"Kosten werden auf den Kunden umgelegt" Kann mir das mal einer erläutern

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tepete
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"Kosten werden auf den Kunden umgelegt" Kann mir das mal einer erläutern

Beitrag von tepete »

Moin,

das höre ich schon seit Jahren immer wieder. Und eben so lange frage ich mich, was da eig hinter steckt und wo der Sinn von Preiserhöhungen ist.
Denn am Ende zahlt es doch der Endverbraucher. Vor allem bei Lebensmitteln, die ich ja kaufen muss, weil sonst droht der Tod.

Also, wenn der Sprit teurer wird, wird die Butter bei Rewe teurer. Rewe erhöht also die Preise, und bekommt so das mehr an Spritkosten wieder rein die ihm die Tankstelle aufgeschwatzt hat. Wenn sich also die Betriebskosten erhöhen, werden die Butterpreise erhöht. Somit hat Rewe seine Mehrausgaben wieder raus. Aber wer gleicht mir denn meine Mehrkosten wieder aus? (Außer einer Lohnerhöhung jetzt). Am Ende hab ich weniger Geld übrig. Also die, die theoretisch am wenigsten haben, zahlen am Ende. Ist das zu einfach gedacht?

Oder geht es am Ende um Gewinnmaximierung. Und ist weniger Gewinn gleichzeitig Verlust? Pispers sagte mal, dass es ewiges Wachstum nicht geben kann. Stimmt wohl auch, logisch.

Bin zwar für Marktwirtschaft und Kapitalismus, wenn ichs mir denn aussuchen könnte, aber diese Gier, oder ist es keine, finde ich nicht so schön.

mfg
jan
Mauswanderer
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Re: "Kosten werden auf den Kunden umgelegt" Kann mir das mal einer erläutern

Beitrag von Mauswanderer »

Ich bin kein VWLer, aber vermutlich ist das ganze System so komplex, dass das eine unweigerliche Entwicklung ist, da es immer mal wieder irgendwelche Auslöser für temporäre Steigerungen der Betriebskosten geben wird und natürlich jedes Unternehmen erstmal an sich denkt (und auch denken muss).

Bei deinem konkreten Beispiel hätten sich jetzt ja die Kraftstoffanbieter (bzw. davor schon die Rohölanbieter) weltweit absprechen müssen, trotz relativer Knappheit auf mögliche Zusatzgewinne zu verzichten. Und sie hätten sich natürlich auch jeweils drauf verlassen müssen, dass keiner ausscherrt und so den anderen enteilt.

Auf der anderen Seite ist der Anreiz, sinkende Kosten ebenfalls weiterzugeben, extrem gering und das geschieht nur gemächlich über den Wettbewerb (der allerdings auch die Kostensteigerungen vorher eingebremst hat).

Im besten Fall ist ja die Idee, dass das verfügbare Einkommen der Kunden mindestens mithält und sich am Ende jeder die unweigerlich entstehende Inflation "leisten" kann. Das System kann aber starke punktuelle Schwankungen nur verzögert kompensieren.
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Smutje187
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Re: "Kosten werden auf den Kunden umgelegt" Kann mir das mal einer erläutern

Beitrag von Smutje187 »

Außerdem nicht vergessen, Kosten können auch wieder nach unten gehen - mein erster Handyvertrag (D2, 30min frei, 40 oder so SMS frei) hat 2004 oder so um die 30€ pro Monat gekostet - mein aktueller Vertrag (Three) beinhaltet endlos Minuten und SMS und 30 GB Datenvolumen und kostet mich £10 pro Monat und bevor die Ausrede Deutschland vs. Großbritannien kommt, bei o2o und congstar lagen meine Kosten auch ähnlich niedrig, ich hatte lediglich weniger Datenvolumen (es aber auch nie ausgereizt).

Und um beim Rewe-Beispiel zu bleiben: Wenn Rewe genug Kunden hätte, die sich in einer Gegend Lebensmittel liefern lassen, würden die Lieferkosten pro Kunde sinken und am Ende brauchst du (und 100 andere) nicht mehr mit dem Auto zum Rewe hinzugurken, Zeit und Geld und die Umwelt zu belasten, sondern Rewe liefert konzentriert in einer Tour aus.
tepete
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Re: "Kosten werden auf den Kunden umgelegt" Kann mir das mal einer erläutern

Beitrag von tepete »

Danke euch für die Antwort.

Also ist es am Ende so, dass wenn ich kann, drehe ich einfach an der Preisschreibe weil was scherren mich die Andren. :D

gruß
Jan
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Jon Zen
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Re: "Kosten werden auf den Kunden umgelegt" Kann mir das mal einer erläutern

Beitrag von Jon Zen »

Ich versuche mich daran ein paar deiner Fragen zu beantworten. :)

tepete hat geschrieben: 20. Jun 2022, 21:43 Moin,

das höre ich schon seit Jahren immer wieder. Und eben so lange frage ich mich, was da eig hinter steckt und wo der Sinn von Preiserhöhungen ist.
Denn am Ende zahlt es doch der Endverbraucher. Vor allem bei Lebensmitteln, die ich ja kaufen muss, weil sonst droht der Tod.

Also, wenn der Sprit teurer wird, wird die Butter bei Rewe teurer. Rewe erhöht also die Preise, und bekommt so das mehr an Spritkosten wieder rein die ihm die Tankstelle aufgeschwatzt hat. Wenn sich also die Betriebskosten erhöhen, werden die Butterpreise erhöht. Somit hat Rewe seine Mehrausgaben wieder raus.
Der Supermarkt hat seine Kosten raus, aber der Gewinn wird sinken: Durch höhere Preise kaufen die Kunden eher etwas anderes. Grundnahrungsmittel sind schwerer zu ersetzen, aber gerade Produkte, die einen harten Wettbewerb ausgesetzt sind, werden darunter leiden, sogenannte Substitutionsgüter.

Außerdem gibt es mehrere Varianten der Preiserhöhung aufgrund steigender Kosten:
1. die Mehrkosten werden 1:1 weitergegeben.
2. Die Mehrkosten werden prozentual zur Marge/ zum Aufschlag weitergegeben
3. Es wird überproportional erhöht / man nutzt den Vorwand von Kostensteigerungen, um eine Preiserhöhung durchzusetzen (Beispiel Lego)

Bei 1. Sinkt die Gewinnspanne, bei 2. bleibt die Gewinnspanne gleich, aber das Produkt wird noch teurer, weshalb es evtl. weniger verkauft wird. 3. ist für Unternehmen sinnvoll, die ihren Gewinn erhöhen wollen und hoffen, aufgrund der aktuellen Situation auf mehr Verständnis bei Preiserhöhungen setzen zu können (in der aktuellen Situation: ethisch fragwürdig).


tepete hat geschrieben: 20. Jun 2022, 21:43 Aber wer gleicht mir denn meine Mehrkosten wieder aus? (Außer einer Lohnerhöhung jetzt). Am Ende hab ich weniger Geld übrig. Also die, die theoretisch am wenigsten haben, zahlen am Ende. Ist das zu einfach gedacht?
Im Beispiel mit der Energie, bleibt am Ende beim durchschnittlichen deutschem Verbraucher weniger übrig.
Das liegt daran, dass die meisten Mehreinnahmen aus Deutschland abfließen (Import).

An die Öl- und Gas Länder. (Öl-Import-Länder; Ölpreis: https://www.finanzen.net/rohstoffe/oelpreis ca. +50% seit Jahresbeginn; Gas-Import-Länder 2020 ca.: 55% Russland, 31% Nordwegen, 13% Niederlande, 2% Rest Europa; Gaspreis: https://www.finanzen.net/rohstoffe/erdg ... atural-gas ca. >+115%)

An die Ölkonzerne (Shell, BP, Total, etc.), die die hohen Preise durchsetzen, aufgrund der Angebot-/Nachfrage-Situation (nur z.T. wegen der Kosten).
Shell Börsenwertsteigerung seit Jahresbeginn 2022: +27,5% (https://www.finanzen.net/chart/shell)
BP (dazu gehört Aral) Börsenwertsteigerung seit Jahresbeginn 2022: +14,3% ( https://www.finanzen.net/chart/bp)
Total Börsenwertsteigerung seit Jahresbeginn 2022: +15% (https://www.finanzen.net/chart/total_1)

Das kann theoretisch ausgeglichen werden durch steigende Exporte (die Import Länder hätten ja mehr Geld zur Verfügung), diese werden jedoch durch die höheren Energiepreise verteuert, weshalb sie im internationalem Vergleich unattraktiver werden.

Steigende Preise können aber auch durch höhere Einkommen ausgelöst werden (klassische Inflation). Dort bekommen die Durchschnittspersonen nicht automatisch weniger, sondern weil jeder mehr hat, will man auch wieder mehr bekommen. Es erfolgt eine Anpassung der Preise an die steigende Nachfrage und das sinkende Angebot.
Ein Beispiel auf der Gegenseite ist der Mindestlohn. Durch die steigenden Löhne im Niedriglohnsektor, mussten (angeblich) einige Preise erhöht werden. Die Mindestlohnbezieher konnten sich aber letztlich mehr leisten als vorher (während der Rest der Gesellschaft etwas höhere Kosten zu tragen hatten - meiner Meinung nach klar "verschmerzbar").

tepete hat geschrieben: 20. Jun 2022, 21:43 Oder geht es am Ende um Gewinnmaximierung. Und ist weniger Gewinn gleichzeitig Verlust? Pispers sagte mal, dass es ewiges Wachstum nicht geben kann. Stimmt wohl auch, logisch.

Bin zwar für Marktwirtschaft und Kapitalismus, wenn ichs mir denn aussuchen könnte, aber diese Gier, oder ist es keine, finde ich nicht so schön.
"Ewiges Wachstum" ist durch Technologiewachstum möglich (solange man sich nicht selbst zerstört). Die Wirtschaft verläuft aber in Wellen. Konstant ist sie nicht.
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Jon Zen
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Re: "Kosten werden auf den Kunden umgelegt" Kann mir das mal einer erläutern

Beitrag von Jon Zen »

tepete hat geschrieben: 21. Jun 2022, 19:26Also ist es am Ende so, dass wenn ich kann, drehe ich einfach an der Preisschreibe weil was scherren mich die Andren. :D
Manchmal muss man auch die Preise erhöhen.
Beim Beispiel Supermärkte: Dort gibt es einige "Eckprodukte" (auch Ankerprodukte genannt), deren Preise in den Köpfen der Verbraucher sind. Das sind z.B. Milch, Butter, (ein Standard) Brot, Mehl, Bananen, Kartoffeln, Äpfel.
Dort sind die Preise wichtiger als die Marge für den Händler, weil sie entscheiden, ob die Konsumenten in den Laden gehen.
Steigt der Einkaufspreis nun besonders stark an, müssen große Unternehmen den Preis über den sogenannten Einstandspreis heben, um damit nicht der Konkurrenz zu schaden (vgl. https://www.schulte-lawyers.com/schulteblog/11082017). Ohne diese Regelung werden auf lange Sicht Monopole begünstigt (der letzte Händler im Dumping-Preiskrieg überlebt) und würden zu höheren Preisen führen.

Normalerweise wird der Preis erhöht, wenn man damit mehr Profit machen kann. In aktuellen Zeiten, wo die Menschen viel mehr Geld für andere Dinge ausgeben müsssen (Energie & Benzin), ist es pauschal gesagt, dumm die Preise zu erhöhen, wenn man nicht muss (--> Substitution).
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Re: "Kosten werden auf den Kunden umgelegt" Kann mir das mal einer erläutern

Beitrag von tepete »

@Jon Zen

Danke für die nicht gerade simple aber sehr umfangreiche Erklärung. So habe ich das immer am liebsten. Sind ein paar Fragen hinzugekomen, gibts dann wann anders.
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