Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

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Marius
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von Marius »

Axel hat geschrieben:Ich habe kein Handy.
http://forum.gamespodcast.de/viewtopic. ... =918#p5662
Axel hat geschrieben:Wozu braucht man denn im Jahr 2017 ne Konsole als Mediacenter? Das kann mein Smartphone. Mit einem Wisch erscheint der Stream auf dem TV Gerät. Und mit zwei Handbewegungen habe ich die Musik auf den heimischen Lautsprecherboxen. Also da brauchts nun wirklich keine Konsole mehr dafür.
http://forum.gamespodcast.de/viewtopic. ... 120#p22099

Ich wusste doch, da war was. Was ist passiert, Axel? :lol:
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derFuchsi
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von derFuchsi »

Marius hat geschrieben:
Axel hat geschrieben:Ich habe kein Handy.
http://forum.gamespodcast.de/viewtopic. ... =918#p5662
Axel hat geschrieben:Wozu braucht man denn im Jahr 2017 ne Konsole als Mediacenter? Das kann mein Smartphone. Mit einem Wisch erscheint der Stream auf dem TV Gerät. Und mit zwei Handbewegungen habe ich die Musik auf den heimischen Lautsprecherboxen. Also da brauchts nun wirklich keine Konsole mehr dafür.
http://forum.gamespodcast.de/viewtopic. ... 120#p22099

Ich wusste doch, da war was. Was ist passiert, Axel? :lol:
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von derFuchsi »

Der User KingPaddy hat im Gamestop-Thread einige (wie ich finde) sehr kluge Dinge gesagt über die man mal reden könnte. Ich spare mir das zitieren der ersten beiden Beiträge mal da es sehr viel Text ist:

http://forum.gamespodcast.de/viewtopic. ... 591#p23762" onclick="window.open(this.href);return false;
http://forum.gamespodcast.de/viewtopic. ... =20#p23815" onclick="window.open(this.href);return false;
http://forum.gamespodcast.de/viewtopic. ... =20#p23941" onclick="window.open(this.href);return false;

Angefangen hat das mit der Beobachtung seinerseits
KingPaddy hat geschrieben:Ich wollte anlässlich der Folge und einem Punkt den Jochen wegen der Generation anspricht, noch ein paar Sachen erwähnen, weil mich das auch beschäftigt hat. Ich stelle fest, dass ich offenbar zu einer Art Scheitelgeneration gehöre, die schon zum Teil in diesem Neuen drin ist aber noch stärker im Alten verhaftet sind. Zumindest stelle ich das an mir fest und verstehe z.T. schon Leute nicht mehr die gerade mal drei Jahre jünger sind als ich. Das sich offenbar ein aufs Jetzt und Gleich fokussierter Gedanke von zu maximierender Freiheit entwickelt hat, der nicht allgemein freiheit in vielen belangen sucht sondern auch längerfristige Bindungen und oder Verpflichtungen, sei es nun an eine Partei, einen Verein, an ein bestimmtes Land (ich kann ja heute hier und morgen dort sein) entweder als hinderlich empfindet oder in bestimmten Kreisen fast schon ideologisch ablehnt und dann auch alles als hinderlich empfindet, das einer gewissen Flexibilität und Mobilität, sprich der eigenen Bewegungs- und Verwirklichungsfreiheit (z.t. sogar feste Beziehungen, die als BElastungen empfunden werden) entgegensteht abzulegen oder abzuwerten versucht.
...
Ich hatte darauf folgendes geantwortet:
Nur kurz dazu als Anregung weil es mir schon beim Podcast durch den Kopf schoss obwohl ich einer von der "alten Garde bin" der gerne Dinge "besitzt". Ist der Verzicht auf Eigentum eigentlich nicht theoretisch etwas Gutes? Ohne Eigentum gibt es keinen Neid mehr. Ohne Besitz gibt es weniger Streit.

Ansonsten habe ich bei deinen Schilderungen das Gefühl dass die Indoktrinierung durch die Industrie wohl endlich fruchtet. Es wird von diesen Seiten seit ewigen Zeiten das Märchen von der Flexibilität und Mobilität gepredigt und endlich wächst eine Generation heran die das nun verinnerlicht hat. Beharrlichkeit führt ans Ziel.
Warum Märchen? Spätestens wenn man Familie mit Kindern hat und ein wenig Zukunftssicherheit benötigt (Eigenheim z.B.?) weil man nun nicht mehr nur für sich selber verantwortlich ist sieht man das anders.
KingPaddy hat geschrieben:
derFuchsi hat geschrieben:Wie gesagt, Diskussionen darüber vielleicht in einem Extra Thread?
ja kann man machen. Bei sowas besteht natürlich auch die Gefahr in ein "Old man yells at cloud" abzudriften, schließlich haben diese Generationenfragen ja häufig auch etwas selbstkonstruktives, wobei ich es trotzdem erstaunlich finde, dass mir - ich bin mit 25 jetzt auch nicht so alt - halt diesen doch relativ starken Bruch bemerke.
Nur kurz dazu als Anregung weil es mir schon beim Podcast durch den Kopf schoss obwohl ich einer von der "alten Garde bin" der gerne Dinge "besitzt". Ist der Verzicht auf Eigentum eigentlich nicht theoretisch etwas Gutes? Ohne Eigentum gibt es keinen Neid mehr. Ohne Besitz gibt es weniger Streit.
Dieses immer so positiv hervorgehobene ist dieser christlich-religiöse Askese-Charakter des Verzichtens. Der macht aber auch nur in dem Kontext wirklich Sinn, weil er sich auf die Abkehr vom Weltlichen hin zu dem, was eigentlich zählt, bedeutet, nämlich dem jenseitigen/ göttlichen. Deshalb wurde das in der christlichen Morallehre, die ja auch in unserer Gesellschaft immer noch tradiert wird, so positiv hervorgehoben, während weltbezogene Genüsse und Gelüste eben die abkehr von Gott und die Hinwendung zur Sünde bedeuten. Ich halte es lieber mit Aristoteles und Platon, die statt Verzicht das rechte Maß anlegen. Die drücken treffend nämlich aus, das Mangel keine Tugend sonder nur ein anders gewendetes Extrem ist. Wer nur tapfer und nicht vorsichtig ist, ist tollkühn, wer vorsichtig ist ohne auch im gleichen Maße tapfer zu sein ist feige. Durch den sozialistischen Solidargedanken wurde wiederum die christliche Moralvorstellung einerseits säkularisiert und von Marx wurde das Eigentum einer kritischen Analyse der Machtverhältnisse, die eben auf Eigentum basieren, unterworfen. Im Kern ist das Problem aber nicht grundsätzlich das eigentum sondern deren Verteilung. Man kann jetzt natürlich den Schluss ziehen das Eigentum abzuschaffen und damit eben die damit verbundenen Probleme so zu lösen. Die Sache ist aber das andere Ordnungen, wenn wir sie überhaupt denken können, dann ebenfalls wieder eigene Probleme mit sich bringen. Zumeist und das war schon das Problem bei der späteren kommunistischen Theorie aber es ist schon bei Rousseau angelegt: Viele der Idealvorstellungen setzen eine art "Neuen Menschen" voraus, den man erst einmal erziehen müsste, notfalls zwangsweise. Aber ich schweife ab.

Das Problem in dem Fall hier ist ein anderes. Gehen wir nochmal zu dem christlichen Askese-Charakter zurück, stellen wir hier eben schon einen gravierenden Unterschied fest. Die Leute verzichten nicht im eigentlichen Sinne. Sie verzichten zwar auf das Eigentum, aber nicht auf die Nutzung. Da die Wirtschafter hier jedoch eben ihr Eigentum behalten und nicht übertragen, ist das dann ein einseitiger Eigentumsverzicht, der den Herstellern dann entsprechende Macht einräumen würde. Durch den Eigentumsverzicht, von dem man glaubt damit positive Impulse für eine gerechtere Wirtschaftsordnung setzen zu wollen, hat im Gegenteil zur Folge das sie die Position der bisherigen Wirtschafter und ihre Ordnung sogar stärkt. Wenn wir nur noch Nutzungsrechte erwerben dann wird das Produkt selbst zum Kapital (also ein Wert der weitere Werte generieren kann). Sprich der Unternehmer verliert kein Eigentum durch die Abgabe an den Kunden, sondern generiert im Gegenteil aus diesem Produkt sogar noch weitere Einnahmen. Durch unseren halben Verzicht (auf das Eigentum, nicht auf die Nutzung) bezahlen wir irrsinnigerweise den Unternehmer dafür, dass er sein Eigentum behält. Irrsinn, oder? Das einzige Sharing, dass auf diese Art und Weise stattfindet, dass wir bei manchen Diensten (wie zum Beispiel Car2Go) auf ein exklusives Nutzungsrecht verzichten und damit eine völlige Nutzungsfreiheit sondern das gleiche Produkt von anderen ebenfalls mitbenutzt werden kann. Wir teilen es also hächstens mit Leuten, die gegenüber dem Wirtschafter aber in der gleichen Position sind wie wir selbst.

Da ich aber nicht zu sehr Off-Topic werden möchte dachte ich hier wäre ein passenderer Thread dafür. Jedenfalls vom Titel her "Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?"

Das Thema Eigentumsverzicht und Ungebundenheit z.B. lässt mich irgendwie nicht in Ruhe. Auch wenn das absolut nicht mein Ding ist bewundere ich erstmal Leute irgendwo die anscheinend sorglos völlige Flexibilität an den Tag legen. Mal hier leben und arbeiten, mal dort. Kein Eigentum das sie ausbremst oder den Neid anderer hervorruft bzw anscheinend selbst keinen Neid kennen was Besitz betrifft weil sie ja anscheinend nicht besitzen wollen. Man nutzt einfach was man benötigt und gibt es anschließend wieder her. Es reist sich eben besser mit leichtem Gepäck.

Die Kehrseite der Medaille ist dass diese Lebensweise kaum familientauglich ist. Da braucht man sich über mangelnden Nachwuchs in den Industrieländern nicht wundern.
Außerdem, die Unabhängigkeit von Besitz ist die Abhängigkeit von Anderen.

Andersrum stelle ich immer wieder fest dass die "alte" Lebensweise anscheinend immer inkompatibler wird mit der heutigen Gesellschaft. Wer ganz klassisch eine Familie gründet mit Kindern und allem der ist plötzlich total unflexibel und in der heutigen Arbeitswelt im Nachteil. Es sei denn niemand hat ein Problem ständig in eine andere Stadt umzuziehen, sich ein neues soziales Umfeld zu suchen und die Kinder ständig in neue Schulen/Kindergärten anzumelden. Von Wohneigentum möchte ich jetzt garnicht erst anfangen. Was machst du mit deinem tollen Eigenheim wenn deine Firma morgen sagt dass du demnächst ein paar hundert Kilometer entfernt arbeitest oder gar gekündigt wirst und in deiner Gegend nichts zu haben ist?
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TrueKraut
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von TrueKraut »

Die Aufzeichnungen von WK I Veteranen in Tonspur sind ein sehr erhellender Einblick, keiner will sterben.
nehmen sie 1 identität an!
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Ricer
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von Ricer »

TrueKraut hat geschrieben:Die Aufzeichnungen von WK I Veteranen in Tonspur sind ein sehr erhellender Einblick, keiner will sterben.
If TrueKraut were a robot ...
SpoilerShow
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Zuletzt geändert von Ricer am 27. Feb 2017, 09:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Ricer
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von Ricer »

derFuchsi hat geschrieben: Die Kehrseite der Medaille ist dass diese Lebensweise kaum familientauglich ist. Da braucht man sich über mangelnden Nachwuchs in den Industrieländern nicht wundern. Außerdem, die Unabhängigkeit von Besitz ist die Abhängigkeit von Anderen.
Es gibt die zehnteilige Serie Die teilende Gesellschaft. Auf deinen Kommentar bezogen passt das, da die erste Folge die Sharing-Economy aus der Familie heraus betrachtet. In der Serie geht es dann um die Kommerzialisierung des Teilens, Crowdfunding, Kleinunternehmer, unfaires Teilen, ob Teilen vielleicht zu einer Art Egoismus führt, da alles immer und sofort zur Verfügung stehen muss, die Verschwendung, weil man Sachen nutzt, die man nicht unbedingt nutzen würde usw. usf ...

Die teilende Gesellschaft: http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen ... t-100.html
KingPaddy
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von KingPaddy »

Ich bin persönlich identifiziere mich, klingt jetzt vielleicht etwas abgehoben, als Neo-Romantiker. Ich denke das beschreibt es am besten. Also Romantik nicht im Sinne von Essen bei Kerzenschein oder Spaziergang im Mondlicht, sondern Romantiker wie Vorrevolutionäres 19. Jahrhundert. Ich muss sagen mir behagt diese extrovertierte, platte und durchrationalisierte Welt überhaupt nicht. Ich bin also auch eher ein Vertreter eins (pragmatische, soviel hat mir die Moderne dann doch mitgegeben) Idealismus und orientiere mich tatsächlich auch eher an greifbaren, überwiegend auch sehr traditionellen Werten und ziehe daraus Sinn und Motivation. In persönlicher als auch in politischer Hinsicht und es beeinflusst auch maßgeblich wie ich auf die Welt gucke. So orientiere ich mich zum Beispiel auch am Sozialen und an der Gerechtigkeit und sehe mich damit eigentlich eher links, bin zugleich in gewisserweise auch umwelttechnisch grün und wertkonservativ und bin deshalb, was die moderne Welt angeht in so einem Zwiespalt, weil die moderne Linke eben nicht mehr nur soziale gerechtigkeit und Wohlfahrt ist, sondern in letzter Zeit sogar massiv verstärkt den Werten, denen ich mich verbunden fühle, den Kampf ansagt und dabei behauptet, meine Generation also ich könne damit ohnehin nichts mehr anfangen. Und tatsächlich bröckelt das überall.

Ich denke das ist das, was Fuchsi ja auch mit der Konditionierung der jungen generationen zu Flexibilität und Mobilität gehört. Die Welt an sich wird grenzenloser, gleichzeitig aber darf sie auch keine Grenzen mehr kennen, weil sie sonst dem Fluss des Kapitals und des Humankapitals im Weg stünde. Gesetzesfestungen müssen geschliffen, Rechtliche Standards vereinheitlicht und der Kompromisse wegen abgeschwächt werden. Schrankenlose Migration ermöglicht und gefördert werden, unabhängig davon ob Gesellschaften unter einem Braindrain oder dem Gefühl einer Aushöhlung vielleicht nationaler oder kultureller Identitäten zu leiden haben. Generell müssen kulturelle Grenzen niedergerissen werden, damit jedes Land, jeder potenzielle Wohn- und Arbeitsplatz möglichst niedrige Zutrittsschwellen aufweist, um das Humankapital bestmöglich aufzunehmen. Abkapseln ist nicht möglich und wird sogar dämonisiert. Eigene Interessen werden als Egoismus ausgelegt, Interdependenzn betont.

Auf die Frage bezogen. Generell würde niemand sagen, dass die moderne Welt uns viel Gutes eingebracht hat, von der Reisefreiheit bis zu unglaublichen technischen Fortschritt. Allerdings wurde im Strudel einer daraus konstruierten und postulierten geradezu extremen Freiheitsideologie eines zunehmend verunmöglicht: Grenzen zu setzen. Grenzen setzen zu können ist eigentlich emanzipativ. Die Entscheidung für sich bleiben oder unter sich bleiben zu können wird durch den Zwang eines ständigen überall aber nirgendwo richtig abgelöst. Um die eigene LEbensweise, in der man sich wiedergefunden hat vor sich selbst zu legitimieren und für die weitere nachfolgende Masse und Generationen zu legtimieren, die man noch braucht, um auch noch die letzten Grenzen neiderzureißen, die einem auf dem Weg der maximalen Selbstverwirklichung (eigentlich nur dem Raum potenziell unendlicher Möglichkeiten, von denen man sich aber für keine entscheiden kann oder will) muss man andere Lebensweisen abwerten. Umgelegt auf das Beispiel von der Teilwirtschaft. Wer auf Eigentum verzichtet, ist frei, ist tolerant, solidarisch, flexibel. Wer weiterhin darauf Wert legt ist ein eigensinniger, egoistischer, intoleranter und tendenziell sich selbst in Unfreiheit haltender Mensch mit engem Charakter.

Um etwas polemisch zu sein, erscheinen die Indianer, die in der romantisierten Darstellung von Karl May noch als Symbol von Freiheit und Unabhängigkeit gelten, gemäß der heutigen Globalisierungslogik als intolerante, xenophobe, unfreie Exklusivisten, die sich der Zivilisation und Freiheit der aufgeklärten amerikanischen siedler nicht anzuschließen wussten und erst zu ihrem Glück, der Eingliederung in den großen ziviliserten Überstaat USA gezwungen werden mussten.

Statt aber dieser Entgrenzung, die eben sämtliche rückzugsräume zerstört und gleichzeitig Probleme aus unserer Reichweite enthebt, wo wir zwar von ihnen direkt oder indirekt betroffen sind, sie aber nicht mehr zu fassen bekommen, mit einer Einhegung zu begegnen, versucht man ihr mit einer Selbstentgrenzung hinterher zu rennen, treibt aber anstatt das Problem damit einzuholen nur die Entgrenzung noch weiter voran. Wenn man sich ganz auf akademisches Glatteis begeben will, könnte man sagen, dass die (wirtschaftliche) Kolonisation die wir dereinst entfesselt haben nun auch unsere Staaten frisst, Souveränität mumpitz, Nationalstaaten rassistisch und verabscheuungswürdig, Rückzugsorte und Heimat? Hinderlich, Traditionen? stehen dem Fortschritt im Weg. Eigenstaatlichkeit und Grenzen? Sind nur noch zum Abschaffen gut, damit wir frei um den Planeten zirkulieren können. Sein was wir sein wollen ohne eigentlich jemals dabei irgendwo anzukommen. ICh glaube die große Beliebigkeit ist das was an der modernen welt das Schreckliche ist, weil sie eben dazu zwingt alles zu vereinnahmen. Und die Demokratie tut, wie sie momentan ausgelegt wird, ihr bestes um das zu befördern. Denn so die aktuelle Lesart ist darin kein Platz für Exklusivitäten.
TuttiFrutti
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von TuttiFrutti »

Axel hat geschrieben:Gestern abend hatte ich mit der Tochter einer guten Freundin eine gleichzeitig lustige, aber irgendwie auch beängstigende Diskussion. Um es mal alterstechnisch einzugrenzen: Ich bin 32 Jahre, Sie ist 16. Da bestehen also nicht wirklich viele Jahre Unterschied, zudem ich mich meist auch noch eher wie Anfang 20 fühle oder so. Und dennoch: Sie hat mir vorgeworfen, dass ich "ziemlich hart technik- und fortschrittsfeindlich wäre".

Wie kam sie zu dieser gar wahnwitzigen Idee? Ich will es mal stichpunktartig aufschreiben, was ihre Meinung nach dafür spricht, dass ich "von gestern" bin.

- Ich habe kein Handy. Mehr noch, ich verabscheue die Tatsache, dass Menschen heute von den Dingern abhängig sind und scheinbar nichts mehr bewerkstelligen können, ohne auf irgendeine App angewiesen zu sein. Ich habe ein Tablet, ja. Aber: Das ist NUR und wirklich NUR zur Unterhaltung. Spiele, Musik, Podcasts oder wenn ich unterwegs mal nen Film oder ne Serie gucken will - dafür ist so ein Tablet wirklich hübsch. Aber ich würde mit so einem Gerät nie persönliche Daten managen wollen oder sogar damit bezahlen. Ist das wirklich fortschrittsfeindlich, wenn ich erwarte, dass Menschen nicht auf ihre Handys gucken sollen, wenn sie sich mit mir unterhalten? Oder poche ich da eher nur auf Höflichkeit? Denn das ist es für mich, wenn man Handys in Beisein von anderen Menschen nutzt: unhöflich.

- Apropos Geld: Ich liebe Bargeld! Ich finde derzeit wenig beängstigender als eine Gesellschaft ohne Bargeld. Wir wären sowas von abhängig von Banken und Staat, wir wären noch gläserner und es gäbe überhaupt keine Freiheit mehr. PayPal habe ich nur äußerst widerwillig, weil ich das für Bandcamp brauche. Das Geld was ich durch Spenden darauf bekomme, das wandert sofort aufs Bankkonto und dann wird es abgehoben und daheim in den Schrank geschlossen. Das mag vielleicht extrem klingen, aber ich trau der ganzen Technik hier wirklich nicht - denn hier sehe ich die Gefahr für Betrüger viel krasser als die Gefahr draußen überfallen zu werden. Dahingehend bin ich also wirklich technikfeindlich, aber ist es auch fortschittsfeindlich, wenn man auf sowas Wert legt?

- Meine Kritik zu soziale Medien. Ja, ich habe Facebook. Aber auch nur, weil ich das für meine Projekte nutze. Weil man damit gut Werbung machen kann und ich kann sehr einfach mit Musikern Kontakt aufnehmen oder halten wenn man gerade bei einem Projekt was gemeinsam macht. Dafür ist das echt nützlich. Ich würde ins Fratzenbuch aber nie persönliche Dinge ausbreiten. Warum muss man das? Und braucht man denn mehrere Plattformen, reicht denn nicht eines? Wozu braucht es Twitter, Instagram, Snapchat und den ganzen Kram? Bin ich technikfeindlich, weil ich es eher mag mit Menschen persönlich zu kommunizieren? Ich ein echtes Gespräch jederzeit einem chat vorziehen würde?

- Und dann so kulturelle Dinge wie Musik. Ich finde moderne Popmusik meist absolut fürchterlich und scheusslich. Plastisch möchte ich das mal an Roxette erklären:
Hier der Song It Just Happens aus dem Jahr 2016 und hier The Rain von 1992.
The Rain hat eine sehr schöne Melodieführung, die Musik wird mit echten Instrumenten erzeugt, der Rythmus unterstützt die Melodielinien und den Gesang von Marie. Zudem gibt es Abwechslung in der Instrumentierung und verschiedene Phasen innerhalb des Songs. Daraus entsteht ein - in meinen Ohren - sehr schöner und vor allem abwechslungsreicher Popsong, wo man merkt, dass sich Per Gessle hier ein paar Gedanken gemacht hat. Zudem ist der Song handwerklich auf sehr guten Niveau. It Just Happens hat das alles... nicht. Wie in modernen Popsongs üblich steht hier der Rythmus im Vordergrund. Die Melodie blitzt mal kurz im Refrain durch, entwickelt sich aber während des Songs nicht weiter. Der Song hat keine verschiedenen Phasen, sondern bleibt stoisch und gleich. Das macht ihn aus künstlerischer Sicht extrem langweilig. Dadurch, dass auch keine echten Instrumente verwendet werden, bleibt der Song für einen Lovesong auch noch sehr kalt und unverbindlich - Das passt doch nicht zum Text, oder ist heute auch Liebe unverbindlich? Man stelle sich mal vor ein Song wie Spending My Time hätte keine Melodieführung und nur so elektronisch-kalt, da würde überhaupt keine Emotionen entstehen, wie sie im Song transportiert werden. Ja, die Entwicklung der Popmusik kann man an Roxette schon sehr gut erkennen festmachen, finde ich. Aber vielleicht will Popmusik heute ja auch keine Emotionen mehr wecken, nichts mehr sagen, sondern nur noch auf Wolke 4 emotionslos den Smartphoneuser als Hintergrundgeräusch dienen. Das Schlimme: Popmusik klingt heute nicht mal mehr schrecklich, sondern einfach nur... bedeutungslos.

- Dann gibt es noch diese ganzen Defizite im Sozialverhalten bei Menschen. Angefangen bei der Unverblindlichkeit vieler Zeitgenossen über solche Phänomene wie "Ghosting" bis hin zur Sprunghaftigkeit. Ich schaue mir so die Beziehungsprobleme im Freundeskreis an und denke - und sage - die ganze Zeit: "Selber Schuld!" Freundschaften und Liebesbeziehungen fußen auf Fundamenten, die man sich natürlich erstmal schaffen muss. Dazu braucht es Vertrauen, ein gehöriges Maß an Selbstreflektion und Kommunikationsvermögen - etwas, was einem kein Smartphone und kein "soziales" Medium abnehmen kann. Ich denke, dass diese Dinge die Menschen nur unsozialer machen, weil sie verlernen im direkten Kontakt mit anderen Menschen miteinander umzugehen, auf Mimik und Gestik zu achten und solche Dinge. Das sehe ich bei besagter 16 Jährigen, wie aber auch bei den Kids im Jugendclub, immer wieder.
Wir haben letztens mal ein Experiement im Club gemacht: Eine ganze Woche lang herrschte Handyverbot. Komplett - es wurde eingesammelt, wenn sie kamen. In den ersten zwei Tagen kam das zum Vorschein, was ich unter Entzugserscheinungen bezeichnen würde. Die Kids waren unruhig, nervös, manche leicht agressiv. Mit dem Verlauf der Woche jedoch änderte sich das sehr schnell: Sie haben angefangen sich mal richtig miteinander zu unterhalten, sich miteinander zu beschäftigen und haben ganz neue Seiten an sich kennengelernt. Seitdem werden diese Dinger von den Kids selbst viel weniger genutzt wenn sie im Club sind, bowohl sie es dürften. Sie haben gemerkt, dass es mehr Spaß macht echte Sozialkontakte zu pflegen.

- Eine weitere Errungenschaft der modernen Welt: Burnout und Depression. Wundert das einem noch, dass beides Volkskrankheiten geworden sind? Ständig lernen ich und meine Freundin Menschen kennen, die ständig im Stress stehen. Dort irgendwelche Termine, hier, da und dort. Die Zahl der Menschen, die auch einfach mal faul sein können, hat sich unserer Beobachtung nach sehr verringert. Es geht ja mittlerweile schon soweit, dass man sich schon beschimpfen lassen muss, wenn man auf die Frage "Was habt ihr die Woche so gemacht" sagt: Nicht viel. Wirklich, die Leute sehen die Zeit als "unproduktiv verschwendet" an, wenn man nichts tut. Dabei ist es doch auch wichtig Zeit für sich zu verbringen, oder? Sie ist auch gut für die Beziehung zwischen mir und meiner Freundin: Würden wir uns auch nur die Hälfte des Stresses anderer Leute aufbürden, dann würde unsere Beziehung wohl stark drunter leiden, weil wir dann keine Zeit mehr füreinander hätten...


Ich frage Euch, liebe Mitforisten, daher mal frei nach Monty Python: Was hat uns die moderne Welt gebracht, dass man sie irgendwie gut finden sollte?
Ich lege mit 46 Jahren altersmäßig noch mal eine Schippe drauf. Ich finde die heutige Welt/Gesellschaft sehr beängstigend. Terror, Kriege, Armut, Ellenbogengesellschaft, gläserner Mensch, totale Vernetzung. Wenn ich an meine Jugend zurückdenke, früher war das gefühlt nicht so krass. Aber ich gebe zu, dass das wahrscheinlich an den damals fehlenden neuen Medien lag. Wir haben halt viel auch nicht mitbekommen. Heute bist du überall live dabei, wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert.
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XfrogX
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von XfrogX »

Ich liebe die moderne Welt. Klar nutze ich nicht alles manches auch eher wenig oder anders als gedacht. Aber ich finde nichts das ehrlich früher besser war.

Nein ich sagt sogar das vieles was heute als Problem gesehen wird früher einfach nicht offensichtlich war aber trotzdem vorhanden. Und ganz ehrlich lieber Probleme und verhalten offen sehen und sich drauf einstellen als das ein alles ist okay nur vorgespielt ist.
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W8JcyyU
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von W8JcyyU »

Um aktiv zur Verbesserung der modernen Welt beizutragen, plädiere ich für ein Schließen und sofortiges Löschen dieses Threads.

Nirgendwo sonst findet man eine ähnliche Anhäufung an derart weinerlichen Beiträgen. Eine Archivierung macht nur zum Sinne der Abschreckung und des mahnenden Beispiels Sinn.
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Blaight
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von Blaight »

Die Verfügbarkeit von Informationen verbreitet an sich ja schon häufig Angst und Schrecken. Goschis Statistiken zeigen ja anschaulich, dass an und für sich "alles besser" wird. Früher wurden selbstverständlich keine keine Vergewaltigungen bei Facebook gestreamt oder Enthauptungen auf YouTube gestellt. Heute bekommt man die Schreckensmeldungen der ganzen Welt in Sekundenschnelle mit Bild und Ton präsentiert.

Ich schaue schon seit Jahren Horst Lüning bei YouTube. https://www.youtube.com/channel/UC5i6nC ... 98sZD2AAcQ" onclick="window.open(this.href);return false;
Der hat viele Ansichten, die ich nicht teilen kann, aber einiges stellt er sehr schlüssig dar, nämlich, dass es es global gesehen aufwärts geht uns die mediale Berichterstattung jedoch häufig vom Gegenteil überzeugen "will".

Ich verstehe schon was W8JcyyU meint mit seinem Beitrag, doch ich finde es wichtig, dass die Vorteile der modernen Welt diskutiert un erörtert werden, damit Menschen sich nicht in einer verklärten, überromantisierten Erinnerung der Vergangenheit aalen.
TuttiFrutti
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von TuttiFrutti »

Die Schaubilder sind wahnsinnig interessant, muss ich ehrlich sagen.

Aber was mich wirklich ankotzt ist das hier:

https://www.youtube.com/watch?v=ypEODEfkJxI" onclick="window.open(this.href);return false;

Geplante Obsoleszenz und dann gibt es China Smartphones für 200€ und das iPhone kostet das 4-fache und die "Blöden" kaufen sich jedes Jahr ein neues. Kranke Welt. Und die alten Dinger fliegen nach vier Jahren (!) auf den Müll. Dabei sind alle anderen Dinge wie Forschung & Entwicklung so langwierig und wir benutzen permanent seltene Erden und Stoffe, die uns unser Planet nie wiedergeben wird.
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bluttrinker13
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Re: Was ist an der modernen Welt eigentlich so toll?

Beitrag von bluttrinker13 »

@Obsolenzkritik: Das muss man aber nicht nur den Herstellern ankreiden, sondern vor allem auch den Nutzern bzw. Konsumenten!

Solange es für viele Leute ok ist, sich jeweils die neueste Smartphone-Generation zuzulegen, oder Automodell oder meinetwegen auch Grafikkarte bzw Konsole, obwohl das alte Teil sogar noch funktioniert, solange wäre es blöd vom Hersteller, seine Produkte langlebiger zu gestalten.

Progressive Ansätze in andere Richtungen, über Tauschhandel, DIY-Reparaturen oder Gebrauchthandel, gibt es ja bereits. Das lockt aber 80% der Kundschaft nicht hinterm Ofen hervor.
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