So publiziert die Wissenschaft

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Helix
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So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von Helix »

Servus,

nach den zwei netten Folgen zum Hintergrund des Gaming Journalismus im letzten Mailag und "der deutsche Jason Schreier" wollte ich mich zunächst einmal bedanken und möchte hier beschreiben, wie der Journalismus bzw. besser gesagt die Publikation von Texten in der Medizin und Naturwissenschaft aussieht. Hoffentlich ein spannender Exkurs. :D Das Ganze ist an manchen Stellen sehr allgemein gehalten, also bitte nicht zu sehr dünnbrettbohren.

Nehmen wir dazu als Beispiel das Labor der fiktiven Forschungsgruppe von Prof. Dr. Jo Wood von der Charité in Berlin.

Der Forschungsschwerpunkt einer Arbeitsgruppe richtet sich maßgeblich nach dem Hintergrund und Werdegang des Leiters. In unserem Beispiel ist Prof. Wood Direktor eines Zentrums für Virologie innerhalb der Charité. Aktuell werden hier verschiedene Corona Varianten auf die Zusammensetzung der Spike Proteine untersucht und wie gut eine Impfung gegen die Varianten schützt. Die Ergebnisse setzen sich aus in vitro Versuchen im Labor und Patientenuntersuchungen mit Blutbildern zusammen. Darauf basierend wird ein paper (eine Publikation) in einem Fachjournal / bei einem Verlag angestrebt.

Durch die vorläufigen Ergebnisse und die Historie an bisherigen Publikationen trifft die Arbeitsgruppe eine Vorselektion der journals, wo ihre Chancen auf eine Publikation am höchsten sind (ein Journal über Bakterien wird sich z.B. nicht für das Corona Virus interessieren). Jedes wissenschaftliche journal hat einen sogenannten impact factor (https://en.wikipedia.org/wiki/Impact_factor; https://impactfactorforjournal.com/). Je höher der Impact Factor eines journals, desto höher sind die Anforderungen für eine Publikation (geschriebener Text, Versuchsaufbau, These, etc.), gleichzeitig ist es gut für die Reputation der Arbeitsgruppe in hochrangigen journals zu publizieren. Zu den höchsten journals in der Medizin/Biologie gehören u.a. Science, Nature und Cell.

Wie schon gesagt legen die journals unterschiedliche Schwerpunkte fest. Manche interessieren sich mehr für die Methodik, andere für die Ergebnisse. Das alles beeinflusst den Prozess der Quintessenz eines papers. Prof. Wood strebt eine Publikation in Nature Virology an. Er reicht einen draft seiner vorläufigen Ergebnisse ein um die Chancen für eine finale Publikation zu erfahren. Nach einigen mails hin und zurück scheint es gut auszusehen und die Forschungsgruppe bekommt neue Anweisungen in Form von Versuchen und Untersuchungen die noch benötigt werden. Parallel werden die Texte geschrieben (die man schon ohne die ausstehenden Ergebnisse schreiben kann).

Nach mehreren Monaten Arbeit ist das paper fertig und wird bei Nature Virology eingereicht. Es dauert einige Wochen, bis Prof. Wood eine Antwort von Dr. Graham erhält. Scheiße! Mit dem hat sich Wood auf dem letzten Kongress so sehr gestritten... Dr. Graham ist einer der Reviewer des papers und maßgeblich dafür verantwortlich, ob es zu einer Publikation kommt oder nicht. Und scheinbar hat Dr. Graham den Streit nicht vergessen. Er zerreißt das paper, findet die These unzureichend und verlangt neue Versuche was deutlich mehr Geld und Zeit kosten wird. Zum Glück ist Dr. Graham nicht der einzige im Gremium und so versucht Prof. Wood den Rest davon zu überzeugen, dass der Versuchsaufbau ausreichend für die These sei. Es werden wieder viele mails hin und her geschrieben und am Ende wurden die Forderungen auf ein Mindestmaß reduziert. Ein paar Monate mehr Versuche und Anpassung der Texte und der 2. Anlauf wird gestartet. Da sich das paper immer noch im review befindet, geht es diesmal zum Glück schneller. Und tatsächlich bekommt Wood nach wenigen Wochen die Zusage, dass Nature Virology sein paper publizieren wird. Geil! Jetzt muss die Arbeitsgruppe nur noch die Publikationsgebühr (ca. 10.000€) bezahlen und dem Ruhm steht nichts mehr im Wege!

Es vergehen wieder ein paar Monate und das paper wurde endlich publiziert. Sowohl online, als eigener Artikel bei Nature Virology, als auch in der letzten Ausgabe des gebündelten Fachmagazins, mit den Publikationen des Monats. Die Verlage bieten Abo-Modelle für ihre Kunden an (für x€/Monat kannst du alle Artikel in Nature Virology lesen) oder du kaufst dir online das eine paper, was dich gerade interessiert (kostet je nach journal so zwischen 20-50€). Das Geld bekommt übrigens der Verlag (nature), nicht die Arbeitsgruppe! Für die gibt es nur den Ruhm und das Ansehen bei den Fachkollegen. Eine höhere Reputation bedeutet bessere Chancen, wenn man die nächsten Forschungsgelder beantragen möchte.

Es gibt seit längerem eine Bewegung, die freien Zugang zu allen wissenschaftlichen Publikationen fordert und die nicht möchte, dass Wissen hinter einer "paywall" landet: Sci-Hub (https://en.wikipedia.org/wiki/Sci-Hub). Würden die Verlage verschwinden, wäre die finanzielle Hürde einer Publikation zwar geringer, aber es entfällt auch die professionelle Kuration des paper (vor der Veröffentlichung).

Und wie findet man ein paper jetzt, ohne Abo? Mit Suchmaschinen. Hier gibt es Pubmed (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/) oder eben Sci-Hub (was sich irgendwie in einer gesetzlichen Grauzone bewegt). Manchmal berichten auch wissenschaftliche Nachrichtenmagazine über neue Studien und paper um damit eine eigene News auf ihrer Seite zu schaffen. Das erhöht dann nochmal die Reichweite, ansonst bleiben solche Erkenntnisse aber unter sich im Fachkreis.

Ich hoffe das war nicht allzu trocken. Wie gesagt, es war stark vereinfacht und neben dem fiktiven Beispiel aus meinem Gedächtnisprotokoll während meiner Zeit als Doktorand beschrieben. Irgendwo habe ich Parallelen zum (Gaming) Journalismus gesehen, dass sich Projekte querfinanzieren müssen, oder dass einzelne Redakteure für den Erfolg oder Misserfolg deiner Publikation verantwortlich sein können. Das ist leider auch in der Wissenschaft so..


VG
Daniel

P.S.: Darf gerne mit weiteren Erfahrungen aus dem Feld ergänzt werden.
Voigt
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von Voigt »

Zur Suche kann man ansonsten noch google scholar nutzen als auch die Suchen der einzelnen Verlage, dort dann die DOI rausholen und mit Sci Hub dann lesen.
PrinzEisenerz
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von PrinzEisenerz »

Bei mir waren die Reviewer ja eigentlich anonym, aber durch das besonders häufige Verweisen auf ähnliche Arbeiten, die man doch gut zitieren könnte (alle vom selben Autor), dann immer gut zu identifizieren :D
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Helix
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von Helix »

PrinzEisenerz hat geschrieben: 11. Jul 2022, 15:14 Bei mir waren die Reviewer ja eigentlich anonym, aber durch das besonders häufige Verweisen auf ähnliche Arbeiten, die man doch gut zitieren könnte (alle vom selben Autor), dann immer gut zu identifizieren :D
Weiß ich gar nicht mehr wie das bei uns lief. Mir wurde damals gesagt, du erkennst irgendwann wer deine paper durchwinkt oder zerreißt, wenn du lange genug dabei bist.
GoodLord
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von GoodLord »

Da gibts gefühlt sehr unterschiedliche Standards was blind bzw. double blind reviews angeht. Un dann bedeutet Dobule Blind natürlich nicht automatisch, dass man den Autor bzw. Reviewr nicht trotzdem identifizieren kann - durch Stil, welche Quellen besonders häufig zitiert werden und evtl. auch Studiendesign. Hätte jetzt aber erwartet, dass in Journalen wie Nature "Double Blind" der Normalfall wäre. Bekommt man da als Reviewer wirklich direkt den Namen der Autoren?
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bluttrinker13
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von bluttrinker13 »

Wow, Daniel, super interessanter und gut geschriebener Post, danke dafür! :clap:

Da mich das Thema als jemand der publiziert, und seit neuestem auch editiert, natürlich triggert wie die Sau, schreibe ich noch ein paar Anmerkungen oder Ergänzungen. Manche mögen sich wie Korrekturen anhören, aber ist nicht als Kritik an dem Post oder gar dir gemeint. Disclaimer: ich forsche und publiziere in der Psychologie, und in der Medizin mögen ein paar Sachen natürlich anders sein oder laufen.

- Man kann die Bedeutung des Impactfaktors und damit auch seine Implikationen für wissenschaftliche Karrierechancen und letztlich auch Sauberkeit / Ehrlichkeit im Arbeiten gar nicht hoch genug hängen (gerade auch weil du ganz unten ja den Querbezug zum Spielejournalismus aufmachst). Klar geht es vordergründig um Reputation, aber Publikationen im Impact Olymp (und das sind Science, Nature und Co) sichern ganz hart Jobs, Stellen, Drittmittel und Karrieren. "Publish or perish" heißt es ja so oft, und auch wenn das häufig Masse impliziert, so ist doch eine Nature-Publikation, zumindest in der Psychologie, schon eine Art Eintrittskarte zu Stipendien, Drittmitteln, oder gewogenen Berufungskommissionen. Insofern, je höher der Impact, desto härter auch die competition. Je härter die competition, umso eher tritt auch all das mit auf, was der Mensch halt so macht bei harter competition, inklusive Konkurrenten abwerten oder behindern, oder (im Extremfall) Bescheissen. Kommt vor. Diederik Stapel oder Marc Hauser als unrühmliche fraud Fälle hierbei in der Psychologie, Stapel hat später sogar ein erhellendes Buch dazu geschrieben, wie ihn der kompetitive Druck quasi zum Bescheißen "trieb": https://errorstatistics.com/2014/12/21/ ... o-english/

- Mit obigem Punkt will ich aber noch mal eher darauf raus, dass die Entscheidung "Welches Journal?" eine extrem gewichtige sein kann. Publiziert man midrange (Psychologie Impact 1-3), so macht man einfach sein Ding, Leute arbeiten oft alleine, es wird eher wenig strategisch gedacht usw. Entscheidet man sich aber dazu, high level game zu spielen, und nichts anderes ist eine Nature Publikation wie in deinem Beispiel, dann ändert sich das etwas, und aus Erfahrung auch die Leute. Man denkt auf einmal sehr strategisch, vereint eine task force hinter sich, behält die KOnkurrenz im Auge, stellt sich vorab mit potentiellen Reviewern gut undundund... Ich persönlich habe niemals, wie die meisten, auch nur daran gedacht. Aber ich kenne jemanden, der war bei sowas dabei, und das wird dann gerade für Doktoranden und Postdocs gerne mal eine Tretmühle ala Triple A Crunch. Inklusive die Leute werden "komisch" :D Auf Nature zu gehen ist also high risk (Ablehnungsquote >90%) und high reward.

- Insofern ist das Beispiel mit dem Kollegen, mit dem man sich krass streitet und der dann aber Reviewer werden kann etwas unrealistisch weil in der üblichen strategischen Denke hätte man das vorher schon einbezogen (und den Streit taktisch sein lassen) oder gar bei Einreichung darum gebeten das nicht XY Reviewer wird wegen Befangenheit (kann man machen, obliegt dann trotzdem dem Editor ob es erfolgt):

- Double blind peer review ist absoluter Standard und der Kollege dürfte nicht wissen, von wem das Paper stammt, und man selbst umgekehrt auch nicht, wer es gereviewed hat. Hier wurde aber auch schon richtig gesagt, man könne es ja schlussfolgern, dann aber eben nur in die "Wer ist der Autor?" Richtung. Alles andere sind Vermutungen, diese eigentlich auch. Das Beispiel ist somit zwar nachvollziehbar, und imo ein Grund warum auf Kongressen alle eigentlich immer eher scheisse nett zueinander sind, statt sich zu streiten (zumindest in der Psy), aber unrealistisch im üblichen peer review Prozess.

- Basierend darauf könnte man es übrigens auch sofort anfechten, also falls der Reviewer befangen und biased wirkt und ich eine Rejection erhalte. So ähnlich hast du das ja auch beschrieben dann, wollte nur noch mal darauf hinweisen, dass man als Autor eigentlich nie einfach so einem biased Reviewer ausgeliefert ist. Hier ein schöner Entscheidungsbaum dazu, welche Optionen man bei Rejections hat: https://howtowriteanacademicpaper.com/i ... n-tree.jpg

- Die Publikationsgebühr (bei Nature 9500 €) zahlst du eigentlich nur, wenn du dein Paper Open Access haben willst. Und dann entfällt die paywall, dafür zahlt man letztlich - das alle das finden und lesen können, bspw über wie schon von Voigt genannt Google Scholar. Du kannst aber genausogut sagen "Meine Wald und Wiesen Uni hat kein Geld und ich will nur möglichst promovieren" dann lässt du das und hast die Publikation auf dem CV, aber andere es natürlich schwer, sie zu lesen. Aber hey, immerhin kann auch der mittellose Doktorand in Greifswald prinzipiell (!!) bei Nature publizieren. ;)

- Allerdings gibt es neben den genannten noch andere Möglichkeiten an Paper hinter der subscription Paywall zu kommen, bspw den Autor direkt anschreiben und nach einem preprint fragen (die darf man immer noch selbst vorhalten und weiterverteilen) oder nach eine publication copy (man bekommt welche "gestellt"). Alternativ kann man sich in einer Staatsbibliothek anmelden und erhält da dann automatisch Zugang zu den meisten großen akademischen Katalogen. Hier in Berlin haben wir zwei, und ich empfehle den Studis immer, weil unsere Hochschule wenige subscriptions hat, sich da parallel anzumelden für Lit-Recherchen.

- Dieses ganze Paywall Gedöns hat natürlich ein Geschmäckle und ich bin ein großer Fan von OA Initiativen, die ja auch immer größer und mächtiger werden, und finde die Verlage verdienen zu viel Geld und machen viel zu wenig. Gleichzeitig wird es ohne die erwähnte "Kuratierung" nicht gehen, es braucht einen ordentlichen Qualitätssicherungsprozess für publizierte Forschung, und da hat ja das gängige peer review schon allein viele Baustellen. Aber warum nicht mal Leute, wie Editors, einfach bezahlen? Ich editiere aktuell ein Special Issue und bekomme dafür nichts, außer den Spaß an der Freude (der ist da!) und natürlich den Fame für den CV. Aber, es bedeutet automatisch für mich mehr Überstunden und crunch.

Sorry für die Wall of text, aber konnte nicht stille halten. :D
Voigt
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von Voigt »

bluttrinker13 hat geschrieben: 11. Jul 2022, 19:31 Alternativ kann man sich in einer Staatsbibliothek anmelden und erhält da dann automatisch Zugang zu den meisten großen akademischen Katalogen. Hier in Berlin haben wir zwei, und ich empfehle den Studis immer, weil unsere Hochschule wenige subscriptions hat, sich da parallel anzumelden für Lit-Recherchen.
Wait wait, dachte du bluttrinker bist Jenenser, was redet du den "Hier in Berlin". Hast du uns etwa verlassen? Oder verwechsle ich bloß gerade dumm Forumspersonen?

In jedem Fall, bei mir war es ja nur Diplomarbeit wo ich mit Papern arbeiten musste, und die halt auch nur raussuchen und zitieren. Zumindest in Werkstoffwissenschaft war ganz viel von chinesischen Teams, wo die Qualität teils so naja war. Glaube die waren auch in Nature, aber nicht super hoch angebunden, sind aber auch vergleichsweise kleines Feld, insbesondere im Cr2AlC Feld wo ich arbeitete.
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bluttrinker13
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von bluttrinker13 »

Dude, wär ich in Jena wären wir doch schon längst mal nen Bier trinken gegangen, oder Rouladen essen in dieser von dir empfohlenen Gaststätte da. (hatte mal gefragt da ich in Jena schon mal schönen Kurzurlaub hatte und gerne mal wieder hin will) :D

Bin Pommer und seit 4 Jahren halt Berliner, wa?

Sind die chinesischen Publikationen eigentlich wirklich im Mittel schlechter? Weil, ist ja der Wahnsinn was die mittlerweile in punkto MINT alles publizieren und damit tlw die USA sogar auf zweiten Platz verweisen.
Voigt
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von Voigt »

Sie hauen echt viel raus ja und in Summe bringt es das Feld auch vorran. Teils weil die halt schön Dauer und Massenversuche machen um neue Theorien zu testen.

Aber es passieren öftee mal kleine Fehler im Versuchsaufbau oder deren Konklusionen aus deren Experimenten sind nicht zu zielsicher. Daher Ergebnisse und Fazits zweifelt man eher an und muss durchdenken ob da auch alles richtig gemacht wurde, gleichzeitig ist aber auch nich alles Schrott was die machen.


Und stimmt du warst aus Florida und dann mit Kurzurlaub in Jena. Gerade nochmal alte Posting mit auch der alten interaktiven Karte durchstöbert, aber finde nichtmehr raus wer aus Jena noch war. Irgendein bekannter Forumsname, aber wie ich auch so die alten Threads lese sind auch viele alte Namen nichtmehr aktiv.
Könnte auch sein dass eine Bierlieferung aus Jena war und sa der Name viel. Vielleicht weiß Andre da noch was? Erinnere mich noch genau and die Überraschung dass es einen weiteren Jena Hörer gab.
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Helix
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von Helix »

Ja, natürlich hat Nature peer reviews. Hätte ich besser beschreiben können, hab' das so in der Mittagspause runter geschrieben. :lol:
Trotzdem können die Reviewer das rausbekommen. Wir haben damals bei Nature was publiziert. In unserem Feld der Molekular Genetik gab es genau 3 Arbeitsgruppen (weltweit) die das gemacht haben: Köln, Helsinki und Hawai. Auch ohne Namen weißt du Anhand vom Schreibstil oder der Methodik dann relativ schnell, welches Labor diese Versuche gemacht hat / überhaupt machen konnte.

Crunch gab's natürlich auch. Glaub das ist bei Doktoranden ein ganz eigenes Thema. Du wirst für 50% bezahlt und sollst zu 100% arbeiten und die anderen 50% machst du natürlich aus Eigenantrieb für deinen Doktortitel. Bis tief in die Nacht im Labor arbeiten und hoffen, dass der Versuch klappt ist oft der Standard. Wir hatten damals Versuchsreihen die dauerten 26h am Stück (ohne Versuchsaufbau). Da hat man auch mal im Labor gepennt.
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von SirGaiwan&TheGreenT »

Vielen Dank euch für die Einblicke aus erster Hand. Beim Thema habe ich mich noch an zwei gute Artikel erinnert, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Zwar hinter der Paywall, aber sie können für jeweils 2 € separat erworben werden. Würde behaupten, dass sie als anregende Lektüre das Geld Wert sind.

Profit ohne Risiko - Das erstaunliche Modell der Wissenschaftsverlage
https://volltext.merkur-zeitschrift.de/ ... mr-71-10-5

Das ist ein Abriss darüber, wie das heutige System der Wissenschaftsverlage entstanden ist und wie diese ihr Geschäftsmodell aufgebaut haben. Gerade die Entwicklung zu dem wie es heute ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, liest sich stellenweise wie eine Räuberpistole.

Damals konnte der Mechanismus zementiert werden, dass die Wissenschaftler/innen die Herausgeberschaft für Journale unbezahlt übernehmen. Dafür gibt es ja Prestige und Einfluss. Ebenfalls unbezahlt übernehmen Wissenschaftler/innen die Qualitätssicherung, also das Peer Review, und damit letztendlich die Redaktion, wodurch sie Einfluss erhalten. Und natürlich werden die Inhalte von den Wissenschaftlern/innen ebenfalls unbezahlt erarbeitet, bzw. sogar, wie ihr es beschrieben habt, zum Teil auch noch bezahlt. Dafür gibt es ja akademisches Prestige.
Die Verlage haben also von Verwaltungskosten abgesehen kaum Ausgaben, aber dafür riesige Einnahmen durch die ganzen teuren Abonnements der Bibliotheken. Sie drucken mehr oder weniger Geld.


Wie die Peer Review die Wissenschaft diszipliniert
https://volltext.merkur-zeitschrift.de/ ... /mr-72-9-5

Dieser Artikel beschäftigt sich damit, wie das Peer Review und darüber hinaus vor allen Dingen die wissenschaftliche Begutachtung von Fördermittelanträgen neue Ansätze, Theorien und Methodiken behindern können. Beides sorgt zwar auf der einen Seite für die Qualitätssicherung, auf der anderen Seite gibt es den beteiligten Wissenschaftlern/innen zum einen Ansehen und zum anderen direkten Einfluss auf die Forschung von anderen. Sie können damit relativ einfach in strittigen wissenschaftlichen Fragen ihren Standpunkt begünstigen und erziehen damit in gewisser Hinsicht zur wissenschaftlichen Orthodoxie.
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von bluttrinker13 »

Das sind zwei sehr interessante Artikel, den zweiten habe ich mir gleich mal gegönnt, danke!

Ja, gerade was das erste angeht erinnere ich mich auch noch einen meinen Schock, als ich damals herausgefunden habe was Elsevier so verdient (40% Margen sind oft erwähnt).

Es erinnerte mich jetzt auch an einen sehr gehaltvollen Guardian Artikel zu dem Thema den ich vor längerer Zeit mal las und wo mir das alles klargemacht wurde. Habe ihn glücklicherweise wiedergefunden, also wer sich auch in die Historie vertiefen will und nachlesen woher Sci-Hub kommt (deren Gründerin quasi Assange-mäßig untergetaucht ist) der wird hier fündig: https://www.theguardian.com/science/201 ... or-science

Meine Anmerkung dazu wäre noch: es ist als Geschehnis wirklich komplex (und muss und sollte sich in der aktuellen Struktur definitiv ändern). Aber so gruslig dieses monolithische System academic publishing auch ist, man kann auch nicht sagen, dass die Wissenschaft davon nicht profitiert hätte. Nicht nur ist gerade durch dieses professionelle Business Science selber ein riesiges, immens produktives Business (mit all den Pros und Cons) geworden, auch haben Strukturen wie die Impact-Faktor Hierarchie und was darauf aufbaut dazu geführt, das wissenschaftlicher Erfolg und Kompetenz quantitativ skalierbar geworden sind. Und boi, findet die Wissenschaft das gut, dass sie skalieren kann, bei all dem Andrang junger Doktorand*innen auf der ganzen Welt und Millionen von Papern pro Jahr.
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Helix
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von Helix »

SirGaiwan&TheGreenT hat geschrieben: 12. Jul 2022, 23:34 Damals konnte der Mechanismus zementiert werden, dass die Wissenschaftler/innen die Herausgeberschaft für Journale unbezahlt übernehmen. Dafür gibt es ja Prestige und Einfluss. Ebenfalls unbezahlt übernehmen Wissenschaftler/innen die Qualitätssicherung, also das Peer Review, und damit letztendlich die Redaktion, wodurch sie Einfluss erhalten. Und natürlich werden die Inhalte von den Wissenschaftlern/innen ebenfalls unbezahlt erarbeitet, bzw. sogar, wie ihr es beschrieben habt, zum Teil auch noch bezahlt. Dafür gibt es ja akademisches Prestige.
Die Verlage haben also von Verwaltungskosten abgesehen kaum Ausgaben, aber dafür riesige Einnahmen durch die ganzen teuren Abonnements der Bibliotheken. Sie drucken mehr oder weniger Geld.
bluttrinker13 hat geschrieben: 13. Jul 2022, 10:40 Meine Anmerkung dazu wäre noch: es ist als Geschehnis wirklich komplex (und muss und sollte sich in der aktuellen Struktur definitiv ändern). Aber so gruslig dieses monolithische System academic publishing auch ist, man kann auch nicht sagen, dass die Wissenschaft davon nicht profitiert hätte. Nicht nur ist gerade durch dieses professionelle Business Science selber ein riesiges, immens produktives Business (mit all den Pros und Cons) geworden, auch haben Strukturen wie die Impact-Faktor Hierarchie und was darauf aufbaut dazu geführt, das wissenschaftlicher Erfolg und Kompetenz quantitativ skalierbar geworden sind. Und boi, findet die Wissenschaft das gut, dass sie skalieren kann, bei all dem Andrang junger Doktorand*innen auf der ganzen Welt und Millionen von Papern pro Jahr.
Ich würde auch sagen, obwohl hier die wenigen großen Verlage die goldene Gans für sich entdeckt haben, hat es dem Fortschritt im Ganzen mehr Vorteile gebracht als Nachteile. Es befeuert halt leider eine Flut an papern, weil alle nur noch auf ihren Publikationsschnitt und den Impact Factor gucken und wenn du zwei Jahren lang nichts publiziert hast, gehörst du eh schon zum alten Eisen. Daher viele Kollaborationen eingehen, damit der Name noch irgendwo seine Berechtigung im Titel findet...
Und im Rennen um ein Novum wird leider nur der Sieger, also die 1. Publikation mit Ruhm überschüttet. Platz 2, 3, 4 - die mit ihren Ergebnissen alle das gleiche beweisen, gehen leer aus. Die dürfen nicht mehr bei Nature und Co publizieren, weil warum doppelt? Dabei sind gerade solche paper wichtig, da sie beweisen, dass die hier gerühmte Methode oder das Ergebnis Hand und Fuß haben und nicht bloß ein glücklicher Zufall oder eine schwer zu stützende These.
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von bluttrinker13 »

Helix hat geschrieben: 13. Jul 2022, 22:24 Und im Rennen um ein Novum wird leider nur der Sieger, also die 1. Publikation mit Ruhm überschüttet. Platz 2, 3, 4 - die mit ihren Ergebnissen alle das gleiche beweisen, gehen leer aus. Die dürfen nicht mehr bei Nature und Co publizieren, weil warum doppelt? Dabei sind gerade solche paper wichtig, da sie beweisen, dass die hier gerühmte Methode oder das Ergebnis Hand und Fuß haben und nicht bloß ein glücklicher Zufall oder eine schwer zu stützende These.
Ja, dieses Replikationsproblem ist wirklich noch heftig, ändert sich durch die Replikationskrise zumindest in der Psychologie aber langsam merkbar. Will sagen, berühmt wirst du weiterhin nur mit dem hot new shit, aber gute Replikationen, die ja auch für Metaanalysen und kumulativen Fortschritt sowieso gebraucht werden, bekommst du mittlerweile auch unter.
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von SirGaiwan&TheGreenT »

bluttrinker13 hat geschrieben: 13. Jul 2022, 23:14 Ja, dieses Replikationsproblem ist wirklich noch heftig, ändert sich durch die Replikationskrise zumindest in der Psychologie aber langsam merkbar. Will sagen, berühmt wirst du weiterhin nur mit dem hot new shit, aber gute Replikationen, die ja auch für Metaanalysen und kumulativen Fortschritt sowieso gebraucht werden, bekommst du mittlerweile auch unter.
Bei Replikationskrise klingelt wieder was bei mir. Wieder mal der Merkur (auch kein Zufall, wenn man die Zeitschrift abonniert hat). Für Leute vom Fach vermutlich nicht neues und nur sehr oberflächlich, für Außenstehende aber ein verständlich aufbereiteter Einblick in aktuelle Diskussionen in der Psychologie:

Die Replikationskrise
https://volltext.merkur-zeitschrift.de/ ... mr-74-2-79
Ich bekomme die ganzen Argumentationen nicht mehr zusammen, zu lange her und nur am Rande wahrgenommen, aber ich meine mich zu erinnern, dass er Autor als Lösung dazu die Bayes' Statistik vorgeschlagen hat.

Dazu kam einige Zeit später als Antwort:

Die statistische Übermacht oder: Eine Verteidigung der Theorie
https://volltext.merkur-zeitschrift.de/ ... mr-74-9-91
Dazu kann ich gerade noch weniger sagen, manches bleibt dann doch nicht hängen. Aber immerhin, ich weiß noch wo es steht ... der letzte Rettungsanker bei Vergesslichkeit. :ugly:
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von SirGaiwan&TheGreenT »

bluttrinker13 hat geschrieben: 10. Sep 2022, 16:56 https://www.golem.de/news/elsevier-spri ... 68186.html

Goddammit!!

😬🤬
:doh:

Die haben keine Kosten für die Peer-Review, aber knüpfen trotzdem Bearbeitungsgebühren ab. WTF?

Gibt es eigentlich Veröffentlichungsnetzwerke/Kooperationen/Publikationen/Forschungsgemeinschaften, die im Sinne des DIY den Peer-Review-Prozess und die Veröffentlichung selber organisieren um die Verlage und ihre Gebühren zu umgehen?
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bluttrinker13
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von bluttrinker13 »

SirGaiwan&TheGreenT hat geschrieben: 11. Sep 2022, 12:10
Gibt es eigentlich Veröffentlichungsnetzwerke/Kooperationen/Publikationen/Forschungsgemeinschaften, die im Sinne des DIY den Peer-Review-Prozess und die Veröffentlichung selber organisieren um die Verlage und ihre Gebühren zu umgehen?
Teilweise ja. Das sind dann spezialisierte Societies, bspw in der Psy bei mir, die sich mit spezialisierten Themen wie Judgment and Behavioral Decision-Making auseinandersetzen. Spielen aber gesamt gesehen eine sehr kleine Geige. Kann man vergleichen mit Musikern, die ihr eigenes Label aufmachen. Richtig groß werden die nur mit viel Glück.
Und: irgendjemand muss ja die ganze Arbeit machen. Ich glaube aber kaum, dass Unis oder Drittmittelgeber dafür blechen wollen, dass du hauptamtlich ein Journal wuppst. Das sollst du quasi nebenher machen, entsprechend attraktiv ist das dann auch. :D
Zumindest meine Perspektive.
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Aratirion
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Re: So publiziert die Wissenschaft

Beitrag von Aratirion »

Super spannender Thread. Bin selber ein bissl in der Wissenschaft tätig und auch regelmäßig mit diesen Thematiken konfrontiert. Danke auch für die Links zu den Artikeln. Ein paar davon kenne ich, zitiere ich oft vom Hörensagen, konnte sie aber nicht mehr konkret ausfindig machen :D

An dieser Stelle natürlich die obligatorische Frage. Wie könnten wir es besser machen? Ganz grundsätzlich missfällt mir natürlich die Macht der Verlage, einfach schon als prinzipielle Skepsis jeglicher Übermacht gegenüber, ob nun gerechtfertigt oder nicht (auch Mutter Theresa, Mandela oder Gandhi haben ja Macht besessen, zumindest rhetorische). Ich glaube aber auch, dass die Auswirkungen auf die Wissenschaft und auf einzelne Wissenschafter*innen (was ja, wie hier schon gut hervorgegangen ist, nicht immer das gleiche ist), nicht nur gut sind, sondern oft genug das Gegenteil. Welchen Weg könnten wir uns also zumindest in der Theorie ausmalen, der sowohl wissenschaftliche Qualität ermöglicht, Machtungleichgewichte abbaut und den Zugang zu wissen breiter und fairer gestaltet, als auch Individuen wohltuendere Karriereverläufe in der Wissenschaft ermöglicht?

Persönlich habe ich der Forscherexistenz ja unter anderem aufgrund dieses Systems den Rücken gekehrt. Ich bin gewissermaßen ein bisschen mit Tolkiens Vorstellung von Wissenschaft sozialisiert: tun, was einem Spaß macht, jahrelang nicht wirklich publizieren, dafür fiktive Werke schreiben, die das eigene Fachthema auf unkonventionelle Weise verarbeitet. :ugly: :D
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