Runde #238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

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Phazonis
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von Phazonis »

Andre Peschke hat geschrieben: 28. Okt 2019, 09:40 Glaube, das war jetzt eine echt gute Reihe von einordnenden Beiträgen - danke euch allen. Aber schaut, dass wir nicht komplett ins OT abgleiten, bitte.
Ja stimmt die gab es, aber die eigentliche Frage konnte mir immer noch niemand beantworten. Wo steckt da ein Problem, wenn man diese beiden Begriffe austauschbar verwendet. Und das war ja Christians Claim und da konnt emir im Forum auch niemand was liefern.
derkastenbutt hat geschrieben: 28. Okt 2019, 08:42 Die Unterscheidung zwischen Rassismus und Antisemitismus entschieden abzulehnen ist IMO selber, zumindest tendenziell, Ausdruck antisemitischen Denkens. Ich will das hier niemandem direkt unterstellen, sondern eher zu bedenken geben, weil es mir in anderen Diskussionen sowohl online als auch privat schon mehrmals begegnet ist. Da hatte ich den Eindruck, dass sich darin das Voruteil ausdrückt, Jüdinnen und Juden wollten jetzt auch noch in ihrer Diskriminierung eine Extrawurst haben...
Ich lehne die Unterschiedung ja nicht ab, ich bezweifle nur, dass es abseits von akademischen Diskussionen all zu wichtig ist da so sauber zu trennen. Auch da siehe Christians Claim es wäre ein Problem das nicht sauber zu trennen. Die Mehrheit der Leute sind halt keine Historiker oder beschäftigen sich mit diesem Themengebiet, also warum ist es ein Problem das diese Antisemitismus und Rassismus austauschbar verwenden? Wenn selbst die Wissenschaft sich da noch nicht mal einig ist ob eine saubere Trennung so wichtig/sinnvoll ist (x1), wo schwebt dann die Gefahr für die Gesellschaft? Was sind die schlimmen Folgen dessen, weswegen wir da besser differenzieren sollten?

Kurz ich habe da eine sehr ähnliche Position wie Andre sie in der Eskapismusdebatte hat. Diese Kritik ist mir zu kleinteilig und nimmt Aufmerksamkeit vom wichitigen Ziel, nämlich der Bekämpfung beider weg, weswegen man sie wohl, um in Jochens Terminus, außerhalb des Elfenbeinturms beiseite schieben kann und sollte.
Und Apropos Elfenbeinturm: Jochen macht sich ja gerne mal darüber lustig, aber es gibt wohl kaum etwas elfenbeinturmigeres als eine mehrminütige Definitionsdissertation ohne Begründung warum diese nun wichtig ist. ;)
Auch deshalb möchte ich da mal nachhaken, weil wenn es doch relevante Folgen gibt, dann wäre es ja wichtig die zu kennen und dann unter anderem mein Verhalten anzupassen, denn ich habe diese Begriffe im Alltag bisher halbwegs austauschbar behandelt.

Das kann aber natürlich genre per PM passieren wenn es hier zu sehr ins OT geht, aber dennoch finde ich, dass Christian nach einem solchen Claim uns eine Antwort da schuldig ist und bleibt.

x1: Manfred Böcker: Antisemitismus ohne Juden, Die Zweite Republik, die antirepublikanische Rechte und die Juden. Spanien 1931 bis 1936. Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-631-36152-1, S. 13: „Der Begriff ‚Antisemitismus‘ erfüllt in keiner Weise die für einen wissenschaftlichen Terminus erforderlichen Kriterien. Er ist nicht das Ergebnis historischer oder politischer Analysen, sondern stellt sowohl aus etymologischer als auch aus politischer Perspektive ein Unwort dar. Der Terminus ‚Antisemitismus‘ entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als ein durch eine bestimmte Strömung von Judenhassern in Deutschland geprägter Neologismus. Er suggeriert auch heute noch die Existenz einer mit den ‚Juden‘ identischen ‚semitischen‘ Rasse. Aufgrund der normativen Kraft des faktischen Sprachgebrauchs sowie in Ermangelung einer begrifflichen Alternative wird die Forschung aber dennoch nicht auf ihn verzichten können.“
rammmses
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von rammmses »

Andre Peschke hat geschrieben: 28. Okt 2019, 09:40 Glaubt ihr, das Medium Computerspiel weist irgendeine Eigenschaft auf, die dazu führen kann, dass Spiele-Communities besonders geeignet bzw. gefährdet sind, was Internetradikalisierung angeht?
Das Medium Computerspiel ermöglicht in hohem Maße das Ausleben von Machtfantasien. Das ist denke ich ein Hauptgrund für die Popularität des Mediums (und warum es vor allem in bestimmten Genres größtenteils von Männern konsumiert wird). Man könnte jetzt die These aufstellen, dass Radikalisierung (im Sinne von sich über andere stellen) auch eine Machtfantasie bedient, genauso wie im Extremfall ein Amoklauf selbst. Das ist natürlich eine Korrelation und keine Kausalität, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass Communities in denen es sehr um Macht geht, ein idealer Nährboden sind.
Phazonis
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von Phazonis »

So und bevor Andre mich jetzt wieder lyncht aber auch was zu den anderen Fragen ;) :

Die Hierarchie-Frage:
Ich denke da sollten sich wirklich Psychologen damit mal auseinandersetzen. Kann sein, dass Spiele mit ihren inhärenten Drang zu Hierarchien da einen inhärenten Anwerbungsfaktor haben. Auf der anderen Seite wiederum sind diese Hierarchien bisher immer sehr transparent und waren offen und durchlässig für alle, dass wiederum würde rechtsextremen ja gar nicht passen. Derren Hierarchien erlauben ja meist gar keine Aufstiegsmöglichkeiten.
Auf der anderen seite wiederum wurde in Overwatch das Play of the Game sehr gefeiert, was zumindest die Hierarchie wieder etwas intransparenter macht, weil man nie genau wusste wie das Play of the Game ausgewählt wurde. Anstelle von Kritik Wieso hier irgendein Spieler aufgrund undurchsichtiger Metriken ausgezeichnet wurde kam von der Spielerschaft aber positives Feedback, darüber dass jetzt auch mal andere Spieler ihre paar sekunden Ruhm bekommen.
Das Argument fiel ja immer, dass man so auch mal Spieler belohnen kann deren Leistung sich nicht direkt in Statistiken umwandeln lässt (meist die Heiler). Aber da würde ich sagen, dass man das zumindest auch transparenter hätte lösen können. Da fällt mir immer Battlefield ein, wo durch Punktevergabe das Medic spielen sich jetzt nie unbelohnend anfühlte. Ein guter Medic konnte da gut Punkte machen und dann auch in der Rangliste aufsteigen und sogar bester Spieler werden. Also es wäre möglich das auch transparent umzusetzen, man entschied sich aber bewusst dagegen, weil es auch gerne hieß, dass diese Transparenz toxisches Verhalten fördert. So trackt das Spiel zwar die Stats man sieht aber nur die eigenen, nicht die der Mitspieler,...

Gibt da also viel zu erforschen, aber zu irgendwelchen klaren Aussagen will ich mich da wohl nicht hinreissen.
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SpeckObst
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von SpeckObst »

Generell ist es bei einem solchen Thema schwer, sich gezielt auf bestimmte Aspekte zu fokussieren und dann passend dazu Personen mit der jeweiligen Expertise einzuladen. Was mir im Cast aber deutlich gefehlt hat, war eine Person, die sich gezielt mit der Radikalisierung innerhalb von Gaming- oder auch Online-Communities auskennt.

Zum Thema Radikalisierung hat der Kanal Innuendo Stuios erst vergangene Woche einen fantastischen Beitrag veröffentlicht: https://www.youtube.com/watch?v=P55t6eryY3g

Ganz wichtig ist dabei der Einstiegspunkt. Und hier spielt auch Gaming eine große Rolle. Durch Gamer Gate oder auch die Aufruhr über die Tropes vs Women Beiträge von Anita Sarkeesian ist eine neue "Anti-Progressive"-Szene auf YouTube entstanden. Gerade junge Männer, die frustriert von der feministischen Kritik waren, sind zu diesen Kanälen (wie den von Sargon of Akkad) geflohen, um sich dort immer wieder anzuhören, wie schlimm diese "Social Justice Warriors" doch seien.

Seitdem hat sich das Ganze nur gesteigert und eine regelrechte Industrie darum gebildet. Oftmals mit einem Bezug zu Spielen oder zumindest popkulturellen Mainstream-Werken. Da regen sich dann schon einmal so Kanäle wie The Quartering fast täglich über progressive Themen in Marvel-Filmen, Magic The Gathering oder auch Spielen auf.

Es wäre hier noch sinnvoll über Aspekte wie "Taking the red pill" zu sprechen, aber grob gesagt sind diese YouTuber oder Streamer ein Einstieg für die Radikalisierung. Denn von dort aus werden ihnen anderen Personen empfohlen (bzw kooperieren sie direkt mit ihnen) und werden so über Persönlichkeiten wie Ben Shapiro, Steven Crowder oder Stefan Molyneux immer tiefer in das Loch gezogen. Das passiert Schritt für Schritt.

Und wer sich zum Beispiel auf YouTube mit Gaming-Inhalten beschäftigt, dem werden recht schnell Videos von diesen Personen empfohlen.

Der Bezug zur Gaming-Community liegt auf jeden Fall an der Demografie, aber auch an der Tatsache, dass hier gerade in den letzten fünf Jahren progressive Themen zum ersten Mal im Mainstream besprochen wurden. Vor allem junge Männer oder Jugendliche fühlen sich schlecht behandelt und müssen mit ihrem Frust irgendwo hin. Also gehen sie zu den Leuten, die sich ebenfalls darüber aufregen und dort beginnt der Weg.

Zudem sind vor allem Spiele mit einem historischen Kontext hervorragender Nährboden für rechtes Gedankengut, weil man dort perfekt seinen Revisionismus propagieren kann.
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von derkastenbutt »

rammmses hat geschrieben: 28. Okt 2019, 14:41 Das Medium Computerspiel ermöglicht in hohem Maße das Ausleben von Machtfantasien. [...] ich könnte mir schon vorstellen, dass Communities in denen es sehr um Macht geht, ein idealer Nährboden sind.
Das finde ich sehr plausibel. Es klang ja in anderen Beiträgen oben schon an: Computerspiele sind ja in der Regel hochgradig interaktiv und stellen Handlungsfähigkeit und -möglichkeiten ins Zentrum. Dazu kommt noch – und ich glaube damit lehne ich mich nicht zu weit aus dem Fenster – dass einige Spiele eher klassische Formen von Männlichkeit darstellen bzw. für die Spieler*innen ausagierbar machen. Stärke, Selbstbehrrschung, Durchsetzungsvermögen, Rationalität. Und Neonazis und andere Faschisten stehen total auf diese Art von Männlichkeit. Kurzum: Machtfantasien als starker Heldenmann ausleben zu können ist IMO eine Aspekt von Spielen, der bestimmt einen Anteil daran hat, dass sich rechtsradikale Ideologien gerade bei jungen Männern festigen können.

(Was mir wichtig ist: Ich behaupte nicht, dass diese Form von Männlichkeit automatisch Rechtsradikale produziert. Oder, dass jeder Mann, der diese Eigenschaften verkörpert gefährlich ist. Oder gar, dass all diejenigen die solche Rollen gerne in Computerspielen ausagieren Faschisten sind.)
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whitespace
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von whitespace »

Ein paar verschiedene Themen:
Was ich ein wenig seltsam fand (vielleicht habe ich das letztens auch nur ein wenig falsch verstanden) ist, dass Jochen es ziemlich stark kommentiert und kritisiert hat, dass der Holocaust in Wolfenstein weggelassen wurde, was im Kontrast zu dem was er in der Folge zum Eskapismus, Anno und der Frage ob es wichtig ist da "er" dazu schon genug weiß und das Thema nicht zum Spiel passe. Da frage ich mich wie wichtig dann der Holocaust bei Wolfenstein ist, da das Spiel weit abstrakter mit dem Thema 2ter Weltkrieg umgeht.
Hierbei möchte ich nicht zu sehr Offtopic wandern, wollte es aber doch mal in den Raum geworfen haben.

Zum Thema vorangegangene Attentate am Beispiel München:
Ich denkne, dass die Wahrnehmung zu Attentaten sich in zwei Teile aufteilen:
1) Am Alter der Person selbst. Hier habe ich mir schon gedacht als Jochen es angesprochen hat, dass ich zum Oktoberfest Attentat sehr wenig Bezug habe, weil ich zu der Zeit nicht geboren war. So denke ich auch, dass jemand der jetzt um die 20 Jahre alt ist auch weniger Bezug zu z.B. einem Attentat von 9/11 oder RAF hat.
2) Dieses Attentat (Oktberfest wieder) ist wohl eines der wenigen nicht sehr prominent aufgearbeiteten. Bei den RAF Attentaten oder bei 9/11 doch viel mehr, weil sie in verschiedensten Dokumentationen aufgearbeitet und analysiert wurden. Das spielt mM nach eine maßgebliche Rolle wie der Bezug dazu aufgebaut ist.

Zum Thema Medien:
Da kann ich an der heutigen Meidienlandschaft einfach kein gutes Haar mehr lassen, da dieses Thema einfach nur von fast allen Seiten für die eigene politische Agenda missbraucht wird, ohne wirklich sachlich dran zu halten, was jetzt das eigentliche Resüme oder Konklusio ist.

Wenn ich da einen Artikel aus dem Standard anschaue, der in der Einleitung aus zusammengetragenen Statements aus anderen Zeitungen beginnt um eine Schlussfolgerung herzuleiten und am Schluss einen Bogen von Gaming hin zu rechtsradikalen Frauenhassern schlägt, greif ich mir einfach auf den Kopf und frage mich wie man eine Reihe an Behauptungen und vagen Schlussfolgerungen in einem Medium veröffentlichen kann, welches von sich selbst behauptet es sei seriös.
Die Spitze des Eisbergs war ja, dass es ja soweit ging und soweit ich mich jetzt erinnern kann kam das im Podcast garnicht zu Sprache, ist, das gephotoshoppte Bild wo der Attentats-Stream im Fenster des Dreamhack Channels gezeigt wurde und da wirklich redaktionelle Instanzen dahinter sitzen die von diesem Thema überhaupt keine Ahnung haben und das einfach durchwinken.

Auch die Frage warum Twitch gewählt wurde und nicht eine Andere Plattform ist einfacher als man denkt. Twitch ist die größte und reichweitenstärkste Plattform was Streaming angeht. Die Leute in der Altersgruppe wie der Attentäter ist, ist mittlerweile sehr schwach auf Facebook vertreten und das Instagram Livestreaming ist sehr begrenzt. Im Gegensatz zu Twitch wo ein Livestream mittlerweile innerhalb von Minuten mit verschiedensten Möglichkeiten aufgebaut ist.

An dieser Stelle gehe ich auch wieder d'accord mit der Meinung, dass in Deutschland (in meinem Fall auch Österreich) einfach zu wenig Arbeit in Richtung Digital Allgemein passiert. Die die es können, missbrauchen es zur Verbreitung der eigenen Ideologie und die die es nicht verstehen, sehen in allem Fakenews oder Verschwörungen.

Zum Abschluss,
möchte ich noch einmal etwas aufgreifen, was ich in einem Podcast (oder Youtube Video - leider weiß ich die Quelle nicht mehr, werde sie aber verlinken, wenn gefunden) gehört habe, dass ich sehr schlüssig fan um Bezug auf Verschwörungstheorien.
Viele Menschen greifen zu alternativen Fakten, Esoterik, rechtem Gedankengut usw. weil diese oft einfache Antworten auf komplexe Fragen geben. Es kling einfach besser wenn dir XY sagt diese kleine Pille 1000fach verdünnt mit Uran (...oder was weiß ich) hilft dir gegen YX.
Oder diese Bevölkerungsgruppe ist Schuld an XY.
Man gibt dir eine Antwort. Ob diese jetzt zu 100% wahr ist, ist in erster Linie nicht wichtig. Viele Menschen möchten einfach etwas hören, weils sie das ungewisse nicht ertragen. Wenn das jetzt in solchen Blasen wie 4Chan oder sonst wo verstärkt wird, kommt es zur Radikalisierung.
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mart.n
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von mart.n »

SpeckObst hat geschrieben: 28. Okt 2019, 15:58 Generell ist es bei einem solchen Thema schwer, sich gezielt auf bestimmte Aspekte zu fokussieren und dann passend dazu Personen mit der jeweiligen Expertise einzuladen. Was mir im Cast aber deutlich gefehlt hat, war eine Person, die sich gezielt mit der Radikalisierung innerhalb von Gaming- oder auch Online-Communities auskennt.

Zum Thema Radikalisierung hat der Kanal Innuendo Stuios erst vergangene Woche einen fantastischen Beitrag veröffentlicht: https://www.youtube.com/watch?v=P55t6eryY3g

Ganz wichtig ist dabei der Einstiegspunkt. Und hier spielt auch Gaming eine große Rolle. Durch Gamer Gate oder auch die Aufruhr über die Tropes vs Women Beiträge von Anita Sarkeesian ist eine neue "Anti-Progressive"-Szene auf YouTube entstanden. Gerade junge Männer, die frustriert von der feministischen Kritik waren, sind zu diesen Kanälen (wie den von Sargon of Akkad) geflohen, um sich dort immer wieder anzuhören, wie schlimm diese "Social Justice Warriors" doch seien.

Seitdem hat sich das Ganze nur gesteigert und eine regelrechte Industrie darum gebildet. Oftmals mit einem Bezug zu Spielen oder zumindest popkulturellen Mainstream-Werken. Da regen sich dann schon einmal so Kanäle wie The Quartering fast täglich über progressive Themen in Marvel-Filmen, Magic The Gathering oder auch Spielen auf.

Es wäre hier noch sinnvoll über Aspekte wie "Taking the red pill" zu sprechen, aber grob gesagt sind diese YouTuber oder Streamer ein Einstieg für die Radikalisierung. Denn von dort aus werden ihnen anderen Personen empfohlen (bzw kooperieren sie direkt mit ihnen) und werden so über Persönlichkeiten wie Ben Shapiro, Steven Crowder oder Stefan Molyneux immer tiefer in das Loch gezogen. Das passiert Schritt für Schritt.

Und wer sich zum Beispiel auf YouTube mit Gaming-Inhalten beschäftigt, dem werden recht schnell Videos von diesen Personen empfohlen.

Der Bezug zur Gaming-Community liegt auf jeden Fall an der Demografie, aber auch an der Tatsache, dass hier gerade in den letzten fünf Jahren progressive Themen zum ersten Mal im Mainstream besprochen wurden. Vor allem junge Männer oder Jugendliche fühlen sich schlecht behandelt und müssen mit ihrem Frust irgendwo hin. Also gehen sie zu den Leuten, die sich ebenfalls darüber aufregen und dort beginnt der Weg.

Zudem sind vor allem Spiele mit einem historischen Kontext hervorragender Nährboden für rechtes Gedankengut, weil man dort perfekt seinen Revisionismus propagieren kann.
Meiner Meinung nach findet die größte Radikalisierung dadurch statt, dass man als nicht-Linker ständig in die Nazi Ecke gedrängt wird. Das lässt sich an deinem Post auch perfekt ablesen. Die jungen weißen Männer, die die progressive Anita Sarkeesian so nicht unterstützen, sind im Herzen der reaktionäre Alt-Right Wähler von Morgen.

Ich rege mich auch über "progressive" Elemente in Marvel- oder Star Wars Filmen auf, wenn diese wie in den letzten Jahren dafür sorgen, dass die Filme grottenschlecht sind. Und offenbar das wichtigste ist, der politischen Agenda zu entsprechen. "The Force is Female" sag ich nur. Ich gucke sehr gerne den Critical Drinker auf Youtube und kann seine Videos nur unterschreiben. Aber alles, was nicht die LBQT oder Feminismus Fahne schwenkt (auch wenn sie mit Film/Spiel absolut gar nichts zu tun hat) ist schon mal prinizipiell steinzeitlicher Revisionismus und muss per Shitstorm auf Social Media bekämpft werden. Sehr erheiternd ist aus besagter steinzeitlicher Sicht immer, wenn die Kritiker die roten Fahnen schwenken (weil nicht 110% PC) und der Film bei rottentomatoes in der Audience Wertung eine 99% bekommt (z.B. Joker).

Bei Spielen ist das ja nichts anderes. Was da schon an Shitstorms lief, weil ein Entwickler mal keine dunkelhäutigen NPCs in sein europäisches Mittelalterspiel eingebaut hat. Oder bei Rimworld der Gay Trait nicht perfekt ins positive Licht gesetzt ist. Oderoderoder.

Wenn etwas zu Frust führt und zu der Überzeugung, dass "die" Medien eh nur von linksliberalen Überzeugungstätern bevölkert sind und eine komplett einseitige Berichterstattung zu diesen Themen erfolgt. Und dann wundert man sich nach der nächsten Wahl wieder, wie es zu solchen Wahlergebnissen kommen kann. Irgendwie muss das doch in die revisionistischen Köpfe rein, dass ihre Meinung einfach falsch ist.

Das einige Wirrköpfe dann irgendwann richtig abdrehen, hat meiner Meinung nach absolut nichts mit Spielen oder der Gaming Szene zu tun. Diese Leute sind meistens die klassischen "Verlierer", die im Leben irgendwann den Anschluss verloren haben.
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von AutAd »

Ich schalte mich mal kurz ein, um darauf hinzuweisen, dass im letzten Beitrag eine klassische Derailing-Taktik vorliegt. Linke sind Schuld an Radikalisierung und an Halle.
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Vinter
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von Vinter »

Richtig. Der Thread lief bislang sehr gut, daher bitte nicht auf diesen (substanzlosen) Seitenpfad gegenseitiger Schuldzuweisungen und Provokationen abbiegen. Es geht hier um einen rechtsextremen Anschlag mit zwei Todesopfern, bitte verhaltet euch entsprechend und bleibt beim Thema. Weitere Beiträge in diese Richtung werden kommentarlos entfernt.
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von Nyarly362 »

Ohne jetzt Gamer-apologetisch sein zu wollen, denn ich unterstütze die These von den männlichen, jugendlichen Frustrierten, die eben in der Mehrzahl ihren wenigsten kleinen Erfolg im Game sehen wollen (und gesehen werden wollen) - ich glaube auch, dass die Gamer-Foren oder Streamplattformen wie Twitch eine "gute" Nische sind, denn seien wir ehrlich, auf Facebook ist der Kram schnell weg, Youtube dito. Die Plattformen sind halt schon länger im Fokus, bekannter und die Regeln greifen hier, ist ja auch für die Plattformen geschäftsschädigend mit Terror in Verbindung gebracht zu werden... Steam/Twitch/etc. waren vorher nie in der Diskussion, man schaut jetzt erst, ob das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (uff) bei Steam angewendet werden kann (warum nicht?). Wenn ich einen Anschlag plante und en hübsch an meine Peers global verteilen wollte, nähme ich auch nicht Facebook, da bleibt der Mist nicht lange genug sichtbar.
Eventuell verhalten sich also unsere Täter in dieser (und der ursprünglichen Findungs- und Zusammenrottungs-) Phase also eher wie Kakerlaken. Wo bisher kein Licht ist, lebt sich es noch recht bequem.
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Andre Peschke
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von Andre Peschke »

Nyarly362 hat geschrieben: 28. Okt 2019, 20:38 Eventuell verhalten sich also unsere Täter in dieser (und der ursprünglichen Findungs- und Zusammenrottungs-) Phase also eher wie Kakerlaken. Wo bisher kein Licht ist, lebt sich es noch recht bequem.
Dann würden sie vielleicht eher auch auf Mixer gehen, da hätte man das Video vielleicht bis heute nicht entdeckt. ;)

Ich glaube, die weiter vorn im Thread geäußerte Vermutung ist korrekt: Twitch ist einfach Marktführer im Livestreaming. Von Techcrunch:

"Twitch viewers live-streamed a total of 2.72+ billion hours in Q2 — or 72.2% of all live hours watched — compared with 735.54 million hours on YouTube Live (19.5%), 197.76 million on Facebook Gaming (5.3%) and just 112.29 million hours (3%) on Mixer."

Es ist einfach viel wahrscheinlicher, dass jemand Twitch kennt, schon weiß wie es funktioniert und dann eben auch als Plattform missbraucht. Das Facebook & Co. ggf. schneller reagieren um ein Video zu entfernen, ist aber sicher ein mögliches weiteres Argument Pro-Twitch aus Tätersicht.

Andre
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von dadadave »

Ich denke, dass wir in einer Medienwelt bzw. -ökonomie leben, in der schrille, laute Positionen extrem verstärkt und verbreitet werden. Da besteht eine wohl meist ungewollte, aber äusserst effektive Symbiose zwischen extremen Stimmen an vielen Enden des Spektrums, die sich permanent gegenseitig Futter für eine weitere pseudo-intellektuelle Kolumne, einen weiteren Youtube-Rant bieten. Das fördert Radikalisierungen.

Als technik- und Internetaffine Bevölkerungsgruppe sind Gamer dieser Kakophonie wohl stärker ausgesetzt als der Durchschnitt und es begann früher. Die sozialen Medien sind so strukturiert, dass sie möglichst bescheuerte, pauschalisierende Aussagen belohnen, entsprechend dürften auch viele Leute Momente erlebt haben, in denen sie etwas als ungerecht empfanden und eine "Seite" (Stichwort Tribalismus) als irrationalen Mob wahrgenommen haben. Manche ziehen dann womöglich die falschen Schlüsse daraus, nämlich dass die Radikalen auf der anderen Seite anscheinend irgendwo Recht haben, und ab geht's runter in die "rabbit hole".

Ich weiss nicht, ob das im Podcast vorkam (bin noch nicht soweit), aber die Meme-Kultur, ähnlich wie Twitter, lebt u.a. von polemischen Mitteln wie der extremen Verkürzung. Je unzulässiger verkürzt, desto edgier, sozusagen. Meine Hypothese ist, das sowas zu Radikalisierungen beiträgt.
snoogie
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von snoogie »

Danke liebes Team für den Podcast, fand ihn sehr wichtig. Danke auch an Christian Schiffer für andere Perspektiven, hat als Gast super gepasst.
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Andre Peschke
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von Andre Peschke »

snoogie hat geschrieben: 29. Okt 2019, 06:26 Danke liebes Team für den Podcast, fand ihn sehr wichtig. Danke auch an Christian Schiffer für andere Perspektiven, hat als Gast super gepasst.
Mal zwischendrin auch Danke an alle, die sich die Zeit nehmen einfach mal sowas zu schreiben. Ohne euch kommt man sonst schnell in so einen Tunnel, wo man denkt: "Jesus, alle finden es scheiße und ich dachte eigentlich, das war gut! Wäääh!". Und dann hört man wieder den ganzen Abend nur "Losing my mind" von Liza Minelli und futtert das Salted-Caramel-Eis mit dem Esslöffel direkt aus der 3-Liter-Packung...

Andre
Ja, gut, letzteres wäre vielleicht so oder so passiert, aber das tut nichts zur Sache!
PhelanKell
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von PhelanKell »

Hallo André,

gut gemacht *tätschel* :D

Das ist eben das allgemeine "Problem" überall, wo es um Diskussionen, Beschwerden etc. geht.
Ich kümmer mich z.B. auf Arbeit um Beschwerden. Wenn man die ganzen Tag die Schreiben und E-Mails liest, fragt man sich schon, was läuft eigentlich richtig in der Firma. Wenn man dann aber von jemanden einmal hört, dass diese Kunden nur ca. 10% aller unserer Kunden abbilden, dann scheint der Rest zumindest soweit zufrieden. Nur schreibt halt keiner "Danke, der Vertrag läuft super, ich habe keine Probleme." Und ehrlich gesagt, ich schreibe auch niemanden an, dass ich zufrieden mit deren Leistung bin.

Von daher, um Dir/Euch etwas Gutes zu tun, werde ich mich demnächst zusammen nehmen und öfters ein Dank aussprechen für eine gute Sendung.

Grüße
expect the unexpected
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v3to
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von v3to »

Die Folge habe ich nicht ganz zu Ende gehört und bis zu dem Punkt auch nur in Etappen. An sich finde ich es löblich, wie Ihr Euch dem Thema annähert, aber ganz ehrlich auch sehr schwer verdaulich. In meinem Kopf fand beim Hören ein beständiger Kampf statt, dass ich mich selbst mit solch einer Tat nicht nüchtern auseinandersetzen wollen würde. Da entsteht eine Distanz, welche ich als ziemlich unangenehm empfinde. Dennoch Danke für die Folge, die mich mehr zum Nachdenken angeregt hat, als die anderen Artikel oder Kommentare diesbezüglich.
Phazonis
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von Phazonis »

Andre Peschke hat geschrieben: 29. Okt 2019, 08:39

Mal zwischendrin auch Danke an alle, die sich die Zeit nehmen einfach mal sowas zu schreiben. Ohne euch kommt man sonst schnell in so einen Tunnel, wo man denkt: "Jesus, alle finden es scheiße und ich dachte eigentlich, das war gut! Wäääh!". Und dann hört man wieder den ganzen Abend nur "Losing my mind" von Liza Minelli und futtert das Salted-Caramel-Eis mit dem Esslöffel direkt aus der 3-Liter-Packung...

Andre
Ja, gut, letzteres wäre vielleicht so oder so passiert, aber das tut nichts zur Sache!
Dann nochmal in aller Deutlichkeit, weil das nicht Message sein kann und sollte. Nicht jede Kritik hat den impliziten Ruf nach weniger oder das muss weg. Meine Kritik soll nur beschreiben was ich problematisch sehe, aber auf gar keinen Fall ein Aufruf zu weniger sein, sondern eher zu mehr. Das trifft aber zugegeben nicht auf alle (auch hier im Forum) zu. Deswegen bitte gerne mehr davon, dann mit anderen Gästen und mehr Perspektiven.

Um ehrlich zu sein konnte mich auch Niemand davon überzeigen, dass es irgendeinen guten Grund gäbe solche Gespräche nicht viel öfter zu führen. Dieses Respekt vor den Opfern/ Anstand Argument hat noch nie SInn gemacht, weil man dann das Feld all dennen überlässt die diesen Anstand und diesen Respekt nicht haben und das sind dann die letzten die man damit allein lassen will. Und wer glaubt das Schweigen eine gute Strategie wäre darf genre nochmal ins Geschichtsbuch gucken.

Deshalb bitte einfach weiter machen. Ich sehe lieber 50 weitere kritische Betrachtungen des Themas als weiteres tot schweigen.
ZiggyStardust
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von ZiggyStardust »

Vinter hat geschrieben: 28. Okt 2019, 19:15 Richtig. Der Thread lief bislang sehr gut, daher bitte nicht auf diesen (substanzlosen) Seitenpfad gegenseitiger Schuldzuweisungen und Provokationen abbiegen. Es geht hier um einen rechtsextremen Anschlag mit zwei Todesopfern, bitte verhaltet euch entsprechend und bleibt beim Thema. Weitere Beiträge in diese Richtung werden kommentarlos entfernt.
Aber wäre es nicht interessanter darüber zu diskutieren, wie es den Rechten gelungen ist, dass sich weiße Deutsche als verfolgte Minderheit fühlen, obwohl alle Statistiken dagegen sprechen? Über die Ästhetik des Anschlagsvideos hier im Detail zu sprechen finde ich hingegen eher pietätlos. Das "Warum" ist doch spannender als das "Wie".
Andre Peschke hat geschrieben: 29. Okt 2019, 08:39
snoogie hat geschrieben: 29. Okt 2019, 06:26 Danke liebes Team für den Podcast, fand ihn sehr wichtig. Danke auch an Christian Schiffer für andere Perspektiven, hat als Gast super gepasst.
Mal zwischendrin auch Danke an alle, die sich die Zeit nehmen einfach mal sowas zu schreiben. Ohne euch kommt man sonst schnell in so einen Tunnel, wo man denkt: "Jesus, alle finden es scheiße und ich dachte eigentlich, das war gut! Wäääh!". Und dann hört man wieder den ganzen Abend nur "Losing my mind" von Liza Minelli und futtert das Salted-Caramel-Eis mit dem Esslöffel direkt aus der 3-Liter-Packung...

Andre
Ja, gut, letzteres wäre vielleicht so oder so passiert, aber das tut nichts zur Sache!
Ist das bei einem so kontroversen Thema nicht absehbar, dass man es nicht allen Recht machen kann? Bei 99% der Podcasts fällt das Feedback ja überwiegend positiv aus.
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Vinter
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Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von Vinter »

ZiggyStardust hat geschrieben: 29. Okt 2019, 14:13 Aber wäre es nicht interessanter darüber zu diskutieren, wie es den Rechten gelungen ist, dass sich weiße Deutsche als verfolgte Minderheit fühlen, obwohl alle Statistiken dagegen sprechen?
Nein. Das führt erwartungsgemäß nur zu jeder Menge Relativierungen. Die Erzählung von Rechtsextremisten ist traditionell eine, in der sie die Opferrolle einnehmen. Diese Legendenbildung müssen wir nicht unterstützen. Außerdem führt das nur zur Eskalation des Threads. Belassen wir es dabei, okay?
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monieu
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Registriert: 20. Feb 2018, 00:46

Re: Runde 238: Der Anschlag von Halle und die Videospiele (ft. Christian Schiffer)

Beitrag von monieu »

Da ich keine Details über den Anschlag in Halle kannte, war ich gespannt inwiefern sich aus dem Täterhintergrund ein Zusammenhang mit der Spieleszene ergibt. Wie im Gespräch herauskam war dieser im Wesentlichen nicht gegeben. Ich fand es sonst gut, manchmal passt eben nur der Aufhänger zum Thema des Podcasts und zumindestens für die Einschätzung war die Expertise hier sicherlich hilfreich. Aufgrund der gegenüber sonst deutlich politischeren Natur der Diskussion, gab es natürlich etliche Stellen, wo ich irgendwelche Einwände hatte, aber die Hälfte davon habe ich schon wieder vergessen und beim Rest müsste ich die Stellen raussuchen, um den Wortlaut nachzuhören.

Also nur ein paar Gedanken zu den Stichworten:

1) Am Anfang gab es eine kleine Verteidigung von Horst Seehofer, dass zumindestens die Beobachtung auch in der Spieleszene Sinn ergibt. Aber auch das scheint mir, selbst wenn der Bezug nicht eher dünn bzw. oberflächlich wäre, nicht zu verteidigen. Er hat nicht von "in der" "Gamer-Szene" sondern von dieser als Ganzem gesprochen. Zumal Strafverfolgungsbehörden sollen Straftäter und in einem gewissen Maße potentielle Straftäter verfolgen, sie sollen eigentlich keine Szenen beobachten - das gehört zu den Aufgaben von fragwürdigen Einrichtungen wie Inlandsgeheimdiensten - es ist lediglich so, dass Ermittlungen in einem bestimmten Milieu dafür gelegentlich notwendig sind.

Die Spieleszene, selbst die "Gamer-Szene", wenn man das vielleicht eher als Ausschnitt versteht, zeichnet sich durch eine Vielfalt von Foren und Plattformen aus, und umfasst natürlich auch eine sehr große Zahl Menschen. Sie zeichnet sich meiner Erfahrung nach auch dadurch aus, dass sie in großen Teilen unpolitisch ist, womit ich sagen will, sie steht politisch einem status quo nahe. Würde Seehofer das wirklich meinen, wäre es eine komplette Ressourcenverschwendung, dieses Milieu "in den Blick" zu nehmen. Zumal mit Bezug auf diese Art von Tat kann es nur um einen kleinen Ausschnitt gehen und von dem, was ihr erzählt habt, sind Computerspiele gerade in diesem Fall nur eine Teilmenge des szenischen Gemischs. Mit anderen Worten auch in seiner Nachbesserung vermittelt Seehofer ein schiefes Bild.

2) Die Ästhetik der Inszenierung war der (eine?) relevante Anknüpfungspunkt zur Spieleszene. Ich konnte Andres Einwänden viel abgewinnen, dass Ähnlichkeiten auch darin begründet sein können, weil "Probleme" ähnlich gelöst werden. Ich denke darüberhinaus, es handelt sich auch um life imitates art imitates life. Aber sagen wir ruhig, es wäre eine bewusste Inszenierung einer Spielästhetik. Wenn wir mal einen Vergleich ziehen mit einer (nicht-terroristischen) politischen Äußerung orientiert an einem anderen Medium, wir kämen nicht auf die Idee die Begründung für die Aktionen der Hedonistischen Internationale im Medium Theater/performance zu suchen. Aber man könnte durchaus überlegen, ob sie einem bestimmten Milieu von Künstlern nahe stehen, die in Richtung der Aktionsformen politisch sind oder eine solche Tradition haben.

Nun scheint mir der Täter in diesem Fall einem Milieu nahe zu stehen, dass Tabulosigkeit zelebriert und zu den gebrochenen Tabus zählt insbesondere Fantasien realer Gewaltakte (im Gegensatz etwa zu spielerischen) gegen Feinde mitzuteilen. Ich denke, selbst der missgünstigste äußere Beobachter wird zugeben müssen, dass das nicht die "Gamer-Szene" ist. Tatsächlich würde ich an die erwähnte Tendenz zum status quo nochmal anführen: Das betrifft die Spieler, aber es betrifft auch die Macher von Spielen. Die allermeisten Vorwürfe gegen den mainstream von Spielen liegen doch darin, dass sie eine unhinterfragte Konventionalität vermitteln. Darstellungen von Gut und Böse, legitimen und illegitimen Handlungen, Gruppen und ihren Akteuren mittels Stereotypen und auch dementsprechende Weglassungen. (Für eine kapitalintensive Unterhaltungsindustrie natürlich in keiner Weise überraschend.) In diesem Umfeld wäre ein Spiel mit einem manipulativen, jüdischen Banker als Antagonist im Hintergrund eine Aberration, dagegen (im deutschen Kontext) das Wegzensieren einer Holocaustreferenz, weil sie zur kontrovers ist, völlig konform.

3) Den Anknüpfungspunkt gamification halte ich tatsächlich für irrelevant. Hauptsächlich, weil gamification meines Erachtens eigentlich für die meisten Anwendungen der falsche Begriff ist. Vielleicht auch der Grund, warum Christian von nudging sprechen wollte. Gamification impliziert, dass man aus einer Alltags-/Ausbildungs-/Berufssituation ein Spiel macht. Meistens geht es aber darum Anreiz für ein bestimmtes definiertes Verhalten zu geben. Die "gamification" am Urinal soll dazu führen, dass der Urinstrahl einen Punkt möglichst genau trifft, es soll keine Einladung sein spielerisch Figuren zu zeichnen oder so. Aber nicht nur freies Spiel sondern auch games, also formalisierte Spiele, eröffnen einen Möglichkeitsraum oder variieren zumindestens die Art der Herausforderung. Tatsächlich steht eine spielerische Aufbereitung also oft dem Ziel entgegen zu -einem- optimalen Verhalten zu animieren. Es mag im gamification-Bereich ein paar Beispiele geben, wo man wirklich ein Spiel erzeugt, also etwa alle Lernspiele. Aber meistens ist gamification eigentlich der Verkauf von simplen feedback-Mechanismen als "real life"-Spiel und das lässt sich in der Tat besser verkaufen als etwa nudging, was doch recht stark mit Manipulation assoziiert ist. Sportification oder Feedbackifizierung wären zutreffender.
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