Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

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Dr. Zoidberg [np]
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Dr. Zoidberg [np] »

Andre Peschke hat geschrieben: 12. Jun 2019, 22:52 Wäre ja irgendwie verwunderlich...so von dem Bild, dass man von der japanischen Kultur im Kopf hat, scheint das ja wie geschaffen für Crunch. Falsches Bild? Nintendo als Ausnahme im eigenen Lande? Oder sitzt die Omerta da einfach noch besser?

Andre
Ich versuch das mal zu deuten: die japanische Gesellschaft ist ja sehr darauf aus, dass man sein Gesicht wahrt. Ich könnte mir vorstellen, dass es für Nintendo mehr "Gesicht-wahren" ist ein Spiel zu verschieben und es aber in gutem Zustand zu veröffentlichen als die eigenen Leute zu verheizen und das Spiel in potenziell minderem Zustand zu veröffentlichen.

Es sind ja vor allem "die Oberen", die in dem Fall ihr Gesicht wahren müssen. Und da die japanische Arbeitskultur recht stark hierarchisch geprägt ist (afaik) ist es auch nicht allzu schwer die Leute nicht mal freiwillig crunchen zu lassen.
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Rince81
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Rince81 »

Ich denke auch, das Nintendo sehr darauf achtet seinen Ruf nicht zu verlieren. Finde ich in dem Fall nichts verkehrt dran.
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Tom
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Tom »

Naja, zum Thema japanische Arbeitskultur empfehle ich mal nach "Karōshi" zu googeln. In Japan sind extreme Überstunden deutlich üblicher als im Westen. Durchschnittlich werden z.B. auch nur knapp 50% der in einem Jahr vergebenen Urlaubstage (ohnehin nur 10 bis 20) auch genommen. Es schwirrt auch noch ein altes Bild aus dem Büro von Polyphony Digital (Gran Turismo) im Internet herum, die einen Entwickler unter seinem Schreibtisch schlafend zeigen.

Wenn es Nintendo tatsächlich gelingt, weitestgehend auf Crunch zu verzichten, dann glaube ich kaum, dass das auf kulturelle Gründe zurückgeführt werden kann.

Ich halte es übrigens auch für eine fragwürdige Vorstellung, dass Crunch in AAA Studios besonders verbreitet ist. In kleinen und mittleren (gerade Indie-) Studios dürfte Crunch durch Gruppenzwang deutlich eher durchzusetzen sein: Die Arbeit jedes Einzelnen ist für das Spiel wichtig, man bildet eine verschworene Gemeinschaft, die Identifikation mit der Firma und dem Spiel ist hoch, Geld ist knapp, das Projektmanagement unbeholfen und die finanzielle Existenz hängt vom Erfolg des Projekts ab. Das sind alles Faktoren, die den Druck erhöhen.

In großen Studios lockern sich alle diese Faktoren. Und wenn Spiele dann im Jahresrythmus veröffentlicht werden, ist der Entwicklungsprozess eingespielt und planbar. Und je mehr Spiele zu Abzockfallen werden, desto geringer identifizieren sich die Entwickler mit ihnen, was die Bereitschaft schlechte Arbeitsbedingungen zu akzeptieren weiter senken dürfte.

Wenn in News öfter von AAA Studios berichtet wird, dann weil sich dort mehr Whistleblower finden lassen und weil die Arbeitsbedingungen in irgendeinem obskuren kleinen Studio keine spannende News sind.
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Soulaire
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Soulaire »

leider werden schlechte Arbeitsbedingungen in der Öffentlichkeit immer öfter verharmlost und toleriert.
Wie hier von der Gamestar in der Cyberpunk-Preview;
"Aber CD Projekt hat damit nun eine Messlatte gelegt, die sie halten müssen, selbst wenn das letztlich zu Stress und Crunch führt."
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Schlagerfreund
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Schlagerfreund »

Tom hat geschrieben: 13. Jun 2019, 01:44Ich halte es übrigens auch für eine fragwürdige Vorstellung, dass Crunch in AAA Studios besonders verbreitet ist. In kleinen und mittleren (gerade Indie-) Studios dürfte Crunch durch Gruppenzwang deutlich eher durchzusetzen sein: Die Arbeit jedes Einzelnen ist für das Spiel wichtig, man bildet eine verschworene Gemeinschaft, die Identifikation mit der Firma und dem Spiel ist hoch, Geld ist knapp, das Projektmanagement unbeholfen und die finanzielle Existenz hängt vom Erfolg des Projekts ab. Das sind alles Faktoren, die den Druck erhöhen.

In großen Studios lockern sich alle diese Faktoren. Und wenn Spiele dann im Jahresrythmus veröffentlicht werden, ist der Entwicklungsprozess eingespielt und planbar. Und je mehr Spiele zu Abzockfallen werden, desto geringer identifizieren sich die Entwickler mit ihnen, was die Bereitschaft schlechte Arbeitsbedingungen zu akzeptieren weiter senken dürfte
Ich sehe hier eher Dinge die dagegen Sprechen. Gruppenzwang entsteht meiner Auffassung und Erfahrung nach eher bei größeren Gruppen. Je kleiner eine Gruppe ist, desto weniger Druck kann dort überhaupt entstehen. Es ist schon ein Unterschied ob 50% z.B drei von sechs Leuten sind oder 200 aus 200 Leute. Das hat auf den einzelnen Entwickler einen viel größeren Einfluss bzw. Druck. Da gilt auch grundsätzlich glaube ich etwas der Herdentrieb.

Man tut inzwischen auch stellenweise so als wäre Crunch an sich das absolute Übel. Dabei gibt es Crunch wie gesagt überall und nicht nur in der Spielebranche. Ich glaube wir haben alle schon mal Phasen gehabt in denen wir Überstunden gemacht haben, extra hart gearbeitet haben um Überstunden zu vermeiden oder besonders intensiv für eine Klassenarbeit usw. gelernt. Problematisch ist es halt wenn der Crunch nie endet und das ist glaube ich durchaus primär ein Problem größerer und großer Entwickler. Kleine Entwickler kloppen eben nicht jedes Jahr ein CoD oder ein Assassins Creed raus und arbeiten auch nicht an gewaltigen Großprojekten wie ein RDR2.
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Heretic
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Heretic »

Soulaire hat geschrieben: 13. Jun 2019, 05:34 leider werden schlechte Arbeitsbedingungen in der Öffentlichkeit immer öfter verharmlost und toleriert.
Wie hier von der Gamestar in der Cyberpunk-Preview;
"Aber CD Projekt hat damit nun eine Messlatte gelegt, die sie halten müssen, selbst wenn das letztlich zu Stress und Crunch führt."
Inwiefern wird da etwas verharmlost oder gar toleriert? Ich lese daraus eher, dass CD Projekt die durch ihre Präsentation und das Nennen eines Releasedatums hervorgerufenen hohen Erwartungen der Leute eventuell nur durch Crunch erfüllen kann. Wenn überhaupt.
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IpsilonZ
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von IpsilonZ »

Heretic hat geschrieben: 13. Jun 2019, 11:35
Soulaire hat geschrieben: 13. Jun 2019, 05:34 leider werden schlechte Arbeitsbedingungen in der Öffentlichkeit immer öfter verharmlost und toleriert.
Wie hier von der Gamestar in der Cyberpunk-Preview;
"Aber CD Projekt hat damit nun eine Messlatte gelegt, die sie halten müssen, selbst wenn das letztlich zu Stress und Crunch führt."
Inwiefern wird da etwas verharmlost oder gar toleriert? Ich lese daraus eher, dass CD Projekt die durch ihre Präsentation und das Nennen eines Releasedatums hervorgerufenen hohen Erwartungen der Leute eventuell nur durch Crunch erfüllen kann. Wenn überhaupt.
Kann man glaube ich verschieden lesen. Für mich klingts auch eher nach "Crunch ist nicht schön, aber jetzt habt ihrs versprochen, jetzt müssen eure Leute halt da durch". Und das ist halt ne Denkweise die eben genau zu diesen Crunch führt. Sie verteidigt ihn nicht aber sie stellt ihn als notwendiges Übel dar. Als etwas das einfach nötig ist, sonst hat man versagt.

Das Umfeld des Artikels ist dabei natürlich auch wichtig, und von dem was ich an Auszügen (ob fair gewählte Auszüge oder nicht, keine Ahnung) gelesen habe ist er ja wohl in großen Teilen n ziemlich hypiger Artikel.
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Andre Peschke
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Andre Peschke »

IpsilonZ hat geschrieben: 13. Jun 2019, 12:02 Kann man glaube ich verschieden lesen. Für mich klingts auch eher nach "Crunch ist nicht schön, aber jetzt habt ihrs versprochen, jetzt müssen eure Leute halt da durch". Und das ist halt ne Denkweise die eben genau zu diesen Crunch führt. Sie verteidigt ihn nicht aber sie stellt ihn als notwendiges Übel dar. Als etwas das einfach nötig ist, sonst hat man versagt.
AFAIK wurde diese Passage doch schon nachkorrigiert, weil sie eben missverständlich formuliert war. Aber IMO kann man da bei wohlwollender Auslegung ebenfalls bereits verstehen: "Die Ambitionen sind so hoch, es steht zu befürchten dass sie wieder die Voraussetzungen für jede Menge Crunch geschaffen haben".

Andre
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IpsilonZ
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von IpsilonZ »

Andre Peschke hat geschrieben: 13. Jun 2019, 12:09
IpsilonZ hat geschrieben: 13. Jun 2019, 12:02 Kann man glaube ich verschieden lesen. Für mich klingts auch eher nach "Crunch ist nicht schön, aber jetzt habt ihrs versprochen, jetzt müssen eure Leute halt da durch". Und das ist halt ne Denkweise die eben genau zu diesen Crunch führt. Sie verteidigt ihn nicht aber sie stellt ihn als notwendiges Übel dar. Als etwas das einfach nötig ist, sonst hat man versagt.
AFAIK wurde diese Passage doch schon nachkorrigiert, weil sie eben missverständlich formuliert war. Aber IMO kann man da bei wohlwollender Auslegung ebenfalls bereits verstehen: "Die Ambitionen sind so hoch, es steht zu befürchten dass sie wieder die Voraussetzungen für jede Menge Crunch geschaffen haben".

Andre
Jop, das weiß ich nicht. Kenne es wie gesagt nur aus den Auszügen (habe mein Gamestar Plus Abo vor einigen Monaten gekündigt). Die Aussage scheint zumindest ungeschickt/missverständlich. Aber wenn sie korrigiert wurde ist ja alles fein. :)
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HerrReineke
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von HerrReineke »

IpsilonZ hat geschrieben: 13. Jun 2019, 12:02 Kann man glaube ich verschieden lesen. Für mich klingts auch eher nach "Crunch ist nicht schön, aber jetzt habt ihrs versprochen, jetzt müssen eure Leute halt da durch". Und das ist halt ne Denkweise die eben genau zu diesen Crunch führt. Sie verteidigt ihn nicht aber sie stellt ihn als notwendiges Übel dar. Als etwas das einfach nötig ist, sonst hat man versagt.
Das Zitat geht (inzwischen) weiter mit:
Um es klar zu sagen: Ich heiße das nicht gut, über Crunch und die Folgen haben wir gerade erst in einem Plus-Report berichtet. Ich beziehe mich lediglich auf den Anspruch der Entwickler, hier nach The Witcher 3 erneut ein nicht nur ambitioniertes, sondern geradezu größenwahnsinniges Rollenspiel zu erschaffen.
Quis leget haec?
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Soulaire
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Soulaire »

Heretic hat geschrieben: 13. Jun 2019, 11:35
Soulaire hat geschrieben: 13. Jun 2019, 05:34 leider werden schlechte Arbeitsbedingungen in der Öffentlichkeit immer öfter verharmlost und toleriert.
Wie hier von der Gamestar in der Cyberpunk-Preview;
"Aber CD Projekt hat damit nun eine Messlatte gelegt, die sie halten müssen, selbst wenn das letztlich zu Stress und Crunch führt."
Inwiefern wird da etwas verharmlost oder gar toleriert? Ich lese daraus eher, dass CD Projekt die durch ihre Präsentation und das Nennen eines Releasedatums hervorgerufenen hohen Erwartungen der Leute eventuell nur durch Crunch erfüllen kann. Wenn überhaupt.
Es ist ein Armutszeugnis für die gesamte Branche, wenn sich ein so finanziell erfolgreiches Studio wie CDPR eine Spieleentwicklung ohne Crunch nicht leisten kann. Aber man hält eine Veränderung wahrscheinlich für "unnötig" wenn es wie im Beispiel von einer Öffentlichkeit als notwendig angesehen wird.
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Heretic
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Heretic »

Soulaire hat geschrieben: 13. Jun 2019, 12:43 Es ist ein Armutszeugnis für die gesamte Branche, wenn sich ein so finanziell erfolgreiches Studio wie CDPR eine Spieleentwicklung ohne Crunch nicht leisten kann. Aber man hält eine Veränderung wahrscheinlich für "unnötig" wenn es wie im Beispiel von einer Öffentlichkeit als notwendig angesehen wird.
Es geht doch eher darum, dass sich CD Projekt das drohende Crunch-Schlamassel ein Stück weit selbst eingebrockt hat durch das Schüren zu hoher Erwartungen. Wer im Vorfeld protzt und dann nicht liefert, was er versprochen hat, hat ruckzuck den nächsten Shitstorm an der Backe. Man erinnere sich nur an diverse Grafikdowngrade-Diskussionen, z. B. bei "Watchdogs" oder - um bei CD Projekt zu bleiben - "The Witcher 3". Und da ging's nur um die Grafik. Wenn dann noch Versprechungen beim Gameplay nicht ganz erfüllt werden ("Deus Ex - Invisible War"), wird schnell übertrieben hart draufgehauen.
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Darkcloud
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Darkcloud »

Schlagerfreund hat geschrieben: 13. Jun 2019, 08:37

Man tut inzwischen auch stellenweise so als wäre Crunch an sich das absolute Übel. Dabei gibt es Crunch wie gesagt überall und nicht nur in der Spielebranche. Ich glaube wir haben alle schon mal Phasen gehabt in denen wir Überstunden gemacht haben, extra hart gearbeitet haben um Überstunden zu vermeiden oder besonders intensiv für eine Klassenarbeit usw. gelernt. Problematisch ist es halt wenn der Crunch nie endet und das ist glaube ich durchaus primär ein Problem größerer und großer Entwickler. Kleine Entwickler kloppen eben nicht jedes Jahr ein CoD oder ein Assassins Creed raus und arbeiten auch nicht an gewaltigen Großprojekten wie ein RDR2.
Also ich glaube das die Meisten nicht mal mehrere Monate 16 Stunden 7 Tage die Woche gelernt oder durchgearbeitet haben. Auch Kurzfristig werden die wenigsten Situationen gehabt haben an denen Sie mehr Überstunden als Normalarbeizeit hatten. Das mit normalen, vielleicht sogar leicht über den gesetzlichen Einschränkungen liegenden Überstunden zu vergleichen halte ich erhlich gesagt auch für unredlich, da das absolut inakzeptable Arbeitsbedingungen zu rechtfertigen versucht mit wenig Überstungen = unsagbar viele Überstunden weil sind Überstunden.
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Dr. Zoidberg [np]
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Dr. Zoidberg [np] »

Tom hat geschrieben: 13. Jun 2019, 01:44 Naja, zum Thema japanische Arbeitskultur empfehle ich mal nach "Karōshi" zu googeln. In Japan sind extreme Überstunden deutlich üblicher als im Westen. Durchschnittlich werden z.B. auch nur knapp 50% der in einem Jahr vergebenen Urlaubstage (ohnehin nur 10 bis 20) auch genommen. Es schwirrt auch noch ein altes Bild aus dem Büro von Polyphony Digital (Gran Turismo) im Internet herum, die einen Entwickler unter seinem Schreibtisch schlafend zeigen.

Wenn es Nintendo tatsächlich gelingt, weitestgehend auf Crunch zu verzichten, dann glaube ich kaum, dass das auf kulturelle Gründe zurückgeführt werden kann.
Die Überstunden kommen aber daher, dass die einzelnen Mitarbeiter ihr Gesicht nicht verlieren wollen.

Wenn du da nun eine Firma hast, die ihr Produkt verschiebt, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und die Qualität des Produkts nicht aufs Spiel zu setzen, dann widersetzt du dich ja nicht nur deinen Ranghöheren, sondern gefährdest auch das Produkt und setzt damit wieder dein Gesicht aufs Spiel.

Ob es genau so ist, kann ich nicht sagen. Logisch herleiten lässt es sich für mich aber schon.
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Voigt »

Ein Kumpel von mir arbeitet jetzt ja schon einige Jahre in Japan, und kann von der Richtung her bissel was erzählen.
Zuerst er arbeitet bei einer Firma die extra international aufgestellt ist, und viele Ausländer einstellt, das hat durchaus einen Einfluss.

Das Problem des Karoshi wird da an sich ernst genommen, und es gibt starke Beschränkungen wieviele Überstunden man nehmen darf, pro Tag aber auch pro Monat. Da wird auch drauf geachtet dass dies nicht überschritten wird.

Anderseits bekommt Kumpel soviel Aufgaben pro Monat, dass dies nur schwer in der gegebenen Zeit zu schaffen ist. Er meint daher, dass man eigentlich wirklich dauerhaft vollkonzentriert 120% geben muss, damit man es in der Zeit schafft, und keine kurze Pausen dazwischen mal hat.

Daher die Polici ist eher tradeoff, solange das grundlegende Problem der Arbeitsbelastung pro Person nicht anders ist. So "darf" er nich wirklich länger machen, um die Aufgaben etwas enspannter in längerer Zeit zu machen, sondern muss immer durch die kürzere Zeit durchpowern.

Ansonsten was ich noch so allgemein weis: Gibt diesen Wettbewerb wer als letztes aus dem Büro geht, an sich ist es Standard dass der Chef als letztes aus dem Büro geht, was halt auch erst nach 12h sein kann, weil doch immer irgendwer an einem Tag Überstunden macht. Anderseits versuchen dann auch Mitarbeiter die aufsteigen möchten gemeinsam mit dem Chef nachhause zu gehen, und daher extra lange zu bleiben, damit die zeigen dass die auch selber Chef-Material sind.
Tom
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Tom »

Dr. Zoidberg [np] hat geschrieben: 14. Jun 2019, 07:29 Die Überstunden kommen aber daher, dass die einzelnen Mitarbeiter ihr Gesicht nicht verlieren wollen.

Wenn du da nun eine Firma hast, die ihr Produkt verschiebt, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und die Qualität des Produkts nicht aufs Spiel zu setzen, dann widersetzt du dich ja nicht nur deinen Ranghöheren, sondern gefährdest auch das Produkt und setzt damit wieder dein Gesicht aufs Spiel.

Ob es genau so ist, kann ich nicht sagen. Logisch herleiten lässt es sich für mich aber schon.
Naja, wenn der feste Glaube daran vorhanden wäre, dass sehr harte Arbeit die Qualität des Produktes gefährdet, wären Überarbeitung und Karōshi wohl insgesamt weniger ein Problem.

Ich halte es aber auch für eine Wunschvorstellung, dass die beste Arbeit erbracht wird, wenn ausschließlich in normalen ~40 Stundenwochen gearbeitet wird. Es gibt eine Reihe von großartigen Titeln, die bekanntermaßen oder gerüchteweise mit viel Crunch entstanden sind: Zu den Read Dead Redemption, Witcher und Uncharted Franchises gibt es entsprechende Berichte, der Kotaku Bericht zu Anthem spricht von der Bioware Magic, was wohl bedeutet, dass dort Crunch in den Monaten vor der Veröffentlichung eines Spiels üblich war.

Ich glaube auch eher, dass es grundsätzlich ein positives Zeichen für die Qualität eines Produktes ist, wenn die Entwickler ihr Werk zu ihrem Lebensinhalt machen, und alles geben, um es so gut wie möglich fertigzustellen.

Natürlich nimmt bei Überstunden schnell die Produktivität ab. Aber der Punkt, ab dem Überstunden keinen Beitrag mehr leisten, dürfte bei jedem verschieden sein, aber regelmäßig weit über der normalen Arbeitszeit liegen.
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Soulaire
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Soulaire »

Tom hat geschrieben: 15. Jun 2019, 22:39
Dr. Zoidberg [np] hat geschrieben: 14. Jun 2019, 07:29 Die Überstunden kommen aber daher, dass die einzelnen Mitarbeiter ihr Gesicht nicht verlieren wollen.

Wenn du da nun eine Firma hast, die ihr Produkt verschiebt, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und die Qualität des Produkts nicht aufs Spiel zu setzen, dann widersetzt du dich ja nicht nur deinen Ranghöheren, sondern gefährdest auch das Produkt und setzt damit wieder dein Gesicht aufs Spiel.

Ob es genau so ist, kann ich nicht sagen. Logisch herleiten lässt es sich für mich aber schon.
Naja, wenn der feste Glaube daran vorhanden wäre, dass sehr harte Arbeit die Qualität des Produktes gefährdet, wären Überarbeitung und Karōshi wohl insgesamt weniger ein Problem.

Ich halte es aber auch für eine Wunschvorstellung, dass die beste Arbeit erbracht wird, wenn ausschließlich in normalen ~40 Stundenwochen gearbeitet wird. Es gibt eine Reihe von großartigen Titeln, die bekanntermaßen oder gerüchteweise mit viel Crunch entstanden sind: Zu den Read Dead Redemption, Witcher und Uncharted Franchises gibt es entsprechende Berichte, der Kotaku Bericht zu Anthem spricht von der Bioware Magic, was wohl bedeutet, dass dort Crunch in den Monaten vor der Veröffentlichung eines Spiels üblich war.

Ich glaube auch eher, dass es grundsätzlich ein positives Zeichen für die Qualität eines Produktes ist, wenn die Entwickler ihr Werk zu ihrem Lebensinhalt machen, und alles geben, um es so gut wie möglich fertigzustellen.

Natürlich nimmt bei Überstunden schnell die Produktivität ab. Aber der Punkt, ab dem Überstunden keinen Beitrag mehr leisten, dürfte bei jedem verschieden sein, aber regelmäßig weit über der normalen Arbeitszeit liegen.
sehe ich anders. Crunch ist kurzfristig finanziell gesehen sehr nützlich. langfristig gesehen schadet es aber den Mitarbeitern und so auch dem Produkt. Große Studios wie Rockstar nehmen das aber hin und da ist das auch kein großes Problem wenn da mal ein Mitarbeiter ausbrennt. Zum einen weil sie das nötige Kleinkind haben und weil sie ironischerweise immer noch einen sehr guten Ruf in der Branche haben und sich die Mitarbeiter quasi aussuchen können.
Crunch gibt es ja quasi überall und dem zu entkommen ist fast unmöglich. Der einzige Grund warum man es nicht ändern will ist der Aufwand andere Strukturen zu schaffen und Crunch immer noch die "einfachste" Lösung ist. Mit Geld oder Qualität des Produktes hat das nichts zu tun.
Aber wenn man Crund als "von der Natur gegeben" sieht kann sich logischerweise nichts ändern.
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Schlagerfreund »

Crunch ist letztendlich für mich immer das Ergebnis das man in zwei Bereichen Defizite hat.

1. Zu wenige Mitarbeiter.
2. Zu wenig qualifizierte Mitarbeiter.

Sprich du hast entweder einfach zu wenig Leute, oder mangels Qualifikation müssen wenige Leute spezielle Arbeiten verrichten für die man eigentlich auch mehr qualifizierte Leute braucht. Das ist für mich letztendlich entweder schlechte Planung und Führung, oder halt einfach Kalkül weil man dadurch Kosten und Aufwand einsparen kann.

Wie schon von anderen Usern erkannt ist eigentlich mittel und langfristig nicht gut für ein Unternehmen. Das wäre aber nur der Fall wenn Mitarbeiter nicht so unglaublich ersetzbar wären. Hier sind für mich gerade Bewegungen wie Game Workers Unite! sehr wichtig weil wirklichen Druck aufbauen können und zu einem Umdenken in der Branche führen können.

Ich finde es letztendlich paradox und im Ergebnis eher ekelhaft, wenn man sich selber den eigenen Crunch schön redet und sogar noch zur Tugend erhöht. Klar ist es befriedigend wenn man etwas geschafft hat obwohl man unter Druck stand. Man darf sich aber nicht die Ursachen für den Druck schön labern.
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Dr. Zoidberg [np]
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von Dr. Zoidberg [np] »

Du vergisst eine essenzielle dritte Möglichkeit:

3. Die Firma nimmt sich zu viel vor

Und das ist auch meine Standardbeobachtung der letzten 14 Jahre Berufserfahrung, der folgenden Kreislauf ergibt:
1. Lass und x machen
2. Wir brauchen mehr Mitarbeiter!
3. Oh jetzt, wo wir mehr Mitarbeiter haben, können wir ja neben x auch noch y machen => Gehe zu 1
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schneeland
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Re: Arbeitsbedingungen bei Epic Games: Der Preis des Erfolgs

Beitrag von schneeland »

Dr. Zoidberg [np] hat geschrieben: 16. Jun 2019, 23:19 Und das ist auch meine Standardbeobachtung der letzten 14 Jahre Berufserfahrung, der folgenden Kreislauf ergibt:
1. Lass und x machen
2. Wir brauchen mehr Mitarbeiter!
3. Oh jetzt, wo wir mehr Mitarbeiter haben, können wir ja neben x auch noch y machen => Gehe zu 1
Jupp. Wahlweise auch "wir können vielleicht mehr Leute bekommen, aber dafür müssen wir dem Management auf Hierarchiestufe n+1 auch mehr versprechen" (gern überproportional mehr).
"Hello, my friend! Pay a while, and listen!" (BlizzCon 2018)
"And now our RPG even has NPCs!" (Bethesda, E3 2019)
"..." (E3 2020, entfallen)
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