The Last of Us 2

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Andre Peschke
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Andre Peschke »

ingonaut hat geschrieben: 1. Jul 2020, 12:23 Ganz kurz noch zu dem C hätte ja direkt mit X mitgehen können und wäre dann ohne Zufall dabei gewesen: So wie ich das aus der Story des Spiels gelesen hatte, wollte C ja explizit eben nicht mehr mit X auf Patrouille gehen und ich hatte das auch so verstanden, dass zweier-Teams der normale Zustand sind. Aber genug dazu, ich verstehe was du sagst, ich gehe nur nicht ganz mit. ;-)
Klar. Aber wir waren uns ja schon einig, dass das alles konstruiert ist, also nichts von dem so sein MUSS, wie es ist. Man kann als Autor auch sagen "Es sind Dreier-Teams und das sie in ein Team gezwungen werden ist gerade interessant und gibt uns Zeit, diesen Konflikt besser aufzubauen".

Mir geht's nur darum, dass es echt keines Genies bedarf die genannte Verkettung von Zufällen zu vermeiden und die gewünschte dramatische Situation herzustellen. Und da es auch darum geht, welche Prioritäten ein Autor hat: Wenn die anders verteilt sind, dann entscheidet er sich eben, dass Person C nicht anwesend sein kann, weil er diese Konstellation eben nicht mit der Brechstange herstellen will und ihm seine anderen, vorher gesetzten Gegebenheiten zu wichtig sind, um an dieser Stelle Änderungen vorzunehmen. Darüber, wie ein Autor diese Abwägungsentscheidungen trifft, sind ja gerade erst Rückschlüsse auf seine Prioritäten möglich.

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Amadeus
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Amadeus »

Bezüglich Handwerk als Begründung für Meisterwerke:
Viele Malerei Absolventen einer Kunsthochschule können einen Picasso, Van Gogh und Monet malen. Alle Absolventen beherrschen das Handwerk des Malens deutlich besser als die genannten.

Die wenigsten davon kreiieren aber je ein Meisterwerk in ihrem Leben.
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Asphyx
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Asphyx »

Andre Peschke hat geschrieben: 1. Jul 2020, 10:08 Kurzfassung: Ich will nicht in Abrede stellen, dass das eine bedauerlich typische Erfahrung ist. Es reiht sich nur ein in eine Abfolge von erzählerischen Entscheidungen, die unoriginell sind. Es ist kein Problem von "das ist unglaubwürdig", es ist ein Problem von "erzähl mir doch mal was neues" - erst Recht in einer Welt in der sich unsere gängigen Normen ja ziemlich aufgelöst haben. Und dabei wiegt dieser Einzelfall nicht schwer, es ist die Masse und er ist nur ein weiteres Beispiel.
SpoilerShow
Das meinte ich ja damit, als ich sagte, mir werden hier etwas zu hohe Ansprüche angelegt, bzw. dass es halt leicht ist, zu sagen "das ist aber unoriginell", solange man es nicht besser machen muss. Mag ja sein, dass - um beim konkreten Beispiel zu bleiben (ich hab schon verstanden, dass du von einem Gesmateindruck sprichst) - die Nichtakzeptanz einer transsexuellen Person durch ihre Umgebung für dich nichts Neues ist. Du hast ja auch selbst darauf hingewiesen, dass bei jemandem mit großer Medienerfahrung solche Kritikpunkte vermutlich schwerer ins Gewicht fallen als bei jemandem, der in dieser Hinsicht weniger beschlagen ist (auch wenn es bei mir trotz großer Medienkompetenz dennoch deutlich besser funktioniert hat). Aber sag mir mal ein anderes Spiel, das sowas schon mal gemacht hat? Insbesondere ein Triple-A-Titel eines amerikanischen Studios? Nenn mir ein anderes Spiel, das sich soviel Mühe gibt, eine komplexe Geschichte mit so schweren Themen und sovielen wenn schon nicht superoriginellen, dann doch zumindest glaubwürdigen Charakteren zu erzählen. Und damit es nicht auf das Argument "Aber für ein Spiel..." hianusläuft: was war der letzte Film oder das letzte Buch in deinem Leben, wo du dir dachtest "Wow, SO hab ich das noch nie erzählt bekommen!"? Wie gesagt, ich will gar nicht abstreiten, dass die eine oder andere Szene oder Figur originalitätsmäßig keine Bäume ausreißt, aber es ist immer noch TLOU2, nicht Tolstoi. Und ich nehme an, im Gesamteindruck blieben bei mir halt die dutzenden aufgezählten Nickeligkeiten (von Sebastian auch gerne mit einem emphatischen "Mein Gott!" o.ä. kommentiert), auch wenn jede für sich vielleicht kein großes Drama war, eher hängen als das durchaus vorhandene, aber in der Gewichtung vielleicht seltenere Lob.
Um mal einen direkten Vergleich anzustellen: in der aktuellen Wertschätzung zu Desperados 3 von Dom und Ralf werden auch einige Kritikpunkte genannt, aber ohne jetzt eine Diskussion aufzumachen, welches Spiel das insgesamt gelungenere sein mag, wurde mir da deutlicher herausgestrichen, dass das verhältnismäßige Kleinigkeiten in einem ansonsten herausragenden Spiel sind. In der TLOU2-Besprechung kam das bei mir etwas anders an. Aber ich will da nicht länger drauf herumreiten, so wichtig ist es dann auch nicht, und meinem persönlichen Genuss tut es auch keinen Abbruch. ;)
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Heretic
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Heretic »

Amadeus hat geschrieben: 1. Jul 2020, 13:41 Bezüglich Handwerk als Begründung für Meisterwerke:
Viele Malerei Absolventen einer Kunsthochschule können einen Picasso, Van Gogh und Monet malen. Alle Absolventen beherrschen das Handwerk des Malens deutlich besser als die genannten.

Die wenigsten davon kreiieren aber je ein Meisterwerk in ihrem Leben.
Aber vielleicht hat der ein oder andere Absolvent der Kunsthochschule tatsächlich ein Meisterwerk erschaffen, dem aber die nötige Anerkennung aus welchen Gründen auch immer versagt bleibt? Man weiß es nicht... ;)
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XfrogX
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von XfrogX »

Sind wir wieder bei für ein Spiel ist es ganz gut? Mehr darf man nicht erwarten? Wenn alle diesen Anspruch hätten wären wir immer noch bei Mario rettet die Prinzessin. Das war damals auch mal für ein großes Spiel ganz gut. Als überspitztes Beispiel.

Kann eine Geschichte einen erreichen ohne perfekt zu sein, klar sehr gut sogar. Aber sollte man deswegen aufgeben sich zu wünschen das es noch besser werden könnte? Ich glaube nicht, den dann tritt man auf der Stelle.

Ja Last of us halt als Serie sicherlich in einigen Punkten was erreicht und fand das kam auch im Podcast sehr gut rüber. Will ich deswegen das die Schwächen kleiner gemacht werden? Nicht mehr gut erläutert, nein das wäre fatal und ist meiner Meinung nach genau das Problem warum heute Wertungen kaputt sind.
Voigt
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Voigt »

Asphyx hat geschrieben: 1. Jul 2020, 14:00 Wie gesagt, ich will gar nicht abstreiten, dass die eine oder andere Szene oder Figur originalitätsmäßig keine Bäume ausreißt, aber es ist immer noch TLOU2, nicht Tolstoi.
Ist nich gerade das nun der Punkt worüber wir reden? Es ist nunmal kein Tolstoi Meisterwerk, sondern einfach nur gut.
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Andre Peschke
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Andre Peschke »

Asphyx hat geschrieben: 1. Jul 2020, 14:00
SpoilerShow
Das meinte ich ja damit, als ich sagte, mir werden hier etwas zu hohe Ansprüche angelegt, bzw. dass es halt leicht ist, zu sagen "das ist aber unoriginell", solange man es nicht besser machen muss. Mag ja sein, dass - um beim konkreten Beispiel zu bleiben (ich hab schon verstanden, dass du von einem Gesmateindruck sprichst) - die Nichtakzeptanz einer transsexuellen Person durch ihre Umgebung für dich nichts Neues ist. Du hast ja auch selbst darauf hingewiesen, dass bei jemandem mit großer Medienerfahrung solche Kritikpunkte vermutlich schwerer ins Gewicht fallen als bei jemandem, der in dieser Hinsicht weniger beschlagen ist (auch wenn es bei mir trotz großer Medienkompetenz dennoch deutlich besser funktioniert hat). Aber sag mir mal ein anderes Spiel, das sowas schon mal gemacht hat? Insbesondere ein Triple-A-Titel eines amerikanischen Studios? Nenn mir ein anderes Spiel, das sich soviel Mühe gibt, eine komplexe Geschichte mit so schweren Themen und sovielen wenn schon nicht superoriginellen, dann doch zumindest glaubwürdigen Charakteren zu erzählen.
Folgendes:

- Ist es eine komplexe Geschichte? Ich würde sagen: Nein.
- Ich habe nie gesagt, dass die Charaktere unglaubwürdig sind. Ich habe sogar
SpoilerShow
es bei der Szene mit Joel bewusst vermieden, in den Kanon derer einzustimmen, die seine Handlung als Charakter total unglaubwürdig finden, weil "der echte Joel war misstrauisch, der würde das nie machen!". Das sehe ich zB komplett anders: Wir sehen einen Joel, der durch Ellie wieder menschlicher geworden ist. Das war ja genau der Punkt des ersten Teils von TLOU. Ergo ist er vielleicht nicht mehr ganz so 100% auf Verteidigung getrimmt. Und wenn man die ganze Herleitung dieser Schicksalsbegegnung schluckt, dann finde ich es nicht wirklich nötig, dass er denjenigen misstraut, denen er das Leben gerettet hat bzw. die vor wenigen Minuten seinen Arsch gerettet haben.
- Wenn ich sage, die Handlung erscheint mir konstruiert, ist das eher sowas wie das Uncanny Valley des Schreibens. Die Konstruktion ist so unhandlich, dass die Hand des Autors für mich sichtbar wird. Das finde ich schlecht oder zumindest nicht hervorragend. Aus dem gleichen Grund, würde ich übrigens auch "The Irishman" nie als Meisterwerk bezeichnen, weil dort die Puppengesichter der digitalisierten Schauspieler immer wieder meine Immersion zerstören. Ein Meister würde wissen, wo die Grenzen seiner Technologie sind und das zu kaschieren suchen oder andere kreative Entscheidungen treffen statt der digitalen Verjüngung (Steven Spielberg wusste, wo er seine Dinos in Jurrassic Park verstecken muss. Martin Scorsese wusste nicht, wo er seine Dinos besser kaschieren muss. ^^)
- Und die Seltenheit attestiere ich dem Spiel ja. Seltener Mut bei den kreativen Entscheidungen. Es gibt auch nicht viele Versuche, wirklich realistische Charaktere in Spielen zu erschaffen (im Gegensatz zu "glaubwürdig", was IMO immer im Kontext seiner Welt steht. In der Welt von Batman erscheint Heath Ledgers Joker als glaubwürdiger Charakter, aber realistisch ist er nicht).
SpoilerShow
Würde Dina im heutigen Berlin leben, wäre die Frage nach einer Abtreibung berechtigt. In der Welt von TLOU 2 wirft sie bei mir Fragen auf. Umgekehrt: In der heutigen Armee erschiene es völlig unglaubwürdig, dass man die hochschwangere Mel auf Patrouille ins potenzielle Feingebiet schickt. In der Welt von TLOU 2 kann ich mir vorstellen, dass das eine Miliz wie die WLF schulterzuckend zulässt, weil die Personaldecke dünn ist oder ihre Werte und Normen für mich eh zu schwammig bleiben, um das zu hinterfragen. An der Stelle frage ich mich dann nur, was das für den Charakter bedeuten soll. Will sie das Kind nicht? Ist sie derart trotzig? Oder war den Autoren der Ausdruck weiblicher Entscheidungsautonomie in diesem Moment so wichtig, dass ihnen weitere Logik egal war? War es die Dramatik, dass eine Schwangere Frau in Gefahr gerät? --> und so weiter
Und ja, die meisten anderen Versuche solcher "natürlicher" Charaktere gehen gern sogar katastrophal schief (siehe: Fast alle Qunatic Dream Spiele. Übrigens: Bei "Beyond Two Souls" - bei dem ich damals die gleiche Kritik angebracht habe, nur erheblich schärfer, wurden mir ebenfalls die gleichen Vorwürfe gemacht). Aber "das macht sonst keiner" allein bedeutet nicht gut, oder wir müssen alle unsere Beurteilung von "Rape Day" neu überdenken.
- Und "mach's besser" war noch nie ein gutes Argument. Kannst du einen besseren Podcast mit einer Spielekritik zu TLOU 2 machen, als ich? Falls nein, darfst du dich dann über die Qualität dieses Podcasts beklagen? (Falls du zufällig wirklich einen besseren Podcast machen kannst, sollte der Punkt trotzdem ankommen. :D)

- Undifferenziertheit in der Kritik verstellt außerdem IMO den Blick auf das Wesentliche. Wenn man einfach nur TLOU 2 in allem total super findet, gehen die eigentlichen Errungenschaften unter. Das ist für mich dann ein Mangel von Kritik (jetzt allein bezogen, auf die professionellen Rezensenten), weil es die Botschaft an andere Entwickler verwässert. Ich finde ein "ich finde zig Punkte nicht perfekt, aber der kreative Mut des Spiels an Punkt A, B und C ist eine solche Wohltat, dass es für mich das Spiel dennoch insgesamt hervorhebt" stärker und klarer, als einfach nur "alles spitze, weiter so!". Wenn der Champion zwischen den Runden in die Ecke kommt, sagt ihm der Trainer auch, wo er nächste Runde noch besser sein kann, selbst wenn er glasklar am Gewinnen ist. "Weiter so", ist nicht unsere Aufgabe (IMO, versteht sich).

Andre
Amadeus
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Amadeus »

Heretic hat geschrieben: 1. Jul 2020, 14:08
Amadeus hat geschrieben: 1. Jul 2020, 13:41 Bezüglich Handwerk als Begründung für Meisterwerke:
Viele Malerei Absolventen einer Kunsthochschule können einen Picasso, Van Gogh und Monet malen. Alle Absolventen beherrschen das Handwerk des Malens deutlich besser als die genannten.

Die wenigsten davon kreiieren aber je ein Meisterwerk in ihrem Leben.
Aber vielleicht hat der ein oder andere Absolvent der Kunsthochschule tatsächlich ein Meisterwerk erschaffen, dem aber die nötige Anerkennung aus welchen Gründen auch immer versagt bleibt? Man weiß es nicht... ;)
Ob das seltene Meisterwerk des Absolventen erkannt wird oder nicht, habe ich Mal offen gelassen.... ;) :lol:

Vielleicht ist Naughty Dog ja ein Inverse Van Gogh?!? :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:
Johpir
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Johpir »

Amadeus hat geschrieben: 1. Jul 2020, 13:41 Bezüglich Handwerk als Begründung für Meisterwerke:
Viele Malerei Absolventen einer Kunsthochschule können einen Picasso, Van Gogh und Monet malen. Alle Absolventen beherrschen das Handwerk des Malens deutlich besser als die genannten.

Die wenigsten davon kreiieren aber je ein Meisterwerk in ihrem Leben.
Naja, jetzt sind wir aber bei Äpfel und Birnen. Und ich würde stark bezweifeln, dass die meisten (geschweige denn alle) Absolventen handwerklich besser sind als die genannten.
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Asphyx
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Asphyx »

Voigt hat geschrieben: 1. Jul 2020, 14:15
Asphyx hat geschrieben: 1. Jul 2020, 14:00 Wie gesagt, ich will gar nicht abstreiten, dass die eine oder andere Szene oder Figur originalitätsmäßig keine Bäume ausreißt, aber es ist immer noch TLOU2, nicht Tolstoi.
Ist nich gerade das nun der Punkt worüber wir reden? Es ist nunmal kein Tolstoi Meisterwerk, sondern einfach nur gut.
Mein Ansatz geht eher in die Richtung: ist es fair, jedes Buch an Tolstoi zu messen (wobei ich den Namen jetzt einfach mal exemplarisch rausgegriffen habe, ich behaupte nicht, dass das der beste Autor aller zeiten war ;) ), auch wenn es weder Tolstoi sein will noch sein kann?
Ich muss da an einen Filmjournalisten meiner Jugend denken, bei dem selbst der beste Horrorfilm der Welt maximal 3 Sterne bekommen hat, weil er offenbar das ganze Genre als minderwertig betrachtet hat. Diese Einstellung will ich Andre und Sebastian auf gar keinen Fall unterstellen, nicht falsch verstehen! Mein Punkt ist: wenn ich z.B. "Der Exorzist" an Fellini und Truffaut messe, kann er im Vergleich nur verlieren. Bloß hat weder der Film den Anspruch, noch sein Publikum die Erwartung, er sei daran zu messen.
Die eigentliche Frage ist doch aber: wie gut funktioniert das Werk als das, was es sein will, und wo steht es im Kontext seiner Peers, d.h. seines Genres? Um wieder auf TLOU2 zu kommen: besser geht zumindest in der Theorie immer, trotzdem würde ich behaupten, dass das Spiel im Kontext seines Genres, seiner Ambitionen und seiner Mitbewerber sehr weit oben anzusiedeln wäre. Wäre es ein vorrangig narratives Spiel (eine Edith Finch meinetwegen), dann ließe ich den Vorwurf mangelnder Originalität oder nicht optimalen Writings eher gelten. Mir fehlt bloß der Hinweis auf ein anderes Spiel, das in diesen Punkten signifikant besser wäre. Wären z.B. die Figuren in RDR2 deutlich glaubhafter und vielschichtiger, oder die Story origineller, und man würde darauf zeigen und sagen: "Da, dieses Spiel hat vorgemacht, wie es besser geht!", dann käme von mir kein Einspruch. Solange dieses Beispiel aber fehlt, ist die Forderung, es müsse besser sein, m.E. eine rein akademische.

Um Andres Beispiel "The Irishman" aufzugreifen: es mag ja sein, dass die digitale Verjüngung der Schauspieler (noch) nicht hundertprozentig glaubwürdig ist (auch wenn sie mir, obwohl ich darum wusste, so gut wie gar nicht aufgefallen ist, bzw. ich sie problemlos ausblenden konnte - anders als z.B. die grauenvolle Nachbildung von Peter Cushing in einem der letzten Star Wars Filme), aber ob man sie so störend findet, dass sie die Wertschätzung für den Film als Gesamtwerk beeinträchtigt, ist bestenfalls subjektiv. Tatsache ist, dass ein Film wie dieser noch vor wenigen Jahren gar nicht machbar gewesen wäre. Früher hat man sich damit beholfen, die jüngere Version eines Darstellers mit einem anderen Schauspieler zu besetzen, der in diesem Kontext mal mehr und mal weniger glaubhaft war (z.B. DeNiro als junger Brando in "Der Pate"). Sowas kann ich aber nur machen, wenn die Zeitsprünge im Narrativ 15 oder 20 Jahre groß sind. Wenn sie aber, wie bei "The Irishman" teils deutlich kürzere Intervalle haben, laufe ich mit dieser Vorgangsweise notgedrungen in Probleme. Wann wäre da der Moment, wo ich von einem Darsteller zum anderen wechsle? Wie jung kann ich einen 77jährigen De Niro schminken, damit er noch glaubhaft wirkt?
Bei einem Film wie "Jurassic Park" konnte man sich mit entsprechend cleveren Kameraeinstellungen und raschen Schnitten an vielen Stellen mit Modellen behelfen, wo das CGI noch nicht so weit war, und bei z.B. "Der weiße Hai" hat man aus der Not des nicht funktionierenden Haimodells eine Tugend gemacht und ihn einfach möglichst wenig gezeigt, aber in einem Film, wo Charaktere ständig miteinander interagieren müssen, funktioniert das so schlicht nicht. Was hätte also Scorsese machen sollen? Den Film komplett anders (d.h. mit viel größeren Leerstellen) erzählen? Ihn gar nicht machen? Nochmal 10 Jahre damit zuwarten, obwohl er selbst und alle seine Hauptdarsteller allesamt um die 80 sind? Und wo wäre da ein vergleichbarer Film, der dieselbe Ambition deutlich besser umsetzt? Für mich persönlich ist "The Irishman" ein Meisterwerk, weil seine vielen Stärken für mich seine wenigen Schwächen mehr als aufwiegen (und auch der war mir übrigens nicht zu lang :lol: ), und dasselbe gilt für mich bei TLOU2.

Das verkommt jetzt aber langsam wirklich zu einer spitzfindigen philosophischen Diskussion, die wir an dieser Stelle nicht weiter treiben müssen. Ich hoffe dennoch, ich konnte zumindest ein bisschen nachvollziehbar machen, woher meine Kritik kommt. Wie gesagt, ich kann gut damit leben, wenn jemand TLOU2 nicht als so hervorragend empfunden hat wie ich es tat. Mir geht keiner dabei ab, die Kritikpunkte von Andre und Sebastian zu zerpflücken, und ich habe ihre Besprechung keinesfalls als durch die Bank unfair oder schlecht empfunden. Es war mehr so ein Gefühl, dass mir die Messlatte an einigen Stellen willkürlich hoch gelegt wurde, ohne zugleich ein konkretes Beispiel zu benennen, wo es schon mal besser gemacht worden wäre. Ich fühlte mich zuweilen ein bisschen an die legendäre Anekdote über Jörg Langer erinnert, der ihm zum Redigieren vorgelegte Artikel mit dem Vermerk "Nochmal anders und besser" zurückgegeben haben soll. Das mag ein ehrlich empfundener Anspruch sein, es ist aber auch ein schmerzhaft unkonkreter. ;)
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Andre Peschke
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Andre Peschke »

Asphyx hat geschrieben: 1. Jul 2020, 18:10(und auch der war mir übrigens nicht zu lang :lol: ),
Um Gottes Willen, DOCH!1111 Dieser selbstverliebte Altherren-Kaffeekranz *murmelmurmelfluch*

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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Voigt »

Finde das aber interessante Grundsatzdiskussion über Wertungen, sogar Wert einer eigenen Podcast Folge. nudge nudge.
Aber klar Folge über Wertungen gab es schonmal.

Ich bin aber auch eher Anhänger von einer absoluten Wertungsskala. Daher nicht, der Hersteller hat das beste gemacht was zu dieser Zeit möglich war, weil das klingt für mich immer so: Naja ist zwar nicht gut, aber er hat sich ja bemüht!

Für mich isses eher, ist das erstellte gut oder nicht, bzw wie gut ist es. Unabhängig von Randbedingungen. Manchmal können die schlechten Randbedingungen ja als Vorteil umgedreht werden.

Ein Produkt kann "sehr gut für die damalige Zeit sein" aber halt nicht absolut gesehen sehr gut sondern einfach nur gut.
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Soulaire
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Soulaire »

für mich ist TLOU 2 ein reines Popcorn-Spiel, was zum Beispiel Harry Potter für die neuere Film-Generation ist (das wird ja zum Ende auch relativ düster). Bei TLOU 2 ist halt nur noch mehr Kitsch drin mit übertriebener Gewalt aus Walking Dead gemischt.
Kann die Vergleiche zu Kunst-Werken aus dem Medium Film wirklich nicht mal ansatzweise nachvollziehen, nicht mal von der Logik oder Motivation dahinter. Vielleicht denkt man krasse Gewalt sei irgendwie ein Punkt den man zwangsläufig mit "Kunst" verbindet? Oder liegt es nur an der hohen Produktions-Qualität? Die ist zugegeben ziemlich beeindruckend. aber sonst?
:think: :think: :think:
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XfrogX
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von XfrogX »

Also muss ein Entwickler nur noch sagen er will ein mittelmäßiges Spiel machen und hat auch nur begrenztes Budget und dann gibts für dieses Spiel Traum Wertungen. Weil er ja das beste gemacht was er wollte und konnte.
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Amadeus »

Die erweiterte The Pod Familie von Dennis Kogel und Marcus Richter haben auch darüber berichtet: :)
Sehr hörenswert. Der Grundtenor ist relativ ähnlich zu der Troika an The Pod Podcasts.
https://indiefresse.org/2020/06/30/desp ... -of-us-14/

Zu Gast war auch Rae Grimm, Head of GamePro. Fand sehr gut und aufschlußreich, was sie zu ihrem Test gesagt hat:
- Man hat das geschrieben, was die Leser von Gamepro.de hören wollen, also sehr positiv und hypend, weniger anspruchsvoll, kritisch und politisch.
- Die meiste Zeit der Testerstellung wurde investiert, um Sony's Wünsche und Bedingungen zu erfüllen.
Auf den mehrfachen Einwurf von Dennis und Marcus, dass dies ja jetzt nicht wirklich journalistisch sei, und man sich mit dem Spielehersteller gemein mache, hieß es, dass man kritische Punkte irgendwann später mal ansprechen könne.
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Asphyx
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Asphyx »

:oops: 8
Andre Peschke hat geschrieben: 1. Jul 2020, 18:26
Asphyx hat geschrieben: 1. Jul 2020, 18:10(und auch der war mir übrigens nicht zu lang :lol: ),
Um Gottes Willen, DOCH!1111 Dieser selbstverliebte Altherren-Kaffeekranz *murmelmurmelfluch*

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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Asphyx »

XfrogX hat geschrieben: 1. Jul 2020, 19:41 Also muss ein Entwickler nur noch sagen er will ein mittelmäßiges Spiel machen und hat auch nur begrenztes Budget und dann gibts für dieses Spiel Traum Wertungen. Weil er ja das beste gemacht was er wollte und konnte.
Das ist eine Verdrehung meines Arguments, und das weißt du auch. ;)
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Asphyx »

Amadeus hat geschrieben: 1. Jul 2020, 19:43 Zu Gast war auch Rae Grimm, Head of GamePro. Fand sehr gut und aufschlußreich, was sie zu ihrem Test gesagt hat:
- Man hat das geschrieben, was die Leser von Gamepro.de hören wollen, also sehr positiv und hypend, weniger anspruchsvoll, kritisch und politisch.
- Die meiste Zeit der Testerstellung wurde investiert, um Sony's Wünsche und Bedingungen zu erfüllen.
Auf den mehrfachen Einwurf von Dennis und Marcus, dass dies ja jetzt nicht wirklich journalistisch sei, und man sich mit dem Spielehersteller gemein mache, hieß es, dass man kritische Punkte irgendwann später mal ansprechen könne.
Wenn sie das echt so gesagt hat, ist es ein Grund mehr, die GamePro nicht zu lesen. Bei so einem Selbstverständnis wird mir schwarz vor Augen...

"Irgendwann später mal" heißt dann wohl "wenn es eh schon alle gekauft haben, (auch) dank unserer 97...". *facepalm*
Zuletzt geändert von Asphyx am 1. Jul 2020, 20:37, insgesamt 2-mal geändert.
Amadeus
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Amadeus »

Johpir hat geschrieben: 1. Jul 2020, 16:31
Amadeus hat geschrieben: 1. Jul 2020, 13:41 Bezüglich Handwerk als Begründung für Meisterwerke:
Viele Malerei Absolventen einer Kunsthochschule können einen Picasso, Van Gogh und Monet malen. Alle Absolventen beherrschen das Handwerk des Malens deutlich besser als die genannten.

Die wenigsten davon kreiieren aber je ein Meisterwerk in ihrem Leben.
Naja, jetzt sind wir aber bei Äpfel und Birnen. Und ich würde stark bezweifeln, dass die meisten (geschweige denn alle) Absolventen handwerklich besser sind als die genannten.
Ob arme Autodidakten vor 250 Jahren, die sich ihre Farbe aus Lebensmitteln selbst zusammengemischt haben, oder fast Erblindete mit Augenkrankheiten, so dass sie Farben nicht mehr erkannten und nicht mehr erkennen konnten, was sie malten, bessere handwerkliche Fähigkeiten in ihren Gemälden angewandt haben, als die jahrelang bestausgebildesten Künstler der Jetztzeit, dies möchte ich nicht unbedingt diskutieren.

Denn genau dies ist der Punkt:
Ein Meisterwerk wird nicht am Handwerk festgemacht.
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Re: The Last of Us 2

Beitrag von Asphyx »

Amadeus hat geschrieben: 1. Jul 2020, 20:23 Denn genau dies ist der Punkt:
Ein Meisterwerk wird nicht am Handwerk festgemacht.
Völlige Zustimmung.
Und bei der Gelegenheit sollte man vielleicht auch noch zwischen persönlich empfundenen und kanonischen Meisterwerken unterscheiden. Bloß weil z.B. irgendwelche Filmkritiker vor Jahrzehnetn "Citizen Kane" zum besten Film aller Zeiten erklärt haben, muss das noch lange nicht für jeden in Stein gemeißelt sein.
(Und bloß weil Andre ein Banause ist, ist "The Irishman" noch lange kein selbstverliebter Altherren-Kaffeekranz. :P Sorry, konnte nicht widerstehen... :lol: )
Zuletzt geändert von Asphyx am 1. Jul 2020, 20:51, insgesamt 1-mal geändert.
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