Philoshophie: Was is freier Wille

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Voigt
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Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von Voigt »

Uns fehlt ja noch ein Philosophie Thread, und ich dachte ich starte mal einen mit einer ganz simplen Fragen: Was ist eigentlicher der "Freie Wille"?

Ich denke, klassisch beinhaltet der "Freie Wille" die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen. Wobei diese Entscheidungen nicht von vornherein bestimmt sind, sondern der Ausgang der Entscheidungsfindung von einem wie auch immer gearteten "Ichs/Selbsts" getroffen wird.

Dazu kamen mir aber einige Gedanken die Tage:
Klassisch physikalisch hat jede Aktion eine Ursache, eine Kausalität. Manchmal bei chaotischen Prozessen können wir diese mit unseren derzeitigen Mitteln nicht erfassen, aber sie existiert trotzdem.
Ein Mensch wird anhand seiner DNS geformt, aber Neuronen bilden/verbinden sich weiter im Gehirn aufgrund der Umwelt. Aufgrund Erinnerungen und Erfahrungen, die bei der Entscheidungsbildung abgefragt werden, kommt der Mensch zu einer Entscheidung. Aber dies ist ja alles deterministisch davor geschehen und hat damit die Neuronen somit deterministisch geformt um eine Präferenz bei der Entscheidung zu formen.
Das wäre ja die Linie der Determinsmus.

Entgegen steht Quantenphysik, dass es auch wirklich komplett zufällige Prozesse gibt, aber falls eine Entscheidung auf einem zufälligem Quanteneffekt basiert, ist die Entscheidung im Endeffekt ja arbiträr zufällig, und nicht wirkliche eine bewusste Entscheidung.

Durch diese Überlegungen kam ich dazu, was ich nun eigentlich eine freier Wille der eine bewusste Entscheidung trifft?
Ein gebildete Präferenz kann ja sein, dass ich mich suboptimal entscheide, trotzdem wäre das deterministisch festgelegt.

Ist freier Wille also so ein Seelending? Unabhängig wie das Gehirn biologisch geformt wurde und in Neuronenpaaren Erinnerungen gespeichert hat, wird unabhängig von all dem durch die "Seele/Bewusstsein" eine separate Entscheidung getroffen, welche dann der "Freie Wille" ist?

Aber wie kann es eine Entscheidung sein, die nicht arbiträr zufällig ist, also wirklich eine Entscheidung, die aber gleichzeitig auf nichts deterministischem basiert?


Vielleicht kann mir da ja eine Philosophiestudent, oder ehemaliger Philosophiestudent dabei aushelfen das zu durchdringen.
GoodLord
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von GoodLord »

Eigentlich hast du wunderbar hergeleitet, warum es sowas wie echten freien Willen physikalisch nicht gibt.
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BummsGeordy
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von BummsGeordy »

wenn man das wirklich diskutieren wollte, müssten wir erstmal mit Begriffsdefinitionen beginnen. Jeder wird in die Worte "freier Wille", "Entscheidung",... etwas Anderes hineininterpretieren. Was heiß Bewusstsein? was heißt Seele?

darum wird es sich letztlich eher drehen, als um physikalische Herleitungen, da wir uns hier eher auf dem Boden der individuellen Interpretation und weniger im Bereich unumstößlicher Tatsachen bewegen.

Um dem Ganzen eine Richtung zu geben:

@Voigt: was verstehst DU denn unter "Bewusstsein", "freier Wille" und Determinismus?

Wenn du schon die Quantenmechanik zugrunde legst: Was verstehst du unter Zufall?
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bluttrinker13
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von bluttrinker13 »

Lol, hab mich im Zuge meiner Dissertation jahrelang mit dieser Frage beschäftigt, auch philosophisch aber primär psychologisch. Habe mich dann irgendwann endlich, auch fachlich, davon "befreit", denn das ist ein endloses rabbithole und kann einen richtig unglücklich machen, wenn man zu tief reingeht. 😅

Von dem was ich mitgenommen habe drückt Bummsgeordy es am besten aus: wenn man wirklich gewinnbringend darüber diskutieren will muss man erst mal wirklich lange und wirklich gründlich Prämissen, Begriffe, und vor allen Dingen eigne Perspektive klären. "Freier Wille" ist eine astreine Projektionsfläche vor dem Herrn, und viele Diskussionen und Streitgespräche darüber scheitern meiner Erfahrung nach schon daran, dass die Leute mit implizit komplett unterschiedlichen Prämissen und Bedeutungen reingehen, seien dass metaphysische Weltbilder oder Begriffe wie "Entscheidung". Ich dachte bspw als eher libertär-kompatibilistisch eingestellter Doktorand, die Geistesphilosophen seien meine Brüder im Geiste, und die "Neurowissenschaften" der "Feind" 😁. Hat sich spätestens beim Publizieren als vollkommener Irrtum erwiesen.

Hoffentlich kommt das nicht so rüber, als würde ich hier die Diskussion an sich beschießen wollen, ist nicht der Fall, ist nur meine Sichtweise auf diesen überraschend aufgetauchten Gruß aus der Vergangenheit.

Gerade vonseiten theoretischer Physik liest man meines Erachtens übrigens mit die besten pro-free-will cases, diesen Artikel hier bspw fand ich super: https://aeon.co/essays/heres-why-so-man ... -free-will
GoodLord
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von GoodLord »

bluttrinker13 hat geschrieben: 28. Mai 2022, 15:39 Gerade vonseiten theoretischer Physik liest man meines Erachtens übrigens mit die besten pro-free-will cases, diesen Artikel hier bspw fand ich super: https://aeon.co/essays/heres-why-so-man ... -free-will
Aber auch nur, wenn man (wie in dem Artikel) davon ausgeht, dass das Gegenteil von Freiem Wille eine 100% deterministische Welt wäre (wie du schon sagtest - ein Definitionsproblem).
Voigt
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von Voigt »

Ich meine ich Frage ja danach, was freier Wille ist, ich frage daher ob es da schon irgendeine Definition gibt. Daher ich habe zuerst gefragt!

Meine ehste Vermutung habe ich ja schon gestellt. Freier Wille ist anscheinend eine Entscheidung zu treffen, die unabhängig von jeglicher vorheriger Kausalkette, gleichzeitig aber nicht arbiträr zufällig ist.
Da dies für mich nicht realistisch vorstellbar ist, habe ich das in so ein Bewusstsein/Seelen Ding geworfen, irgendwas im Endeffekt magisches was mehr als Physik ist.
Zufall ist, wenn ein von mehreren möglichen Ereignissen eintritt, ohne das ein egal wie chaotischen kausalen Zusammenhang gibt, dass dieses Ereignis und nicht die andre Option eintritt. Daher wie man es bei Quantenexperimenten kennt, ob ein einzelnes Photon transmittiert oder reflektiert wird an einem halbdurchlässigen Spiegel. Statistisch kommt etwas erwartbares heraus, aber ein einzelnes Photon verhält sich am Phasenübergang zufällig, bezüglich seiner zwei begrenzten Optionen.
Determinismus ist für mich das aufgrund physikalischer Naturgesetze, aufgrund vorheriger Bedingungen, der folgende Zustand fest bestimmt werden kann. Bis halt zu dem Grad, wo die Zufälligkeit durch Quanteneffekte wieder greift.

Den Artikel von bluttrinker13 fand ich ganz interessant, fand ihn aber am Ende zu sehr: Ich kann es mir nicht vorstellen, also kann es nicht wahr sein. Daher wäre doch ungeheuerlich wenn kreative Texte wie Das Kapital oder Harry Potter in den Anfangsbedingungen des Universums definiert sind.
Finde da tritt halt die womöglich Unendlichkeit der Universums auf den Plan.
Das verlinkte Paper aus dem Absatz: "But how can order emerge out of this chaos? As explained by Denis Noble and Raymond Noble in their paper for the journal Chaos in 2018, molecular randomness gives cellular mechanisms the option of choosing the outcomes they want, and discarding those they don’t. This power of choice enables physiological systems such as the heart and brain to function in a way that isn’t enslaved by the lower-level interactions, but rather choosing the outcomes of the preferred interactions from a multitude of options" muss ich aber mal durchlesen.
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BummsGeordy
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von BummsGeordy »

zur Einordnung: ich habe mich damit weder wissenschaftlich noch halbwegs professionell beschäftigt. meine wissenschafts-philosopischen Gedanken dazu entsprechen einem allgemeinen Interesse. Daher bitte als nicht zwingend zu Ende gedacht interpretieren:

- freier Wille: ich frage mich, ob es überhaupt Sinn macht in irgendeiner Form darüber nachzudenken. Wenn von freiem Willen gesprochen wird, schwebt immer eine Art Magieglaube und der Wunsch danach mit, dass "der Mensch" etwas "Besonderes" sein müsse. Ob es so etwas wie "Willen" gibt und ob oder WIE dieser geformt wird ist für mich eine recht irrelevante Überlegung, weil sich daraus keine Konsequenzen ableiten: weder hilft es uns darin in irgendeiner Erkenntnisform weiter zu kommen noch leitet sich daraus irgendeine Form von Handlungsänderung ab, noch lässt sich eine moralische Rechtfertigung für irgendeinen Vorgang daraus erkennen.
Das was wir als Entscheidung oder "Wille" wahrnehmen und interpretieren ist der Wunsch, dass das Bewusstsein und die individuelle Einflussnahme auf das Selbst (nach Innen) und die äußere Welt (nach Außen) zu kontrollieren sind. Ich wüsste nicht, wieso das so sein sollte, es eine Rolle spielt oder uns das weiter hilft (außer dass es per se natürlich irgendwie interessant ist darüber nachzudenken)

- @Voigt: immer wenn du etwas "Magisches" vermutest ist das nur ein Substitut für "ich weiß es nicht". Dem einen Namen zu geben - sei es "freier Wille", "Emergenz" oder "Magie" spielt dann für die Erkenntnis WAS es ist aber keine Rolle, weil das dann eben völlig arbiträre Silben sind, denen keine Bedeutung inne wohnt, sofern man sie nicht unabhängig definieren könnte. Daher: es bleibt nichts Anderes übrig, als so lange zu überlegen/nachzudenken, bis man ein Ergebnis findet, das sich schlüssig ableiten lässt - oder eben auf einem "ich weiß es nicht" zu verbleiben. Unbefriedigend - ich weiß ;)

- man kann natürlich fragen, ob es wirklich "Zufall" ist was du beschreibst. (Daher sind Begriffsdefinitionen sehr wichtig). Wenn ich etwas häufig genug machen kann und es über die Zahl quantifizierter vorhersagen kann - ist es dann wirklich Zufall? nur, weil ich es bei einer konkreten Vorhersage nicht weiß?
Ist es Zufall, wenn ich Wahrscheinlichkeiten vorhersagen kann? und das kann ich ja auch in der Quantenelektrodynamik und Quantenchronodynamik. Ist die Summe von Wahrscheinlichkeiten, die sich letztlich aber über die Zeit vorhersagen lassen in ihrer Verteilung dann wirklich "Zufall"?
Und wenn wir von der Unmöglichkeit sprechen ein konkretes individuelles Ereignis vorherzusagen: Ja Zufall - ok.. aaaaber: letztlich ist es ja nicht "zufällig" sondern eben nur das Eintreten einer vorhersagbaren Wahrscheinlichkeit. Beim Übergang in die "erlebbare Welt": lässt sich hier Zufall überhaupt von Probabilistik trennen?
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DieTomate
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von DieTomate »

Das Gehirn trifft Entscheidungen, bevor man es bewusst merkt.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ne ... n-100.html
Philip Hübl: „Libet hat Versuchspersonen gebeten, den Finger zu bewegen, und sie sollten sich gleichzeitig merken, wann sie den Ruck gespürt haben, den Finger zu bewegen.“

Der Philosophieprofessor Philip Hübl von der Universität Stuttgart.

„Und zwar haben sie auf eine Uhr geschaut und sollten sich den Zeigerstand der Uhr merken – das war ein Punkt, der sich ziemlich schnell gedreht hat: Wann habe ich den Ruck verspürt, den Finger zu bewegen?

Dann hat er gemessen, wann sie tatsächlich den Finger bewegt haben und hat rausgefunden: Der Ruck, den Finger zu bewegen, dieses Gefühl, jetzt will ich den Finger bewegen, hat 300 Millisekunden stattgefunden, bevor sich der Finger tatsächlich bewegt hat.

Gleichzeitig hat er noch Hirnströme gemessen, das Bereitschaftspotential, und hat herausgefunden, eine halbe Sekunde vorher – also noch einmal 200 Millisekunden vor dem Ruck – hat sich schon eine typische Veränderung dieser Hirnaktivität ergeben. Das ist dann viel diskutiert worden, weil es so wirkt, als würde das Hirn entscheiden, wann sich der Finger bewegt, und 200 Millisekunden später haben wir dann als Personen den Eindruck, wir würden den Finger bewegen wollen, aber in Wirklichkeit ist alles schon entschieden.“

John-Dylan Haynes: „Das ist natürlich paradox! Wie kann es denn sein, dass mein Gehirn weiß, wie ich mich gleich entscheiden werde, noch bevor ich selber das Gefühl habe, dass ich mich entschieden habe? Damit hat er eines der wichtigsten Experimente zur Erforschung der Willensfreiheit im Gehirn begründet.“
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BummsGeordy
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von BummsGeordy »

dieses Experiment ist ja nicht unumstritten... letztlich unterliegen wir zahlreichen Verzerrungen unserer Wahrnehmung. Letztlich schreiben wir (als Menschen) ständig Kausalitäten und Reihenfolgen zu, die nicht existent sind, weil unser Gehirn durch Vereinfachungen und Modelle versucht der Komplexität der äußeren Eindrücke in ihrer Interpretation Herr zu werden.

Beispiele sind hier z.B., dass man im Nachhinein denkt, etwas schon vorher gewusst zu haben, nachdem man die Lösung erfahren hat (obwohl sich das nicht objektivieren lässt), dass wir in optischen Täuschungen Zeitpunkte wahrnehmen, die gar nicht sein können usw...

Das Experiment selbst hilft uns ja auch nicht in der Frage, ob wir frei entscheiden können. Höchstens "wann nehmen wir wahr, dass wir eine Entscheidung getroffen haben"?

um es konkret zu machen: so etwas wie "Gleichzeitigkeit" existiert weder im Universum noch in unserer menschlichen Biologie so eindeutig und einfach wie wir uns das vorstellen. Unser Hirn kompensiert für eine ganze Reihe von Verzögerungen, die wir dennoch als "gleichzeitig" wahrnehmen, obwohl sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten wahrgenommen werden und geschehen sind...
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bluttrinker13
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von bluttrinker13 »

BummsGeordy hat geschrieben: 28. Mai 2022, 20:44 dieses Experiment ist ja nicht unumstritten... letztlich unterliegen wir zahlreichen Verzerrungen unserer Wahrnehmung...

Das Experiment selbst hilft uns ja auch nicht in der Frage, ob wir frei entscheiden können. Höchstens "wann nehmen wir wahr, dass wir eine Entscheidung getroffen haben"?
This!
😍

Im übrigen fand ich es schon immer einen Fehler, "das Gehirn" einerseits und einen selbst, oder das "Selbst" oder das "Bewusstsein" andererseits sprachlich und semantisch zu trennen, so als ob das grundverschiedene Entitäten seien @Dylan-Haynes.
Das ist mE so ein pseudo-antagonismus der die Debatte regelmäßig zum derailen gebracht hat, weil es dann immer eher genau um dieses intuitive "das kann doch nicht sein!" ging anstatt um konstruktives nachdenken darüber was Freiheit alles sein kann oder wie man sie operationalisieren könnte.
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Terranigma
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von Terranigma »

bluttrinker13 hat geschrieben: 28. Mai 2022, 21:38Im übrigen fand ich es schon immer einen Fehler, "das Gehirn" einerseits und einen selbst, oder das "Selbst" oder das "Bewusstsein" andererseits sprachlich und semantisch zu trennen, so als ob das grundverschiedene Entitäten seien @Dylan-Haynes.
Das ist so'n Punkt. Habe mal'n paar Semester Philosophie studiert - why not? - und womit man ca. die Hälfte der Vorlesungszeit verbringt ist erst einmal die Begriffe zu operationalisieren, damit man überhaupt einen zielführendes Gespräch führen kann und man alle Beteiligten wissen, was gemeint ist, wenn man einen Begriff verwendet. Der freie Wille ist ja i.d.R. an die Annahme geknüpft, dass es ein unabhängiges und konstantes Selbst gibt - genannt "ich" - welches Entscheidungen treffen kann. Inwiefern es ein vom Körper unabhängigen Geist gibt ist ja so'n Klassiker innerhalb der Erkenntnistheorie. Insbesondere im westlichen Kulturkreis ist diese Annahme sehr prominent, insb. aufgrund des christlichen Glaubens, welcher den Körper-Seele-Dualismus zwar nicht erfunden hat, aber durch die klare Unterscheidung zwischen (a) dem sterblichen Leib und (b) der unsterblichen Seele innerhalb der europäischen Geistesgeschichte fest verankert hat.

Womöglich führt's ein wenig von der Ursprungsfrage weg, aber hoffentlich nicht ganz: Im Alltag reden wir ja zumeist von "Ich" zumeist in der Annahme, dass es ein konstantes "Ich" gibt. "Ich" bin somit gerade jene Person, die diesen Beitrag schreibt. Ebenso bin aber auch "Ich" jene Person, die diesen Beitrag in ein paar Minuten abschicken wird; die Person, welche heute morgen aufstand ist ebenfalls "Ich." Wir begreifen uns selbst gemeinhin als ein konstantes, bruchloses Selbst. Wenn man Erwachsenen ein Bild von sich selbst als Kind zeigt - z.B. ein 10 Jahre altes Bild - werden viele wohl intuitiv anworten mit "Das bin ich." Was mir genauer betrachtet gar nicht intuitiv erscheint, weil ja evident ist, dass die Person, welche auf dem Bild zu sehen ist, nicht dieselbe Person ist, der ich das Bild 10 Jahre später zeige. Dennoch begreifen wir unser Selbst als konstant, und bezeichnen dies als "Ich." Dies scheint innerhalb der westlichen Mentalität wohl seine Selbstverständlichkeit zu sein, dass es dieses konstante Selbst - genannt "Ich" - gibt. Und dass es dieses Selbst ist, welches dann ggf. einen freien Willen besitzt und unabhängig vom Körper entscheiden kann, oder eben auch nicht.


... im Rahmen meines Japanologie-Studiums habe ich mich insb. mit Buddhologie beschäftigt, weil ein Forschungsschwerpunkt in Köln seinerzeit auch Religionsgeschichte war, eben mit Fokus auf den Buddhismus. Während meines Aufenthalts in Japan lag auch da (m)ein Schwerpunkt. Und obwohl ich nun kein religiöser Mensch bin, erschien mir der buddh. Blick auf diese Frage recht interessant und schlüssig, insb. Zen Mind, Beginner's Mind Suzuki Shunryū. Er definiert "Ich" wie folgt (aus dem Gedächtnis zitiert): "Was wir "Ich" nennen, ist nur eine Schwingtür, die sich bewegt, wenn wir einatmen und ausatmen." Insb. die europäische Geistesgeschichte - auch die abrahamitischen Religionen - basieren auf der Annahme einer ewiglichen, vom Körper getrennten Seele. Der Buddhismus negiert diese Annahme, sondern begreift das "Selbt" - und auch das "Ich" - als Illusion, welche quasi von Moment zu Moment entsteht und wieder verschwindet. Es gibt kein dauerhaftes Selbst, und der Mensch, der heute morgen aufstand und "Ich" zu sich sagte, ist demgemäß nicht derselbe Mensch, der nun am Laptop sitzt und diesen Beitrag schreibt. Das erscheint mir auch plausibel. Sofern man also die Prämisse negiert, dass es ein vom Körper unabhängiges Selbst - nennen wir's Seele, etc. - gibt, stellt sich auch die Frage nach dem freien Willen etwas anders. Weil es dann eben nicht "Ich" bin, der entscheidet, sondern es nur "Ich" ist, der den Eindruck hat zu existieren und den Eindruck hat, zu entscheiden.

Dies scheint mir mit dem Libet-Experiment auch besser vereinbar zu sein, als die Annahme, es gäbe ein vom Körper getrenntes, unabhängiges und konstantes Selbst, das quasi einen Willen außerhalb der physischen Realität besäße. ... just my 5 cents. :D
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GoodLord
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von GoodLord »

BummsGeordy hat geschrieben: 28. Mai 2022, 20:24 - man kann natürlich fragen, ob es wirklich "Zufall" ist was du beschreibst. (Daher sind Begriffsdefinitionen sehr wichtig). Wenn ich etwas häufig genug machen kann und es über die Zahl quantifizierter vorhersagen kann - ist es dann wirklich Zufall? nur, weil ich es bei einer konkreten Vorhersage nicht weiß?
Ist es Zufall, wenn ich Wahrscheinlichkeiten vorhersagen kann?
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Guthwulf
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von Guthwulf »

Voigt hat geschrieben: 28. Mai 2022, 16:38Freier Wille ist anscheinend eine Entscheidung zu treffen, die unabhängig von jeglicher vorheriger Kausalkette, gleichzeitig aber nicht arbiträr zufällig ist.
Definiere "arbiträr zufällig". Gibts auch andere Arten von "zufällig"? Was meinst du mit "unabhängig von jeglicher vorheriger Kausalkette"? Was ist in diesem Kontext für dich eine "Kausalkette"? Von was soll der "Wille" denn überhaupt "frei" sein? Siehe auch was Terranigma zum "Ich" schreibt.

Das "Bewußtsein" und damit die Wahrnehmung (oder das Konstrukt) eines "Ich" ist Ergebnis der Prozesse (und Strukturen) unseres Gehirns. Eine Entscheidung (die Wahl einer Handlung aus mehreren Alternativen) ist das Ergebnis eines entsprechenden Abwägungsprozesses im neuronalen Netz desselben Gehirns durch entsprechende biochemische und bioelektrische Vorgänge, egal ob es um "bewußte" oder "unbewußte" Entscheidungen geht. Insofern gibt es immer eine "Kausalkette", die zu einer konkreten Entscheidung A (anstatt B) geführt hat. Waren dabei zu einem gewissen Grad auch "quantenmechanische Effekte" oder (nicht-deterministische) "Zufälle" beteiligt? Unser Gehirn "würfelt" also gelegentlich mal, um Teilaspekte abzuwägen? Möglich, aber warum sollte das ein Argument für oder gegen "freien" Willen sein? Dauert es eine gewisse Zeit, bis wir eine "unbewußte" Entscheidung "bewußt" wahrnehmen? Ganz sicher, aber warum sollte das ein Argument für oder gegen "freien" Willen sein? Die "Wahrnehmung" einer Entscheidung ist etwas anderes als das "Treffen" der Entscheidung und etwas anderes als das "Umsetzen" der Entscheidung. Warum sollte das ein Argument für oder gegen "freien" Willen sein?
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Voigt
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von Voigt »

Guthwulf hat geschrieben: 29. Mai 2022, 08:02 Eine Entscheidung (die Wahl einer Handlung aus mehreren Alternativen) ist das Ergebnis eines entsprechenden Abwägungsprozesses im neuronalen Netz desselben Gehirns durch entsprechende biochemische und bioelektrische Vorgänge, egal ob es um "bewußte" oder "unbewußte" Entscheidungen geht. Insofern gibt es immer eine "Kausalkette", die zu einer konkreten Entscheidung A (anstatt B) geführt hat.
Genau das ist ja mein Punkt, die biochemischen und bioelemtrischen Vorgänge sind die Ursache für die Abwägungsentscheidung.
Diese Vorgänge haben physikalische Ursachen, warum diese so und nicht anders passieren.
Daher ist das, genau wie du selbst auch sagtest die "Kausalkette" die man aufgrund physikalischer Reaktionen theoretisch beliebig weit zurückverfolgen kann.

Den einzigen Punkt den ich gegen dieses deterministische Weltbild gelesen habe, war dass es im kleinen ja quantenmechanische Prozesse gibt, die einen gewissen Zufall reinbringen und es daher nichtmehr komplett deterministisch ist, sondern bloß stochastisch.
Aber wenn die Kausalkatte sich auf einen Zufall rückführen lässt und damit die schlussendliche Ursache für eine Entscheidung ist (Zufall muss nicht 50/50 heißen), dann ist diese "Entscheidung" ja auch nicht real "getroffen", sondern einfach nur arbiträr ausgewürfelt.
Dann ist diese "Entscheidung" zwar frei vom Determinismus, aber halt keine Wille mehr.
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von BummsGeordy »

um diesem Gedanken etwas hinzuzufügen:

wenn wir "deterministisch" so verstehen, dass eine Reaktion mit vorhersagbarer Sicherheit auf eine Ursache folgt, so ist die Welt "nicht" deterministisch, auch wenn sie uns so scheinen mag.
Determinismus (in Bezug auf Wille/Wirklichkeit) sagt: wenn wir nur genau genug alle Ausgangsvariablen kennen, dann können wir eine zwangsläufige Fortentwicklung voraussagen.
Abgesehen von der praktischen Unmöglichkeit diese Datenmengen zu sammeln und dann auch noch zu verarbeiten (das können wir uns ja schenken, weil es dir hier um den "Willen" geht), so basiert dies auf der der Annahme, dass man Grundbedingungen haben kann.

Jedoch können wir im "Kleinen" ENTWEDER eine Position, ODER eine Geschwindigkeit messen. Daraus folgt, dass der komplementäre Punkt bei genauer Bestimmung nicht feststellbar sein kann (prinzipbedingt). Somit ist auch eine festgelegte Vorhersage des "das folgt darauf" nicht möglich.
Im Gesamten scheint trotz der zugrundeliegenden quantenmechanischen Effekte in unserer Wirklichkeit etwas wie Determinismus zu folgen. Aber: ist das nur eine Interpretation oder die Summe zugrundeliegenden Elemente im Kleinen?

Rein aus den Gesetzen der Quantenmechanik folgt nicht, dass zwangsläufig ein Goethe ein Buch "Faust" schreibt → das ist eine Folge, die nicht auf deterministische Prozesse zurückzuführen ist.

Was wir als Wirklichkeit, Bewusstsein und Wille wahrnehmen ist unsere Interpretation bzw. Wahrnehmung der Summe physikalischer Gegebenheiten - die per se betrachtet aber völlig willkürliche Zuschreibenden darstellen, ohne dass sie als solches überhaupt "existieren" müssen. (Je nachdem was man als "existieren" bezeichnen möchte).

Ich habe das Gefühl, dass du sehr schnell von der Grundannahme "Wille" auf andere Dinge schließt, ohne dass wir uns geeinigt hätten, was wir überhaupt mit "Wille" oder "Entscheidung" treffen. Was soll deine eine reale Entscheidung sein? und was wäre eine nicht-reale Entscheidung? Welchen Unterschied macht es, ob das - was du als real bezeichnest - letztlich nur als real wahrgenommen wird?

Ich tue mich immer noch schwer zu verstehen, was du mit "Wille" meinst - kannst du das vielleicht etwas genauer umfassen? wir drehen uns ja sonst im Kreis, wenn du sagst, was Wille beeinflusst oder nicht, ohne dass wir wissen, was "Wille" denn definiert.
Voigt
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von Voigt »

Die Heisenberger Unschärferelation erlaubt ja erstma nur keine genaue Messung komplimentärer Größen, bzw. verallgemeinert Interaktionen mit einem Objekt haben immer Einfluss auf dessen Eigenschaften.

Das ist aber garnicht so wichtig, da wir quasi eh nie bei irgendeiner Messung jemals den "wahren Wert" rausfinden. Mit Messungen nähern wir uns diesem immer nur an.

Daher ist es eh immer nur eine philosophische deterministische Diskussion. Denn auch bei Heisenberg Effekten gibt es weiterhin im ungestörten Zustand einem wahren Wert, der uns bloß unbekannt ist.

Warum soll aber Goethes Faust nicht durch deterministischer Prozesse resultieren? Muss ja nur irgendwo, irgendwann passieren.


Aber um nochmal zu meinem Ausgangsposting zu kommen, ich habe ja ganz initial gefragt, was "freier Wille" ist, da ich es ja selber nicht weiß, und frage ob es bereits bestehende philosophische Diskussionen dazu gibt.
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Guthwulf
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von Guthwulf »

Voigt hat geschrieben: 29. Mai 2022, 09:39Genau das ist ja mein Punkt
Was ist dein Punkt? Was du schreibst ist für mich immer noch Kauderwelsch, bei dem ich nicht einmal verstehe, worauf du hinauswillst.
Voigt hat geschrieben: 29. Mai 2022, 09:39die biochemischen und bioelemtrischen Vorgänge sind die Ursache für die Abwägungsentscheidung. Diese Vorgänge haben physikalische Ursachen, warum diese so und nicht anders passieren. Daher ist das, genau wie du selbst auch sagtest die "Kausalkette" die man aufgrund physikalischer Reaktionen theoretisch beliebig weit zurückverfolgen kann.
Über die biochemischen und bioelektrischen Vorgänge wird ein Abwägungsprozess durchgeführt, der irgendwann hoffentlich zu einer Entscheidung führt. "Ursache" für die Entscheidung sind nicht nur die Vorgänge sondern z.B. auch die gespeicherten "Daten" (wie Erinnerungen, Wissen etc.) auf die im Rahmen der Vorgänge zurückgegriffen wird. Und diese Vorgänge haben nicht nur physikalische "Ursachen" sondern z.B. auch chemische. Und was ist für dich "Kausalkette"? Folgendes ist für mich auch eine Kausalkette (die eindeutig "zurückverfolgt" werden kann): "Person X wirft einen 6-seitigen Würfel, bekommt eine 4 als Resultat und kauft deshalb 4 Äpfel im Supermarkt".
Voigt hat geschrieben: 29. Mai 2022, 09:39Den einzigen Punkt den ich gegen dieses deterministische Weltbild gelesen habe, war dass es im kleinen ja quantenmechanische Prozesse gibt, die einen gewissen Zufall reinbringen und es daher nichtmehr komplett deterministisch ist, sondern bloß stochastisch. Aber wenn die Kausalkatte sich auf einen Zufall rückführen lässt und damit die schlussendliche Ursache für eine Entscheidung ist (Zufall muss nicht 50/50 heißen), dann ist diese "Entscheidung" ja auch nicht real "getroffen", sondern einfach nur arbiträr ausgewürfelt. Dann ist diese "Entscheidung" zwar frei vom Determinismus, aber halt keine Wille mehr.
Was ist für dich "Wille", "frei" (von was?) oder "getroffen"? Und wo siehst du einen Widerspruch?

Das Gehirn konstruiert dein "Bewußtsein", also deine "Ich" Wahrnehmung und damit auch deinen "Willen" mit biochemischen und bioelektrischen Prozessen innerhalb des neuronalen Netzes deines Gehirns (und basierend auf den darin abgespeicherten Daten und Strukturen). Wenn also der oben genannte Abwägungsprozess im Gehirn zu einer Entscheidung kommt, dann habe "Ich" diese Entscheidung für mich real "getroffen" (völlig egal ob einzelne Elemente innerhalb des Abwägungsprozess "Zufall" beinhalten). Es gibt keinen magischen unabhängig vom Gehirn irgendwo im esoterischen Nichts schwebenden "Willen". Der wesentliche Unterschied zwischen "bewußten" (nach deinem "Willen") getroffenen Entscheidungen und "unterbewußten" ist (abstrakt gesprochen), welche Teile des Gehirns daran wie beteiligt waren und wann die Entscheidung im Bewußtsein wahrgenommen wird. Sowas wie die "Flight Or Fight Response" wird z.B. unter "Umgehung des Bewußtsein" getroffen, weil es hier um Schnelligkeit geht und das dafür zu langsam wäre. Und auch dafür ist es völlig irrelevant ob "Zufall" eine Rolle spielt. Du (bzw. dein Gehirn) ist nicht "allwissend", sondern wird (basierend auf seinen gespeicherten Erfahrungswerten, seiner Struktur und seinem aktuellen Zustand) immer irgendwo "raten", wenn es versucht, zu einer Entscheidung zu kommen (z.B. "wird die Brücke halten, wenn ich darüberlaufe?").
BummsGeordy hat geschrieben: 29. Mai 2022, 10:11Ich habe das Gefühl, dass du sehr schnell von der Grundannahme "Wille" auf andere Dinge schließt, ohne dass wir uns geeinigt hätten, was wir überhaupt mit "Wille" oder "Entscheidung" treffen. Was soll deine eine reale Entscheidung sein? und was wäre eine nicht-reale Entscheidung? Welchen Unterschied macht es, ob das - was du als real bezeichnest - letztlich nur als real wahrgenommen wird? Ich tue mich immer noch schwer zu verstehen, was du mit "Wille" meinst - kannst du das vielleicht etwas genauer umfassen? wir drehen uns ja sonst im Kreis, wenn du sagst, was Wille beeinflusst oder nicht, ohne dass wir wissen, was "Wille" denn definiert.
Sehe ich genauso bzw. frage ich mich auch
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von Voigt »

Guthwulf hat geschrieben: 29. Mai 2022, 11:16
Voigt hat geschrieben: 29. Mai 2022, 09:39die biochemischen und bioelemtrischen Vorgänge sind die Ursache für die Abwägungsentscheidung. Diese Vorgänge haben physikalische Ursachen, warum diese so und nicht anders passieren. Daher ist das, genau wie du selbst auch sagtest die "Kausalkette" die man aufgrund physikalischer Reaktionen theoretisch beliebig weit zurückverfolgen kann.
Über die biochemischen und bioelektrischen Vorgänge wird ein Abwägungsprozess durchgeführt, der irgendwann hoffentlich zu einer Entscheidung führt. "Ursache" für die Entscheidung sind nicht nur die Vorgänge sondern z.B. auch die gespeicherten "Daten" (wie Erinnerungen, Wissen etc.) auf die im Rahmen der Vorgänge zurückgegriffen wird. Und diese Vorgänge haben nicht nur physikalische "Ursachen" sondern z.B. auch chemische. Und was ist für dich "Kausalkette"? Folgendes ist für mich auch eine Kausalkette (die eindeutig "zurückverfolgt" werden kann): "Person X wirft einen 6-seitigen Würfel, bekommt eine 4 als Resultat und kauft deshalb 4 Äpfel im Supermarkt".
Im Endeffekt ist Chemie ein Teilgebiet der Physik, Chemie hat bloß eine andere Betrachtungsweise die wir Menschen uns zueigen machen, daher hatte ich nur Physik gesagt, und Chemie nicht weiter erwähnt.
"gespeicherten "Daten" (wie Erinnerungen, Wissen etc.)" wurden ja auch aufgrund physikalischer Reaktionen "abgespeichert".
Zur grundlegenden Frage einer Kausalkette, hatte gedacht das wäre ziemlich klar. Aufgrund des Ausgangs-Rotation und -Position des Würfels in der Hand/Bechers, aufgrund des Impulses dem du den Würfel gibst, aufgrund der Oberfläche auf dem du den Würfel fallen lässt, aufgrund des Materials von Würfel und Oberfläche, wodurch Stöße zu einem gewissen Grad elastisch und inelastisch sind, und noch viel weiterer Variablen, ist was du würfeln wirst durch die Kausalkette ja schon fest determiniert.
Das ist die Kausalkette, dass du eine 4 würfeln wirst, und damit schon von Anfang klar, wieviele Äpfel du kaufen wirst, wenn du für dich "entschieden" hast, je nach Würfelergebnis soviele Äpfel zu kaufen.
Das ist noch die "simple" Physik. Zusätzlich kommt halt hinzu der biophysikalische, biochemische Aspekt, wie du zu der Entscheidung kamst dieses Experiment durchzuführen.
Und dies passiert meines Verständnisses aufgrund der "gespeicherten Daten", aufgrund deines vorherigen Lebens, wodurch sich Erinnerungen, Wissen als Neuronenverbindungen in deinem Gehirn abgespeichert haben.

Guthwulf hat geschrieben: 29. Mai 2022, 11:16
Voigt hat geschrieben: 29. Mai 2022, 09:39Den einzigen Punkt den ich gegen dieses deterministische Weltbild gelesen habe, war dass es im kleinen ja quantenmechanische Prozesse gibt, die einen gewissen Zufall reinbringen und es daher nichtmehr komplett deterministisch ist, sondern bloß stochastisch. Aber wenn die Kausalkatte sich auf einen Zufall rückführen lässt und damit die schlussendliche Ursache für eine Entscheidung ist (Zufall muss nicht 50/50 heißen), dann ist diese "Entscheidung" ja auch nicht real "getroffen", sondern einfach nur arbiträr ausgewürfelt. Dann ist diese "Entscheidung" zwar frei vom Determinismus, aber halt keine Wille mehr.
Was ist für dich "Wille", "frei" (von was?) oder "getroffen"? Und wo siehst du einen Widerspruch?
Wenn nun aber die Entscheidung von dem Apfelexperiment nur deterministisch durch abgepeicherte Daten bestimmt ist, dann gibt es ja keine "Freiheit", weil die Entscheidung festgelegt ist. Wenn nun aber Zufälle in etwa dem Elektronenaustausch von Molekülreaktionen im Kleinen auftreten, die Auswirkungen im Großen haben, dann wäre man zwar "frei vom Determinsmus", daher, dass alles aufgrund bestehender Zustandsvariablen vorbestimmt ist, aber es gibt dann keine "Entscheidung" mehr, da der Ausgang zufällig war. Wenn Entscheidungen von Zufällen im kleinen gelenkt wären, sehe ich halt keinen "Willen".
Guthwulf hat geschrieben: 29. Mai 2022, 11:16 Das Gehirn konstruiert dein "Bewußtsein", also deine "Ich" Wahrnehmung und damit auch deinen "Willen" mit biochemischen und bioelektrischen Prozessen innerhalb des neuronalen Netzes deines Gehirns (und basierend auf den darin abgespeicherten Daten und Strukturen). Wenn also der oben genannte Abwägungsprozess im Gehirn zu einer Entscheidung kommt, dann habe "Ich" diese Entscheidung für mich real "getroffen" (völlig egal ob einzelne Elemente innerhalb des Abwägungsprozess "Zufall" beinhalten). Es gibt keinen magischen unabhängig vom Gehirn irgendwo im esoterischen Nichts schwebenden "Willen". Der wesentliche Unterschied zwischen "bewußten" (nach deinem "Willen") getroffenen Entscheidungen und "unterbewußten" ist (abstrakt gesprochen), welche Teile des Gehirns daran wie beteiligt waren und wann die Entscheidung im Bewußtsein wahrgenommen wird. Sowas wie die "Flight Or Fight Response" wird z.B. unter "Umgehung des Bewußtsein" getroffen, weil es hier um Schnelligkeit geht und das dafür zu langsam wäre. Und auch dafür ist es völlig irrelevant ob "Zufall" eine Rolle spielt. Du (bzw. dein Gehirn) ist nicht "allwissend", sondern wird (basierend auf seinen gespeicherten Erfahrungswerten, seiner Struktur und seinem aktuellen Zustand) immer irgendwo "raten", wenn es versucht, zu einer Entscheidung zu kommen (z.B. "wird die Brücke halten, wenn ich darüberlaufe?").
Aber vielleicht ein ganz guter Punkt, dass man erstmal noch einen Schritt zurückgehen sollte. Wenn man davon ausgeht, dass das "Ich" aufgrund eines wieauchimmer gestalteten "Freien Willens" Entscheidungen trifft, dass man doch erstmal diskutieren muss, was dieses "Ich" ist.

Ich denke unterbewusst war ich bisher ähnlicher Auffassung, wie es Terranigma aus dem Buddhistischem erklärt hat. Dass dies eh nur eine Illusion ist, welche im hochkomplexen Gehirn als Selbstwahrnehmung kreiert wird.
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von GoodLord »

Voigt hat geschrieben: 29. Mai 2022, 11:11Daher ist es eh immer nur eine philosophische deterministische Diskussion. Denn auuh bei Heisenberg effekten gibt es weiterhin im ungestörten Zustand einem wahren Wert, der uns bloß unbekannt ist.
Bist du dir sicher? Da haben wir im Studium was anderes gelernt.
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BummsGeordy
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von BummsGeordy »

Voigt hat geschrieben: 29. Mai 2022, 11:11 (...)
Daher ist es eh immer nur eine philosophische deterministische Diskussion. Denn auuh bei Heisenberg effekten gibt es weiterhin im ungestörten Zustand einem wahren Wert, der uns bloß unbekannt ist.
das behauptest du mal einfach so aus der Hüfte heraus geschossen. Was soll denn ein "wahrer Wert" sein? existiert so etwas wie "wahrer Wert" überhaupt oder ist das auch wieder nur ein Denkmodell, das wir uns wünschen, weil wir es nicht besser fassen können?

ich würde deiner Aussage nämlich z.B. nicht folgen. Existiert etwas, das noch gar nicht ist? oder manifestiert es in dem Moment, in dem man es bestimmt? und WENN man es bestimmt: WAS bestimmt man → kann es so etwas wie "wahren Wert" geben, wenn das Konzept des Wertes überhaupt nicht definierbar ist?
Voigt hat geschrieben: 29. Mai 2022, 11:11 Warum soll aber Goethes Faust nicht durch deterministischer Prozesse resultieren? Muss ja nur irgendwo, irgendwann passieren.
du hast mich missverstanden: ich sagte: allein in den grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der Quantenmechanik ist nicht inhärent verwoben, dass Goethes Faust zwangsläufig entstehen muss.

Es gibt also zwischen den Grundlagenprozessen und dem, was wir als Wirklichkeit wahrnehmen eine Entwicklung, die sich nicht allein durch Beschreibung der Grundlagenprozesse erklären lässt.
Voigt hat geschrieben: 29. Mai 2022, 11:11 Aber um nochmal zu meinem Ausgangsposting zu kommen, ich habe ja ganz initial gefragt, was "freier Wille" ist, da ich es ja selber nicht weiß, und frage ob es bereits bestehende philosophische Diskussionen dazu gibt.
Ersetze mal in deinem Ausgangspost "freier Wille" durch z.B. "Quobbeldiquobb" um dich von dem zu lösen, was bei der Benutzung von "freier Wille" bei dir automatisch mitschwingt. Wenn du diese Wortfolge "freier Wille" nicht benutzt, kann niemandem klar sein, was du überhaupt fragst oder diskutieren möchtest.
Um also diskutieren zu können, was ANDERE bisher an Definitionen und Gedanken dazu hatten müsstest DU (der du den Thread ja gestellt hast) erstmal versuchen einzugrenzen was du mit "Quobbeldiquobb" meinst. Es ist irrational anzunehmen, dass das, was du implizit meinst was unter "freier Wille" verstanden werden müsste ausreicht, um eine Antwort auf deine Frage zu geben, wie die Philosophie "Quobbeldiquobb" denn definiert.

Verstehst du worauf ich hinaus möchte?
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