Philoshophie: Was is freier Wille

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bluttrinker13
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von bluttrinker13 »

Terranigma hat geschrieben: 29. Mai 2022, 00:27
viele kluge Aussagen

sehr interessante Aussagen zu Buddhismus und Leib-Seele

Dies scheint mir mit dem Libet-Experiment auch besser vereinbar zu sein, als die Annahme, es gäbe ein vom Körper getrenntes, unabhängiges und konstantes Selbst, das quasi einen Willen außerhalb der physischen Realität besäße. ... just my 5 cents. :D
Das hast du schön ausgeführt. Ein-zwei Anmerkungen von mir noch dazu.

Das Leib-Seele Problem kommt oft auf, wenn man den freien Willen diskutiert, ist meines Erachtens aber auch oft eher ein Distraktor und logisch unabhängig von der Frage ob wir eine handlungsleitenden Willen haben, der nun "frei" ist oder nicht. (Bspw. könnte ja auch beim klassischen Descartschen Substanzdualismus, also der Annahme Geist/Seele und Physisches/Körper seien verschiedene Substanzen, dafür argumentieren, dass die Seele, wenn sie denn gar überhaupt der Quell von Freiheit sein sollte, vom Determinismus erfasst und vollständig determiniert ist, damit "unfrei").

An sich ist das aber eine mindestens genauso spannende Frage wie die nach der Freiheit. Obwohl, ich glaube in der Philosophie und auch sonst vertritt niemand mehr wirklich einen cartesischen Substanzdualismus, die Physikalisten und Materialisten sowieso nicht, aber auch die Nicht-Reduktionisten, die alles Mentale nicht einfach 1:1 auf körperliche Prozesse reduziert sehen wollen, tun das nicht.
Ich finde, wie du schon schön angedeutet hast, der Substanzdualismus als Idee, "Seele" als ein Stoff, ist viel durch das (alte) christliche Weltbild motiviert, dass auch damals noch viel die europäische Philosophie durchzog (siehe Descartes selbst mit seinem ontologischen Gottesbeweis-VERSUCH). Historisch interessant, aber begrifflich ist man da deutlich weiter mittlerweile, natürlich, und Annahmen wie Emergenz oder Supervenienz lösen meines Erachtens das Leib-Seele-Dilemma (oder manchmal auch als Trilemma konstruiert) ganz gut auf.
Für mich persönlich war da ein Leuchtfeuer in diesen Dingen immer was der Volker Gadenne schrieb, Philosoph-turned Psychologe: https://www.amazon.de/Philosophie-Psych ... 345684123X der ist super schön klar und präzise.

Bei der Frage nach dem "Ich" ist die Annahme einer Konstante meines Erachtens auch outdated und eher religiös motiviert, denn Konstanten haben in der Psychologie sowieso seit langem keinen Platz mehr. Das "Ich" ist wandelbar und findet auf vielen Ebenen statt, und kann auch vielfach operationalisiert werden (bspw wahrnehmungsbasiert, sozial, oder rein motorisch-neurologisch). Jeder kann durch etwas Reflektion selbst schnell die Einsicht erlangen dass "er" oder "sie" keine unverrückbare Konstante ist, bspw sozial allein schon, wenn wir uns die vielen Rollen vergegenwärtigen die wir im sozialen Alltag einnehmen und die unser Wesen jeweils ändern und mitbestimmen. Wer, wie wir beide, mal eine signifikante Zeit im Ausland zurechtkommen musste, kennt diese Erfahrung des "Ich kann ja ganz anders sein" wahrscheinlich ganz gut.

Und natürlich gibt es dann eine gewisse Kontinuität, meines Erachtens ist man dann aber schon im Bereich von "Identität" und "Selbstkonzept" auch wieder sehr soziale Begriffe, und weg von reiner Geistesphilosophie. Ein Hauptvorteil solch kontinuierlichen "Ich"s bzw. seinen Zuschreibungen, die in Annahmen über Identität oder über "einen selbst" und damit Selbstkonzepten münden, ist bspw. dass wir uns von der Umwelt (sozial, gegenständlich, natürlich) abtrennen und unterscheiden können. Ich vs die anderen, meine Gedanken vs Gedanken und Äußerungen anderer, Ich als Entität mit Bedürfnissen gegenüber dem Reizangebot, Nahrungsangebot, oder auch sozialen Angebot der Umwelt. Eine Grundvoraussetzung für adaptives Handeln und soziales Funktionieren, deshalb rudimentär auch im Tierreich vertreten. Wie schlimm das ist, wenn man das nicht mehr kann, bzw. das ICH eben "gespalten" ist, sehen wir in der Schizophrenie.

Aber diese Kontinuität ist eben sehr relativ, und definitiv auch abhängig von den Erfahrungen und körperlichen Prozessen die wir unterlaufen (bspw beim Altern), was mE allein schon geneigt ist, sowas wie Substanzdualismus zu widerlegen. TL;DR Klar gibt es ein "Selbst", aber das ist viel facettenreicher und plastischer als oftmals unter "Ich" implizit substituiert. Da finde ich auch deine Beispiele auf der Zeitachse total schön und treffend.
Ich glaube, Roy Baumeister hat letztens auch wieder ein (Sach-)Buch über das Selbst veröffentlicht, finde ihn immer ganz lesenswert.

Insofern finde ich mich da in deiner Beschreibung der buddhistischen Sichtweise sehr wieder. Ist ja wiederum auch wenig christlich geprägt und scheint mir als Philosophie sowieso immer eher auf den Zusammenhang von allem zu achten, denn auf die Einzigartigkeit von Kernelementen, wie dem Menschen oder der "Seele".

Ich hatte auch immer Schwierigkeiten in Gesprächen mit Asiaten, glaube Koreaner oder Japaner, mich deutlich zu machen, was ich mit "freiem Willen" westlicher Prägung meine, damals, in der Doktorandenzeit und auf Reisen. Daraus resultierte mein Eindruck dass der freie Wille und die darin implizit enthaltene "Agency", die im westlichen Kulturkreis so relevant und emotional besetzt scheint, in bspw Japan gar nicht so vorkommt oder dieselbe Relevanz besitzt. Hast du da als Experte für Japan vielleicht eine Meinung zu?
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Terranigma
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von Terranigma »

bluttrinker13 hat geschrieben: 29. Mai 2022, 16:07Hast du da als Experte für Japan vielleicht eine Meinung zu?
Nebst den vielen Dingen, die mich an Japan und insb. der Sprache so faszinierend, ist's u.a. dieser Aspekt, dass ich auf für mich grundlegende Prämissen - die in westl. Diskursen auch nie zur Diskussion standen - mit Blick auf Japan ganz anders blicke, u.a. eben die Relevanz von Agency und der Relevanz des Selbst.

Ich fühle mich eigentlich in der Lingustik sehr wohl, weshalb ich es einmal daran festmachen würde, u.a. auch um zu illustrieren, wie sehr bereits die Sprache, die wir zur Kommunikation der Gedanken verwenden, die denkbaren Gedankengäge - und damit auch die Konklusionen - prägt. Ein deutscher sowie auch englischer Satz setzt sich grundsätzlich aus einem Subjekt sowie Prädikat zusammen, d.h. die Antwort auf: "Wer tut was?" Beispielsweise:

Ich esse.
I eat.

Nun sind natürlich auch sprachliche Äußerungen möglich, die in dieses Muster nicht fallen, diese sind streng betrachtet somit aber keine Sätze, sondern eben nur verbale Äußerungen. Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Französisch, etc. sind allesamt indogermanische Sprache und fallen in die (Groß-)Familie u.a. der germanischen bzw. romanischen Sprachen, d.h. diese Sprachen teilen sehr basale Gemeinsamkeiten nicht nur im Wortschatz, sondern auch in ihrer Struktur. Sofern man nun mit diesen Sprachen sozialisiert ist und somit auch daran gewöhnt innerhalb dieser Sprachen seine Gedanken zu verbalisieren - d.h. innerhalb dieser Sprachen zu denken - so könne man zu der Annahme gelangen, dass das Denken innerhalb dieser Sprachen repräsentativ für menschliches Denken im Allgemeinen ist. Beziehungsweise dass alle Menschen so denken, und dass ein Gedankengang losgelöst von der Sprache existiert, innerhalb derer er gedacht und verbalisiert wird. Dem würde ich ausdrücklich widersprechen, und dies hat eine Relevanz für die im Thread eingangs gestellte Frage. Nicht nur sind die zentralen Begriffe wie z.B. "frei", "Wille", "entscheiden", "Selbst", "Ich", u.Ä. zu klären. Es wäre auch die Anwendbarkeit des sprachlichen Instrumentariums an sich zu klären, d.h. inwiefern hat der Umstand, dass wir diese Frage auf Deutsch diskutieren einen Einfluss darauf, welche Gedanken überhaupt denkbar und damit welche Antworten erwägbar sind. Um auf die oberen Beispielsätze einzugehen:

In den geläufigen (westlichen) indogermanischen Sprachen muss das Subjekt - d.h. der Akteur - einer Handlung explizit genannt werden. Das Subjekt wird (i) explizit als eigenes Subjekt genannt, z.B. in Gestalt eines Nomens oder Pronomens. Oder das Subjekt wird (ii) explizit über die konjugierte Form des Prädikates benannt. Viele Sprachen verwenden Redundanzen und nutzen beides, z.B.:

Ich esse.
Subjekt: ich (Pronomen, 1. Person Singular), Prädikat: esse (Konjugation von essen, 1. Person Singular)
Deutsch ist in dieser Hinsicht redundant, weil einerseits das Subjekt in einem aktiven Satz gesagt werden muss. Zudem muss aber auch das Prädikat entsprechend des Subjekts konjugiert werden. In dem Beispielsatz "Ich esse" ist insofern zwei Mal die Information kodiert, welche Person (1. Person) isst sowie wie viele (Singular). Für verständliche Kommunikation ist das nicht notwendig, aber die deutsche Sprache legt strukturell sehr viel Wert darauf zu betonen, wer etwas tut. Es ist zeitgleich unmöglich im Deutschen einen grammatikalisch korrekten Satz im Aktiv zu bilden, ohne zu sagen, wer etwas tut. Aktive Sätze ohne Nennung eines Akteurs sind im Deutschen schlichtweg nicht kommunizierbar und somit auch nicht denkbar; daraus ließe sich sprachlogisch der Schluss ziehen, dass derartige Gedankengänge somit grundsätzlich nicht denkbar sind. Aber das ist falsch. Ich präsentiere Japanisch.

たべる。taberu.
Subjekt: -, Prädikat: essen
Dies ist im Japanischen ein vollständiger und grammatikalisch korrekter Satz. Das Wort taberu hat die Bedeutung "essen", aber es ist kein Infinitiv. Verben müssen in indogermanischen Sprachen erst konjugiert werden, z.B. "esse", "isst", "essen", etc. oder im Englischen "eat" bzw. "eats" oder im Italienischen "mangio", "mangi", "mangia", etc. Dies liegt daran, dass indogermanische Sprachen in den Kategorien Persona (1. Pers., 2. Pers., 3. Pers.) sowie Numerus (Singular, Dual, Plural) denken. Japanisch tut dies nicht. Es gibt im Japanischen weder die Kategorie Persona noch Numerus, somit werden japanische Verben auch nicht dementsprechend konjugiert. Und dementsprechend kann man einem japanischen Verb (Prädikat) nicht ansehen, wer etwas tut - bzw. in diesem Fall, isst. Dies zeigt zu einem, dass dem Subjekt (Akteur) einer Handlung im Japanischen wenig Bedeutung zukommt, weil diese Information nicht im Prädikat kodiert wird, während indogermanische Sprachen ein enorm komplexes System um diesen Aspekt herum entwickelt haben. Das japanische Verb taberu kann somit ohne Kenntnis des Kontextes also übersetzt werden als "essen", "esse", "isst" oder "esst." Zudem nennt der japanische Satz auch nicht wer die Handlung ausführt. Es gibt in diesem Satz kein explizit genanntes Subjekt, sondern nur ein impliziertes und in diesem Fall sogar unbekanntes Subjekt. Dies nennt man in der Lingustik ein Null-Subjekt, hier gekennzeichnet als Ø. Eine derartige Konstruktion ist im Deutschen grammatikalisch nicht möglich. Der obere Satz kann somit z.B. übersetzt werden mit "Ich esse", "Er isst", "Wir essen", o.ä.

Hier der Versuch einer Annäherung.
Beispiel 1:
(1) "... sitzt vor dem Schreibtisch. Er nimmt einen Podcast auf. Er trinkt Bier."

Beispiel 2:
(2) "André sitzt vor dem Schreibtisch. André nimmt einen Podcast auf. André trinkt Bier."
(3) "André sitzt vor dem Schreibtisch. Er nimmt einen Podcast auf. Er trinkt Bier."
(4) "André sitzen vor dem Schreibtisch. Ø nehmen einen Podcast auf. Ø trinken Bier."

(1) Ist unverständlich, weil wir keinen Kontext haben. Wir haben das Pronomen "er" aber dieses Pronomen kann sich ohne Kontextualisierung auf jedes maskuline Nomen im Universum beziehen. Erst der Kontext gibt einem Pronomen eine Bedeutung. Sofern wir das Bezugswort eines Pronomens nicht kennen, ist es unverständlich. (2) Ist ein verständlicher und grammatikalisch korrekter Satz, aber unnatürlich. Die Wiederholung des Namens in jeder Äußerung unterstützt die Verständlichkeit, aufgrund der Sprachökonomie nutzen wir aber Pronomen als Subsitut für Nomen. (3) Da das Nomen "André" eingangs eingeführt wurde, nehmen wir an ausgehend vom Kontext, dass das Pronomen "er" sich auf das Nomen "André" bezieht - und erst durch diese gedankliche Leistung der Kontextualisierung sind die zwei Sätze nach dem ersten verständlich.(4) Ist gemäß dieser Logik allerdings ebenso verständlich, d.h. die Abwesenheit eines explizit genannten Subjektes hindert uns nicht daran, ausgehend vom Kontext zu schlussfolgern, dass der Akteur, welcher die Handlung des ersten Satzes ausführt, derselbe Akteur ist, welcher auch die Handlungen in den zwei nächsten Sätzen ausführt. Die Konjugation des Prädikats ist nicht notwendig, denn wer die Handlung ausführt, wird einmalig explizit genannt. Japanisch operiert grundsätzlich wie (4). Teilweise wird sogar die erstmalige Nennung des Subjekts unterlassen, sofern dies aus dem Kontext evident ist.

Beispiel: *Terranigma hält eine Flasche Bier in der Hand und guckt bluttrinker13 an*
(5) "Trinken wollen?"

Bei normaler Intelligenz - Japaner gehen höflicherweise davon aus, dass der Gesprächspartner durchschnittlich intelligent ist - ist aus dem Kontext erschließbar, dass ich mit einer Flasche in der Hand dich anguckend mit "Trinken wollen?" fragen möchte, ob du etwas trinken willst. Im Deutschen muss ich dies auch so sagen: "Möchtest du was trinken?" Ich muss das Prädikat "wollen" konjugieren und explizit das Subjekt nennen, selbst wenn es 101% klar ist, wen ich meine - eben dich. Im Japanischen wäre das Satz lediglich 飲む? nomu? Der Kontext erledigt den Rest.


Resúme für die Diskussion: die Frage nach Akteur, Entscheidung und Willen ist abhängig von der Frage unterschiedlich fassbar. Ich kann im Japanischen aktive Sätze - d.h. keine Passivkonstruktionen - denken, d.h. aktive Handlungen beschreiben, ohne zu sagen - oder auch nur zu wissen - wer der Akteur der Handlung ist. Damit rückt die Frage nach dem wer sowie dem Akteur und Urheber von Handlungen stark in den Hintergrund. In indogermanischen Sprachen wie Deutsch, Englisch, Französisch, etc. drängt sich einem die Frage nach dem wer und Akteur wiederum geradezu auf, weil wir dies in jedem Satz explizit benennen müssen. Nebenher: Dies macht gerade die Übersetzung als auch nur das Reden über buddhistische Texte, die in Kategorien von nicht-Ich, u.Ä. operieren, auf Deutsch sehr schwierig, weil man im Deutschen wiederholt unbekannte Subjekte erfinden muss, die es im japanischen Original nicht gibt. Dies ist auch, was Suzuki Shunryū mit seiner Aussprache verständlich machen wollte mit: "Was wir "Ich" nennen, ist nur eine Schwingtür, die sich bewegt, wenn wir einatmen und ausatmen." Was er meint ist: Im Körper passiert Ein- und Ausatmung. Die Bewusstwerdung dessen ist das, was sich selbst "Ich" nennt. Und dies sei eine Illusion, die es zu überwinden gilt.

Eine (!) buddhistische Antwort auf die Frage des Threads wäre wohl jene: die Frage ist, ob es einen freien Willen gibt. Eine buddh. Erwiderung wäre, dass es kein Selbst und somit nichts gibt, das überhaupt wollen könnte, sodass die Frage, ob dieser somit frei oder unfrei sei, irrelevant ist. Das ist die Position, in der ich mich eingenistet habe. :D
Zuletzt geändert von Terranigma am 29. Mai 2022, 22:57, insgesamt 7-mal geändert.
Sitting quietly and doing nothing,
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bluttrinker13
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von bluttrinker13 »

Ach, Terranigma. Für so einen Post muss ich mir wieder erst einmal richtig Zeit nehmen und gründlich lesen, sehr gehaltvoll, danke schön! ❤️
SirGaiwan&TheGreenT
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von SirGaiwan&TheGreenT »

DieTomate hat geschrieben: 28. Mai 2022, 20:37 Das Gehirn trifft Entscheidungen, bevor man es bewusst merkt.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ne ... n-100.html
Ohne jetzt in diese potentiell endlose und in gewisser Hinsicht schon seit der Antike laufende Diskussion großartig einsteigen zu wollen:
Solche und ähnliche Experimente, mit denen regelmäßig das Ende des freien Willens ausgerufen wird, basieren aber auf eher spontanen motorischen und reflexartigen Entscheidungen. Der Versuchsaufbau betrifft also meistens nur einen sehr speziellen und eingeschränkten Bereich des Willens (Knöpfe drücken, Finger bewegen usw.).
Andersartige Formen der Entscheidung, z.B. bei denen lange vorher überlegt und abgewogen wird und wo die Entscheidung nicht unmittelbar in einer Bewegung oder Handlung mündet, also solche, die sonst oftmals im Fokus der Debatte um den freien Wille stehen, werden da in der Regel nicht berücksichtigt. Oder gibt es auch dazu Experimente, die in die eine oder andere Richtung deuten? Weiß da jemand mehr?

Ansonsten finde ich diese und ähnliche Diskussion zwar hier und da ganz anregend (Terranigmas letzten Beitrag habe ich mit Interesse gelesen), aber ansonsten für mich persönlich eher müßig. Ganz profan und praktisch muss (und will bis zu einem gewissen Grad) ich täglich spontane und länger überlegte Entscheidungen treffen und zwar in einer Weise, in der ich erstmal davon ausgehen (will und) muss, dass ich in meiner Entscheidung frei bin. Wenn ich es nicht mache, werde ich nämlich vermutlich weniger von einem unfreien Willen bestimmt, als von fremden Willen.
Und ja, ich bin da auch eher bei der Position, dass viel von dem gedanklichen Kuddelmuddel, aus unterschiedlicher Begriffsverwendung verschiedener Personen, gedanklich-weltanschaulicher Herkünfte/Grundpositionen, und unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen herrührt. Vor kurzem mal wieder einen der Platonschen Dialoge gelesen und da bestand die erste Hälfte nicht umsonst mehr oder weniger aus einer peinlichst genauen Begriffs- und Bedeutungsbestimmung.

Offtopic: Bin bei Philosophie eh eher bei den alten Griechen, wo vor allen Dingen bei Sokrates/Platon und den hellenistischen Schulen Philosophie eher, wenn auch nicht ausschließlich, im Sinne einer Lebenskunst praktiziert wurde. Wenn es also mal einen Thread zu Philosophie nicht als bestimmte weltanschauliche Position oder (akademischen) Erklärungsansatz gibt, sondern eher im Sinne einer Form des Denkens und des Umgangs mit der Welt und dem Leben, also ähnlich der oben genannten Lebenskunst, bin ich gerne intensiver dabei. Bin aber sehr glücklich, dass es hier im Forum auch solche Diskussionen, wie diese gibt.
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sleepnt
Beiträge: 627
Registriert: 4. Feb 2019, 16:15

Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von sleepnt »

Spannende Diskussion, auch wenn ich bei vielen Beiträge abschalte, aufgrund mangelnden Verständnisses der physikalischen Zusammenhänge, die hier teilweise beschrieben werden.

Ich finde was hier im Thread aber in abgeleiteter Form gemacht wird ist eine Diskussion über Dispositive nach Foucault (1926-1984). Ein Dispositiv wird von ihm als eine Struktur beschrieben, der wir untergeordnet sind bzw. der sich der Wille untergeordnet hat. Und im Reflektieren der Dispostive soll sich der einzelne Mensch von dieses befreien.
Dispotive werden eher als äußerliche Strukturen betrachtet (Gesetze, Moral etc.) und weniger physikalisch/neurologisch. Aber dennoch ist die hier geführte physikalische Diskussion genau das: Der Versuch die Strukturen des (freien) Willens zu erkennen. Und im Erkennen dieser kann man diese angehen. Denn wenn man wüsste warum welche Entscheidungen mehr oder weniger getroffen werden (etwa Dopmaninausschüttung), kann man diese manipulieren, andere Strukturen dagegen einsetzen um sich von dieser einen zu befreien bzw. es zumindest versuchen.

Ich habe z.B. ADHS, in den jungen Jahrend darunter sehr gelitten, als junger Erwachsener aber sehr davon profitiert und merke aber jetzt wie "unfrei" viele meiner Entscheidungen sind. Ich möchte diese Struktur meinerseits angehen, um Entscheidungen treffen zu können, die biologisch für mich schwerer Fallen als für andere, die ich abee vielleicht treffen möchte.

Zurück zum freien Wille: Sich einem Dispostiv zu entledigen heißt nicht, sich der Regeln, Moral etc. als solche zu entledigen, sondern diese bewusst zu hinterfragen. Also, dass ich eine Familie habe und für diese Verantwortung übernehme ist vielleicht ein gesellschaftlich geforderte Norm, aber eine die ich bewusst und gerne annehme. Freier Wille kann also auch reflektiert angenommene "Unfreiheit" sein.
finjan
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Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von finjan »

Was würde ein wirklich freier Wille mit sich bringen? In der Lage zu sein, eine Wahl zu treffen, die nichts mit dem Umweltkontext zu tun hat? Ist es nicht der Umweltkontext, der letztlich unsere Möglichkeiten einschränkt - das Ausmaß der Wahl, die wir tatsächlich haben? Und wenn es immer ein "Maß an Wahlmöglichkeiten" gibt, was macht dann eine Wahl in irgendeiner transzendenten Weise "frei"? Wie können wir eine Wahl treffen, zu der wir nicht fähig sind? Die bloße Möglichkeit, eine andere Wahl zu treffen, bedeutet nicht, dass die Wahl, die wir letztendlich getroffen haben, "frei" war, denn bei der Entscheidung für den einen oder anderen Weg sind auch andere Faktoren als die eigene Person im Spiel.
biaaas
Beiträge: 720
Registriert: 1. Sep 2016, 22:28

Re: Philoshophie: Was is freier Wille

Beitrag von biaaas »

Hat der Spambot einen freien Willen?
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