Ich stecke derzeit mehr oder weniger in Selbstisolation, abgesehen von Spaziergängen mit dem Hund und daher kaufe ich schon wieder Videospiele
Verdammte
Corona- Frühlingssales.
The Touryst
The Touryst ist so ein richtig nettes kleines Spiel, in dem man Urlaub macht. Ich merke, wie ich ihn letzter Zeit mehr und mehr auch Spiele zu schätzen weiß, die nicht auf Konflikt setzen oder in denen Konflikt nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt und The Touryst ist eines davon.
Als Tourist mit Hawaiihemd und Pornobart erforscht man auf der Nintendo Switch eine Reihe kleiner Voxelinseln. Eigentlich geht es darum, dass man in ein altes Monument crasht und dann auf eine Quest geschickt wird, auch die übrigen Monumente zu besuchen. Diese Monumente kann man sich vorstellen wie einen kleinen Puzzledungeon: Ein paar Räume, nichts wirklich langwieriges, in dem man kleine Rätsel- und Geschicklichkeitspassagen lösen muss.
Diese Puzzledungeons sind aber gar nicht unbedingt der Hauptreiz des Spiels oder gar der Fokus. Stattdessen erforscht man die (kleinen!) Inseln und kann dort zahlreiche (Neben-)Quests, Puzzles und Geschicklichkeitseinlagen lösen, die alle irgendwie damit zu tun haben, was man als Tourist halt so macht. Man schießt Fotos. Man fährt Kanu. Man geht in die Disco und in die Spielhalle. Man trommelt mit Ureinwohnern. Das sind aber nicht einfach irgendwelche Nebenaktivitäten, die man freiwillig erledigt, als würde man bei GTA zum Bowling gehen, sondern die werden als Teil der Quests verpackt. Ich hab erst nach einer Weile gecheckt, das ich hier im Grunde total entspannt "Urlaub" mache, weil einen das Spiel gut leitet. Dabei ist das Spiel aber immer kinderleicht und wenig frustrierend, so dass es tatsächlich so ein wenig wie Ablenkung vom Alltag funktioniert.
Das coole ist, mit wie viel Liebe zum Detail all diese Aktivitäten umgesetzt sind: Das Spiel hätte vermutlich auch als reiner Puzzledungeoncrawler funktioniert - hätte man halt die Dungeons größer gemacht und in den Fokus gerückt. Stattdessen gibt sich der Entwickler aber Mühe, all diese Touristenaktivitäten abwechslungsreich zu gestalten. Um Kanu zu fahren muss man mit dem linken und rechten Schultertrigger "paddeln". Beim Trommeln mit den Ureinwohnern spielt man so ein kleines Rhythmusspiel wie bei Guitar Hero. In der Spielhalle kann man Breakout und F-Zero spielen.
Gleichzeitig hat das Spiel diese wirklich flauschige, nette Voxeloptik. Alles besteht aus kleinen Würfeln, aber mit coolen Lichteffekten und hohem Detailgrad. Man kann sich auf Bänke setzen und entspannen. Wenn man eine Dusche anmacht, strömen da blaue Wasserwürfel hinaus. An den Klimaanlagen wehen Bindfäden und beim Schwimmen findet man Flaschenpost. The Touryst ist so eine richtig schön unkomplizierte, unstressige Spielerfahrung. Virtueller Urlaub halt.
Dark Devotion
Dark Devotion ist so ziemlich das totale Kontrastprogramm zu The Touryst, denn es ist ein kampffokussierter Nahkampfsidescroller mit düsterer 2D Pixeloptik und religiösen Untertönen
Wenn ich jetzt sage "Metroidvania meets Roguelike", dann rollen die meisten vermutlich mit den Augen. "Metroidvania meets Roguelike" hilft zwar, um augenblicklich eine erste Idee vom Spiel zu vermitteln, dennoch hat man bei der Beschreibung vermutlich eine falsche Vorstellung von der Spielerfahrung, denn wie diese beiden Genres in Dark Devotion gemischt werden, ist ziemlich einzigartig und habe ich zumindest so noch nicht gesehen. Doch um das zu erklären, muss ich erstmal ausholen.
Zunächst einmal: Eigentlich ist das gar kein Metroidvania. In einem Metroidvania hat man ja immer das Element, dass man auf ein Hindernis stößt, dass sich nicht überwinden lässt, bis man irgendwo in der offenen Spielwelt eine neue Fähigkeit erhält, mit der man das Hindernis überwinden kann. Und dieser Aspekt fehlt bei Dark Devotion komplett: Es gibt zwar die verschachtelte Welt, aber keine neuen Fähigkeiten. Auch völlig konträr zu üblichen Metroidvania-Konventionen: Man kann nicht springen. Insofern erinnert Dark Devotion von der Struktur her eher an ein 2D Dark Souls. (Noch so ein Reizwort).
Auch an Dark Souls erinnert der Fokus auf Nahkampf: Man findet neue Rüstungen, neue Waffen und bekämpft Gegner, die mit vergleichsweise langen und telegraphierten Angriffen hohen Schaden verursachen. Man kann Ausweichen, Blocken und hat auch eine Ausdauerleiste, die beim Angriff, Block und Ausweich sinkt. Man bekämpft kleine Gegner mit unterschiedlichen Angriffsmustern und trifft (natürlich!) immer wieder auf große Bosse.
Ganz wichtig an dieser Stelle zu erwähnen ist, dass die Welt nicht prozedural aufgebaut wird, sondern man sich durch die immer selben, handgemachten Dungeons schlägt! Denn spannend wird es nun, wenn das Spiel die Roguelites-Elemente einbaut, denn nach dem Tod verliert man seine Ausrüstung, spawned im Hub der Spielwelt erneut und beginnt "quasi" von vorne. Das klingt frustrierend und auch ich fand das erstmal sehr irritierend, aber ich hab dann schnell begriffen, warum das cool ist, doch um zu diesem zentralen Twist beim Spielgefühl zu kommen, muss ich noch genauer erklären, wie der Gameplay-Loop funktioniert.
Dark Devotion setzt noch auf ein weiteren Aspekt moderner Roguelites: Freischaltkram. Im zentralen Hub gibt es einen Schmied, der einen nach dem Tod immer wieder mit neuer Ausrüstung versorgt. Auf seiner Reise durch die Dungeons findet man immer mal wieder Waffen, etwa von Bossen, die man sich anschließend nach seinem Tod vom Schmied (gratis, kein Craftingsystem!) herstellen lassen kann. Darüberhinaus gibt es eine Währung, mit der man seinen Charakter dauerhaft verbessern kann. Außerdem findet man immer wieder Portalschreine, zu denen man sich nach seinem Tod teleportieren kann und einige andere Elemente beständigem Fortschritts.
Man fängt also nach dem Tod tatsächlich nicht wieder "ganz" von vorne an, sondern erzielt immer irgendwie Fortschritt, sei es bei der Charakterentwicklung, bei der Reise durch die Dungeons oder beim Ausbau der Services im Hub. Trotzdem wird der Tod hart bestraft, weil man sich beim Schmied immer nur ein Waffenset herstellen lassen kann, man aber im Dungeon weitere Waffen aufsammeln und so ein zweites Set zusammenstellen kann, um flexibler zu sein, etwa einen Bogen. Auch verliert man bessere Rüstung, seine aufgesammelten Consumables etc.
Außerdem erhält man im Dungeon immer mal wieder sogenannte Segen. Das sind im Prinzip Buffs, kleine Modifikatoren, welche die eigene Spielfigur aufwerten und die in ähnlicher Form mittlerweile in fast jedem Roguelite sieht. Sie sorgen dafür, dass sich die einzelnen Runs immer etwas anders anfühlen und das man andere Spielstrategien ausprobiert. Es gibt etwa Segen, welche die Ausdauer schneller regenerieren lassen. Es gibt Segen, mit denen man schneller rennen kann. Es gibt Segen, welche die Spielfigur vollständig heilen, wenn sie einen neuen Raum betreten. Und auch die Segen verliert man nach dem Tod.
Und wenn man nun diese beiden Elemente kombiniert, die feststehende, unverändliche Spielwelt, der dauerhafte räumliche Fortschritt des Spielers und die volatile Stärke der Spielfigur, die beim Tod Ausrüstung, Segen und Co verliert passiert etwas spannendes und unerwartetes: Die Spieldynamik verändert sich völlig.
In einem echten Roguelite hat nichts eine Wert: Ein Run dauert 15, vielleicht 20 Minuten, danach ist alles vorbei: Der Spielfortschritt dahin, die Ausrüstung fort, die Spielwelt eine neue. Ob und wie weit man kommt, hängt zu einem guten Teil auch vom Glück ab: Kriegt man die coolen Waffen, die starken Modifikatoren, oder muss man sich mit unterwältigender Ausrüstung dem nächsten Tod entgegen kämpfen? Auch sind die Spielwelten naturgemäß nicht spannend, weil sie nicht handdesigned sind, sondern aus dem Algorithmus kommen: Sie sehen immer gleich aus, es lohnt nicht, sie zu erforschen und man sieht jeden Abschnitt zig Male, weil man immer wieder mit seiner Startausrüstung auf Level 1 beginnt. Dadurch, dass man weiß, dass in einem Roguelite nichts von Dauer ist, wird man auch tollkühn: Man spielt dutzende, vielleicht hunderte Runs und wenn man stirbt, fängt man halt von vorne an. Es kümmert einen nicht.
In Dark Devotion ist das anders: In Dark Devotion hat man das Gefühl von Fortschritt. Man beginnt nicht immer wieder von vorne, sondern kann sich durch die Portalschreine immer wieder bis (fast) zur Stelle des letzten Todes teleportieren. So nutzen sich die Umgebungen nicht ab, weil man zwangsläufig Fortschritt erzielt, neue Teile des Dungeons freischaltet, neue Levelumgebungen sieht, neue Feinde. Gleichzeitig hat man, anders als in einem gewöhnlichen "Metroidvania" oder vergleichbaren Spielen aber auch Angst vor dem Tod. Man WILL nicht sterben, denn dann die Strafe dafür ist hoch: Man verliert seine starken Segen, all seine gesammelten Consumables, seine Zweitwaffe. Weil man in Dark Devotion echte Fortschritte erzielt, will man weiterkommen und es ist einem nicht egal, was mit der eigenen Spielfigur passiert.
Daher wird man extrem vorsichtig: Man wägt ab. Guckt genau, was in dem Abgrund vor einem lauert: Fiese Stacheln? Unbekannte Gegner? Plötzlich aulösende Fallen? In Dark Devotion geht es um etwas, man klammert sich an seinen Fortschritt, ohne, dass das Spiel zu unberechenbar und "egal" wird, ohne, dass man angesichts des unvermeidlichen, totalen Verlustes wie in einem Roguelite abstumpft und der Tod zur Gewohnheit wird.
Hinzu kommt eine weitere Mechanik, die im Grunde nur die Umkehrung der Segen ist, die aber extrem effektiv wird: Verletzungen. Das sind Debuffs, die man möglicherweise(!) für Fehler erhält. Man kann verletzt werden, wenn man in eine Falle läuft, wenn man zu tief fällt oder wenn man im Kampf eine Wunde davonträgt. Verletzt zu sein heißt, dass sich vielleicht die Ausdauer nicht mehr so schnell regeneriert. Oder man benötigt wegen gebrochener Knochen nach dem Ausweichen eine kurze Pause. Oder man blutet bei jedem Schritt und muss schnellstmöglich einen Weg finden, sich zu verarzten. Wichtig ist: Man KANN sich Verletzungen zuziehen, aber das ist nicht zwangsläufig der Fall. Diese Mechanik führt genau wie der drohende Verlust der Segen und Ausrüstung dazu, dass man sich noch vorsichtiger, noch umsichtiger verhält und jederzeit genau abwägt, was man tut.
Dark Devotion ist dabei gar nicht so ein kampflastiges Spiel wie ein normales Roguelite. Auf dem Weg vom ersten zum zweiten Boss habe ich vielleicht(!) 25 Gegner besiegt - anstatt hunderte, wie etwa in Dead Cells. Und auch da liegt ein zentraler Unterschied: Ein Roguelite will dich immer umbringen, der Tod ist die zentrale Mechanik des Genres. Dark Devotion will das nicht. Es macht es einem zwar nicht leicht zu überleben, aber wenn man sich darauf einstellt und einlässt, wenn man vorsichtig vorgeht, wenn man langsam ist, kann man problemlos in einem einzigen Run erhebliche Fortschritte erzielen.
Auf diesem Wege erzielt Dark Devotion für mich mit anderen Mitteln wieder so ein klein wenig das Gefühl vom ersten Mal Dark Souls, wo ich noch zitternd und bibbernd um jede Ecke geschlichen bin, um dem Tod so lange wie möglich ein Schnippchen zu schlagen.
Sowohl The Touryst als auch Dark Devotion sind im aktuellen Sale auf der Nintendo Switch zu haben für 13.99€ bzw. 9.99€