Vergangene Entscheidungen, Bundeswehr oder Zivildienst!

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Patatina
Beiträge: 9
Registriert: 25. Dez 2015, 22:16

Re: Vergangene Entscheidungen, Bundeswehr oder Zivildienst!

Beitrag von Patatina »

Melde mich ungewöhnlicherweise als Frau bei diesem Thread zu Wort. Beim Lesen von Andres Geschichte, war mit einem Schlag wieder ein Erlebnis aus meiner Jugend präsent. Als junger Mensch hat mich die folgende Geschichte sehr lange beschäftigt, mit einem Schlag sehr viel erwachsener werden lassen und ich wage zu behaupten, in vielerlei Hinsicht nachhaltig geprägt.

Als ich 17 war, muss so um 2002 herum gewesen sein, hat meine große Jugendliebe (und heute noch bester Kumpel) Zivildienst in einem Wohnhaus für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge absolviert. Da er sehr oft Abend- und Nachtdienste hatte, kam ich meist nach der Schule vorbei um zumindest ein paar gemeinsame Stunden mit ihm zu haben. Das fanden eigentlich alle die dort arbeiteten und wohnten ok, war ja zu der Zeit nix mehr zu tun. Meist saßen wir im Büro, haben gequatscht, fern geschaut, Hausübungen gemacht – Hauptsache man war einander als frisch verliebtes junges Paar nahe.
Die Abende waren immer gleich unspektakulär - maximal hat mal das Telefon geklingelt oder einer der Bewohner hat irgendetwas Banales gebraucht.

Bis auf einen Abend im Herbst. Da rief so gegen 21:00 die Polizei an um mitzuteilen, dass sie gleich vorbeikommen würden mit einem jungen Mann. Ich weiß leider heute nicht mehr um die genauen Umstände und warum zu dieser Uhrzeit - das war schon eher ungewöhnlich. Mein Freund und ich waren leider die einzigen die noch da waren, die eigentlich zuständigen Mitarbeiter waren schon lang im Feierabend.

Kurz darauf kamen die Polizisten dann auch tatsächlich und klingelten an der Tür. Ich hielt mich bewusst zurück, stand am Ende des Ganges und beobachtete aus einem der Büros heraus die Szene. Herein kamen zwei stattlich gebaute Polizisten, korrekt im Verhalten, aber nicht sonderlich freundlich. Zwischen ihnen eingekeilt war ein junger Mann, sehr schmächtig, Asiate, vielleicht 16 – 18 Jahre alt - schwer zu sagen. Wir waren wahrscheinlich etwa im gleichen Alter. Ich weiß heute leider auch nicht mehr warum, aber man hatte ihm Handschellen angelegt und er wurde von den beiden Polizisten recht forsch angepackt. Sie hatten ihn rechts und links mit jeweils festem Griff an seinen Armen regelrecht die Stiegen hochgetragen. Er redete nicht, sein Blick war immer gen Boden gerichtet. Es erschien mir absurd, wie man diese kleine Portion Mensch gesichert hatte, wenngleich das wahrscheinlich einfach das Standard Prozedere war.

Es ging dann alles sehr schnell. Die Polizisten haben ihn in die Küche gesetzt, Handschellen abgenommen und mit meinem Freund im Büro die Formalitäten geklärt, Unterschriften geleistet und weg waren sie.

So, da waren wir nun, zu dritt in dieser kleinen Küche. Stille. Der junge Mann saß regungslos da und starrte die Tischplatte an. Er verstand kein Deutsch und selbst wenn, überfordert von der Situation, fehlten uns ohnehin die Worte.
Da stand mein Freund auf, und ging ebenso wortlos zur Küchenanrichte, nahm einen Teller, 2 Scheiben Brot und Butter. Mir kam dieser Moment unendlich lange vor, als er da stand und das bescheidene Essen herrichtete.

Dann stellte er ihm das Abendbrot hin und der junge Mann starrte nun den Teller ebenso regungslos an wie zu vor die Tischplatte.
Und da sah ich die ersten Tränen über seine Wangen kullern und er begann schließlich verzweifelt zu weinen.
Ich saß ihm wie versteinert gegenüber und fühlte mich unendlich hilflos.

Später erfuhr ich, dass man ihn in der Küche eines China Restaurants aufgegriffen hatte, illegal unter menschenunwürdigen Verhältnissen beschäftigt. Seiner Aussage nach, war er alleine nach Europa gekommen, Verwandte haben die Flucht bezahlt. Er blieb dann eine ganze Weile in diesem Wohnheim, eher ein Einzelgänger. Irgendwann später hab ich ihn nochmal auf der Straße gesehen, wir haben nicht miteinander gesprochen. Ich wünsche ihm von Herzen, dass er irgendwo da draußen seinen Platz gefunden hat und ein selbstbestimmtes, menschenwürdiges Leben lebt.
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