Vinter hat geschrieben: ↑8. Feb 2020, 02:22
Davon ist soviel falsch, da ist ja nichtmal das Gegenteil richtig.
a) Wenn Merkel 2021 ihre Kanzlerschaft beendet, dann werden wir in den letzten 39 Jahren seit 1982 ganze 32 Jahre lang von einem CDU-Kanzler regiert worden sein. Die 7 Jahre Unterbrechung, nach 16 Jahren Kohl und vor 16 Jahren Merkel, hat die nominell linke SPD-Regierung erstmal dazu genutzt, die einschneidensten Kürzungen des Sozialstaates in der Geschichte der Bundesrepublik durchzusetzen - von der sich die SPD im übrigen bis heute nicht erholt hat. In diesem Kontext von "40 Jahren linker Herrschaft" zu reden, ist entweder ahnungslos, oder böswillig. Welchen Schuh du dir davon anziehst, ist deine Entscheidung.
b) Ein genauso oberflächliches (oder mutwillig boshaftes) Politikverständnis offenbart die Ansicht, bloß weil 1/5 der Wähler die AfD gewählt haben, handle es sich nicht um eine problematische Partei mit problematischen Parteianhängern. Die Mitte-Studien belegen seit Jahren ein rechtsextremes Wählerpotential von 20-30%: Das sind genau die Leute, die jetzt AfD wählen.
Von genau diesem rechtsextremen Klientel wird Demokratie gerne - wenn es ihnen passt - als Tyrannei der Mehrheit interpretiert: Die AfD habe Recht, weil sie Stimmen erhält. Doch wir befinden uns hier keineswegs im luftleeren Raum, in dem lediglich die Anzahl der Wähler die bestimmende Größe ist. Kontext und Maßstab dieser Demokratie ist das Grundgesetz - und das ist explizit antifaschistisch.
Um zu erkennen, dass ein Björn Höcke (als Spitze des Eisberges) diese Voraussetzungen nicht erfüllt, genügt lediglich ein flüchtiger Blick auf eben dieses Grundgesetz und auf das "Werk" dieses Mannes: Von Teilnahmen an NPD-Demos, über Aufsätze als Landolf Ladig in NPD-Zeitschriften, über Reden, in denen er von "tausend Jahren Deutschland" träumt, bis hin zu seinem Buch, in dem er ankündigt, sich nach der Machtübernahme von den Teilen der Bevölkerung
trennen zu wollen, die in "seinem" Deutschland keinen Platz haben oder die nicht Willens sind, sich einzuordnen. Aber du musst das nicht von mir nehmen: Das Björn Höcke ein Faschist ist, wurde selbst richterlich bestätigt.
Wir sind nicht orientierungslos. Es gibt in einer Demokratie weiterhin Kategorien wie "richtig"und" "falsch", auch jenseits der Frage, wofür ein nicht verschwindet-geringer Teil der Bevölkerung abstimmt. Es ist also problemlos möglich, eine Partei und ihre Anhänger als faschistisch zu identifizieren, auch wenn sie mit demokratischen Mitteln gewählt wurde. Dass die AfD demokratisch gewählt wurde ist weder überraschend, noch ordnet es die Partei inhaltlich ein, weil diese Gesellschaft eben diesen demokratischen Rahmen zur Verfügung stellt. Das ist auch schon alles.
c) Ziel der Rechtsextremen ist die Abschaffung der Demokratie mit den Mitteln der Demokratie. Das hat in Deutschland schon einmal funktioniert und auch das musst du nicht von mir nehmen: Es gibt ein wahres Füllhorn an passenden Zitaten zu dem Thema von einem gewissen Joseph Goebbels.
Wie es um das allgemeine Demokratieverständnis derjenigen bestellt ist, die nun im Angesichts des politischen Drucks auf Kemmerich in den sozialen Netzwerken den Niedergang der Demokratie beklagen, kann man hervorragend an deren Timelines ablesen: Besonders lange muss man da nicht nach einem Muster suchen.
Man tut der Demokratie also einen Bärendienst, wenn man sich absichtlich dumm stellt und die Beteuerungen der Gegner der Demokratie nicht als das enttarnt, was sie sind: Bad faith Argumente von Rechtsextremisten, die sich genau so lange auf die Werte der Demokratie berufen, wie sie ihnen nützen.
Wie gut diese "Entzauberung" von Rechtsextremisten durch politische Teilhabe wirkt, von der insbesondere konservative Politiker immer träumen (also die, die idR als letztes Probleme mit einer faschistischen Regierungung bekommen), kann man übrigens hervorragend an den Beispielen Österreich, Polen, Ungarn und ja, auch den USA, beobachten.
Da halte ich es dann doch lieber mit dem Teil des politischen Spektrums, die nicht aus strategischen Überlegung und reiner Machtgier beständig daran arbeiten, die Grenzen es politisch gedulden nach rechts zu verschieben, sondern die sich deutlich und lautstark von der AfD abgrenzen.