wurde. Und immer wieder gab es Applausstürme. Es war ein echtes Happening welches Micha regelmäßig aus dem Konzept brachte. Anschließend erzählte er mir, dass er es nicht gewohnt sei, dass die Leute SO oft und SO laut lachen. Irgendwann hat er dann einfach aufgehört aufs Timing zu achten. Erst in der letzten halben Stunde wurde es ein wenig ruhiger, weil viele so ausgepowert waren.
Ansonsten gab es auch tolle Nummern mit Huhn, Zecke und den zwei Schweinen Torsten und Steffi, die vielleicht der eine oder andere mittlerweile sehr gut aus den Mitternachtsspitzen im WDR kennen dürfte. Dazwischen gab es auch eine kleine Clown-Nummer und ein wenig Slaptstick auf der Bühne. Und wenn Micha die Figur wechselte, gab es kleine, neue Einspieler in Tradition der alten RBB Sendung "Weltall.Echse.Mensch" - auch sehr cool! Alles im allen ein tolles Variete-Programm mit viel Abwechslung und bitterbösen Humor.
Und nach der Vorstellung hat sich Micha im Foyer für JEDEN Zeit genommen der wollte. Für Autogramme, einen kleinen Plausch, Fotos, usw. Ich habe mich bei ihn dann noch ungefähr 10 Minuten für seine kritische Corona-Arbeit der letzten zwei Jahre bedankt. Legendär seine
Entennummer aus dem Jahr 2020 oder seine
Demokratietest-Anleitung mit Dr. Kasperl. Und natürlich:
Das legendäre Video in dem Michael Hatzius, beziehungsweise das Puppen-Ensamble, ankündigte 2G zu boykottieren, auch wenn es harte finanzielle Einschnitte für das Team (also nicht nur der Künstler, sondern auch seine Techniker usw.) bedeutet. Mit dieser Courage ist er in den letzten beiden Jahren zu meinem absoluten Lieblingskünstler geworden. Und es war für mich sehr schön ihn persönlich zu danken für seine ganze Arbeit in diesen zwei Jahren. Und mir war es wichtig ihn zu sagen, dass er mir damit sehr viel Kraft zum Durchhalten gegeben hat. Er war durchaus immer noch gerührt, auch wenn er das wohl jetzt auf seine Tour ständig von seinen Besuchern hört. Für ihn war all das ein Ventil um seinen Frust nicht mehr auftreten zu können und über evidenzfreie Politik einen Ausdruck zu geben.
Ich hoffe, dass Micha irgendwann wieder nach Chemnitz oder in die nähere Umgebung kommt. Auf ihn wartet ein mehr als dankbares Publikum. Das hat dieser Abend mehr als gezeigt!