Runde #226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer - oder?

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Schlagerfreund
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Schlagerfreund »

Na in ihrer Argumentation macht Frau fröhlich schon sehr stark Medien die Gewalt beinhalten für eine mutmaßliche Verrohung der Gesellschaft verantwortlich macht. Sie hätte ja auch sagen können, dass dieses Bild wesentlich komplexer ist. Hat sie aber nicht. Ich glaube das sie einfach ein grundsätzliches und prinzipielles Problem mit Gewaltdarstellung in den Medien hat. Deshalb macht die in ihrer Argumentation solche Inhalte stellvertretend verantwortlich.

Mutmaßlich, weil es ja auch Studien gibt die zumindest auf globaler Ebene davon ausgehen das wir weniger Gewalt anwenden und erleben als z.B. +200 Jahren. Ich teile die Meinung dieser Studien zumindest zu gewissen Teilen. Was meiner Meinung nach zu einer Verrohung der Gesellschaft führt ist wenn Gesellschaften sich stark aufsplitten und man die Fähigkeit verliert Empathie für "andere" zu empfinden. Sprengt aber auch wieder einmal das Thema des Threads.

Wie gesagt wundere ich mich, dass auch nach Wolfgangs Meinung Spiele im Multiplayer pauschal gesehen offensichtlich sich nicht auf Kunstfreiheit berufen können.
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Sebastian Solidwork
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Andre Peschke hat geschrieben: 5. Aug 2019, 09:54
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 5. Aug 2019, 09:49 Ohne bisher die Folge gehört zu haben: Warum geht es auch um Gewalt? Ich dachte um Nazisymbolik.
Wie ging den dazu die Diskussion aus?
Grob: Petra hat ihre Haltung zu Hakenkreuzen u.a. darüber erklärt, dass es ja auch Erkenntnisse über eine Desensibilisierung der Gesellschaft durch Gewalt in Medien gäbe.

Andre
Danke für die Antwort, ich glaube ich habe meine Frage missverständlich gestellt.
Mich würde interessieren, wie der Ausgang um die Nazisymbolik wahrnahmen wurde. Wer hat euch bei den Argumenten um die Hackenkreuze besser überzeugen können?
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Schlagerfreund
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Schlagerfreund »

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 5. Aug 2019, 10:41
Andre Peschke hat geschrieben: 5. Aug 2019, 09:54
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 5. Aug 2019, 09:49 Ohne bisher die Folge gehört zu haben: Warum geht es auch um Gewalt? Ich dachte um Nazisymbolik.
Wie ging den dazu die Diskussion aus?
Grob: Petra hat ihre Haltung zu Hakenkreuzen u.a. darüber erklärt, dass es ja auch Erkenntnisse über eine Desensibilisierung der Gesellschaft durch Gewalt in Medien gäbe.

Andre
Danke für die Antwort, ich glaube ich habe meine Frage missverständlich gestellt.
Mich würde interessieren, wie der Ausgang um die Nazisymbolik wahrnahmen wurde. Wer hat die Argumention um die Hackenkreuze für euch gewonnen?
Keiner. Es war eigentlich auch nicht die Debatte die mancher sich wohl erhofft hat. Es driftete sehr schnell ab zur Gewaltdarstellung in Spielen. Frau Fröhlich hat nix gesagt was wir nicht schon gehört haben und letztendlich hatte ich auch den Eindruck ihr ging es gar nicht mal so sehr um Hakenkreuze.

Wolfgang hat eigentlich auch nur das wiederholt was er in Wortreich gesagt hat. Mit dem Unterschied das er eigentlich nie mehr die Karte Kunstfreiheit gezogen hat. Er hat mehr über die USK und Gesetzgebung gesprochen und dann für mich auch andere eher zweifelhafte Sachen gesagt.
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von philipp_neu »

Axel hat geschrieben: 5. Aug 2019, 10:19
Leonard Zelig hat geschrieben: 5. Aug 2019, 09:45 Aber sind wirklich die Unterhaltungsmedien für die gesteigerte Gewalt verantwortlich?
Du vermischst da gerade was. Es hat niemand was von „verantwortlich sein“ gesagt. Natürlich sind Medien nicht allein dafür verantwortlich, tragen jedoch ihren Teil aufgrund des Abstumpfungseffekts einerseits und der Hysterie andererseits gehörig bei. Gerade Facebook und Twitter sind da ja gute Beispiele. Jemand, der tagtäglich liest, wie Menschen scheinbar nicht mehr sicher leben können, weil jede noch so kleine regionale Straftat aufgebauscht wird (früher hatte man das schlicht nicht mitbekommen), entsteht der Eindruck, dass es gefährlicher geworden ist in der Öffentlichkeit. Wobei sämtliche Statistiken etwas anderes zeigen.

Und so kann man das immer weiter durchdeklinieren. Angefangen bei sprachlicher Verrohung in den Medien bis hin zu eben der diskutierten Gewaltspirale. Man darf das alles nicht getrennt sehen, man muss das im Zusammenhang sehen. Denn alle Medien bilden das Grundrauschen in der Gesellschaft: Facebook, Zeitungen, Politik, gewalthaltige audiovisuelle Medien und so weiter. Das alles für sich genommen würde vielleicht immer noch nicht das große Problem sein, aber das Zusammenspiel macht es so gefährlich. Weil die Menschen heute von früh bis spät getriggert werden und demzufolge garnicht mehr zu Ruhe kommen. Abstumpfungseffekte, Verrohung und Ängste gehen häufig Hand in Hand.

Und ich würde nicht sagen, dass es unbedingt die Armen hierzulande trifft (wie es in den USA aussieht, keine Ahnung - wie kommst Du darauf?). Es gibt mittlerweile genug Studien die belegen, dass vor allem die bessergestellte Mittelschicht zur AfD tendiert und absurdeste Ängste vor sich herschiebt. Nicht unbedingt Menschen die wenig haben.

Das sagen übrigens auch betroffene Arbeiter aus dem sozialen Bereich oder dem öffentlichen Dienst. Das Gewaltpotential kommt meist von Menschen, die etwas zu verlieren haben.
Die Ursachen von Gewalt bei Kindern und Jugendlichen sind nahezu eindeutig bekannt: Mangelnde Anerkennung und Fürsorge, Armut, Probleme im Elternhaus (Streit zwischen Eltern, Misshandlung etc.), schlechte Bildung eben dieser. Dazu kommen Probleme in der Schule (Bullying z.B) und schlechte Leistungen sowie andere soziale Einflüsse. Natürlich können Gewaltdarstellung ebenfalls die Bereitschaft beeinflussen, sie sind aber eher nicht alleinstehend zu sehen, sondern entfalten Ihre Bedeutung in der Art wie sie vom Jugendlichen wahrgenommen werden (bestätigung für reele Erfahrung etc. sehr komplexes Thema).

Quelle: Ich war als Kind auffällig Gewalttätig und hab Jahrelange Therapie hinter mir.

Warum du jetzt Facebook, Medienhysterie und die AfD mit in den Topf wirfst verstehe ich gerade nicht. Armut ist übrigens mit eines der Hauptgründe für Gewalt, egal in welchem Kontext.
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Andre Peschke
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Andre Peschke »

Heretic hat geschrieben: 4. Aug 2019, 19:15 Im Multiplayer sollte NS-Symbolik aber auf jeden Fall außen vor bleiben. In diesen Spielen steht der Wettstreit im Vordergrund, nicht das Erzählen einer Geschichte. Oder gar das Vermitteln von Geschichte. Dementsprechend wäre ich sogar dafür, jedwede politische Symbolik aus dem Multiplayer herauszuhalten. Sie ist schlichtweg nicht nötig.
Notwendigkeit ist ja nochmal was anderes. Ich konnte mit den Hakenkreuz-Substituten sogar im Singleplayer eigentlich immer gut leben. Mich würde aber eher interessieren, ob es tatsächlich irgendeinen Effekt hat. Ich würde tippen, wir können das derzeit genausowenig mit Sicherheit klären, wie die Gewaltfrage. Aber das Hakenkreuz war ja schon die ganze Zeit in anderen Ländern frei im Computerspiel verfügbar, man kann dort "Mein Kampf" lesen etc. Ob das faschistische Tendenzen befördert hat, lässt sich aus dem Rauschen der medialen Einflüsse zwar sicher auch nicht rausfiltern, aber insgesamt hätte ich nicht das Gefühl, dass der Rest der Welt dem Nazisymbol erlegen wäre. Meine Vermutung wäre: Es hat keine nennenswerten Auswirkungen. Es wäre halt nur sehr unschicklich für Deutschland.

Ich glaube auch, auf der Basis könnte man mich am ehesten überzeugen. Indem man sagt: Wir haben dem Faschismus abgeschworen - auch symbolisch über das Hakenkreuz. Sobald es in einem anderen Kontext auftaucht, als ein Symbol menschenverachtender Ideologie - und sei es auch nur "neutral" (strittig, ob das beim Multiplayer überhaupt erfüllt wäre) - lehnen wir das daher ab. So eine Symbolhandlung hätte meine Sympathie obwohl - siehe oben - ich schon Zweifel habe, ob das nicht müßig ist. Ich glaube, Menschen können im Rahmen des Computerspiels den Edgelord geben und die Nazis zum Sieg schießen, ohne dabei einen Funken ihrer realweltlichen Verachtung für jene einzubüßen, die mit ernstgemeintem Hitlergruß durch die Straßen marschieren. Sollten uns in der Hinsicht die Felle davonschwimmen, liegen die Ursachen woanders.

Andre
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von philipp_neu »

Weapi hat geschrieben: 4. Aug 2019, 20:00
Axel hat geschrieben: 4. Aug 2019, 19:26
Übrigens wurde die NPD damals vom Bundesverfassungsgericht nur deswegen nicht verboten, weil zu der Zeit von der NPD keine realistische Gefahr mehr ausging.
Das Verbotsverfahren ist gescheitert weil praktisch jede Landesverfassungsschutzbehörde einen V-Mann im Vorstand sitzen hatte. Und ist somit an Verfahrenensfehlern gescheitert.

Eine Gefahr wären die auch damals, die haben ja zb. auch sächsischen Landtag gesessen.
Das erste Verbotsverfahren ist wegen der V-Mann Problematik gescheitert, das zweite wegen Bedeutungslosigkeit.
PhelanKell
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von PhelanKell »

Andre Peschke hat geschrieben: 4. Aug 2019, 14:16 Ich glaube, die Debatte ist zumindest sehr stark moralisch / geschmacklich geprägt. Das Hakenkreuz ist halt widerlich und man mag seine weitere Liberalisierung nicht befürworten - egal ob das Sinn ergibt. Durch existierende Toleranz im Film entsteht da halt nur ein härterer logischer Bruch, wenn man bei Computerspielen eben sagt: Näh!

Bei der Bewertung bin ich aber zwiegespalten. Dass man das Hakenkreuz verabscheut erscheint gut. Andererseits frage ich mich, ob wir den Fokus nicht fälschlich auf die Ablehnung der Symbolik verengen, wo wir die Ideologie verabscheuen sollten. Man möchte meinen, daß ginge Hand in Hand, aber Zweifel kommen schon auf... Wenn ein Konsens besteht, dass Swastikas in Deutschland nix verloren haben, aber der Konsens für manche dann bei Fremdenangst schon wieder endet... Evtl wird die Ablehnung der NS-Symbolik dann zum Feigenblatt, die Computerspieldebatten nur zur wohligen Gelegenheit vorzuschützen, dass alles noch ok ist. "Nein, wir haben unsere Lektion gelernt - nie wieder Hakenkreuzfahnen", das ist halt am Ende nix. Marschieren lässt es sich auch unter Schwarz-Rot-Gold.

Andre
Das ist die beste Aussage, die ich jemals dazu gesehen habe.

Vielen Dank!
expect the unexpected
Wolfgang Walk
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Wolfgang Walk »

Bitte löschen, wenn schon mal gepostet:

https://www.gameswirtschaft.de/politik/ ... uBFbY4ZLeE
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Andre Peschke
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Andre Peschke »

Wolfgang Walk hat geschrieben: 5. Aug 2019, 11:38 Bitte löschen, wenn schon mal gepostet:

https://www.gameswirtschaft.de/politik/ ... uBFbY4ZLeE
Hier mal der komplette neue Passus aus den USK-Leitkriterien:
5. Berücksichtigung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist gem. § 86a StGB grundsätzlich strafbar und nur in engen Grenzen im Einzelfall nach § 86a Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 86 Abs. 3 StGB (Sozialadäquanz) zulässig.17 Der Straftatbestand ist nach ständiger Rechtsprechung zudem bereits dann nicht verwirklicht, wenn das Kennzeichen offenkundig gerade zum Zwecke einer Kritik der verfassungswidrigen Organisation eingesetzt wird, z.B. bei durchgestrichenem Hakenkreuz oder bei erkennbar karikaturhafter Verwendungsweise (teleologische Tatbestandsbegrenzung).

Wenn in Computerspielen verbotene Kennzeichen im Sinne des § 86a StGB verwendet werden, kann dies sowohl strafrechtliche als auch jugendschutzrechtliche Relevanz haben. Auf strafrechtlicher Ebene findet, sofern nicht bereits eine Tatbestandsbegrenzung vorliegt, eine Abwägung der Schutzgüter des § 86a StGB (freiheitliche demokratische Grundordnung/öffentlicher Frieden/Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland) insbesondere mit der Kunstfreiheit statt. Auf jugendschutzrechtlicher Ebene wird die sozialadäquate Verwendung inzident im Rahmen der Prüfung einer möglichen Jugendgefährdung berücksichtigt, soweit sie für das Vorliegen von Jugendgefährdungstatbeständen relevant ist.
Die USK-Prüfgremien prüfen, ob Tatbestände der Jugendgefährdung (insb. Verherrlichung oder Verharmlosung der NS Ideologie, Verrohung durch Banalisierung des Nationalsozialismus) festgestellt werden können, welche die Vergabe eines Alterskennzeichens nach § 14 JuSchG durch die OLJB ausschließen. Bei der Entscheidung über die Vergabe/Verweigerung eines Alterskennzeichens ist auch bei Spielen, die verbotene Kennzeichen nach
§86a StGB enthalten – wie bei jedem anderen Computerspiel – insbesondere eine Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und den Belangen des Jugendschutzes vorzunehmen. Werden im Prüfverfahren unter inzidenter Berücksichtigung der Sozialadäquanz keine Anhaltspunkte für eine Jugendgefährdung festgestellt, wird das Spiel gem. § 14 Abs. 1 und 2 JuSchG in einem zweiten Prüfschritt auf eine mögliche Jugendbeeinträchtigung geprüft.

Zur Einschätzung des Beeinträchtigungspotenzials von digitalen Spielen, in denen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß §86a StGB (insbesondere des Nationalsozialismus) enthalten sind, ist deren Verwendung im Einzelfall zu prüfen. Dabei ist insbesondere die Rahmung des Kontextes der Darstellung (z. B. ein differenziert-kritischer Umgang mit den historischen Begebenheiten, rein fiktionale Stoffe mit dystopischen Szenarien oder die Ideologie entlarvende Satiren) zu beurteilen. Die Handlungsoptionen der Spieler*innen sind auf ihre mögliche Vermittlung sozial-ethisch desorientierender Botschaften zu analysieren.

Gerade Kinder und jüngere Jugendliche verfügen häufig noch über kein ausreichendes gesellschaftliches und politisches (Orientierungs-)Wissen und keine gefestigte Moral, um fiktionale Inhalte korrekt gegenüber historischen Begebenheiten abgrenzen und einordnen zu können. Sie befinden sich im Prozess der moralischen Entwicklung, in dem sie Mitmenschlichkeit entwickeln und ihre Gefühle mit moralischen Prinzipien verknüpfen lernen. Die historisch und kontextuell nicht eingebettete und womöglich positiv konnotierte Darstellung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisation kann dazu führen, dass Kinder die Bedeutung der Symbole nicht richtig einschätzen lernen.

Um eine Identifikation mit Träger*innen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu vermeiden, ist die Rolle und der klar erkennbare Spielauftrag der zu steuernden Spielfiguren gegen deren Ideologie zu bewerten (Gut-Böse-Schema). Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass gerade Jugendliche sich in einer intensiven Phase der Identitätsfindung befinden, in der die vorgegebenen moralischen Grenzen der Gesellschaft ausgetestet und in Frage gestellt werden. Im Zuge dessen kann die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in medialen Produkten eine besondere Aufmerksamkeit und Bedeutung durch den vermeintlichen Tabubruch erhalten.
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Agrargorn »

Andre Peschke hat geschrieben: 5. Aug 2019, 11:02 Sollten uns in der Hinsicht die Felle davonschwimmen, liegen die Ursachen woanders.
Dem lässt sich widerspruchslos zustimmen. die rechtstaatliche Demokratie wird in naher Zukunft wohl nicht beseitigt, weil plötzlich vermehrt Hakenkreuze in Spielen auftauchen. Die Ursachen dafür rühren dann von viel größeren Problemen her.
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Heretic
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Heretic »

Andre Peschke hat geschrieben: 5. Aug 2019, 11:02 Ich glaube auch, auf der Basis könnte man mich am ehesten überzeugen. Indem man sagt: Wir haben dem Faschismus abgeschworen - auch symbolisch über das Hakenkreuz. Sobald es in einem anderen Kontext auftaucht, als ein Symbol menschenverachtender Ideologie - und sei es auch nur "neutral" (strittig, ob das beim Multiplayer überhaupt erfüllt wäre) - lehnen wir das daher ab. So eine Symbolhandlung hätte meine Sympathie obwohl - siehe oben - ich schon Zweifel habe, ob das nicht müßig ist. Ich glaube, Menschen können im Rahmen des Computerspiels den Edgelord geben und die Nazis zum Sieg schießen, ohne dabei einen Funken ihrer realweltlichen Verachtung für jene einzubüßen, die mit ernstgemeintem Hitlergruß durch die Straßen marschieren. Sollten uns in der Hinsicht die Felle davonschwimmen, liegen die Ursachen woanders.
Sehe ich genauso. Ich könnte sogar in einem Multiplayershooter ohne schlechtes Gewissen auf Seiten der Deutschen ins Feld ziehen. Spiel und Realität sind zwei paar Schuhe. Ich würde diese Seite aber nicht selbst wählen. Weil ich nicht in einem Team mit Leuten spielen möchte, die sich diese Seite bewusst ausgesucht haben. Und auf die würde man wohl zwangsläufig treffen. Deswegen bin ich der Meinung, dass jegliche politische Symbolik aus Multiplayermodi und -spielen rausgehalten werden sollte. Rot gegen blau, Team 1 gegen Team 2 - das reicht imo völlig aus.
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Phazonis »

Heretic hat geschrieben: 5. Aug 2019, 11:50 Sehe ich genauso. Ich könnte sogar in einem Multiplayershooter ohne schlechtes Gewissen auf Seiten der Deutschen ins Feld ziehen. Spiel und Realität sind zwei paar Schuhe. Ich würde diese Seite aber nicht selbst wählen. Weil ich nicht in einem Team mit Leuten spielen möchte, die sich diese Seite bewusst ausgesucht haben. Und auf die würde man wohl zwangsläufig treffen. Deswegen bin ich der Meinung, dass jegliche politische Symbolik aus Multiplayermodi und -spielen rausgehalten werden sollte. Rot gegen blau, Team 1 gegen Team 2 - das reicht imo völlig aus.
Dann müsstest du aber ja jetzt auch ein Problem mit aktuellen Shootern haben. Wie gesagt ein Battlefield nutzt auch jetzt schon politische Symbolik um klarzumachen wer da gegen wen kämpft.
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Heretic »

Phazonis hat geschrieben: 5. Aug 2019, 11:59Dann müsstest du aber ja jetzt auch ein Problem mit aktuellen Shootern haben. Wie gesagt ein Battlefield nutzt auch jetzt schon politische Symbolik um klarzumachen wer da gegen wen kämpft.
Das hätte ich vielleicht, wenn ich denn Multiplayer-Shooter spielen würde. :mrgreen:
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Phazonis »

Andre Peschke hat geschrieben: 5. Aug 2019, 11:45
Wolfgang Walk hat geschrieben: 5. Aug 2019, 11:38 Bitte löschen, wenn schon mal gepostet:

https://www.gameswirtschaft.de/politik/ ... uBFbY4ZLeE
Hier mal der komplette neue Passus aus den USK-Leitkriterien:
5. Berücksichtigung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist gem. § 86a StGB grundsätzlich strafbar und nur in engen Grenzen im Einzelfall nach § 86a Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 86 Abs. 3 StGB (Sozialadäquanz) zulässig.17 Der Straftatbestand ist nach ständiger Rechtsprechung zudem bereits dann nicht verwirklicht, wenn das Kennzeichen offenkundig gerade zum Zwecke einer Kritik der verfassungswidrigen Organisation eingesetzt wird, z.B. bei durchgestrichenem Hakenkreuz oder bei erkennbar karikaturhafter Verwendungsweise (teleologische Tatbestandsbegrenzung).

Wenn in Computerspielen verbotene Kennzeichen im Sinne des § 86a StGB verwendet werden, kann dies sowohl strafrechtliche als auch jugendschutzrechtliche Relevanz haben. Auf strafrechtlicher Ebene findet, sofern nicht bereits eine Tatbestandsbegrenzung vorliegt, eine Abwägung der Schutzgüter des § 86a StGB (freiheitliche demokratische Grundordnung/öffentlicher Frieden/Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland) insbesondere mit der Kunstfreiheit statt. Auf jugendschutzrechtlicher Ebene wird die sozialadäquate Verwendung inzident im Rahmen der Prüfung einer möglichen Jugendgefährdung berücksichtigt, soweit sie für das Vorliegen von Jugendgefährdungstatbeständen relevant ist.
Die USK-Prüfgremien prüfen, ob Tatbestände der Jugendgefährdung (insb. Verherrlichung oder Verharmlosung der NS Ideologie, Verrohung durch Banalisierung des Nationalsozialismus) festgestellt werden können, welche die Vergabe eines Alterskennzeichens nach § 14 JuSchG durch die OLJB ausschließen. Bei der Entscheidung über die Vergabe/Verweigerung eines Alterskennzeichens ist auch bei Spielen, die verbotene Kennzeichen nach
§86a StGB enthalten – wie bei jedem anderen Computerspiel – insbesondere eine Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und den Belangen des Jugendschutzes vorzunehmen. Werden im Prüfverfahren unter inzidenter Berücksichtigung der Sozialadäquanz keine Anhaltspunkte für eine Jugendgefährdung festgestellt, wird das Spiel gem. § 14 Abs. 1 und 2 JuSchG in einem zweiten Prüfschritt auf eine mögliche Jugendbeeinträchtigung geprüft.

Zur Einschätzung des Beeinträchtigungspotenzials von digitalen Spielen, in denen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß §86a StGB (insbesondere des Nationalsozialismus) enthalten sind, ist deren Verwendung im Einzelfall zu prüfen. Dabei ist insbesondere die Rahmung des Kontextes der Darstellung (z. B. ein differenziert-kritischer Umgang mit den historischen Begebenheiten, rein fiktionale Stoffe mit dystopischen Szenarien oder die Ideologie entlarvende Satiren) zu beurteilen. Die Handlungsoptionen der Spieler*innen sind auf ihre mögliche Vermittlung sozial-ethisch desorientierender Botschaften zu analysieren.

Gerade Kinder und jüngere Jugendliche verfügen häufig noch über kein ausreichendes gesellschaftliches und politisches (Orientierungs-)Wissen und keine gefestigte Moral, um fiktionale Inhalte korrekt gegenüber historischen Begebenheiten abgrenzen und einordnen zu können. Sie befinden sich im Prozess der moralischen Entwicklung, in dem sie Mitmenschlichkeit entwickeln und ihre Gefühle mit moralischen Prinzipien verknüpfen lernen. Die historisch und kontextuell nicht eingebettete und womöglich positiv konnotierte Darstellung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisation kann dazu führen, dass Kinder die Bedeutung der Symbole nicht richtig einschätzen lernen.

Um eine Identifikation mit Träger*innen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu vermeiden, ist die Rolle und der klar erkennbare Spielauftrag der zu steuernden Spielfiguren gegen deren Ideologie zu bewerten (Gut-Böse-Schema). Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass gerade Jugendliche sich in einer intensiven Phase der Identitätsfindung befinden, in der die vorgegebenen moralischen Grenzen der Gesellschaft ausgetestet und in Frage gestellt werden. Im Zuge dessen kann die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in medialen Produkten eine besondere Aufmerksamkeit und Bedeutung durch den vermeintlichen Tabubruch erhalten.
Tja leider absehbar wird sich zu unseren Grenzfall nicht geäußert, allerdings erwartbar. Und ich kann da auch sehr einfach Definitionen strecken und sämtliche Multiplayer durchkriegen. Jeder ist nämlich eine Fiktion aufgrund der mangelnden Realität in einer im relativ friedlichen Deutschland immer mehr zur Dystopie werdenden Szenario eines Krieges. Tada Freigabe erteilen. :?:
Ebenso wird aber stark auf Kinder und Jugendliche eingegangen, wenn man sich selbst schon sagen muss, dass dies etwas befremdlich wirkt, da diese Diskussion sich ja zu 90% im Bereich Usk 16-18 abspielt. Ja manchmal wird es vielleicht auch mal eine ab 12 geben, aber das wahrscheinlich nur für sehr ausgesuchte Spiele. Also da das Wort Kinder zu verwenden ist etwas daneben, weil wir von Erwachsenen oder fast Erwachsenen reden und da wir in Deutschland hin und wieder verhandeln ob sogar 16 Jährige wählen dürfen gestehen wir Ihnen offensichtlich schon eine ausreichende Reife zu mit rechtsextremen Meinungen umzugehen.
Andreas29

Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Andreas29 »

Axel hat geschrieben: 4. Aug 2019, 21:36 Und es sind ja nicht nur Spiele, auch zig Serien zeigen mittlerweile explizite Gewaltdarstellungen. Und das alles verbunden... Spiele, Filme, Serien... wenn jemand ständig Gewalt ausgesetzt ist, dann stumpft das einfach ab. (...)

Die Folge, und auch die ist belegt: Menschen werden aggressiver. Besonders die Arbeiter im öffentlichen Bereich (Verkäufer, Ärzte, in Ämtern, etc.) bekommen das zu spüren.

Ich bin also der Meinung, dass man schon allein deswegen als Staat die Pflicht hat die mediale Gewaltspirale einzudämmen. Schon allein als Schutz der Bevölkerung, vor allem den Teil, die damit nicht umgehen kann. Oder die Leidtragenden der immer krasseren Aggressivität.
Kannst Du denn verstehen, dass Menschen wie ich, die mit der Killerspiel-Debatte aufgewachsen sind. keinen Bock mehr haben auf diesem Niveau zu diskutieren? Du stellst gefühlte Wahrheiten als Tatsachen dar.

Dass man abstumpft: Wann wurde das wissenschaftlich bewiesen? Wo ist die eindeutige Studienlage dazu? Ist es nicht vielmehr so, dass man lediglich für fiktive Gewalt abgestumpft wird? Wenn ich zum vierzigsten Mal einen Kopf explodieren sehe in einem Spiel oder einem Film, zucke ich natürlich nur mit der Schulter. Bleiben meine Sensoren für reale Gewalt nicht trotzdem in Takt? Ich habe mal einen Selbsttest gemacht und ein Video geschaut in dem sich jemand erschießt. Glaube mir... das hat immer noch seine Wirkung.

Menschen werden aggressiver: Nein. Hier stimmt nicht einmal die Korrelation. Es gibt ein berühmtes Diagramm, dass die Entwicklung von Gewaltverbrechen und Gewalt in der Popkultur vergleicht, das ich leider jetzt nicht finden kann. Dort laufen die beiden Linien genau diametral entgegen: Während die Gewalt in der Popkultur immer mehr wird, werden die Gesellschaften immer friedlicher (das ist in der momentanen politischen und gesellschaftlichen Lage schwer zu glauben, ich weiß).
Außerdem: Wenn jemand mal unfreundlich beim Bäcker oder Arzt ist, ist das nicht gleich "Gewalt". Und auch hier kannst du nicht einfach eine Kausalität zur Popkultur behaupten. Ich kann auch einfach behaupten es läge am Turbokapitalismus, der uns alle zu Gehetzten macht. Ich kann es nicht beweisen, aber das liegt mir viel näher.

Was Du über Jugendschutz schreibst hier im Thread: Volle Zustimmung. Der muss ans digitale Zeitalter angepasst werden und flächendeckend funktionieren.
Rigolax
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Rigolax »

Wolfgang Walk hat geschrieben: 5. Aug 2019, 11:38 Bitte löschen, wenn schon mal gepostet:

https://www.gameswirtschaft.de/politik/ ... uBFbY4ZLeE
Wait, wurden die schon im Juni aktualisiert und das jetzt erst bekannt? ("zuletzt geändert im Juni 2019" in den Leitkriterien)

EDIT: Hier eine Meldung der USK dazu, von heute: https://usk.de/usk-beirat-beschliesst-e ... n-spielen/
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Andre Peschke
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Andre Peschke »

Agrargorn hat geschrieben: 5. Aug 2019, 11:45 Dem lässt sich widerspruchslos zustimmen. die rechtstaatliche Demokratie wird in naher Zukunft wohl nicht beseitigt, weil plötzlich vermehrt Hakenkreuze in Spielen auftauchen. Die Ursachen dafür rühren dann von viel größeren Problemen her.
Das sowieso. So hoch wollte ich das aber nichtmal aufhängen. Ich würde auch sagen: Wenn eine von Nazis geschwenkte Hakenkreuzfahne in der Öffentlichkeit keinen Anstoß mehr erregt, dann liegt das nicht daran, dass sie via Computerspiel zum virtuellen Alltag geworden ist. Einen solchen Einfluss traue ich unter den gegebenen Parametern keinem Spiel zu. (Würden wir jede Form von Propaganda zulassen evtl nochmal was anderes, aber wenn das hoffähig wird, ist eh alles zu spät^^)

Die ganze Verknüpfung mit der Gewaltdebatte ist insofern folgerichtig, weil die gleichen - IMO absurden - Vorstellungen bedient werden. Als ob ein Mensch, der einen gesunden Wertekanon entwickelt hat, vom Computerspiel plötzlich zum gleichgültigen Beobachter realer Gewalt umgeschult werden könnte. Als habe reale Gewalt nicht eine völlig andere Qualität und als wären wir alle nicht in der Lage, den virtuellen Raum eben als abgegrenzten "magic circle" zu erfassen.

Ich bin ja nun bekennender Fan von Gewaltspielen. Trotzdem bin ich für einen sinnvollen und dann auch bitte funktionierenden Jugendschutz. Das der weniger funktioniert denn je, konnte man diese Woche zB im Epic-Store beobachten, wo "For Honor" als USK-18-Titel mittels zwei Mausklicks kostenlos erworben werden konnte (das ist nur das aktuelle Beispiel - das Problem existiert nicht nur im Epic-Store). Hier kann man faktisch sagen: "Das gab es früher nicht, da ist eine neue Technologie, die völlig neue Rahmenbedingungen schafft". Das gilt auch für das Streaming: Im linearen Programm früherer Tage konnte man sich gar nicht mit einer endlosen Abfolge von Gewaltmedien befassen, denn es folgt die Tagesschau. Dann kam VHS etc, aber die Medien und Abspielgeräte waren noch zu teuer, um die Versorgung derart sicherzustellen. Hier im Thread schon genannt: Ehemals indizierte Filme sind jetzt teilweise frei ab 16. Da hat sich was verändert. Das kann man als Fakt festhalten, IMO. In der Bewertung jetzt automatisch zu schreien: "ALSO MACHEN WIR DIE JUGEND KAPUTT!" - das finde ich halt (siehe oben - Rahmungskompetenz/Medienkompetenz) einfach zu flach und alarmistisch. Vor gut 100 Jahren waren praktisch ALLE Menschen in unseren Regionen Rassisten, hatten ein völlig anderes Verhältnis zu Kindern etc - ganz ohne Fernsehen. Was sich verändert hat ist unser Wissen und unsere Werte.

Wo die Verschränkung der Hakenkreuz- und Gewaltdiskussion für mich insofern einen Sinn ergibt ist (und das folgt IMO auch direkt aus der Prämisse "Mensch mit gesundem Wertekanon"): das wir tatsächlich diskutieren sollten, was Jugendschutz bedeutet, was er leisten sollte und inwiefern wir dem noch gerecht werden (oder jemals gerecht geworden sind). Aus meiner Sicht: Kindern und Jugendlichen muss das Rüstzeug mitgegeben werden, kompetent mit Hakenkreuzen, Gewalt und anderen Einflüssen umzugehen. Das hat dann aber nichts mehr konkret oder allein mit Computerspielen zu tun. Da geht's natürlich in erster Linie um Erziehung, gesamtgesellschaftlichen Wertekonsens, Schulbildung. Und im Anschluss auch, hinter den genannten nachrangig aber deswegen nicht unwichtig, um effektiven Jugendschutz. Den wir aber in der öffentlichen Auseinandersetzung immer wieder auf solche Zuspitzungen reduzieren und dann nur in diesen engen Bahnen diskutieren. Dabei finde ich Vermittlung von Medienkompetenz und damit einhergehend ein Bewahren vor schädlichen Ideologien und einer Verzerrung humanistischer Grundwerte tatsächlich schützenswerter und wichtiger, als vor schockierender fiktiver Gewalt (da diese sich erheblich von der realen Gewalt unterscheidet) oder schlichter Nazi-Insignien. IMO übrigens ein Grund, warum die Politik die Zuspitzung auf Hakenkreuze, Gewalt & Co. so liebt: Weil sie sonst zB über Schulbildung sprechen müsste und dort mehr zu leisten kostet Geld - eine Verbotsregelung für Computerspiele hingegen... easy.

Anders ausgedrückt: Kinder und Jugendliche davor zu beschützen, dass ihnen Medien in einem noch nicht abgeschlossenen Stadium der Entwicklung einreden das Folter ein probates Mittel ist ("24" & Co.), dass Soldatentum synonym mit Heldentum ist etc - das ist IMO wichtiger, als sie vor dem Anblick eines platzenden Pixelkopfes zu bewahren. Da sollte man Eltern unterstützen, damit sie nicht in der Vermittlung von universellen und unverzichtbaren Werten plötzlich gegen den Strom schwimmen müssen. Wenn das nämlich gelingt, kann kein Hakenkreuz auf der Welt irgendwas mit diesen Köpfen anstellen. Das ist aber eben keine Gewalt-Debatte, sondern eine Wertedebatte. Und die scheuen wir, weil sie schwierig ist, schwer greifbar ist und sich daraus oft unangenehme Folgediskussionen ableiten die man gern vermeiden möchte ("Jedes Leben ist gleichermaßen schützenswert" --> "Okay, dann dürfen wir keine Flüchtlinge im Meer absaufen lassen", "Ist damit nur menschliches Leben gemeint?" , "Was bedeutet das für unser Verhältnis zu Ländern mit Todesstrafe oder gar politischen Morden?" etc etc). "Das Hakenkreuz - das geht nicht", "Dieses Messer im Auge, das geht nicht", "Das ist Pornografie - das geht nicht" - das ist alles so schön einfach greifbar. Aber IMO oft eben auch von eher nachrangiger Relevanz.

Ein sinnvoller Jugendschutz wiederum, das folgt dann für mich auch logisch, ist unterstützenswert - selbst wenn er für mich bedeutet, dass ich durch ein paar Reifen springen muss, um diese Medien als Erwachsener zu beziehen. Weil Eltern bei sowas eine Unterstützung durch die Sozialgemeinschaft via Staat/Gesetze/Kontrollen nicht nur verdient haben, sondern das auch in unser aller Interesse ist. Die Kindererziehung geht uns alle an, denn als Erwachsene treten sie dann mit dem erworbenen Wertekodex in Interaktion mit uns allen: Als Mitarbeiter, Kollegen, Schwiergertöchter/söhne, Altenpfleger ... und Wähler. "Check halt, was deine Schratzen so treiben" ist da halt nichtmal Egoismus, sondern nur Bequemlichkeit.

Andre
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Leonard Zelig
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Leonard Zelig »

Axel hat geschrieben: 5. Aug 2019, 10:19 Und ich würde nicht sagen, dass es unbedingt die Armen hierzulande trifft (wie es in den USA aussieht, keine Ahnung - wie kommst Du darauf?). Es gibt mittlerweile genug Studien die belegen, dass vor allem die bessergestellte Mittelschicht zur AfD tendiert und absurdeste Ängste vor sich herschiebt. Nicht unbedingt Menschen die wenig haben.

Das sagen übrigens auch betroffene Arbeiter aus dem sozialen Bereich oder dem öffentlichen Dienst. Das Gewaltpotential kommt meist von Menschen, die etwas zu verlieren haben.
Ich würde mal behaupten, dass die Menschen in Sachsen weniger zu verlieren haben als die Menschen in Hamburg. Trotzdem ist Sachsen die AfD-Hochburg und nicht Hamburg.

Und auch Trump hält seine Rallies nicht in New York oder Kalifornien ab, sondern eher in der Mitte des Landes. Insbesondere in Staaten wie West Virginia sind die Menschen alles andere als vermögend.

Die AfD war anfangs eine eurokritische FDP 2.0, aus der Zeit kommen die meisten Studien zur Wählerschaft der AfD. Aber das hat sich in den letzten Jahren radikal geändert.
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Rigolax »

Andre Peschke hat geschrieben: 5. Aug 2019, 12:38 (...) Die Kindererziehung geht uns alle an, denn als Erwachsene treten sie dann mit dem erworbenen Wertekodex in Interaktion mit uns allen: Als Mitarbeiter, Kollegen, Schwiergertöchter/söhne, Altenpfleger ... und Wähler. "Check halt, was deine Schratzen so treiben" ist da halt nichtmal Egoismus, sondern nur Bequemlichkeit.
Kann imho auch Resignation sein. Ehrlich gesagt seh ich einfach nicht, wie der Staat da noch viel regulieren kann im Internet(-zeitalter). Das würde auf europäischer Ebene ja nichtmal funktionieren. Wir müssen bedenken, dass hier einige Leute ja mehr Indizierungen von Unterhaltungsmedien fordern, was außerhalb Deutschlands einfach nicht (mehr) passiert, was auch kaum da mehrheitsfähig sein könnte (da würde, glaub ich, Frankreich vorher aus der EU austreten :P). Deutschland kann eben auch nicht die große Jugendschutz-Firewall aufziehen, zumindest schwer vorstellbar.

Ich denke ja darüberhinaus, und das dürfte manche hier schockieren, dass man ernsthaft über eine reguläre "ab 14"-Höchstfreigabe diskutieren sollte, mit 18 für wenige extrem krasse Produktionen oder Pornographie. Dann könnte man zumindest einen effektiven Kinderschutz leisten (edit: bzw. besser gesagt, es versuchen). Gerade die Abgrenzung zwischen 16 und 18 ist imho einfach so albern und hat höchstens Symbolwirkung. In Frankreich kommt halt fast alles an Horrofilmen "ab 12" im Kino durch, weil sie das eindeutig als Fiktion sehen. Für Trägermedien gibt's da gar überhaupt keinen regulären Altersfreigabeprozess, gibt‘s in Österreich übrigens auch nicht. Da herrscht aus deutscher Sicht eigentlich die totale Jugendschutzanarchie. Das ist fast so, als würde man unser Waffenrecht mit dem in der Schweiz (funktioniert da) oder den USA (funktioniert da offensichtlich nicht) vergleichen; wobei das suggeriert, dass mediale Gewaltdarstellungen "gefährlich" wie Waffen wären, was ich nun nicht möchte.

Aber ich stimme ja generell den Ausführungen zu. Gerade beim Thema einer Art pornografischen Blick bzw. einer Blutphobie bei den Jugendschutzstellen. Battlefield 1 und V kriegen ja wohl die 16er, weil sie (auch) einen „sauberen“, blutarmen, verstümmelungsfreien Krieg darstellen, eigentlich absurd.
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Andre Peschke
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Re: Runde 226: Hakenkreuze geht (jetzt) immer – oder?

Beitrag von Andre Peschke »

Rigolax hat geschrieben: 5. Aug 2019, 13:24 Kann imho auch Resignation sein. Ehrlich gesagt seh ich einfach nicht, wie der Staat da noch viel regulieren kann im Internet(-zeitalter).
Deswegen sage ich ja, dass wir Jugendschutz ständig vorsätzlich falsch denken. Zum einen in der Reduktion auf bestimmte Darstellungen, aber vor allem am Ansatzpunkt. Finanziell gut ausgestattete und der Moderne angepasste Bildung ist Jugendschutz. Unterstützung von Eltern, damit sie die Zeit haben sich um ihre Kinder zu kümmern, ist Jugendschutz. Die USK als Informationsquelle für Eltern - nicht als Stempelvorlage für Vertriebseinschränkungen - ist ebenfalls Jugendschutz.

IMO sollte man mehr in diesen Bahnen denken, als in "wie kriege ich Valve dazu, dass sie eine Ausweisprüfung einführen?". Zukünftige Elterngenerationen sind mit bereits existierenden Einschränkungsmechanismen dann sowieso viel besser vertraut und können diese effektiver nutzen. Ist ja auch nicht so, dass da gar keine Instrumente existieren - die Kinder sind nur oft noch viel technisch versierter, als die Eltern. Auch da mangelt es aber eher an Information, als an Regulation. Wenn man Eltern erklärt, dass man eine PS4 für alles unter einer Altersfreigabe X sperren kann und wie das geht, dann schaffen das auch alle diese Funktion einzurichten. Es muss sie nur eben jemand informieren (und wie immer muss es sie kümmern). Das ist vom Kontrollaufwand aber praktisch sogar niedriger, als in meiner Kindheit, als hereingeschmuggelte VHS-Kassetten, Module, CDs etc erstmal entdeckt werden mussten. ^^

Andre
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