Wenn der freie Wille nicht existiert.

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Soulbreed
Beiträge: 8
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Wenn der freie Wille nicht existiert.

Beitrag von Soulbreed »

Irgendwie kam mir heute der Spruch "Ein Spiel ist eine Reihe von interessanten Entscheidungen" von Sid Meier in den Kopf. Dann bin ich ein wenig hier und da im Internet abgedriftet und habe mich in die Entscheidungsfindung von Menschen eingelesen. Es interessierte mich vor allem in dem Kontext, inwiefern Entscheidungen statistisch vorhersagbar seien, um z.B. beim Bau von KI's zu unterstützen.

Dann bin ich irgendwie auf den Artikel "There's No Such Thing as Free Will"von Stephen Cave (Atlantic 2016) gestoßen. (Ich weiß nicht ob ich hier das einfach verlinken darf, wen es interessiert einfach googlen.)

Es war einer dieser wenigen Artikel, der einen nicht mehr loslässt. Es wird erklärt, dass sich führende Forscher der Neurowissenschaften und Psychologie mehr oder minder einig sind, dass der freie Wille, wie er von den meisten von uns verstanden wird, nicht existiert. Die Wissenschaft beschäftigt sich eher mit der Frage, ob man dies der breiten Masse überhaupt klar machen sollte, da es zu vielen negativen Effekten führt.

Meine Lieblingspassage aus dem Artikel (englisch):

The same holds true for brain structure: Cases of ordinary adults becoming murderers or pedophiles after developing a brain tumor demonstrate how dependent we are on the physical properties of our gray stuff.

Many scientists say that the American physiologist Benjamin Libet demonstrated in the 1980s that we have no free will. It was already known that electrical activity builds up in a person’s brain before she, for example, moves her hand; Libet showed that this buildup occurs before the person consciously makes a decision to move. The conscious experience of deciding to act, which we usually associate with free will, appears to be an add-on, a post hoc reconstruction of events that occurs after the brain has already set the act in motion.


Bei meiner nachfolgenden Runde CIV 6 konnte ich auch direkt die negativen Folgen des Artikels feststellen. Ich machte mir weniger Sorgen, ob es moralisch sei meine Nachbarn zu pulverisieren und es kam schnell der Gedanke: "Ist doch eh egal, wäre doch eh passiert, man Gehirn will es ja so." Was natürlich eine schwierige Interpretation ist und entsprechend habe ich dies direkt abgelegt und bin zu meinem moralischen Ich zurückgekehrt.

Aber umso mehr fesselt es mich, welche Auswirkungen die Akzeptanz von so einem Wissen auch Auswirkungen auf Loot-Boxen usw. hätten.
Man könnte ja argumentieren, dass bestimmte Menschen aufgrund ihrer erblichen Veranlagung und Erziehung gar nicht anders können als im Loch des Geldausgebens zu fallen und entsprechend schützenswert sind. Aktuell wird dies ja mit dem freien Willen gekontert. Es gibt Menschen die wegen einem Gendefekt einen Serotoninmangel entwickeln und dadurch nahezu immer zu Depression neigen. Wäre dann nicht der gesamte Leistungsgedanke der menschlichen Gesellschaft in Frage gestellt? Es gibt ja heute schon Menschen die sagen, bitte lass Person XY in Ruhe, er kann nur in diesem Tempo arbeiten und das ist auch ok so, aber auf einer wissenschaftlichen Basis könnte es ja auch eine juristische Ebene erreichen. In einer Dystopie würden die Arbeitgeber nach einem Bluttest direkt einmal aussieben.

Natürlich ist ein Artikel, der verschiedene Publikationen zitiert, kein unwiederbringlicher Beweis, aus dem Grund bitte als Gedankenexperiment wahrzunehmen, aber ich fand diese Sichtweise könnte in einer positiven "Star Treck"-ähnlichen Zukunft der Menschheit auf alle Lebenslagen einen sehr großen Einfluss nehmen. Leben wir mit der Lüge, weil unser Affenhirn es nicht verkraftet oder akzeptieren wir die These und versuchen situativ damit umzugehen? Ich bin zum Beispiel der Meinung, dass ein resultierender Nihilismus für mich nicht ertragbar wäre. Anders herum finde ich, dass z.B. beim Verbot von Lootboxen solche Argumente nicht weggewischt werden sollten, weil die Beteiligten nicht bereit sind es verstehen zu wollen.
Und als Randnotiz ... die Akzeptanz von nicht freiem Willen würde das Konzept der meisten Religionen widerlegen.
SirGaiwan&TheGreenT
Beiträge: 1443
Registriert: 3. Apr 2022, 17:55

Re: Wenn der freie Wille nicht existiert.

Beitrag von SirGaiwan&TheGreenT »

Es gab hier vor kurzem schon mal einen Thread zum Thema freier Wille, wo schon über dies und jenes diskutiert wurde.
viewtopic.php?f=5&t=8577
Vielleicht lassen sich ja beide zusammenlegen.
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bluttrinker13
Beiträge: 4844
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Re: Wenn der freie Wille nicht existiert.

Beitrag von bluttrinker13 »

Soulbreed hat geschrieben: 3. Aug 2022, 22:33 Dann bin ich irgendwie auf den Artikel "There's No Such Thing as Free Will"von Stephen Cave (Atlantic 2016) gestoßen. (Ich weiß nicht ob ich hier das einfach verlinken darf, wen es interessiert einfach googlen.)

Es war einer dieser wenigen Artikel, der einen nicht mehr loslässt. Es wird erklärt, dass sich führende Forscher der Neurowissenschaften und Psychologie mehr oder minder einig sind, dass der freie Wille, wie er von den meisten von uns verstanden wird, nicht existiert. Die Wissenschaft beschäftigt sich eher mit der Frage, ob man dies der breiten Masse überhaupt klar machen sollte, da es zu vielen negativen Effekten führt.
Ich würde dich da auch an den verlinkten Thread verweisen. Viele gute Gedanken dort, und auch der ein oder andere Literaturtipp. Lies bspw mal was von Alfred Mele für eine Gegenposition.
Die von dir zitierte Aussage von Stephen Cave ist hochproblematisch und reduktiv, und gibt ganz sicher nicht die Mehrheitsmeinung in Philosophie und Psychologie wieder.

Allein wenn man Libet zitiert als Beleg, hat man seine Hausaufgaben offenkundig nicht gemacht. ;)

Aber sowas ist mir damals, als ich mich selbst mit Freiheit und freiem Willen in meiner Diss beschäftigte, noch öfter untergekommen. "There's no such thing as free will" ist ein schöner, weil implizit kontraintuitiver "Aufreger"-Titel. Mehr aber nicht. Es gibt mannigfaltige Definitionen von freier Entscheidung und freiem Willen, und viele sind gut vereinbar mit bspw kausalem Determinismus.

Der, btw, auch nur eine metaphysische Glaubenshaltung ist, aber kein "given". ;)

Das "freier Wille" im übrigen etwas komplett kausal Unbedingtes sein muss, the "unmoved mover" sozusagen, ist auch kalter Kaffee. Eine extremlibertäre Position die schon lange keiner mehr ernsthaft vertritt, und an die die meisten Menschen auch gar nicht glauben (vgl. Studien von Nichols und Co bspw).
Zuletzt geändert von bluttrinker13 am 3. Aug 2022, 23:28, insgesamt 2-mal geändert.
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Jon Zen
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Re: Wenn der freie Wille nicht existiert.

Beitrag von Jon Zen »

In dem angesprochen Artikel, bzw. z.B. im Buch "schnelles denken, langsames denken" von Kahneman und weiterer Literatur geht es darum, dass die Entscheidungen von Menschen durch ihre Umstände beeinflusst werden.
Sei es Genetik, sei es Schleichwerbung, oder eine Erfahrung.

Wir Menschen können uns aber bewusst dazu entscheiden unsere eigenen Entscheidungen rationaler zu begründen ("langsam denken").
Beim Beispiel Loot Boxen: Jeder kann sich bewusst machen, wie viel man durchschnittlich für den begehrten Gegenstand ausgeben muss. Man kann aber auch über schnelles Denken "einfach" auf den Kauf Button klicken. Entscheidungen zu verbessern ist eines der Konzepte unserer Bildung. Ohne Bildung würden wir uns noch immer mit Knüppeln auf die Köpfe hauen, sobald wir beleidigt werden. :lol:
Der Mensch hat seine Umstände selbst beeinflusst, damit er bessere Entscheidungen trifft.

Genauso nutzt der Mensch aber auch das Konzept damit andere Menschen Entscheidungen zu seinem persönlichem Wohl treffen: In der Politik, beim Einkaufen, oder im Gespräch. Unsere Entscheidungen werden immer beeinflusst.
Entscheidungen sind messbar und sind in gewisser weise "frei" (allerdings statistisch erwartbar), aber vielleicht nicht so wie das Konzept des freien Willens suggeriert.

Du gibst dir in gewisser Weise bereits selbst die Antwort, wenn du die Stelle zitierst, dass sich die Entscheidungen der Menschen ändern würden, würden sie an keinen freien Willen glauben.
Das widerspricht sich, weil, wenn es stimmen würde, dürfte es keinen Effekt haben.

Dystopische Systeme, z.B. wie Gattaca (worauf du glaube ich mit dem Bluttest anspielst), bauen auf einer irrationalen Herrschaft auf. Wie man in diesem Film sehen konnte, waren die Bluttests dumm.
Dystopische Verhältnisse in Ländern der Welt konnten sich bislang nie lange halten (auch in Nordkorea wird die Herrschaft der Kims irgendwann untergehen).

Wenn einige Menschen wegen chemischer Prozesse im Körper zu destruktivem Verhalten neigen, ist das eine traurige Behinderung (für den Menschen). Daraus mehr abzuleiten, finde ich gewagt.

Dass Sid Meier mit seinem Satz Unrecht hatte, wurde auch im Podcasts bereits mehrfach belegt. Man schaue sich nur gute Rennspiele an. Dort macht das Fahren Spaß.
Selbst in den Total War Spielen, die relativ ähnlich zu Civ sind, trifft man oft keine Entscheidungen (bzw. nur Fake-Entscheidungen), weil der Eroberungsverlauf durch die Karte vorgegeben wird (ähnlich bei Civ oder in Shootern: Man hat keine "echte Entscheidung" über das Töten von Menschen, weil sonst das Spiel vorbei ist). "Entscheidungen", wie "was forsche ich zuerst" sind häufig nur Nebensache.

Zum letzten Satz mit der Religion: "Der Herr ist mein Hirte." Religion eignen sich solche Konzepte an, wie es ihnen gerade passt. :D
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GoodLord
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Registriert: 11. Jan 2021, 17:10

Re: Wenn der freie Wille nicht existiert.

Beitrag von GoodLord »

Jon Zen hat geschrieben: 3. Aug 2022, 23:27
Du gibst dir in gewisser Weise bereits selbst die Antwort, wenn du die Stelle zitierst, dass sich die Entscheidungen der Menschen ändern würden, würden sie an keinen freien Willen glauben.
Das widerspricht sich, weil, wenn es stimmen würde, dürfte es keinen Effekt haben.
Wieso sollten neue Informationen keinen Einfluss auf einen "unfreiem" wilen haben dürfen? Das wäre doch im Gegenteil ein weiteres Beispiel dafür, wie unsere Entscheidungen durch externe Einflüsse (in diesem Fall neues Wissen) "gesteuert " werden.
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Desotho
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Re: Wenn der freie Wille nicht existiert.

Beitrag von Desotho »

Ich empfehle an der Stelle auch mal die Serie Devs, falls noch nicht geschaut :)
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Soulbreed
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Re: Wenn der freie Wille nicht existiert.

Beitrag von Soulbreed »

Erst einmal danke für die Empfehlungen! Da schaue ich gerne mal rein.
Dann auch danke dafür, dass ich nun weiß, dass ich nichts weiß. :lol:

Natürlich war mir klar, dass eine Boulevardzeitung sicherlich nicht mit einem wissenschaftlichen Diskurs mithalten kann.
Aber als Diskussionsgrundlage fand ich es interessant.
Dass bereits ein ähnlicher Thread existiert, hätte ich nicht erwartet. Mea culpa, dass ich dies nicht vorher geprüft habe.
Es war mir eine Freude ihn komplett zu lesen, spannender als jeder Kirmi :ugeek:

Ich werde mich erst mal mit der Materie beschäftigen, bevor ich mir noch ein Dunnig-Krüger-Grab grabe :liar:
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BummsGeordy
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Re: Wenn der freie Wille nicht existiert.

Beitrag von BummsGeordy »

es ist alles ein komplexes Thema weil die Definitionen häufig unklar oder unterschiedlich sind. Allerdings möchte ich das "Lootbox"-Thema noch einmal aufgreifen:

Ähnliches gibt es ja in Werbung und "public health". Das Argument "Menschen sind frei und können sich frei entscheiden. "Werbung genau wie Lottboxen ändern diese Entscheidung nicht sondern zeigt nur Optionen auf" kann nur von denen gebracht werden, die damit Geld verdienen.
Wir entscheiden nicht "frei" oder "rational" oder nach Überlegungen, was wir wollen oder was gut für uns ist.

Ich werde damit täglich beruflich konfrontiert - wir (Menschen) sind ein Produkt aus unwahrscheinlich vielen biologischen Interaktionen und reden uns ein, dass wir irgendwie erhaben wären oder uns entscheiden könnten, was wir tun. Das können wir im Großen und Ganzen eben nicht.
Konkretes Beispiel (aus meinem Job) sind die immer zahlreicher werdenden übergewichtigen Menschen: das hat in 99% keine schwere organische Erkrankung zur Ursache, sondern ist ein natürlicher Effekt unserer Biologie - verstärkt durch Umweltfaktoren (Werbung, Gruppenzwang, Erziehung, Städtebaufaktoren, sozialen Ansprüchen), die letztlich dazu führen, dass man sich eben NICHT entscheidet, was das Richtige für einen wäre, sondern man tut eben das, was die Biologie vorgesehen hat → Bedürfnisbefriedigung.

Wenn man mit diesen Menschen redet, zeigt sich, dass nahezu ALLE das Narrativ des "freien Willens" geschluckt haben, aber gar nicht merken, dass ihre Handlungen etwas völlig anderes beweisen. JEDER sagt, dass er "xyz" tun möchte und beteuert auch, dass es das Wichtigste überhaupt wäre... nach 2-4 Woche zeigt sich dann in 80% der Fälle, dass "xyz" nicht gemacht wurde - weil... ja.. weil Biologie.

Deshalb sind philosophische Überlegungen zwar interessant - aber ganz unmittelbar im Alltag werden unsere biologischen Schwächen durch Lootboxen, Werbung, Trash-TV,... so getriggert, dass im Schnitt die meisten Menschen der Biologie folgen - und nicht dem, was sie eigentlich "wollen" - selbst wenn sie versuchen es umzusetzen.
Soulbreed
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Registriert: 6. Aug 2017, 22:26

Re: Wenn der freie Wille nicht existiert.

Beitrag von Soulbreed »

BummsGeordy hat geschrieben: 6. Aug 2022, 07:24
Ähnliches gibt es ja in Werbung und "public health". Das Argument "Menschen sind frei und können sich frei entscheiden. "Werbung genau wie Lottboxen ändern diese Entscheidung nicht sondern zeigt nur Optionen auf" kann nur von denen gebracht werden, die damit Geld verdienen.
Wir entscheiden nicht "frei" oder "rational" oder nach Überlegungen, was wir wollen oder was gut für uns ist.

Ich werde damit täglich beruflich konfrontiert - wir (Menschen) sind ein Produkt aus unwahrscheinlich vielen biologischen Interaktionen und reden uns ein, dass wir irgendwie erhaben wären oder uns entscheiden könnten, was wir tun. Das können wir im Großen und Ganzen eben nicht.
Konkretes Beispiel (aus meinem Job) sind die immer zahlreicher werdenden übergewichtigen Menschen: das hat in 99% keine schwere organische Erkrankung zur Ursache, sondern ist ein natürlicher Effekt unserer Biologie - verstärkt durch Umweltfaktoren (Werbung, Gruppenzwang, Erziehung, Städtebaufaktoren, sozialen Ansprüchen), die letztlich dazu führen, dass man sich eben NICHT entscheidet, was das Richtige für einen wäre, sondern man tut eben das, was die Biologie vorgesehen hat → Bedürfnisbefriedigung.

Wenn man mit diesen Menschen redet, zeigt sich, dass nahezu ALLE das Narrativ des "freien Willens" geschluckt haben, aber gar nicht merken, dass ihre Handlungen etwas völlig anderes beweisen. JEDER sagt, dass er "xyz" tun möchte und beteuert auch, dass es das Wichtigste überhaupt wäre... nach 2-4 Woche zeigt sich dann in 80% der Fälle, dass "xyz" nicht gemacht wurde - weil... ja.. weil Biologie.

Deshalb sind philosophische Überlegungen zwar interessant - aber ganz unmittelbar im Alltag werden unsere biologischen Schwächen durch Lootboxen, Werbung, Trash-TV,... so getriggert, dass im Schnitt die meisten Menschen der Biologie folgen - und nicht dem, was sie eigentlich "wollen" - selbst wenn sie versuchen es umzusetzen.
Ich kann deine Beobachtung nur bestätigen. Meine persönliche These ist , dass die freie Entscheidung eine Notlüge ist, um uns Menschen vor einem
moralischen Dilemma zu schützen. Wenn es jedoch nicht bewiesen ist oder der Beweis zu komplex ist kann man in der Diskussion nur schwer überzeugen.

Die Mechanismen des Glücksspiels (Lootboxen) funktionieren bei Menschen nachweisbar seit mind. 2000 Jahren. Sie werden
immer funktionieren. Genauso wie das Kindchen-Prinzip, sexualisierte Inhalte, Fear-Of-Missing out usw.
Aber wenn man den freien Willen in Frage stellt, hinterfragt man direkt das Grundprinzip des menschlichen Handelns
und dann wird eine Diskussion um ein unangenehmes Thema oft im Keim erstickt.
Außerdem ist es aktuell en vogue den biologischen Unterbau zu negieren und die Kultur für das gesamte menschliche Handeln
heranzuziehen. Und Kultur ist bekanntlich formbar.

Die entscheidende Frage wird sein, warum es so wenige belastbare Studien gibt, die einen Beweis und eine Grundlage erbringen.
Ich denke, dass öffentliche Träger wenig Interesse zur Finanzierung haben, weil jedes Land
führend in der Digitalwirtschaft sein will. Wirtschaftliche Träger schon gar nicht, Grund ist klar.
Und ich sage immer ironisch zu meinen Freunden: "Politiker spielen Stellaris, um die Map zu painten muss halt der eine oder andere Bürger leiden." :lol:
Zudem fehlt es auch an Aufbereitung der Daten der Spieleunternehmen durch den Staat. Man könnte ja schon mal nachfragen, die Daten
anonymisiert rauszurücken und dann schaut eine Kommission genau hin, ob da Spieler nicht systematisch zum einarmigen Banditen mit Zuckerglasur verleitet werden.

Auch der ständige Vergleich mit dem Alkohol/Zigaretten hinkt (Konsum kann man ja selbst entscheiden). Eine Prohibition würde zum Aufstand führen. Ein Verbot der Lootboxen wird wohl kaum dazu führen, dass die Straßen sich mit Demonstranten füllen :roll:
Der Höhepunkt ist dann immer die Meinung, dass ja nur sehr wenige bezahlen und 95% for free spielt. Ja grandios, anstatt unseren fairen
Anteil zu bezahlen und zusammen Spaß zu haben, machen wir eine Party auf dem Rücken anfälliger Menschen. :dance: Und so sehr mir das schmerzt
trifft es auch Jochen, wenn er sagt Genshin Impact hat eine geschickte Methode zum verleiten, aber zum Glück ist er so willensstark, dass er keinen großen wirtschaftlichen Schaden dadurch erhält . Dann finanziert aber jemand der nicht willensstark ist mit seinem wirtschaftlichen Ruin den Content. Die vielen arabischen Prinzen mit zu viel Geld, die alle f2p spielen, sind in meinen Augen eine Märchengeschichte. Das Ausnutzen von Spielesüchtigen hat System und auch der Spieler profitiert davon. Ich kenne einen Whale und er wünscht sich, dass er nie die Option zum Anfangen gehabt hätte. Aber in Momenten, in denen sie sich im Leben wertlos fühlen, geht halt der gesamte Monatsverdient wieder in das Game. Gut zureden hilft nix, Therapeuten helfen nicht, weil es wenige Psychologen gibt, die überhaupt verstehen was eine Lootbox ist (ältere Semester).
Und da zu sagen, er würde etwas anderes finden, um zu kompensieren, finde ich zynisch. Dann lieber 2000 Stunden WoW als das.

Vielleicht ist meine Sicht durch die persönliche Erfahrung zu verschleiert, aber ich bin für ein absolutes Verbot.
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