Spiele in der schulischen Ausbildung

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olipool
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Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von olipool »

Auch wenn immer noch die schwelenden Wölkchen der Killerspiel-Debatten zu erahnen sind, Games haben großes Potential in der Wissens- und Kompetenzvermittlung. Dabei sind die ollen Gurken, die Coins für gelöste Matheaufgaben verteilen, nicht diejenigen, die dieses Potential wirklich nutzen. Was können Spiele also leisten, was können sie besser, als traditioneller Frontalunterricht und sollten sie - ergänzend - im Unterricht ihren Einsatz finden?
Polen hat es nun mit "This War of Mine" vorgemacht: https://notesfrompoland.com/2020/06/18/ ... ding-list/

Als Gast würde ich mich über Fabian Fischer (aka Nachtfischer) freuen, der bereits seine Masterarbeit zum Thema Game based learning verfasst hat: https://nachtfischer.files.wordpress.co ... thesis.pdf

Man könnte die Diskussion auch noch weiter aufziehen und fragen, ob nicht Games ein ideales Medium für fächerübergreifende Projekte sind. Jede Klasse erstellt in einem bestimmten Halbjahr ein Spiel und der Unterricht wird in diesen Kontext gestellt. Geschichte, Mathe, Physik, Deutsch, Englisch, Projektmanagement und Teamarbeit (beides nicht ansatzweise ein Fach in Schulen) hätten eindlich einen "Sinn" :D
Zusammenarbeit von verschiedenen Jahrgangsstufen wäre noch die Krönung oben drauf.
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Terranigma
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von Terranigma »

Spannend - und schwierig. Ich arbeite ja an der Schule und es gibt so'n paar Sachen, bei denen ich - mal vorsichtig gesagt! - eine pulsierende Oberader erhalte. Nämlich wenn aus einer Außenperspektive heraus ohne Kenntnis der strukturellen Verhältnisse, der Aufgaben, Zielsetzungen und auch organisatorischen sowie pädagogisch-didaktischen Perspektiven heraus über den Mehrwert von Videospielen im schulischen Kontext gesprochen wird. Womöglich habe ich in den letzten Woche auch nur wieder zu viele "Darum ist das deutsche Bildungssystem so mies"- und "Darum sind alle Lehrer in Deutschland faul"-Artikel im Internet gelesen und reagiere bei diesem Thema derzeit sensibel. :D

Ich finde den potentiellen und realen Mehrwert, die Vor- und Nachteile von Videospielen im schulischen Kontext, aber ebenso auch die Gründe, weshalb sie trotz ihrer Popularität und ihrem steigenden Stellenwert nur wenig Beachtung im Schulwesen finden, ebenfalls sehr interessant. Aber bitte, bitte - alleine um meine Nerven zu schonen: wenn man diese Diskussion führen will - und ich finde dieses Thema echt spannend! - dann bitte auch mit einer Innenperspektive, d.h. jemanden der im Schulsystem unterwegs ist und die Diskussion nebst einem "Wäre es nicht schön, wenn ..." auch erden kann. Gerade auch damit die Diskussion über das Niveau von anekdotischen Erzählungen der eigenen Schulzeit von vor allerlei Jahren hinausgeht, und damit man begründet über den didaktisch (!) Mehwert von Videospielen sprechen kann. Dafür muss man den Stand aktuellen Didaktik kennen. Habe selbst mal mit den Discovery Touren aus "AC:Odyssey" im Geschichtsunterricht eingeschränkt gearbeitet - sehe da auch viel Potential, aber leider auch sehr viele Hürden.


Auf jeden Fall'n spannendes Thema. "This War of Mine" ist da eine schöne Titelauswahl, wobei ich Videospiele - insb. auch nicht konkrete Titel - in den Kernlehrplan als obligatorischen Inhalt setzen würde.
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olipool
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von olipool »

Ja, na logisch möchte ich da alle Perspektiven an einem Tisch sehen. Mir geht es dabei ja nicht um die "coole Sache", dass Spiele nicht mehr Nische sind und ich das früher toll gefunden hätte, in der Schule zu "zocken". Ich würde wirklich gerne eine Weiterentwicklung des Mediums und seiner Einsatzmöglichkeiten sehen und zudem eine bestmögliche Bildung gewährleisten, wo ich Spiele eben als einen Baustein zumindest vermute. Dass Kinder alle 600 Pokemon auswendig kennen aber nicht 3 Komponisten, sie sich in Warenkreisläufen in Anno besser auskennen als bei der Herkunft ihrer Handy-Rohstoffe, das sagt mir einfach, dass bestimmte "Ideen" durch Erfahrung besser vermittelt werden können, als durch Lesen in Textbüchern.

Da ich sicher von aktuellen padagogischen Strömungen/Methoden keinerlei Ahnung habe, wäre ein reines Reinschmeißen von Spiel X auch sehr ineffizient und nicht in meinem Sinne (s.o.). Ich fände es im Gegenteil sehr spannend zu erfahren, was sich im Vergleich zu meiner Schulzeit, die wirklich zum Großteil sehr eindimensional verlief, verändert hat.
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DickHorner
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von DickHorner »

Ach, schön, Kollegen! (?)
Ich denke, Spiel XY im Unterricht zu spielen, ist etwas, das im Sinne pädagogischer Perspektiven zu kurz greift.
Viel gewinnbringender ist es, Spiele zu nutzen, um Lebensweltbezug für die SuS herzustellen und auch Prinzipien aus Games zu nutzen, um das eigene Methodenrepertoire zu erweitern.
Das Thema ist unglaublich vielschichtig und mit Spielen im Hinterkopf lässt sich jedes Unterrichtsthema mit Leichtigkeit für SuS packend und handlungs- bzw. problemorientiert aufbereiten.

Wenn Ihr da interessiert seit etwas Hirnfutter :9) :
https://www.researchgate.net/publicatio ... in_Schulen
https://www.th-koeln.de/mam/bilder/hoch ... games_.pdf
https://www.grimme-medienbildung.de/fil ... lernen.pdf

Und natürlich darf da der Papst der gamification von Unterricht nicht fehlen: Scott Hebert (der übrigens inzwischen auf seiner Homepage sämtliche Bücher, die er zum Thema geschrieben hat und darüber hinaus sein komplettes google drive mit Materialien frei zur Verfügung stellt):

https://www.ted.com/talks/scott_hebert_ ... _education

https://www.mrhebert.org/
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Terranigma
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von Terranigma »

DickHorner hat geschrieben: 14. Jul 2020, 19:25Das Thema ist unglaublich vielschichtig und mit Spielen im Hinterkopf lässt sich jedes Unterrichtsthema mit Leichtigkeit für SuS packend und handlungs- bzw. problemorientiert aufbereiten.
Es motiviert auf jeden Fall, wobei diese Erkenntnis ja an sich recht altbekannt ist: Wettkämpfe, Wettspiele oder allgemein eine spielerische Kontextualisierung ist schließlich kein Novum innerhalb der Didaktik. Aber es ist wohl auch nicht explizit auf Videospiele gemünzt. Mittlerweile gehören so Sachen wie Kahoot, Spiele im Smartboard, o.Ä. was mit relativ geringer technischer Ausstattung bereits möglich ist, wohl zum bekannten Reportoire an Schulen - ... naja, zumindest unter den jüngeren Kollegen. :D


Ich habe mir bzgl. Gamification auch mal "Classcraft" angeschaut, aber obwohl ich selber so'n klassischer Gamer bin: ich tue mir damit schwer. Gamification in der Bildung in diesem Kontext basiert im Prinzip auf denselben Progressionssystemen und Karotten, die mir schon als Spieler in Videospielen recht auf den Senkel gehen. Und die auch in Videospielen spürbare Nachteile mit sich ziehen, denn sobald man jemanden an extrinsische Belohnungen gewöhnt, werden diese auch in Zukunft erwartet. Ich hätte da durchaus Sorge, dass das Einbauen von Progressionssystemen in den schulischen Kontext - insb. weil Progressionsysteme ja auch oft auch ein sichtbares Ranking innerhalb der Klasse abbilden, und dies ggf. Probleme im Sozialen ergeben kann - dass dieser Ansatz recht ... nun, manipulativ ist. In Videospielen finde ich's in Ordnung, da lasse ich mich gerne manipulieren und als Erwachsener kann ich das auch reflektieren und bin mir der Lenkung durch das Progressionsystem bewusst. Wenn man derartige Systeme aber der Idee nach auf Heranwachsende anwendet, die ggf. noch stärker als Erwachsene auf solche Belohnungskarotten reagieren, und dies eine tragende Säule des eigenen Unterrichts ist, nun: bzgl. Gamification in diesem Zusammenhang bin ich skeptisch. Nicht weil ich's nicht für wirksam halte, sondern im Gegenteil. Ich denke, man kann Kinder und Jugendliche damit sehr leicht anfixen. Das finde ich aber nicht unbedenklich.



Ansonsten hier'n paar schöne Positivbeispiele was die Verwendung von Videospielen im Unterricht angeht:
Minecraft im Geschichtsunterricht
Spore im Biologieunterricht

Den Beschreibungen entnimmt man aber auch bereits, welche Hürden sich dabei ergeben. Wenn man Minecraft im Unterricht mit allen Schülern verwenden will, muss es dafür ein Endgerät für jeden einzelnen Schüler geben. Die Schule hatte iPads, was schön ist - eine derartige Ausstattung ist aber eine Ausnahme. Ebenso wurde es an einer Förderschule umgesetzt, wo eine stärkere Handlungsorientierung nicht nur wünschenswert, sondern aufgrund der Schülerschaft teilweise auch notwendiger ist. Die beschrieben Unterrichtsreihe klingt umfangreich, und im regulären Schulalltag müsste man rechtfertigen, weshalb man dem Thema "Limes" eine derartige Gewichtung beimisst, das dieses Thema in wohl etwa 4 Doppelstunden, d.h. 8 (!) Schulstunden unterrichtet. In NRW, wo Geschichte teils ein-/zweistündig unterrichtet wird, würde dies bedeuten, dass man ca. 4 Wochen oder länger nichts anderes tut als in Minecraft den Limes zu bauen.

Das kann gerechtfertigt sein. Solche Leuchtsturmstunden sind schön, genauso wie sich Publisher auch teils Leuchtturmprojekte gönnen, die finanziell wenig rentabel sind. Man siehe etwa Arkane Studios bei Bethesda. Auch für Projektwochen ist das sicherlich eine gute Gelegenheit. Wenn ich aber auf den wöchentlichen Regelunterricht schaue, so glaube ich, dass Videospiele insb. was die Zeitökonomie angeht schlecht abschneiden. Ich denke aber ebenso, dass sie punktuell eine sinnvolle Ergänzung sein können, weil sie halt'n sehr gewinnbringenden Lernzugang eröffnen. Aber das Unterrichtsgespräch, Textarbeit, u.Ä. werden sie nicht ablösen können. Dafür sind sie zu clunky und an zu hohe Voraussetzungen gebunden, die weder an den meisten Schulen noch im schulischen Alltag so existieren.


Ich denke aber als Lehrer kann man auch unabhängig davon, ob man Videospiele im Unterricht anwendet, viel von ihnen lernen. Nämlich wie man Motivation herstellt. Immerhin gelingt's Entwicklern ja wiederholt teils stupide Aufgaben - ernsthaft: selbst Textbucharbeit ist für sich genommen spannender - motivierend zu verkaufen, etwa wenn man die lokale Fauna und Flora auf der Nase nach 15 Wolfsnasen und 10 Großwolfsnasen abgrast. Videospiele bieten Narrative, klare Strukturen sowie einfache "Wenn du X tust, bekommst du Y"-Muster, sie sind emotional aufgeladen und der Spieler besitzt eine gewisse Entscheidungsfreiheit und nimmt sich positiv als Akteur war, der entscheiden kann. Daraus kann man auch unabhängig vom tatsächlichen Einsatz von Videospielen durchaus etwas für'n Unterricht lernen. Ich würde auch sagen, dass ich durchaus einige Learning aus Videospielen und dem Pen&Paper auf den Unterricht übertrage. Und wie ich von Bekannten höre, die auch Nerds und Lehrer sind, ist's bei denen nicht anders.
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olipool
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von olipool »

Danke für den ganzen Input und die Quellen. Viel Lesestoff ist garantiert :)

Nur als kurze Ergänzung: extrinsische Motivation wie Classcraft oder Wettkämpfe etc. funktionieren vielleicht zur Motivation, aber mir geht es primär um verbesserte Wissensvermittlung, was durch erhöhte Motivation ja auch schon passiert, aber intrinsische Motivation wäre da klar besser. Vereinfacht gesagt lernt man nach einer Partie Age of Empires, warum das Anlegen von Feldern die Zivilisation vorangebracht hat. Das funktioniert, weil man es direkt erfahren kann. Es funktioniert, weil Fedbackschleife der Interaktion ein freies Ausprobieren und Bewerten der Handlungen erlaubt (siehe eben auch game based learning im Gegensatz zu gamification, wobei ich in den Termini auch nicht sonderlich firm bin).

Man sollte in der Diskussion natürlich die Rahmenbeingungen wie endliche Unterrichtsstunden und Hardwareausstattung nicht ganz vergessen, aber vielleicht sich diese auch im ersten Schritt ein zu großer Hemmschuh, wenn es um konkrete Umsetzungen geht.

Und nein, ich bin kein Kollege, nur Informatiker mit Liebe für Games und Lernen ;)
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Terranigma
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von Terranigma »

olipool hat geschrieben: 14. Jul 2020, 21:25Nur als kurze Ergänzung: extrinsische Motivation wie Classcraft oder Wettkämpfe etc. funktionieren vielleicht zur Motivation, aber mir geht es primär um verbesserte Wissensvermittlung, was durch erhöhte Motivation ja auch schon passiert, aber intrinsische Motivation wäre da klar besser. Vereinfacht gesagt lernt man nach einer Partie Age of Empires, warum das Anlegen von Feldern die Zivilisation vorangebracht hat.
Jau, verstehe ich. Nun würde ich da aber Folgendes gegenüberstellen: jedes Fach hat pro Schuljahr eine bestimmte Anzahl an Unterrichtsstunden zur Verfügung. Die ergeben sich einerseits durch die Stundentafel, also wie viele Stunden jedes Fach gemäß Schulministerium zu unterrichten ist. Davon sind einige Stunden aufgrund von Ausfällen - Feiertage, Brückentage, Projekttage, Fortbildungen, Klassenfahrten, u.Ä. - abzuziehen. Man kann davon ausgehen, dass von den festgeschriebenen Unterrichtsstunden effektiv nur 75% zur Verüfung stehen. In diesen verbleibenden Stunden ist der vorgeschriebene Lehrplan für das Schuljahr zu erfüllen, der auch die Themen und deren Abfolge vorgibt. Davon ausgehend kann man sich in etwa errechnen, wie viele Unterrichtsstunden einem im Schuljahr zur Verfügung stehen und wie viele Unterrichtsstunden man pro Thema aufwenden kann, z.B. wie viele Stunden hat man für Vorgeschichte, Frühgeschichte (Ägypten), Antike (Griechenland/Rom) und Mittelalter in der 6. Klasse zur Verfügung.

Spoiler: Sehr, sehr wenig! :D

In NRW sind das im Durchschnitt 2x45 Minuten pro Woche, d.h. von August bis Juli nächsten Jahres muss man es mit 2x45 Minuten pro Woche schaffen, dass die Schüler von der Vorgeschichte bis zum Mittelalter kommen. Da's nun nicht darum geht Wissen in Köpfe zu prügeln, sondern die Schüler eben nicht nur "Faktenwissen", sondern auch allgemeine und fachspezifische Fähigkeiten und Methodenkenntnisse - Recherche, Quellenanalyse, Diskussion, Rollenspiel, Projektarbeiten, u.Ä. - in dieser Zeit lernen und anwenden sollen, ist das ein straffes Programm. Schulen entwickeln zur Planung schulinterne Lehrpläne, in denen meistens auch in etwa Angabe für die Stunden pro Thema angegeben werden. Bei mir an der Schule sind für die gesamte griechische und römische Geschichte etwa 32 Unterrichtseinheiten eingeplant, d.h. du hast also - wenn man es gleich gewichten möchte - ca. 16 Stunden für die Einführung in die Antike sowie griechische Geschichte sowie 16 Stunden für die römische Geschichte sowie den Abschluss der Antike.

Das klingt vielleicht nach gar nicht mal so wenig, aber da muss man sich klar machen: die erste Stunde ist ggf. ein Einstieg in die Antike. Danach wird abgeklärt wo's heutige Griechenland liegt, wie's Klima ist. Nächste Stunde macht man den Schritt in die griechische Antike und diskutiert, wie Klima und Umwelt die Lebensbedingungen von Menschen prägen. Danach kommt man auf die Poleis zu sprechen. Zack, schon vier Stunden rum - und damit 1/4 der gesamten Unterrichtszeit für dieses Thema. Es ist wirklich wenig, und selbst für fachliche Vertiefungen ist wenig Zeit. Wenn man dann noch eine Projektarbeit macht, ist das Zeitkontingent fast schon aufgebraucht.


So, ... und dann komme ich jetzt auf den Acker in Age of Empires zu sprechen! :D
Nun sitzt du da also Zuhause, planst im groben deine Unterrichtsreihe und machst Notizen für die ersten Unterrichtsstunden. Man plant vom Lernziel her, d.h. man überlegt zuerst, was der Lernertrag der Stunde sein soll. Also worauf die Stunde abzielt. Ausgehend vom Ziel plant man dann erst die weiteren Schritte. Welche Materialien benötigen die Schüler, um das Lernziel zu erreichen? Welche Methode ist geeignet, um das Lernziel zu erreichen? Usw. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, das ist ja keine Raketenwissenschaft. Ein Lernziel könnte für die Felder also lauten: "Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass die Felderwirtschaft ein wichtiges Mittel in der menschlichen Zivilisation darstellte."

Nur ist dieses Ziel sehr dürftig, da's sehr winzig und kleinschrittig ist. Nicht vergessen: die Uhr tickt, wir haben wenig Zeit, da wir nur wenige Unterrichtsstunden haben. Wenn der Lernertrag also nur ist, dass Felderwirtschaft wichtig ist, dann ist recht dünn. Problem ist ebenso: in einer einzelnen Unterrichtsstunde wirst du Age of Empires nicht einführen und anwenden können. Viele Schüler dürften noch nie an einem PC gesessen oder ein Strategiespiel gespielt haben, d.h. du wirst mindestens zwei Stunden einplanen müssen, damit die Schüler sich mit dem Spiel vertraut machen und es anschließend auch spielen können. Wenn sie es wiederum spielen ist nicht gewährleistet, dass sie genau auf den Aspekt stoßen, der dir wichtig ist - nämlich die Bedeutung der Felderwirtschaft. Es gibt ja viel in Age of Empires zu entdecken, warum sollten sie also ausgerechnet darauf achten? Nun, du könntest ihnen sagen, dass sie darauf achten sollen. Aber damit nimmst du quasi bereits die Erkenntnis vorweg, sodass sich die Frage stellt, warum die Schüler es überhaupt noch spielen sollen.


Als Lehrer sollte man den eigenen Unterricht rechtfertigen können, d.h. begründen können, warum man tut, was man tut - und warum man die Lernmittel und Methoden wählt, die man wählt. Es gibt immer mehrere Optionen, aber man entscheidet sich am Ende für eine. Also wäre die Frage: Im Hinblick darauf, dass für die Frühgeschichte nur wenige Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen, ist es angemessen, dass die Schüler mind. 2 Stunden mit Age of Empires verbringen um die Bedeutung der Felderwirtschaft zu erlernen?

Die Argumentation kann man schon aufmachen und sagen, dass man das für gerechtfertigt hält. Und dass man es für gerechtfertigt hält, dass man bei anderen Themen die Stunden kürzen muss, weil man hier eine derartige Vertiefung vorgenommen hat. Aber das muss man in der Planung halt einkalkulieren. Und in diesem Fall würde ich persönlich mich dagegen entscheiden, denn wenn ich zum Erreichen dieses Lernziels an dieser Stelle 2 Unterrichtseinheiten einplane, dann fehlen mir diese 2 Unterrichtseinheiten an späterer Stelle. Womöglich in einem Moment, wo ich - oder die Schüler - gerne mehr Zeit für ein Thema hätten, die wir dann nicht haben.



...
Das nur so aus meiner Innenperspektive, und was ich meine, wenn ich sage Videospiele sind "clunky." Sie einzusetzen erfordert viel Zeit, aber Zeit ist Mangelware. Man kann natürlich solche Vertiefungen durchführen, und das finde ich legitim. Aber man muss dies in dem Bewusstsein tun, dass Zeit ein festes Kontingent ist, und wenn ich zwei Stunden vom Zeitkonto abbuche, dann sind diese zwei Stunden weg und stehen später nicht zur Verfügung. Man muss leider recht hart kalkulieren und davon abhängig entscheiden.
Zuletzt geändert von Terranigma am 15. Jul 2020, 17:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Axel
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von Axel »

Vielleicht kennt ja jemand den Thomas Brandt aus Bamberg. Ein Lehrer für Soziologie bzw. Gemeinschaftskunde, der ne ganze Reihe an Podcasts zum Thema Schule hat:

https://schulsprecher-podcast.de/
https://lernfragen.org/
https://www.soziologisches-kaffeekraenzchen.de/

Er ist auch häufiger zu Gast im Aufwachen Podcast wenn es um Bildung geht, z.B. hier:
https://aufwachen-podcast.de/2020/06/16 ... ug-clever/
(„Schulöffnungsparty mit Thomas“ ab 2:51:03)
Mit diesem Gespräch solltet ihr am besten auch anfangen.

Er hat mir in seinen zahlreichen Podcasts in den letzten Wochen und Monaten recht tiefe Einblicke gegeben wie Schulen organisiert sind, wie sie finanziert werden und allerlei Dinge zur Pädagogik aus seiner Berufspraxis.

Jedenfalls: Er sagt recht häufig, dass es mit der Medienpädagogik in seinen Klassen (ältere Jugendliche) nicht so weit her ist. Will heißen: Das hört nach dem passiven Konsum von Instagram, YouTube und Tik Tok auf dem Smartphone häufig schon schnell auf. Wir Älteren denken immer „Ach, die Kids. Die können das doch im Zweifel besser wie wir.“ Thomas warnt vor dieser Fehleinschätzung. Deswegen steht er auch die Rufe nach mehr Digitalisierung in der Schule mehr als skeptisch gegenüber, um es freundlich zu sagen. Weil es schlicht die Grundlagen nicht gibt. Weder bei den Kompetenzen der Schüler noch bei der Ausstattung vieler Schulen. Diese werden nämlich von den Kommunen finanziert, nicht von den Ländern wie man meinen könnte. Und viele Kommunen leiden in der Regel unter chronischem Geldmangel. Da muss man häufig schon froh sein, dass eine Schule überhaupt in einem vernünftigen Zustand ist. Hinzu kommt natürlich auch, dass lange nicht alle Schüler einen PC zu hause haben.

Daher sehe ich auch Spiele in der Schule zur Wissensvermittlung wie Terranigma mehr als skeptisch. Bleiben wir mal beim Age of Empires Beispiel. Das ist A) ein sehr komplexes Spiel und B) werden viele Kinder und Jugendliche noch nie vor einem PC gesessen haben. Da müsste man also erstmal Grundlageneinführung zur Verwendung eines PCs machen, damit man niemanden zurücklässt. Allein das wären mindestens zwei Unterrichtsstunden. Dann Einführung in das Spiel selbst, nochmal zwei Stunden. Bevor man dann überhaupt anfangen kann durch ein Spiel wie Age of Empires Lerninhalte zu bearbeiten. Rechnen wir damit mal nochmal mit 4 Stunden. Wären insgesamt 8 Stunden. Also in der Regel 2 Monate. Das ist sehr viel Zeit. Gerade in einem Fach wie Geschichte, wo man eh hart entscheiden muss, was man wie und wo drannimmt um den Lehrplan zu erfüllen. Hat ja Terranigma alles schon erklärt.

Ich könnte mir Computerspiele an einer Schule allerhöchstens mal im Rahmen einer Projektwoche vorstellen. Aber auch hier würde man vielleicht anderen Themen und Aktivitäten den Vorzug geben. Die einzige Schulform wo das geht, wären Ganztagsschulen. Nachmittags in Form einer AG oder sowas. Die hätten die Rahmenbedingung. Und in NRW wird das IMO teilweise auch gemacht. Ist das nicht sogar so, dass die Spielebesprechungen auf spielbar.de im Rahmen solcher AGs entstehen?

Aber in Normalschulen sehe ich Spiele langfristig nicht. Nicht weil der Wille nicht da wäre. Gerade junge Lehrer wären vielleicht sogar offen. Aber die Rahmenbedingungen sind da schlicht nicht gegeben. Viele Schulen kommen durch den Lehrermangel ja kaum noch dazu den Kernstoff halbwegs durchs Ziel zu bringen. Ich könnte mir also in so ner Besprechung zwischen Lehrern und Schulleitung die Reaktion der Kollegen lebhaft vorstellen, wenn jemand mit der Idee kommen würde. :mrgreen:

Heißt aber nicht, dass die Schule heute noch so ist wie zu unserer Zeit. Frontalunterricht nimmt IMO nur noch einen kleinen Teil ein. Gerade in jüngeren Klassen wird viel mit Gruppenarbeiten, häufig auch Rollenspielen gearbeitet.
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Sebastian Solidwork
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Terranigma hat geschrieben: 14. Jul 2020, 22:09 ...
Nur ist dieses Ziel sehr dürftig, da's sehr winzig und kleinschrittig ist. Nicht vergessen: die Uhr tickt, wir haben wenig Zeit, da wir nur wenige Unterrichtsstunden haben. Wenn der Lernertrag also nur ist, dass Felderwirtschaft wichtig ist, dann ist recht dünn.
...
Das waren sehr interessante Ausführungen, danke.

Mir zeigt das zweierlei:
1. Es gibt heute nur wenige Spiele die gut fürs Lernen geeignet sind. AoE hat eine längere Einarbeitungsphase.
1.1 Anderseits: Lernen die Schüler beim Erlernen von AoE nicht auch Fähigkeiten wie Ressourcen-Management und ähnliches ? Hier sehe ich wieder den fächerübergreifenden Ansatz. Ein Spiel für nur ein Thema zu verwenden scheint mir sehr beschränkt.
2. Unser Schulsystem scheint nicht darauf ausgerichtet/vorbereitet zu sein. Olipool nennt fächerübergreifende Projekte für ein Halbjahr (speziell sogar selbst ein Spiel zu entwickeln), du führst aus, dass es an jedem einzelnen Lehrer liegt einzelne Stunden zu gestalten. Klingt nicht so als ginge das so zusammen. Unser Schulsystem könnte doch auch dahingehend geändert werden? Ich sage nicht, dass das einfach ist, es muss ja durch die Kultusministerien...

Wie wäre es z.B. Astrophysik mit "Entwickelt ein KerbalSpaceProgram" zu lernen?

Ich würde zwei Perspektiven unterscheiden wollen:
1. Wie könnte man generell, unabhängig vom heutigen Schulsystem, (neue) Spiele als Lernmittel einsetzten? Sei es Wissen und Skills durch das aktive Spiele zu lernen, oder auch durch die Entwicklung eines Spieles.
2. Wie schaut der heutige Schulalltag aus? Was ist heute praktisch möglich und was müsste geändert werden um etwas mehr aus 1. zu ermöglichen.
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von Terranigma »

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 15. Jul 2020, 17:012. Unser Schulsystem scheint nicht darauf ausgerichtet/vorbereitet zu sein. Olipool nennt fächerübergreifende Projekte für ein Halbjahr (speziell sogar selbst ein Spiel zu entwickeln), du führst aus, dass es an jedem einzelnen Lehrer liegt einzelne Stunden zu gestalten.
Ja, die Stundenplanung obliegt natürlich dem einzelnen Fachlehrer, d.h. wenn ich Geschichte in einer Klasse unterrichte habe ich in der Regel keinen Plan was in der Stunde vorher oder nachher lief, d.h. es finden keine Absprache mit den anderen Fachlehrern statt. Fachübergreifende Projektarbeit ist auch in den Kernlehrplänen nicht angelegt, weil du pro Halbjahr eben nicht ein Thema - und damit nicht nur ein Projekt - bearbeiten kannst. In der Geschichte musst du in einem Schuljahr wie gesagt von der Vorgeschichte zum Mittelalter kommen, d.h. in einem Halbjahr bei 2x45 Minuten würde man ggf. die Vorgeschichte bis zur Griechischen Antike bearbeiten. Das sind in etwa drei große Themenblöcke. In den anderen Fächern - Deutsch, Mathe, Physik, Kunst, usw. - sieht's nicht anders aus. Wenn ich also laut Kernlehrplan nun in den ersten Wochen der 6. Klasse eine Einführung in Geschichte und die Vorgeschichte gebe, in - aber hier fiktive Beispiele! - Mathematik die Prozentrechnung, in Deutsch die Naturlyrik, in Kunst das perspektivische Zeichnen und in Musik jeder Schüler sein Lieblingslied vorstellen soll, ... nun. So aus'n Stehgreif fehlt mir die Kreavitität, die mir da'n konkretes Projekt vorzustellen, das nicht nur die reinen Inhalte sondern auch die zu erwerbenden Fähigkeiten abdeckt. :D

Ansonsten kollidiert das auch mit allerlei Vorschriften, z.B. ist die Anzahl an zu schreibenden Leistungsüberprüfungen - sprich: Klassenarbeiten - in den Fächern vorgegeben. Nebenfächer sind da meist easy-going, weil es keine gibt. Projektarbeit in Kombination mit Hauptfächern ist dann aber wiederum schwer, weil diese Klassenarbeiten schreiben und die Schüler darauf vorbereiten müssen. Ebenso ist wiederum vorgeschrieben welche Fähigkeitsbereiche überprüft werden müssen, in Englisch z.B. in Englisch z.B.: Hörverstehen + Schreiben ODER Leseverstehen + Schreiben ODER Sprachliche Mittel plus Schreiben. Auch das müsste dann bei der halbjährlichen Projektarbeit irgendwie berücksichtigt werden. Wiederum würden nebst Schülern auch allerlei Eltern auf die Barrikaden gehen, wenn ich Wochen oder gar Monate mit den Schülern an einem Projekt arbeite und mir dann wiederum die Zeit fehlt, die Schüler auf die zu schreibenden Leistungsüberprüfungen vorzubereiten - und dies dann ggf. entsprechend schlecht ausfallen, weil ich im Frühgeschichte-Naturlyrik-Prozentrechnen-Lieblingslied-Projekt nicht wüsste wie ich das Past Progressive noch unterbringen und das ganze als Videospiel umsetzen lassen sollte. :D

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 15. Jul 2020, 17:01Ich würde zwei Perspektiven unterscheiden wollen:
1. Wie könnte man generell, unabhängig vom heutigen Schulsystem, (neue) Spiele als Lernmittel einsetzten? Sei es Wissen und Skills durch das aktive Spiele zu lernen, oder auch durch die Entwicklung eines Spieles.
2. Wie schaut der heutige Schulalltag aus? Was ist heute praktisch möglich und was müsste geändert werden um etwas mehr aus 1. zu ermöglichen.
Die Unterscheidung finde ich sehr klug, denn viele Diskussionen und Publikationen dieser Art - insb. wenn sie nicht unmittelbar aus dem schulischen Kontext stammen - würde ich zu (1) zuordnen. Damit will ich sie explizit nicht abwerten und finde sie als Anregungen sehr wichtig, auch weil erst das Eröffnen von Perspektiven überhaupt die Sinnhaftigkeit aufzeigt etwas am Status Quo zu ändern. Ich würde dies mit der Grundlagenforschung in der Physik - von der ich null Ahnung habe :ugly: - vergleichen: aus Sicht eines Praktikers ist's ggf. nicht sonderlich ertragreich, da man die dortigen Erkenntnisse nicht in die Praxis umsetzen und anwenden kann. Aber das sollen sie auch nicht.

Über (1) zu reden ist daher sicherlich aufschlussreich, würde aber wohl eher auf einem theoretischen Abstraktionsgrad stattfinden, da man über Videospiele als Lernmittel grundsätzlich spricht - unabhängig von ihrer konkreten Anwendung. Da gibt's sicherlich viel Positives zu berichten. Die Unterscheidung dieser beiden Ebenen finde ich für die Diskussion insofern sehr vernünftig, weil man so den Soll- und den Ist-Zustand sauber trennt.
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Sebastian Solidwork
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Terranigma hat geschrieben: 15. Jul 2020, 17:20 ...

Wiederum würden nebst Schülern auch allerlei Eltern auf die Barrikaden gehen, wenn ich Wochen oder gar Monate mit den Schülern an einem Projekt arbeite und mir dann wiederum die Zeit fehlt, die Schüler auf die zu schreibenden Leistungsüberprüfungen vorzubereiten - und dies dann ggf. entsprechend schlecht ausfallen, weil ich im Frühgeschichte-Naturlyrik-Prozentrechnen-Lieblingslied-Projekt nicht wüsste wie ich das Past Progressive noch unterbringen und das ganze als Videospiel umsetzen lassen sollte. :D
Das wäre jetzt die Diskussion über den Sinn von Leistungsüberprüfungen und Fixierung auf Noten.

Klar ist, dass Spiele sich im heutigen Schulsystem nicht so einfach einsetzten lassen. Vielleicht bei Einzelthemen aber nicht als eine Standardmethode.
Dafür muss das Schulsystem generalüberholt und mal überlegt werden, was man den tatsächlichen lehren will. Stichwort Bulimielernen und was man mit dem Wissen überhaupt später anfangen kann und ob man im Beruf und Leben noch anderes braucht.
Das Wie ergibt sich mMn dann fast von alleine bzw. gibt es jetzt schon viele Ansätze, die aber wohl nur schwer ins System passen.

Gunter Dueck (Ex-CTO von IBM Deutschland) formuliert mir da zukunftsfähig Vision.
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Terranigma hat geschrieben: 15. Jul 2020, 17:20
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 15. Jul 2020, 17:01Ich würde zwei Perspektiven unterscheiden wollen:
1. Wie könnte man generell, unabhängig vom heutigen Schulsystem, (neue) Spiele als Lernmittel einsetzten? Sei es Wissen und Skills durch das aktive Spiele zu lernen, oder auch durch die Entwicklung eines Spieles.
2. Wie schaut der heutige Schulalltag aus? Was ist heute praktisch möglich und was müsste geändert werden um etwas mehr aus 1. zu ermöglichen.
Die Unterscheidung finde ich sehr klug, denn viele Diskussionen und Publikationen dieser Art - insb. wenn sie nicht unmittelbar aus dem schulischen Kontext stammen - würde ich zu (1) zuordnen. Damit will ich sie explizit nicht abwerten und finde sie als Anregungen sehr wichtig, auch weil erst das Eröffnen von Perspektiven überhaupt die Sinnhaftigkeit aufzeigt etwas am Status Quo zu ändern. Ich würde dies mit der Grundlagenforschung in der Physik - von der ich null Ahnung habe :ugly: - vergleichen: aus Sicht eines Praktikers ist's ggf. nicht sonderlich ertragreich, da man die dortigen Erkenntnisse nicht in die Praxis umsetzen und anwenden kann. Aber das sollen sie auch nicht.

Über (1) zu reden ist daher sicherlich aufschlussreich, würde aber wohl eher auf einem theoretischen Abstraktionsgrad stattfinden, da man über Videospiele als Lernmittel grundsätzlich spricht - unabhängig von ihrer konkreten Anwendung. Da gibt's sicherlich viel Positives zu berichten. Die Unterscheidung dieser beiden Ebenen finde ich für die Diskussion insofern sehr vernünftig, weil man so den Soll- und den Ist-Zustand sauber trennt.
Freut mich, dass es bei dir so konstruktiv ankommt wie ich beabsichtigt habe.

Mir war es wichtig die Unterscheidung hervorzuheben, auch weil ich den Eindruck hatte, dass sie hier im Thread eher unterging.
Du kommst wohl von (2), Olipool von (1). Für mich habt ihr dann, verständlicher Weise, etwas aneinander vorbei geredet.
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olipool
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von olipool »

Da mein längerer Post vorhin im Timeout hängengeblieben ist, schon mal danke für eure Diskussion und an Sebastian für auch einen für mich wichtigen Punkt: müsste man nicht weiter oben ansetzen und die ganzen Vorgaben und Lehrpläne mal hinterfragen? Dass es kaum Verbindungen der einzelnen Fächer (und Jahrgangsstufen!!) gibt, ist wirklich bedauerlich und könnte das Lernen auf ganz neue Stufen heben (wie immer gilt: ich habe keine Ahnung, wovon ich rede ;). Mein Highlight zu Schulzeiten war jedoch, als mal der gleiche Lehrer Geschichte und Deutsch unterrichtet hat und die beiden Fächer sehr gut verknüpfen konnte. Ich weiß es nicht mehr genau, dazu ist es zu lang her, die Niebelungensage hat jedenfalls eine Rolle gespielt ;)

Wenn ich dann aber andere Jahre in Geschichte ansehe... mehrfach wurde das Dritte Reich durchgenommen (nicht verwunderlich, aber ob die Zeit da nicht noch anders genutzt hätte werden können...), in dtv-Atlas Schlachtlinien besprochen (aargh) und Todesdaten von "wichtigen" Personen auswendig gelernt (zumindest bis zum nächsten Test). Wenig ist hängengeblieben. Als ich neulich ein Feature von Dan Carlin über den ersten Weltkrieg gehört habe, mitreißend, emotional, tief recherchiert, mit Tagebuchnotizen einzelner Soldaten... da habe ich mir gewünscht, wir hätten das auch etwas lebhafter gelernt, aber das ist vermutlich dann auch je Lehrer unterschiedlich.

Zu AoE: mit dem Beispiel der Feldwirtschaft wollte ich nur auf den Mechanismus des Lernens hinaus, nicht AoE als Paradebeispiel schultauglich sprechen. Wobei es, wie Sebastian schon sagte, noch einige andere lernenswerte Aspekte aufweist, die unter Umständen anders nur schlecht bis gar nicht zu vermitteln sind. Es müsste ein explizit entworfenes Spiel sein, was sich dem zu vermittelnden Stoff anpasst und auf gute Bedienbarkeit/Zugänglichkeit ausgelegt ist (oder auch nicht, siehe ganz oben).
Mich hat es auch ziemlich baff gemacht, dass außer Handy-Kompetenz sonst wenig vorhanden sein soll, aber ja, woher soll es auch kommen. Meiner Meinung nach müsste man "Informatik" schon in der Grundschule unterrichten, aber da sehe ich schon die Eltern Sturm laufen...

Wie sich ziegt, fände ich aber eine solche Diskussion nun noch mal spannender und vor allem gesellschaftlich ungemein bedeutsam.
Noch eine Abschlussbemerkung, falls es euch interessiert: eine Kollegin von mir zieht grad in Lübeck eine eigene Schule hoch, in der der "herkömmliche" Ansatz des Unterrichtens abgelöst werden soll: https://www.moinkinners.de/
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Axel
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Re: Spiele in der schulischen Ausbildung

Beitrag von Axel »

Ja, ne Folge über Bildung wäre wirklich toll. Aber dann wirklich mit jemanden der halt auch im Bildungssystem steckt. Also mit Terranigma oder den oben erwähnten Thomas, wäre cool ihn hier mal zu hören. Einfach nur so aus Laiensicht zu reden würde wenig bis nichts bringen, da man als Außenstehender doch ne häufig falsche Vorstellung von Schule hat.
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