In dem Zusammenhang fällt mir ein Buch ein, das ich ob seiner Länge von gut 1000 Seiten bisher nicht gelesen habe
"The Better Angels of Our Nature: A History of Violence and Humanity" von Steven Pinker (hier der deutsche Wikipedia-Artikel dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gewalt:_E ... Menschheit" onclick="window.open(this.href);return false;).
War hier jemand fleißiger als ich?
Es geht wohl darum, dass Gewalt aus Sicht des Autors im Verlauf der Menschheitsgeschichte insgesamt abgenommen habe und dass dieser "Erfolg" im Allgemeinen zu wenig gewürdigt werde. Wie bei derart steilen Thesen üblich (siehe u.a. unser Forum hier
) gibt es natürlich jede Menge Kritik. Noam Chomsky z.B. bemängelt, dass Pinkers Aussagen für gut und gerne 95% der Menschheitsgeschichte nicht zu träfen, räumt aber ein, dass es seit der Aufklärung und auch innerhalb der letzten Jahrzehnte "moralischen Fortschritt" gegeben habe.
https://www.youtube.com/watch?v=zy0n4dbHbdA" onclick="window.open(this.href);return false; Das wiederum erinnert mich an Louis CKs Standup über die "Vorteile des Weiß-Seins"
https://youtu.be/6CmzT4OV-w0" onclick="window.open(this.href);return false; (ab ca. 0:45 kommt der Teil um den es geht), in dem er sagt, dass man als Weißer sorgenfrei in die Vergangenheit reisen könne, während als Schwarzer "alles vor 1980" gefährlich sei. Dies ist zugegebenermaßen auf die USA bzw. die sogenannten "westliche Welt" bezogen, aber trotzdem finde ich den Gedanken auch für Deutschland relevant: als weißer heterosexueller Mann kann man sich "in hiesigen Breiten" ohne Weiteres einige Jahrzehnte oder gar Jahrhundert "zurückträumen". Wenn man nicht weiß, oder Frau ist, wird es bei ein paar Jahrzehnten schon deutlich unangenehmer. Ist man homosexuell, wird es noch schneller schwierig bzw. sogar strafbar. Das soll natürlich nicht heißen, dass im gegenwärtigen Deutschland alles perfekt ist, was die Gleichberechtigung der genannten und andere Gruppen angeht, oder dass es keine Bereiche gebe, in denen sich möglicherweise auch Dinge verschlechtert haben.
Es kommt natürlich auch immer darauf an, welchen Rahmen man wählt. Sowohl geographisch als auch zeitlich. Vergleicht man das Wohlbefinden der gesamten Menschheit zu verschiedenen Zeitpunkten, oder pickt man bestimmte Regionen heraus? usw. Ebenso ist unklar, wie man Wohlbefinden, Glück etc. im Verhältnis zu prähistorischen Zeiten bewertet - Chomsky meint im obigen Video bspw., wenn ich ihn richtig deute, dass damals weniger Gewalt vorgekommen sei. Man kann eine solche "Natürlichkeit" meinetwegen idealisieren, muss dann aber IMO auch bedenken, dass - soweit ich weiß - eine prähistorische Jäger-und-Sammler-Lebensweise niemals die jetzige Weltbevölkerung am Leben erhalten könnte. Und ein Massensterben um das für diese Lebensweise angemessene Niveau zu erreichen befürworten ja wohl hoffentlich die wenigsten...
Hui, jetzt bin ich aber mächtig abgeschweift
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Axel hat geschrieben:
- Ich habe kein Handy. Mehr noch, ich verabscheue die Tatsache, dass Menschen heute von den Dingern abhängig sind und scheinbar nichts mehr bewerkstelligen können, ohne auf irgendeine App angewiesen zu sein.
Das wurde hier schon mehrfach angemerkt, aber wovon redest du? Meinst du wirklich aus medizinischer Sicht suchtkranke Menschen (die Definition ist ja durchaus nicht einfach, wie André mal im Zusammenhang mit dem Thema Spielsucht in einem Podcast anmerkte)? Oder sprichst du einfach von Menschen, die ihr Handy häufig nutzen und das passt dir nicht? Wieso genau? Ich habe kein Tablet. Mich stört nicht, dass du eins hast. Erst recht würde ich nie darauf kommen deine "Abhängigkeit" von diesem Tablet zu verabscheuen. Es ist schon irgendwie lustig, diese Meinung im
Internet in einem Forum zu einem
Computerspiele-Podcast zu äußern - beides technische Phänomene, denen in den jeweiligen Anfangszeiten häufig nachgesagt wurde, dass es sich bei ihren Nutzen um Abhängige handle, die der wie auch immer gearteten Wirklichkeit entfliehen.
- Meine Kritik zu soziale Medien. Ja, ich habe Facebook. Aber auch nur, weil ich das für meine Projekte nutze. [...] Ich würde ins Fratzenbuch aber nie persönliche Dinge ausbreiten. Warum muss man das? Und braucht man denn mehrere Plattformen, reicht denn nicht eines? Wozu braucht es Twitter, Instagram, Snapchat und den ganzen Kram? Bin ich technikfeindlich, weil ich es eher mag mit Menschen persönlich zu kommunizieren? Ich ein echtes Gespräch jederzeit einem chat vorziehen würde?
Ich glaube nicht, dass "technikfeindlich" es trifft, aber so langsam bildet sich hier ein Muster heraus. Was du - aus dir plausiblen Gründen - nutzt, ist okay. Was du nicht brauchst, ist Quatsch und wer sowas nutzt abhängig und unfähig zu zwischenmenschlicher Kommunikation.
- Und dann so kulturelle Dinge wie Musik.
Das ist ja wohl komplett Geschmackssache.
- Dann gibt es noch diese ganzen Defizite im Sozialverhalten bei Menschen. Angefangen bei der Unverblindlichkeit vieler Zeitgenossen über solche Phänomene wie "Ghosting" bis hin zur Sprunghaftigkeit. Ich schaue mir so die Beziehungsprobleme im Freundeskreis an und denke - und sage - die ganze Zeit: "Selber Schuld!"
Ähm, hast du nicht gerade noch von Höflichkeit, Kommunikationsfähigkeit usw. geschrieben? Und jetzt von Defiziten im Sozialverhalten? Jemand, der bei Problemen seiner
Freunde die ganze Zeit "Selber Schuld!" sagt, klingt jetzt auch eher so mittelkommunikativ und nicht wirklich empathisch.
- Eine weitere Errungenschaft der modernen Welt: Burnout und Depression.
Da wurde schon viel zu gesagt und mein Post ist so langsam lang genug. Ich fasse mich kurz: Wer weiß, ob es das nicht schon immer gab und es nur nicht erkannt wurde? Will sagen: Wenn man einen Menschen bspw. aus dem Dreißigjährigen Krieg einem heutigen Psychiater auf die Couch setzt, wird der dann PTSD u.ä. diagnostizieren, oder geht's der Person gut?
Was hat uns die moderne Welt gebracht, dass man sie irgendwie gut finden sollte?
Neben dem Podcast? Z.B. die Freiheit ein Tablet zu nutzen, aber keine Handy. Die Möglichkeit deine Projekte im Internet, auf den wenigen Plattformen, die du nicht für Blödsinn hältst, voranzutreiben. Hier im Forum diese Dinge diskutieren. Und, wenn du Pinker glauben willst, eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit, Gewalttaten zum Opfer zu fallen.