Rechter Terror in Deutschland

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Schlagerfreund
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Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Schlagerfreund »

Hi, ich wundere mich das allgemein so wenig darüber geredet wird (nicht nur hier). Besonders in den letzten Tagen und Wochen platzt mir eigentlich gefühlt täglich die Hutschnur bei dem was hier seit Jahren und Jahrzehnten eigentlich abgeht. Wir haben in Deutschland ein Problem, ein großes Problem. Zumindest was die allgemeine Aufmerksamkeit angeht, hat es mit der Ermordung von Walter Lübcke einen traurigen Höhenpunkt gefunden.

Walter Lübcke war Mitglied der hessischen CDU und bis zu seinem Tod Regierungspräsident in Regierungsbezirk Kassel. Im Juni wurde er mit einer Schussverletzung am Kopf auf seinem Grundstück aufgefunden und verstarb nach gescheiterten Reanimationsversuchen im Krankenhaus. Spekulationen das die Tat aus der rechten Ecke gekommen ist lagen recht nah. Lübcke hatte sich immer wieder gegen Rechtsradikalismus positioniert und eingesetzt. Dafür wurde er von der rechten Szene stark angefeindet. Besonders starke Anfeindungen gab es nachdem Lübcke 2015 auf einer Informationsveranstaltung zum Stelle zur Erstaufnahme von Flüchtlingen. Dort richtete er sich wie folgt an zahlreich vertretene Mitglieder eines Ablegers von Pegida wie folgt:
»Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.«
Danach erhielt er massive Anfeindungen und die rechtsradikale Seite PI News Betrieb doxte dann seine Privatadresse und forderte Nutzer auf doch mal bei ihm "vorbeizuschauen". Spätestens seit diesem Auftritt war Lübcke im Radar der rechten Szene und im Internet gibt es zahlreiche Aufrufe zur Gewalt gegen ihn bis hin zu Mordphantasien und Morddrohungen.

So lag es halt recht nahe das er von Mitgliedern der entsprechenden Szene ermordet worden ist. Inzwischen wurde ja auch ein mutmaßlicher Täter verhaftet. Mutmaßlich weil er noch nicht rechtskräftig verurteilt worden ist. Die Beweislage scheint aber nachdem was man gehört recht eindeutig zu sein. So fanden sich z.B. DNA Spuren des mutmaßlichen Täters auf der Kleidung von Lübcke.

Nun ist das natürlich medial ein trauriger Höhepunkt aber kein Einzelfall. Politiker die sich gegen Rechtsradikalismus einsetzen werden bedroht und angegriffen. Da gibt es Fälle wie Henriette Reker die Oberbürgermeisterin von Köln die nur knapp einen Messerangriff eines rechtsradikalen Täters überlebt hat. Andreas Hollstein der damalige Oberbürgermeister von Altena überlebte auch einen sehr ähnlichen Messerangriff. Dazu haben wir (leider) natürlich auch den rechten Terror der NSU und leider auch noch viel mehr.

Dazu gibt es offensichtlich auch in den Systemen die uns und unsere Demokratie schützen sollen rechte und rechtsradikale Netzwerke in der Polizei und der Bundeswehr. Das gipfelt dann in einem Hans-Georg Maaßen der den Verfassungsschutz geleitet hat und eine mehr als nur fragliche Nähe zu rechtsradikalen Ideologien und Organisationen und Parteien hat. Eins ehemaliger Bundespräsident wie Gauch fordert jetzt das man den Begriff rechts "entgiften" sollte und CDU Politiker fordern die Möglichkeit mit der AFD eine Koalition zu bilden.

Geht es eigentlich noch? Was muss eigentlich noch alles passieren das Gesellschaft, Politik und Medien mal aufwachen?
Jochen

Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Jochen »

Kurzer Moderationseinwurf, weil das Thema großes Eskalationspotenzial besitzt: Sachliche Diskussionsbeiträge sind natürlich in Ordnung, persönlich angreifende und/oder "mir schwillt der Kamm und das muss jetzt raus!!11"-Beiträge nicht und werden gegebenenfalls verwarnt, gesperrt oder gelöscht. Wer bei dem Thema schnell in Rage gerät, sollte einen Bogen um diesen Thread machen :)
Rince81
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Rince81 »

Schlagerfreund hat geschrieben: 21. Jun 2019, 11:54 Geht es eigentlich noch? Was muss eigentlich noch alles passieren das Gesellschaft, Politik und Medien mal aufwachen?
Sehr viel mehr... Leider.

Lübcke ist ja nicht das erste Opfer. Da gab davor bereits die Opfer des NSU, den Mordanschlag auf Henriette Reker 2015 - insgesamt 83 weitere Todesopfer rechtsextremer Gewalt zwischen 1990 und Juni 2018 - das ist die Angabe des Bundesinnenministerium. Stiftungen und NGOs kommen auf fast 200 Todesopfer seit 1990.
https://de.wikipedia.org/wiki/Todesopfe ... ereinigung
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Schlagerfreund
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Schlagerfreund »

Hatte sowohl Reker und Hollstein erwähnt.

Das soll jetzt nicht so klingen als würde man hier Menschenleben aufwiegen aber diese Fälle sind halt zum Teil auch nur Höhepunkte der medialen Aufmerksamkeit. Wobei ich es auch schon etwas anders sehe wenn Politiker direkt angegriffen werden. "Andere" opfer gibt es ja leider auch mehr als genug. Hier darf man auch nicht vergessen das es auch eine Dunkelziffer geben wird und Angriffe die im Ergebnis gescheitert sind. Sprich es ist niemand dabei gestorben.

In dem Zusammenhang ist es nicht uninteressant das der mutmaßliche Täter im Fall Lübcke schon 1993 ein Attentat mit einer Rohrbombe vollzogen hat. Da hat er vor einer Asylunterkunft ein Auto angezündet. In dem Auto war eine Rohrbombe platziert die explodieren sollte wenn Bewohner und Mitarbeiter einen Löschversuch unternehmen. Die Bombe ist nicht explodiert.

Ansonsten muss ich inzwischen auch leider nur quasi vor die Haustür gucken oder in Nachbarstädte wie Dortmund um zu sehen was dort eigentlich abgeht.
biaaas
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von biaaas »

Das Problem fing nicht erst in den 90zigern an. Hier gibt es eine interessanten Beitrag vom DLF der die Zeit vor der Wende beleuchtet:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/re ... _id=375999
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Schlagerfreund
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Schlagerfreund »

Habe jetzt erst den Post von Jochen gesehen.
Die Aussage wollte ich eigentlich auch schreiben. Hab sie aber irgendwie nicht vernünftig formuliert bekommen. Deckt sich aber eigentlich 1:1 mit dem was ich schreiben wollte. Also danke dafür.

Klar ist das auch kein Problem erst seit den 90ern. Wenn man es konsequent zurück verfolgt, dann fängt das mit dem Ende des Nazi Regimes an und hat mehr oder weniger nie aufgehört.
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DexterKane
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von DexterKane »

Ähm, ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass das medial ignoriert wird.

Stand jetzt (13:30 Uhr) befasst sich der Leitartikel auf Spon mit dem Thema und ich hab die letzten Tage sicherlich mehr als 2 Dutzend Artikel dazu gelesen (Ich les außerdem noch zeit.de und welt.de, damit man grad bei politischer Berichterstattung nicht so in seiner eigenen Filterblase hockt.)

Was stimmt, ist das Berichterstattung dazu erst mit einer gewissen Verzögerung stattgefunden hat, das ist aber bei noch laufenden Ermittlungen in einem Mordfall nicht ungewöhnlich. Mir ist das auch lieber als das amerikanische Modell, wo die mediale Vorverurteilung inklusive Veröffentlichung von Fotos und des Klarnamens schon beim ersten Verdacht anläuft.

Ich will hier auch gar nicht die rechte Gefahr klein reden oder so, hier in Gladbach haben wir seit den 90ern ein Problem mit den rechten Spacken, mir ist nur nicht klar woher der Eindruck kommt.

EDITH sagt: Ob das Problem bei uns schon vorher bestand, kann ich nicht einschätzen, in den 80ern war ich noch zu jung, aber mit Neonazis hab ich mich mein gesamtes poiltisches Leben rumschlagen müssen.
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Schlagerfreund
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Schlagerfreund »

Ich habe es für durchaus vernünftig gehalten im Fall Lübcke auch erstmal abzuwarten. Hätte ja auch z.B. einen ganz anderen Hintergrund haben können. Was ich eigentlich sagen wollte ist das "erst" so wirklich mal drüber geredet wird wenn es so eine quasi prominente Persönlichkeit trifft.

Wenn ich mir aber das Gesamtbild angucke, dann ist die Reaktion in allen Bereichen viel zu gering und damit meine ich wie gesagt nicht nur die Medien sondern auch die Politik und die Gesellschaft an sich. Ich fand es auch beschämend wie lange die CDU sich dazu quasi nicht geäußert hat. Dann noch Aussagen wo A gesagt wird und B gemacht wird, gerade in dem Bereich der Sprache bzw. der Wortwahl welche die CDU selbst nutzt. Dazu dann noch so Flachpfeifen wie Max Otte. :dance:
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DexterKane
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von DexterKane »

Wenn man von Teufel spricht. Zeit.de hat just einem sehr lesenwerten Artikel zu der Thematik veröffentlicht:

https://www.zeit.de/kultur/2019-06/walt ... hte-gewalt
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bimbes1984

Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von bimbes1984 »

medial ignoriert? hmm, also ich habe zumindest bei den größeren Portalen massig zum Thema gelesen. Ich persönlich (und ich kenne auch niemand anderen) fühlt sich von rechtem Terror bedroht, ich wohne in einer größeren Stadt weit im Westen der Republik, hier ist das nicht so ein greifbares Problem.

Ich will das nicht kleinreden, in Ostdeutschland (oder auch im Westen siehe Dortmund?!) kann die Situation ganz anders aussehen, ich sehe zumindest keine Nazis in meinem Umfeld und allgemein in der Öffentlichkeit, wenn ich zumindest von der klassischen Optik (Glatze, Springerstiefel und leicht debilen Gesichtsausdruck) ausgehe.

Es gibt für mich in meinem Umfeld zumindest weit größerer Störfaktoren als rechten Terror. Ich hoffe einfach auf einen Staat, der dieses Problem, dort wo es stattfindet, in den Griff bekommt und frühzeitig gewaltbereite Idioten wegsperrt.
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Schlagerfreund
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Schlagerfreund »

Kurzer Einwand. Niemand hat hier gesagt das die Medien es ignorieren würden. Das Wort taucht hier zum ersten Mal von DexterKane gebracht aufund das in dem Zusammenhang das er nicht das Gefühl hat das die Medien es ignorieren. Möchte ich nur mal erwähnen weil ich irgendwie den Eindruck habe hier wird über etwas diskutiert was eigentlich überhaupt nicht vorgeworfen worden ist.

Was aber indirekt und direkt im verlinkten Artikel der Zeit genannt worden ist, dass ist die unterschiedliche Berichterstattung die z.B. sofort loslegt wenn z.B. als ein möglicher Täter ein Flüchtling/Ausländer/Linker in Frage kommt.

Ansonsten ist der Druck bzw. die Gefahr natürlich auch unterschiedlich. Ich könnte mich eigentlich relativ sicher fühlen. Ich bin männlich, weiß und sehe grundsätzlich "deutsch" aus. Problematisch ist es nur wenn man sich auch nur ansatzweise gegen Rechtsradikale positioniert oder man zu einer anderen Gruppe gehört die diesen Menschen nicht passt. So könnte man zumindest meinen. Das Problem ist nur das diese Menschen gegen unsere liberale demokratische Gesellschaft sind und ich denke dazu zählen sich eigentlich die meisten Menschen hier.

Leider kann ich mich gefühlt auf den "Staat" nicht mehr verlassen. Nicht wenn Leute wie Maaßen den Verfassungsschutz leiten, die Politiker vor der AfD kuschen bzw. sich anbiedern und selbst Polizei und Militär offensichtlich von Strukturen wie der Hannibal Gruppe durchsetzt sind. Dann haben wir ein enormes Problem.
bimbes1984

Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von bimbes1984 »

Ich empfinde die Gefahr des islamistischen Terrors als realer und akuter, linker und rechter Terror ist für mich einfach nicht greifbar...um eines aber mal klarzustellen: Nazis gehen überhaupt gar nicht, grundsätzlich sollte der Staat bei Nazis härter und schneller zugreifen.

Es gab von ein paar Wochen Bilder von Nazis im Netz, die in gleicher Kleidung und Fahnen durch eine Stadt marschiert sind (weiß nicht wieviele es waren), solche Bilder sind völlig verstörend und sollten vom Staat sehr genau beobachtet werden....evtl. bin ich zu naiv in der Hinsicht, aber ich denke das passiert auch.

https://www.stern.de/politik/deutschlan ... 91894.html

der dritte Weg (welch orgineller Name!) meinte ich, meint ihr so etwas ist im Westen möglich? ich stelle mir gerade vor, so etwas würde in Köln oder Düsseldorf (nur als Beispiele) passieren...das ginge gar nicht, die Zivilgesellschaft würde so etwas nicht zulassen.

Ich hab halt irgendwie keine Angst vor Nazis xD
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Leonard Zelig
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Leonard Zelig »

Ich vermute mal, dass der Grund für die unterschiedliche Berichterstattung darin begründet liegt, dass der rechte Terror in Deutschland die Medien nicht nutzt. Über den rechten Terror in Neuseeland war die ganze Welt erschrocken, weil er live im Internet übertragen wurde. Das war ja auch das Problem an den NSU-Morden. Es gab keine Bekennerschreiben und Androhung von weiteren Morden. Terror lebt ja auch immer von der Angst in den Köpfen der Bevölkerung. Insbesondere zu RAF-Zeiten stand fast die gesamte Gesellschaft unter Schock.

Als ich Details zu dem Mord an Lübcke gelesen habe, war ich mir zu 99% sicher, dass Nazis hinter der Tat standen, aber solange es kein Bekennerschreiben gibt, kommt immer das Argument "Bitte den Ball flach halten. Sonst ziehen die Rechten wieder die Opfer-Karte wenn der Täter doch kein Nazi war". Und wenn das Opfer kein Prominenter war, ist es nur noch eine Randnotiz wert wenn nach Wochen oder Monaten ein rechter Hintergrund ermittelt wird. Knapp 200 Opfer von rechter Gewalt seit 1990 sollten eigentlich die Alarmglocken schrillen lassen.

Besonders problematisch ist es, wenn Rechte Institutionen wie Polizei, Verfassungsschutz, Justiz und Militär unterwandern. Vor allem in den neuen Bundesländern ist das eine große Gefahr.
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

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HerrReineke
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von HerrReineke »

bimbes1984 hat geschrieben: 21. Jun 2019, 20:00 meint ihr so etwas ist im Westen möglich? ich stelle mir gerade vor, so etwas würde in Köln oder Düsseldorf (nur als Beispiele) passieren...das ginge gar nicht, die Zivilgesellschaft würde so etwas nicht zulassen.
Gibt auch im Westen durchaus den ein oder anderen (öffentlichkeitswirksamen) Zwischenfall in dieser Hinsicht, z.B. eine Demonstration in Dortmund im September letzten Jahres. Es hat weniger optische Anleihen an die NS-Zeit, weil es ein schwarzer Block ist, aber Aufmärsche gibt es auch "hier" in den alten Bundesländern. Die extreme optische Anspielung auf die NS-Zeit ist halt aktuell ein Alleinstellungsmerkmal des "III. Wegs", wohingegen insbesondere Neonazi-Kameradschaften sich auch gerne an (links)alternativen Outfits bedient und ca. ab Mitte der 00er Jahre insgesamt den Stil in der Szene diversifiziert haben (siehe z.B. dieses Interview in der Welt).

Im Alltag habe ich selbst vor keiner extremistischen Bewegung wirklich Angst, dafür habe ich heute zu wenig Berührungspunkte damit. Aber insgesamt machen mir Rechtsextreme innerhalb Deutschlands die meisten (abstrakten) Sorgen. Das kann natürlich auch mit einschlägigen Erfahrungen aus meiner Jugend zusammenhängen, als ich auch äußerlich klarer als eher linksorienterer, alternativer Mensch erkennbar war und es zu entsprechenden Konfrontationen gekommen ist. Insbesondere im Raum Dortmund und Aachen gibt es einige berühmt-berüchtigte Neonazi-Kameradschaften, die als besonders gewaltbereit gelten (oder jedenfalls war das damals so). Und wenn Bekannte von dir einmal mit Fotos, teils auch Name und Adressen, im Internet auf rechtsextremen Plattformen auftauchen und zum Feind erklärt worden sind, dann wird einem schon anders.
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Voigt »

Der genannte Aufmarsch war am 01. Mai in Plauen. 300 oder 500 (Quellen sind da nicht ganz eindeutig) klar Nazis (deren Ausruf war "Nationaler Sozialismus jetzt!") sind da in Braunhemden und Flaggen rumgelaufen. Alles rechtmäßig angemeldet und genehmigt. Daher hat die Polizei das geltendem Recht nicht eingegriffen. Außerdem gab es einige hundert Gegendemonstranten, worüber aber weniger berichtet wurde.
Zuletzt geändert von Voigt am 21. Jun 2019, 21:34, insgesamt 1-mal geändert.
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HerrReineke
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von HerrReineke »

Voigt hat geschrieben: 21. Jun 2019, 20:47 Alles rechtmäßig angemeldet und genehmigt. Daher hat die Polizei das geltendem Recht nicht eingegriffen.
Ob das tatsächlich rechtmäßig war ist juristisch zumindest streitig. Wer mit juristischen Texten klarkommt kann z.B. diesen hervorragenden Beitrag im Verfassungsblog dazu lesen, der im Ergebnis eher eine Pflicht zum Einschreiten bejaht (und mit einer ebenso gelungenen, wenngleich sehr kurzen, Diskussion in den Kommentaren nochmals vertieft wird).
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Presto
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Presto »

Ich bin kein Jurist, würde das aber unterstützen. Artikel 18 des Grundgesetzes ist da ziemlich deutlich https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_18.html. Ich kann mir den Verzicht darauf lediglich damit erklären, dass die Politik Angst vor einer Eskalationspirale hat, die meiner Meinung nach, bereits eingesetzt hat oder es einfach juristisch schwierig ist, besagten Gruppierungen demokratiefeindliche Ziele zu beweisen, obwohl diese offen mit einer verfassungsfeindlichen Gesinnung kokettieren.
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Rince81 »

bimbes1984 hat geschrieben: 21. Jun 2019, 20:00 ame!) meinte ich, meint ihr so etwas ist im Westen möglich? ich stelle mir gerade vor, so etwas würde in Köln oder Düsseldorf (nur als Beispiele) passieren...das ginge gar nicht, die Zivilgesellschaft würde so etwas nicht zulassen.
Also Ostdeutscher irritieren mich solche Aussagen. Rassismus ist ein gesamtdeutsches Problem - auch in Dortmund, Hamburg und anderswo.

https://www.youtube.com/watch?v=8OR2Ia_Dk1o
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HerrReineke
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von HerrReineke »

Presto hat geschrieben: 21. Jun 2019, 21:28 Ich bin kein Jurist, würde das aber unterstützen. Artikel 18 des Grundgesetzes ist da ziemlich deutlich https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_18.html. Ich kann mir den Verzicht darauf lediglich damit erklären, dass die Politik Angst vor einer Eskalationspirale hat, die meiner Meinung nach, bereits eingesetzt hat oder es einfach juristisch schwierig ist, besagten Gruppierungen demokratiefeindliche Ziele zu beweisen, obwohl diese offen mit einer verfassungsfeindlichen Gesinnung kokettieren.
"Eine Verwirkung von Grundrechten wurde noch in keinem Fall ausgesprochen; die Anträge in den bislang eingeleiteten vier Verfahren sind – jeweils nach langer Verfahrensdauer – allesamt abgewiesen worden (BVerfGE 11, 282 (282 f.) – Otto Ernst Remer – Dauer: acht Jahre; BVerfGE 38, 23 (24 f.) – Gerhard Frey – fünf Jahre; BeckRS 1997, 14584 – Thomas Dienel – vier Jahre; BeckRS 1997, 14584 – Heinz Reisz – vier Jahre; die beiden letztgenannten Entscheidungen ergingen gem. § 24 S. 2 BVerfGG ohne Begründung; zu den Sachverhalten: Butzer/Clever DÖV 1994, 637 (638)"
Butzer in: BeckOK Grundgesetz, 41. Ed. 15.5.2019, GG Art. 18 Rn. 3

Gibt da auch noch ein wenig Begründung, warum dieser Artikel keinerlei praktische Beudeutung über die Warn- und Appellfunktion hinaus hat: Die Normen aus dem Straf- und Vereinsrecht sind besser zu handhaben, leichter zu beweisen, die Verfahren laufen schneller und wenn man scheitert, wird das in in betroffenen (hier: rechtsextremen) Kreisen weniger als Erfolg gefeiert, weshalb die Nutzen-Risiko-Analyse eher mies ausfällt.

Grundsätzlich halte ich diesen Artikel aber auch für gefährlich. Zwar ist er ein starkes Signal der "wehrhaften Demokratie" (salopp: "Keine Freiheit den Feinden der Freiheit"), aber es ist auch ein gefährlicher Artikel, weil er Grundrechte partiell aberkennen lässt und damit die Demokratie nicht nur wehrhaft, sondern zugleich auch schwach erscheinen lässt, da sie sich nicht aus sich selbst und der Zivilgesellschaft heraus zu verteidigen weiß, sondern dem "Feind" seine Rechte nehmen muss um "siegreich" sein zu können.

So sehr es mich in den Fingern jucken würde diesen Artikel angewendet zu sehen, so sehr habe ich Angst davor und will lieber eine wehrhafte Demokratie haben, in der es diesen Artikel weder braucht noch gibt (So ähnlich in dieser Debatte z.B. Christian Rath in der taz, Gegenmeinung (wenn auch noch leicht älter als die neue Diskussion, die von Peter Tauber wieder angestoßen worden war) z.B. Marcel Schneider bei LTO)
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Schlagerfreund
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Re: Rechter Terror in Deutschland

Beitrag von Schlagerfreund »

So Forderungen nach Artikel 18 und der pauschale Ruf nach mehr Überwachung halte ich für sehr gefährlich. Besonders auch wenn ich gucke wer das fordert. Das ist zum Teil einfach nur stumpfes populistisches Geböller um vorzugaukeln das man etwas tut, weil man einfach über Jahre versagt hat. Ansonsten halt auch einfach auch für unsere Demokratie gefährlich und geht am Ziel vorbei.

So Aussagen wie:
Ich empfinde die Gefahr des islamistischen Terrors als realer und akuter...
Verwundern mich erstmal. Wenn ich aber dann drüber nachdenke ist es eigentlich logisch. Dazu aber die Frage ob denn jemand glaubt das islamistischer Terror in Deutschland die Demokratie direkt gefährden würde? Ich denke die Antwort ist dort klar ein klares nein. Da bauen sich für einzelne Leute halt eher Szenarien auf wo es um die eigene Gesundheit und das Leben geht. Das ist einfach viel greifbarer als das was Rechtsradikalismus tut. Das ist aber meiner Meinung nach gefährlich und ich denke es zeigt auch ein gewissen Problem der Wahrnehmung. Die liberale freiheitliche Demokratie in der wir leben dürfen wird als als gesetzt angesehen und man vergisst wohl zu schnell das dies auch in Deutschland einfach nicht der Fall ist.

Der Terror von Rechts ist dort wahrscheinlich auch einfach etwas "cleverer" weil er halt wesentlich mehr spalten kann als der gefühlt willkürliche islamistische Terror den wir kennen. Wenn ein Islamist einen LKW in eine Menschenmenge fährt dann ist es eher darauf gerichtet das wir uns alle nicht sicher fühlen sollen. Fährt dagegen ein Rechtsradikaler mit einem Auto in eine Menge von antifaschistisch motivierten Demonstranten, dann ist die Aussage eine andere. Da sollen sich bestimmte Gruppen unsicher fühlen und dadurch möchte man halt spalten. Wer sich gegen uns positioniert der muss damit rechnen das... Wie gesagt finde ich das halt ziemlich perfide und es scheint auch scheinbar gut zu funktionieren.
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