Natural Selection 2 (2012)
Nach Jahren mal wieder installiert - und es ist so großartig wie eh und je.
Unknown Worlds sind heutzutage vor allem für
Subnautica bekannt, doch ihr Einstieg war eine Mod für Half-Life 1, nämlich Natural Selection (2002). Natural Selection 2 ist der offizielle Nachfolger und Stand Alone-Titel. Habe die Entwicklung seit der Alpha von einem hakeligen Alpha Build bis zum Release verfolgt. Laut Steam komme ich auf 337h Spielzeit. Damit ist's mein meistgespielter Titel. Da kaum einer dieses Kleinod kennt, das Genre selbst eine Nischer innerhalb einer Nische einer Nische ist, und obwohl Petra in ihrem
Gamestar-Test vor 8 Jahren eine ordentliche Wertung mit 82% vergab - ach. Das Spiel verdient schlichtweg mehr Aufmerksamkeit. Hier ein Loblied.
Für wen ist's interessant?
Du magst die Atmosphäre der Alien-Filme und findest deinen würdigen Nachfolger zur AvP-Reihe? Spiel NS2.
Du magst komplexe, taktische und anspruchsvolle Multiplayer-Titel? Spiel NS2.
Du wolltest immer schon wissen, wie sich eine Einheit in einem RTS-Titel fühlt? Spiel NS2.
Du spielst innerhalb einer winzigen Community gerne mit den immerselben Leuten? Spiel NS2.
Du willst als Alien in Lüftungsschächten lungern und an Wänden krabbeln? Spiel NS2.
Du bist lernwillig und frusttolerant? Spiel NS2.
Du besitzt einen PC samt Internetanschluss? Spiel NS2.
So, soviel zum Werbeblock.
Worum geht's?
Natural Selection 2 ist ein reiner Multiplayer-Titel und so genannter RTS-Shooter. Oder ein Strategie-Shooter. Oder sonstwie. Gibt's für das Genre einen definierten Namen? Keine Ahnung. Man stelle sich vor Starcraft 2 (
Echtzeitstrategiespiel) und ein Alien vs. Predator (
Ego-Shooter) haben sich ganz doll lieb. Ihr gemeinsames Kind sähe aus wie Natural Selection 2. Es treten zwei unterschiedliche Teams gegeneinander an, auf der einen Seite die Marines (Frontiersmen) und auf der anderen Seite die Aliens (Kharaa). Das Ziel ist jeweils gleich: das andere Team tilgen. Natürliche Auslese, eben.
Es stehen verschiedene Maps zur Auswahl, die thematisch meist in Raumstationen, Minenkolonien oder orbitalen Außenposten angesiedelt sind. Wer die Aliens-Filme kennt, wird sich sofort wie Zuhause fühlen. Es stehen also Gänge, Korridore, größere Hallen, enge Lüftungsschächte, verwinkelte Tunnel und Räume namens Central Point, Power Conduit, Computer Core oder Launchpad im Mittelpunkt. Die Maps sind groß, verwinkelt und komplex. Praktischerweise kann man jederzeit eine Mini-Map öffnen, was auch dringend notwendig ist. Selbst nach über 300h Spielzeit verlaufe ich mich. Manchmal. Entscheidend ist aber, was die Teams auf den Maps nun tun.
Marines sowie Aliens starten an einem von mehreren möglichen Startpositionen auf der Karte, quasi wie in einem RTS-Titel mit zufälligen Startpositionen. Auch vieles andere dürfte einem aus klassischen RTS-Titeln bekannt sein. Jedes Team startet mit einem Hauptgebäude. Bei den Marines der s.g. "Command Chair", bei den Aliens der s.g. "Hive." Pro Team übernimmt ein Spieler die Rolle des Commanders - und spielt die Partie fortan aus einer isometrischen Perspektive inkl. einem HUD, wie man es etwa in einem Starcraft erwarten würde. Den Commandern stehen je nach Fraktion verschiedene Möglichkeiten offen: sie können offensive und defensive Gebäude errichten, neue Waffen und Fähigkeiten sowie Ugprades erforschen. Das kostet natürlich, und zwar Ressourcen - auch das, wie in einem RTS. Auf jeder Map sind allerlei Ressourcenpunkte verteilt, auf denen entsprechende Gebäude errichtet werden können. Steht so ein Gebäude, erhält das Team fortan regelmäßig Ressourcen. Nicht nur die Commander benötigen die Ressourcen für ihre Arbeit, sondern auch die restlichen Spieler im Team. Denn jedes Tool und jede Waffe für die Marines, oder jede neue Fähigkeit für die Aliens kostet entsprechend.
Sofern man nicht selbst als Commander spielt, sieht Natural Selection 2 aus wie'n normaler Ego-Shooter. Als Marine gilt: wenn's kein Mensch ist, schieße so lange bis es tot ist. Als Alien gilt: wenn es ein Mensch ist, beiße so lange, wie es nicht mehr zuckt. Aber man spielt eben keinen regulären Ego-Shooter, sondern ein Strategiespiel aus der Perspektive eines Ego-Shooters. Dieser Unterschied ist wichtig, denn Mapcontrol, Economy, Ausfälle, Rushes, Pushes - und allerlei andere Strategien und Begriffe aus RTS-Titeln - gelten hier. Auch als regulärer Spieler muss man sich stets bewusst machen, dass das Töten des Gegners nicht Ziel, sondern Mittel zum Zweck ist. Denn solange die Aliens einen Hive besitzen, respawnen sie regelmäßig. Solange die Marines wiederum ein s.g. "Infantry Portal" in der Basis stehen haben, respawnen sie regelmäßig. Gutes Aim ist wichtig, gutes Teamplay und ein Verständnis von Taktik und Strategie aber umso mehr.
Mkay, was ist nun so toll daran?
Natural Selection 2 ist bereits 8 Jahre alt, und das sieht man dem Spiel an. Teilweise. Aber eines kann es, und das ist Atmosphäre. Die Licht- und Schattenstimmung ist weiterhin großartig. Es ist einer der immersivsten Multiplayer-Titel die ich kenne. Beispiel: die Aliens können Gebäude nur auf Creep errichten - wie die Zerg in Starcraft. Entsprechend breitet sich im Laufe der Partie nach und nach der Schleim der Aliens über der Map aus. Als Alien ist's toll, denn es vermittelt ein Gefühl von Sicherheit. Sobald man allerdings als Marine die Matschgeräusche hört, das Licht schummriger wird und am Boden und den Wänden überall Schleim klebt, weißt man: hier wird's gefährlich.
Auch die Marines kennzeichen ihre Areal auf der Map entsprechend, denn die Gebäude der Marines benötigen Strom - ebenso auch das Licht. Entsprechend müssen sie an vorgegebenen Positionen die Stromversorgung errichten, denn erst dann sind ihre Gebäude im Areal funktionsfähig. Die Stromversorgung wiederum ist ein beliebtes Angriffsziel der Aliens, und ist die einmal gekappt, passiert dies: Das Licht fällt komplett aus, für einige Sekunden. Aliens können sich problemlos im Dunkeln orientieren, Marines schalten wiederum panisch die Taschenlampe an und suchen hektisch Wände und Decken nach Feinden ab. Kurz darauf geht die Notfallversorgugn an - und das Areal wird in einem unangenehmen Rot erleuchtet.
Derartige strategische, aber auch atmosphärische, Elemente sind zahlreich. Was die Tiefe und Komplexität angeht, ist dies nur ein Kraten an der Oberfläche. Habe ich erwähnt, dass die Aliens verschiedene Lebensformen freischalten? Das Standardalien, der Skulk, sieht aus wie'n garstiger Hund auf vier Beinen, ist klein, schnell und kann an Wänden und Decken krabbeln, und von den Marines unbemerkt durch Lüftungsschächte kriechen. Andere Lebensformen können fliegen, wiederum andere sich teleportieren. Die Marines schalten nebst Granat- und Flammenwerfen auch Jetpacks frei oder Mech-Anzüge. Die Commander besitzen jeweils verschiedene Fähigkeiten, mit denen sie direkt in den Kampf eingreifen können. Und selbst das kratzt nur an der ersten von vielen Schichten der Oberfläche.
Natural Selection 2 verlangt viel Einarbeitung. Die Lernkurve ist nicht steil, sie geht 90° nach oben. Man muss nicht nur einen Ego-Shooter samt zwei grundverschiedenen Teams und ihren Fähigkeiten, sondern auch die taktische und strategische Komponente lernen, ohne die man nicht nachvollziehen kann, was man sinnvollerweise zu tun hat. Die Community ist eingeschworen und seit über 8 Jahren dabei. Gute Spieler sind wirklich gut. Dann wiederum: das war seinerseits zum Release von Natural Selection als Half Life-Mod nicht anders. Ich begriff nichts, aber die Einarbeitung hat sich gelohnt. Es ist nicht der einzige Spross seiner Gattung, auch andere Entwickler haben in der Vergangenheit die Kombination von RTS und Ego-Shootern versucht, etwa in Form von der
Empires-Mod für Half Life 2 oder der beiden
Savage-Teile. Ich habe da allerlei ausprobiert, kehre aber auch nach 8 Jahren gerne noch zu Natural Selection 2 zurück. Tolles Spiel. Anstatt so'n blödes Subnautica sollen sie lieber hierzu einen Nachfolger entwickeln.