Runde #277: Ghost of Tsushima – Warum gefällst du uns so?

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Rince81
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Rince81 »

Terranigma hat geschrieben: 16. Jul 2020, 15:42 So als würde jemand in der deutschen Übersetzung des Herrn der Ringe auf die Idee kommen das englische "Master" durch "Chef" zu übersetzen, ... was nüchtern betrachtet ja nicht falsch ist, aber irgendwie nicht die genretypische Erwartungshaltung der Leser bedient und schlichtweg scheiße klingt. :D
Sowas würde ja zum Glück niemand machen, das wäre ja auch völlig absurd. Wenn das so wäre, hätte ich die Bücher im Fundbüro von Mittelerde abgegeben... :ugly:
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SebastianStange
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von SebastianStange »

Terranigma hat geschrieben: 16. Jul 2020, 15:24
SebastianStange hat geschrieben: 16. Jul 2020, 13:49 Zum Thema "Historisch korrekt" ist der Kotaku-Artikel über die Kritiken aus Japan recht aufschlussreich und interessant. Witzige Eindrücke da, etwa dass die japannische Synchro für das Szenario zu schnell gesprochen sei. Zu wenige Pausen. Haha...
Ah, das ist nett und erklärt auch'ne Passage im IGN-Artikel, die ich gestern nicht recht verstand. Dort wurde früh in der Einleitung explizit geschrieben, dass die Autoren beim Spielen von "Ghost of Tsushima" kein 違和感 "Unwohlbehagen" verspürten. Offenbar sahen sie es nötig, dies bei einem westlichen Spiel mit Japano-Szenario quasi als Entwarnung zu schreiben weil's keine Selbstverständlichkeit ist. :ugly:

Das Review auf Automaton geht kaum auf das eigentliche Spiel ein, sondern setzt sich damit auseinander, dass obwohl ein westliches Spiel, die japanische Sprache authentisch und gut dargestellt wird und man die Kritik diesbezüglich nicht teilt. Die Hälfte des Artikels beschäftigt sich mit der Frage, wie man "New Game" und "Load Game" anständig ins Japanische übersetzt, ... und ... ja. So spannend wie's klingt, ist's auch. Halt eher nicht so. :D



Spannend finde ich aber, dass auch die bei Kotaku zitierten japanischen Artikel hier doch eine sehr klare Differenzierung vornehmen und den Titel grundweg anders einsortieren, als dies in deutschen Artikeln der Fall ist. 4Players hat passend zur Veröffentlichung des Spiels so etwa ein Geschichtsvideo bzgl. Mongoleninvasion und Samurai veröffentlicht, und ordnet den Titel damit als Werk ein, das Geschichte abbildet. Gamestar wiederum hat "Ghost of Tsushima" als Anlass für einen kulturellen Rundumschlag genommen, bei dem Nino über Ghost of Tsushima & Japans Einfluss auf westliche Spiele spricht. Auch hier wird "Ghost of Tsushima" als historische Darstellung begriffen. Von "historischer Korrektheit", o.Ä. wird nicht gesprochen, aber dem Titel wird ein hohes Maß an "Authentizität" zugesprochen.

So gesag: Westliche Journalisten haben den Titel in der Hand und überlegen, ob sie es nun in die "Fiktion"- oder "Geschichte"-Schublade stecken sollen. Derweil stellen sie japanische Journalisten diese Frage gar nicht erst, sondern ordnen es sofort als "Fiktion" ein. Auch der Artikel von Dengeki Online bezeichnet es nicht als historischen Titel, o.Ä. sondern spricht von einem 時代劇や映画をモチーフに制作したオープンワールドのゲーム "ein auf unter Anderem Theater- und Filminszenierungen basierenden OpenWorld-Spiel." Auch im Kotaku-Artikel heißt es im Lob von Dengeki, dass nicht etwa Geschichte, sondern "historical dramas" von den Entwicklern gut studiert wurden. Auch der Engagdet-Artikel bezeichnet es als 時代劇 "Historiendrama", wobei der Begriff ein literarisches Genre bezeichnet. Auch die Famitsu argumentiert so:

"もちろん本物の鎌倉時代は見たことがないので、それが“リアル”なのかは分からないし[...]だが、フィクションである時代劇を見ているという感覚としては、ほぼ違和感はない。"
"Weil ich natürlich nie die Kamakura-Zeit wirklich je mit eigenen Augen gesehen habe, weiß ich nicht, inwiefern das Gezeigte "real" ist. Aber wenn ich es als fiktionalisiertes Historiendrama wahrnehme, so kam fast nie das Gefühl auf, das etwas nicht ganz stimmig ist."


Referenz- und Qualitätsmaßstab in den japanischen Reviews ist nie die Frage bzgl. der historischen Akkuratesse, historischen Korrektheit, o.Ä. sondern es wird sofort als fiktionales Werk eines literarischen Genres - eben der Historiendrama, wie's in Literatur, Film, Theater, u.Ä. existiert - eingeordnet. Die Qualität von "Ghost of Tsushima" liegt laut den Reviews also nicht darin, dass es eine authentische, korrekte, o.Ä. Darstellung von japanischer Geschichte ist, sondern dass es ein stimmiger Vertreter eines literarischen Genres ist und die Tropes, Stereotype und Stilmittel dieses Genre recht gut erfüllt. In diesem Zusammenhang kommt dann auch die Kritik von Famitsu, dass die Figuren zu schnell sprechen würden: Famitsu sagt also nicht, dass die Menschen in der Kamakura-Zeit langsamer sprachen als heute und in Dialogen immerzu dramatische Pausen einbauten, sondern dass dies ein typisches Stilmittel des 時代劇 "Historiendramas" ist, welches im Spiel fehlt. Es bricht hier eine Genrekonvention, die für'n japanischen Rezipienten halt dazu gehört. Derweil redet man im deutschen Journalismus weitaus häufiger über den historischen Gehalt dieses Titels.

Zwei sehr unterschiedliche Perspektiven und Zugänge, die wohl beide ihre Berechtigung haben.



...
So, jetzt bin ich aber auch ruhig und deraile nicht weiter.
Ist halt nur so'n spannendes Thema.
:D
Oh Mann, diesen Post werde ich direkt mal Dom zeigen. Super interessant. Und @Sprachtempo: Da gibt es ja auch noch Aizuchi - diese japanische Sprechkultur, bei der der Erzählende bewusst Pausen lässt, in denen der Zuhörer seine Anteilnahme durch kurzes Brummen oder Sachen wie "Ah so!", "Ja klar!" usw. signalisiert. Jemanden zu unterbrechen gehört da zum guten Ton. Das ist dann aber auch nicht so einfach in andere Sprachen übertragbar und erst recht nicht andersrum. Frage mich, ob ein japanischer Zuschauer nicht auch westliche Dialoge als fremdartig warnimmt, selbst wenn die synchronisiert wurden. Oh my!
Smartie
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Smartie »

SebastianStange hat geschrieben: 15. Jul 2020, 22:39 Wir planen definitiv, es uns am Freitag zu kaufen und anzuschauen. Bin schon gespannt!
Ich hatte auf diese Antwort gehofft! Werde mir das Game auch selber zulegen und dann freue ich mich auf eure Besprechung, um meine Erfahrungen mit den euren vergleichen zu können. Das hat übrigens damals bei Kingdom come:Deliverance richtig gut funktioniert.
Ist offtoppic, aber die Wertschätzung zu Kingdom come:Deliverance von Andre mit dir in der Rolle des Moderators ist in meiner Top 10 aller The Pod-Beiträge.
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Dom Schott
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Dom Schott »

SebastianStange hat geschrieben: 16. Jul 2020, 16:26
Terranigma hat geschrieben: 16. Jul 2020, 15:24
SebastianStange hat geschrieben: 16. Jul 2020, 13:49 Zum Thema "Historisch korrekt" ist der Kotaku-Artikel über die Kritiken aus Japan recht aufschlussreich und interessant. Witzige Eindrücke da, etwa dass die japannische Synchro für das Szenario zu schnell gesprochen sei. Zu wenige Pausen. Haha...
Ah, das ist nett und erklärt auch'ne Passage im IGN-Artikel, die ich gestern nicht recht verstand. Dort wurde früh in der Einleitung explizit geschrieben, dass die Autoren beim Spielen von "Ghost of Tsushima" kein 違和感 "Unwohlbehagen" verspürten. Offenbar sahen sie es nötig, dies bei einem westlichen Spiel mit Japano-Szenario quasi als Entwarnung zu schreiben weil's keine Selbstverständlichkeit ist. :ugly:

Das Review auf Automaton geht kaum auf das eigentliche Spiel ein, sondern setzt sich damit auseinander, dass obwohl ein westliches Spiel, die japanische Sprache authentisch und gut dargestellt wird und man die Kritik diesbezüglich nicht teilt. Die Hälfte des Artikels beschäftigt sich mit der Frage, wie man "New Game" und "Load Game" anständig ins Japanische übersetzt, ... und ... ja. So spannend wie's klingt, ist's auch. Halt eher nicht so. :D



Spannend finde ich aber, dass auch die bei Kotaku zitierten japanischen Artikel hier doch eine sehr klare Differenzierung vornehmen und den Titel grundweg anders einsortieren, als dies in deutschen Artikeln der Fall ist. 4Players hat passend zur Veröffentlichung des Spiels so etwa ein Geschichtsvideo bzgl. Mongoleninvasion und Samurai veröffentlicht, und ordnet den Titel damit als Werk ein, das Geschichte abbildet. Gamestar wiederum hat "Ghost of Tsushima" als Anlass für einen kulturellen Rundumschlag genommen, bei dem Nino über Ghost of Tsushima & Japans Einfluss auf westliche Spiele spricht. Auch hier wird "Ghost of Tsushima" als historische Darstellung begriffen. Von "historischer Korrektheit", o.Ä. wird nicht gesprochen, aber dem Titel wird ein hohes Maß an "Authentizität" zugesprochen.

So gesag: Westliche Journalisten haben den Titel in der Hand und überlegen, ob sie es nun in die "Fiktion"- oder "Geschichte"-Schublade stecken sollen. Derweil stellen sie japanische Journalisten diese Frage gar nicht erst, sondern ordnen es sofort als "Fiktion" ein. Auch der Artikel von Dengeki Online bezeichnet es nicht als historischen Titel, o.Ä. sondern spricht von einem 時代劇や映画をモチーフに制作したオープンワールドのゲーム "ein auf unter Anderem Theater- und Filminszenierungen basierenden OpenWorld-Spiel." Auch im Kotaku-Artikel heißt es im Lob von Dengeki, dass nicht etwa Geschichte, sondern "historical dramas" von den Entwicklern gut studiert wurden. Auch der Engagdet-Artikel bezeichnet es als 時代劇 "Historiendrama", wobei der Begriff ein literarisches Genre bezeichnet. Auch die Famitsu argumentiert so:

"もちろん本物の鎌倉時代は見たことがないので、それが“リアル”なのかは分からないし[...]だが、フィクションである時代劇を見ているという感覚としては、ほぼ違和感はない。"
"Weil ich natürlich nie die Kamakura-Zeit wirklich je mit eigenen Augen gesehen habe, weiß ich nicht, inwiefern das Gezeigte "real" ist. Aber wenn ich es als fiktionalisiertes Historiendrama wahrnehme, so kam fast nie das Gefühl auf, das etwas nicht ganz stimmig ist."


Referenz- und Qualitätsmaßstab in den japanischen Reviews ist nie die Frage bzgl. der historischen Akkuratesse, historischen Korrektheit, o.Ä. sondern es wird sofort als fiktionales Werk eines literarischen Genres - eben der Historiendrama, wie's in Literatur, Film, Theater, u.Ä. existiert - eingeordnet. Die Qualität von "Ghost of Tsushima" liegt laut den Reviews also nicht darin, dass es eine authentische, korrekte, o.Ä. Darstellung von japanischer Geschichte ist, sondern dass es ein stimmiger Vertreter eines literarischen Genres ist und die Tropes, Stereotype und Stilmittel dieses Genre recht gut erfüllt. In diesem Zusammenhang kommt dann auch die Kritik von Famitsu, dass die Figuren zu schnell sprechen würden: Famitsu sagt also nicht, dass die Menschen in der Kamakura-Zeit langsamer sprachen als heute und in Dialogen immerzu dramatische Pausen einbauten, sondern dass dies ein typisches Stilmittel des 時代劇 "Historiendramas" ist, welches im Spiel fehlt. Es bricht hier eine Genrekonvention, die für'n japanischen Rezipienten halt dazu gehört. Derweil redet man im deutschen Journalismus weitaus häufiger über den historischen Gehalt dieses Titels.

Zwei sehr unterschiedliche Perspektiven und Zugänge, die wohl beide ihre Berechtigung haben.



...
So, jetzt bin ich aber auch ruhig und deraile nicht weiter.
Ist halt nur so'n spannendes Thema.
:D
Oh Mann, diesen Post werde ich direkt mal Dom zeigen. Super interessant. Und @Sprachtempo: Da gibt es ja auch noch Aizuchi - diese japanische Sprechkultur, bei der der Erzählende bewusst Pausen lässt, in denen der Zuhörer seine Anteilnahme durch kurzes Brummen oder Sachen wie "Ah so!", "Ja klar!" usw. signalisiert. Jemanden zu unterbrechen gehört da zum guten Ton. Das ist dann aber auch nicht so einfach in andere Sprachen übertragbar und erst recht nicht andersrum. Frage mich, ob ein japanischer Zuschauer nicht auch westliche Dialoge als fremdartig warnimmt, selbst wenn die synchronisiert wurden. Oh my!
Und Seb hat Wort gehalten, direkt heute nach der Aufzeichnung eines gemeinsamen Podcasts hat er mir von dem Posting erzählt und ich habe mir jetzt mal alles durchgelesen. Sehr, sehr spannend, auch wenn mir diese erneut typisch deutsche Einordnung der Spielepresse in "Ist das historisch korrekt? Können wir davon GESCHICHTE LERNEN??!?"-Gefilde als sehr mühsam und darüber hinaus vor allem irregeführt einordne, aber dazu kann ich vielleicht noch mal an der einen oder anderen Stelle was sagen oder schreiben. Erst mal selbst mir das Spiel ansehen, dann schaue ich weiter, aber ich sehe schon jetzt: Das Ding liefert viel Gesprächsmaterial.
Katzen sind super, Zitronenlimo auch und Archäologie ebenfalls.
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Freitag
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Freitag »

Vielen Dank an Terranigma für die interessanten Beiträge, das war schön zu lesen! Ich wittere da auch einen Podcast mit Dom: Klischees auseinander nehmen, die uns die Popkultur und eben auch Spiele als historisch authentisch verkauft haben und die vielfach nicht hinterfragt werden. Ähnlich wie die Diskussionen zu Kingdom Come: Deliverance, was ist eigentlich Fiktion und was nicht. Nur hier eben mit japanischem Fokus.
Oder eben weiter gefasst, um anhand verschiedener Spiele mehrere Beispiele zu "entlarven".
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Dee'N'bee
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Dee'N'bee »

An die Mods

Es scheint ja reges Interesse hier an Gotsu zu geben und da es ja jetzt released ist, könnte ma ja den Thread rüber zu "Bisschen tratschen bei einem Bier" schieben?

Wäre nett

Danke
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Dee'N'bee
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Dee'N'bee »

Ich muss mich mal über einen hässlichen Bug ausslassen, der mich momentan noch vom spielen abhält.
Und zwar ist die Kamerageschwindigkeit bei mir völlig im Eimer. Ich hab zwar von Beginn an auf schnell gestellt, musste mich aber dann doch über eine extrem lahme Kamera wundern.

Als es dann losging, dass linksrum noch langsamer ist als rechtsrum...also unterschielich, hab ich dann mal das Spiel neu gestartet.

Danach war die Kamera normal und viel schneller. Um genau zu sein 1,7 Sekunden für eine Umdrehung schnell.
Dass hält aber nicht lange. Es brauch vieleicht 3 Minuten und es fängt wie oben beschrieben wieder an langsam zu werden.
Dann brauch es für eine Umdrehung der Kamera fast 5 Sekunden.
Ein erneuter Start behebt das Problem wieder, aber nicht für lange.

Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr ähnliche Probleme?

Leider sind Sucker Punch's offiziellen Kanäle Twitter und Facebook...beides benutz ich nicht. Somit kann ich nichtmal SP einen Fehlerbericht zukommen lassen
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Soulaire
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Soulaire »

Der Stil von dem Spiel hat übrigens nichts mit den Filmen Kurosawa gemeinsam (auch nicht der schwarz-weiß Modus :ugly: )
Ebenso wenig die Inszenierung, Dialoge, Charaktere oder Story-Momente.
Die Vergleiche, sowohl von Entwickler-Seite, als auch von Spieleseiten scheinen daher oberflächlicher Natur zu sein.
Nur so als Warnung.
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Stew_TM
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Stew_TM »

Dom Schott hat geschrieben: 16. Jul 2020, 21:46 Und Seb hat Wort gehalten, direkt heute nach der Aufzeichnung eines gemeinsamen Podcasts hat er mir von dem Posting erzählt und ich habe mir jetzt mal alles durchgelesen. Sehr, sehr spannend, auch wenn mir diese erneut typisch deutsche Einordnung der Spielepresse in "Ist das historisch korrekt? Können wir davon GESCHICHTE LERNEN??!?"-Gefilde als sehr mühsam und darüber hinaus vor allem irregeführt einordne, aber dazu kann ich vielleicht noch mal an der einen oder anderen Stelle was sagen oder schreiben. Erst mal selbst mir das Spiel ansehen, dann schaue ich weiter, aber ich sehe schon jetzt: Das Ding liefert viel Gesprächsmaterial.
Folgendem Eindruck kann ich mich bezüglich dieser typisch deutschen Einordnung von Videospielen mit historischem Hintergrund nicht erwehren: Was hier zu Grunde liegt, ist das anscheinend noch immer nicht erfüllte Bedürfnis nach gesellschaftlicher Akzeptanz von Videospielen. "Seht her, Videospiele können auch 'wertvolle' Inhalte vermitteln und bestehen nicht nur aus Krach-Bumm-Peng! Was das deutsche Schulsystem mit dem Geschichtsunterricht nicht schafft, wird nun durch Videospiele vermittelt. Videospiele sind Kulturgut, also nehmt auch uns SpielerInnen ernst!"

Man kann nun natürlich diskutieren, ob es bei der breiten gesellschaftlichen Verbreitung von Videospielen heute immer noch nötig ist, sich für ein paar nicht zu belehrende konservative Personen ständig in diese Defensivposition zu begeben, anstatt dem Medium seine Eigenständigkeit zuzugestehen, abseits von penibler historischer Korrektheit (die per se nichts über die Qualität des Videospiels aussagt) eine historisch inspirierte Erfahrung zu bieten, ein Historiendrama (schöner Begriff, danke @Terranigma) zu inszenieren.
Wenn Tarantino in "Once Upon a Time..." das Hollywood der 60er Jahre zeigt - bzw. eben seine Traumvorstellung davon inszeniert - stellt sich schließlich auch kein/e FilmkritikerIn hin und sagt: "Der Film ist gut, weil er diese X Merkmale jener Zeit historisch korrekt wiedergibt". Ganz im Gegenteil, die romantische Verklärung dieser Epoche ist ganz zentraler Bestandteil des Films, und es wird vorausgesetzt, dass sich die ZuschauerInnen dessen bewusst sind.
Aber unabhängig davon scheint man schlicht konstatieren zu können, dass dieses Bedürfnis offenbar immer noch vorhanden ist.

Bitte nicht falsch verstehen, ich selbst bin grundsätzlich sehr an der historische Einordnung solcher Werke interessiert (von Fachleuten, nicht durch eine kurze Wikipedia-Recherche!). Aus diesem Grund freue ich mich auch immer sehr, wenn im Rahmen von The Pod darüber gesprochen wird, zum Beispiel damals bei Kingdom Come: Deliverance. Aber diese Ebene lässt sich IMO nur schwer mit der klassisch im deutschen Spielejournalismus praktizierten Ebene der Kaufberatung (und der im Reichweitenjournalismus begrenzt verfügbaren Zeit) vereinen und daher kann ich den Eindruck der Mühseligkeit dieser Diskussionen nachempfinden. Wenn man als deutscher Tester nichts besonderes zur Debatte um die historische Korrektheit beitragen kann, ist das vollkommen in Ordnung, nicht jeder kennt sich mit dem Japan des 13. Jhd. aus, ich selbst auch kein Stück weit. Aber dann sollte man es IMO lieber ausklammern, nicht alibimäßig einbeziehen und dann auch noch daran abarbeiten.

PS: Ob der reifer erscheinende Umgang der japanischen Videospielpresse wohl mit der breiteren gesellschaften Akzeptanz von Videospielen und dem in Folge geringer ausgeprägten Geltungsbedürfnis zusammenhängt? Oder sitze ich da wieder einem Vorurteil über Japan auf? Plädiere ich hier einen großen "Nachgeforscht"-Sonntagscast mit Dom und Terranigma? Wer besorgt Terranigma eine PS4? Fragen über Fragen. :ugly:
ClintSchiesstGut
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von ClintSchiesstGut »

Update

Ich liebe dieses Spiel, es läuft so schön ruhig auf meiner 2014er PS4 und die Ladezeit, zu Beginn, ist ein Traum.
(Update): OK, bei den Blumen-Wiesen, dem golden Tempel und Duell Gebieten da hämmert der Lüfter der PS4 schon ordentlich rein. ;)

Die Kampfhaltungen sind wirklich toll umgesetzt.

Beachtlich, was Sucker Punch da hinbekommen hat. Ein wunderschönes Spiel.

Schade, dass man in dem Spiel nicht viele Stunden lang "sinnieren" kann (Haiku).
Ich finde das absolut zauberhaft und hätte gerne neben dem Fernseher einen kleinen Sandkasten, wo ich mit einer kleinen Harke Muster rein malen könnte.
Zuletzt geändert von ClintSchiesstGut am 19. Jul 2020, 12:28, insgesamt 1-mal geändert.
:whistle:
Smartie
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Smartie »

ClintSchiesstGut hat geschrieben: 18. Jul 2020, 18:44 Beachtlich, was Sucker Punch da hinbekommen hat. Ein wunderschönes Spiel.
Schade, dass man in dem Spiel nicht Stunden lang "sinnieren" kann (Haiku).
Ich finde das absolut zauberhaft und hätte gerne neben dem Fernseher einen kleines Sandkasten, wo ich mit einer kleinen Harke Muster rein malen könnte.
Da schließe ich mich gerne an. Ich finde es toll, dass Sucker Punch diese entschleunigenden Passagen wie das Sinnieren in Bändern und das Verfassen von Haikus eingebaut hat. In Kombination mit der wunderschönen, ästhetisierten Natur merke ich richtig wie ich "runterfahre".
AshramTkar
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von AshramTkar »

Diese "historische" ZUordnung habe ich nicht verstanden.
Das Wort Bushido TAucte bisher nicht auf. Es ging INhaltlich nur um Tugenden wie Ehrenhaftigkeit die entgegen der Heimlichkeit und des Attentats stehen. FANd ich jetzt nicht so unpassend, dass grundlegende TUgenden, die irgendwan im BUshido Kodex aufgegangen sind, schon vorher im Selbstverständnis angelegt sind.

Historie: Das Spiel selbst nutzt Referenzen aus den klassischen Samuraifilmen und bietet sogar einen schwarzweiß Modus mit Körnung um den gewissen Style dieser Filme einzufangen. Wir im Westen werden da viele Parallelen zu Western finden, die ja auch durch die klassischen Samuraifilme beeinflusst sind. Wie man also darauf kommt, dass man da über ein historisches Spiel spricht, keine Ahnung, es ist ein typisch fiktionales Märchen vor dem HIntergrund einer Zeitepoche unter zu Hilfenahme von Überlieferungen/Sagen ais dieser und anderen Zeiten gewürzt mit viel Kreativität und Fiktion.
Ich bezweifel stark, dass ein Samurai mal eben so seine Clanfarben auf der Rüstung ändert, nur weil er ein paar Blumen gefunden hat... Wo wir halt deutlich in einem Spiel und nicht in einer historischen Aufarbeitung sind.
Wenn man das Spiel spielt finde ich das Gefühl sich als Adliger in Japan zu bewegen schon recht angenehm aufbereitet und, westlichen Erwartungen entsprechend, getroffen, auch wenn natürlich aus Gameplaysicht einiges angepasst wurde/werden musste.
Genau wie die Filme nie historisch korrekt waren und das westliche und wohl auch japanische Bild von Samurai geformt haben.

Ich mag aber die Details:
Bürger erheben sich und verbeugen sich, sobald sie erkenenn das man ein Adliger ist.
Religion hat einen Anteil am Spielgeschehen der nicht zu viel ist, aber ein Gefühl dafür gibt, dass das schon relevant war.
Es wird viel auf Sagen, Mythen und Märchen eingegangen, was ich gut finde.
Gewisse Traditionen sind gut eingebaut: Haikus dichten und warme Bäder z.B.
Reitet man durch Palmgras beugt sich die Spielfigur ab und an zu Seite um mit der Hand an das Gras zu berühren etc.
Soundkulisse und Soundtack finde ich passend.
Style ist super, wer aber überhaupt keine Samuraifilme und das überzeichnete mag, wirds schwerer haben, denke ich.

Ich finde es bisher ganz gut balanciert, ja es gibt Sammelgegenstände, ja es gibt Fragezeichen auf der Karte (aber eher überschaubar viele), teilweise haben Sie echt nette Ideen den Spieler zu interessanten Orten zu führen (Goldene Vögel, weiße Vogelschwärme, Füchse etc.)
Das Temnpo ist höher als bei Red Dead Redemtion 2, was ich persöhnlich erleichtert festgestellt habe.

Sprache:
Das Japanische ist vom Tempo eher dem westlichen Sprachtempo angepasst, was es für mich angenehmer zu hören macht.

Ich finde es gut, aber bei mir zieht das Setting auch viel und ich habe kein historisches Spiel erwartet.
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ingonaut
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von ingonaut »

Was die Filmkunst und die Art Szenen zu bauen von Kurosawa angeht, ist dieses Video von "Every Frame a painting" wirklich sehr empfehlenswert (das gilt auch fpr seine anderen Videos):
https://www.youtube.com/watch?v=doaQC-S8de8
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Soulaire
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Soulaire »

ein weiterer großer Unterschied zu Kurosawa und Ghost of Tsushima ist im übrigen die Darstellung von Gewalt. Wer sehen will wie man Gewalt in einem Medium auf ästhetische Art und Weise darstellt, sollte sich unbedingt die Filme von ihm angucken. Am bekanntesten ist natürlich die Duell-Szene zwischen zwei Samurai mit dem spritzenden Blut oder die Exekution einer Frau, bei der das Blut an die Wand spritzt.
Ghost of Tsushima geht da eher in die Richtung eines TLOU2, bei dem es dann viel mehr um "Realismus" geht und es sehr auf die Reaktion des Publikums aus ist.
Zuletzt geändert von Soulaire am 19. Jul 2020, 20:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Vinter
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Vinter »

Man kann sich natürlich nun über Details streiten. Für mich als Laien sieht Tsushima letztendlich aber fantastisch aus und nutzt genau die richtigen Tropes, die ich mit dem Genre und mit Japan verbinden, insbesondere knallige Farben und endlose Blumenfelder. Mit dem Photomodus kann man dolle Dinge anstellen.

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Und über die Ästhetik hatte mich das Spiel sehr schnell am Haken. Hab dann gelernt, dass man die Karte am besten ignoriert und vor allem auf Sicht erkundet, sich ein bisschen treiben lässt, dann macht es echt Bock. (Mit Karte artet es dann sehr fix in die typische Open World Tretmühle aus, bei der man ironischerweise das Spiel verpasst...)
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Terranigma
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Terranigma »

Das sieht ja schon echt schön aus. Mh. Also, eine PS4 habe ich hier stehen - aber halt diese erste Generation. Hörte wohl, dass das Spiel eigentlich auf einer PS4Pro gespielt werden sollte, da's ansonsten mit der Performance gewisse Probleme geben könnte. Hat jemand Erfahrungen in diese Richtung gemacht? So'n bissl reizen tut's mich ja schon, sei's auch nur aufgrund der Ästhetik. Aber auf FrameDrops habe ich wiederum wenig Lust.
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Dee'N'bee
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Dee'N'bee »

Terranigma hat geschrieben: 19. Jul 2020, 22:08 Das sieht ja schon echt schön aus. Mh. Also, eine PS4 habe ich hier stehen - aber halt diese erste Generation. Hörte wohl, dass das Spiel eigentlich auf einer PS4Pro gespielt werden sollte, da's ansonsten mit der Performance gewisse Probleme geben könnte. Hat jemand Erfahrungen in diese Richtung gemacht? So'n bissl reizen tut's mich ja schon, sei's auch nur aufgrund der Ästhetik. Aber auf FrameDrops habe ich wiederum wenig Lust.
Wie jetzt...? Du hast ne Ps4 bei dir stehen und überlegst, als Japanophiler und Studierter echt noch ob du es spielen sollst oder nicht? :lol:

Ich kann dir Entwarnung geben. Bis auf den oben von mir beschriebenen Kamera-Bug, läuft das Spiel soweit 1A...und sieht in 1080p auch fantastisch aus. Ich spiele auf einer Ps4 Slim

Nur in den Zwischensequenzen gibts hier und da paar unschöne Framedrops. Digital Foumdry hat eine Technik Analyse gemacht. Die normale Ps4 läuft laut denen recht stabil in actionreichen Szenen. Selbst auf der Pro gabs vereinzelt paar Framedrops

Na aufi...setz dich dran und biete dich am besten gleich als Experte für den Podcast an :D
Hab das was du in den zwei Podcasts alles erzählt hast verschlungen...gerne mehr davon ;)
Zuletzt geändert von Dee'N'bee am 19. Jul 2020, 22:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Vinter
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Vinter »

Terranigma hat geschrieben: 19. Jul 2020, 22:08 Das sieht ja schon echt schön aus. Mh. Also, eine PS4 habe ich hier stehen - aber halt diese erste Generation. Hörte wohl, dass das Spiel eigentlich auf einer PS4Pro gespielt werden sollte, da's ansonsten mit der Performance gewisse Probleme geben könnte. Hat jemand Erfahrungen in diese Richtung gemacht? So'n bissl reizen tut's mich ja schon, sei's auch nur aufgrund der Ästhetik. Aber auf FrameDrops habe ich wiederum wenig Lust.
Ich spiele auf einer PS4 Slim. Da kann ich nicht von Performanceproblemen berichten.
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Smartie
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von Smartie »

Dee'N'bee hat geschrieben: 19. Jul 2020, 22:17 Na aufi...setz dich dran und biete dich am besten gleich als Experte für den Podcast an :D
Hab das was du in den zwei Podcasts alles erzählt hast verschlungen...gerne mehr davon ;)
:dance: :dance:
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lnhh
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Re: Ghost of Tsushima

Beitrag von lnhh »

Hab jetzt ca. 50% der Hauptquest durch und nunja, nachdem man von Titel von TLOU2 kommt, ist das hier eher so meh.
Viel wirkt einfach altbacken und man merkt deutlich, dass die Entwickler da seit 6 Jahren dran sitzen.
Die Grafik ist huebsch und oft werden schoene Landschaftsszenarien erzeugt, hier glaenzt das Spiel. In Staedten und weniger belichteten Arealen sackt es Teils jedoch extrem ab.

Die Schleichmechaniken brauch ich kaum erwaehnen, das funktioniert in etwa so gut, wie in FarCry.
Ich schleiche nur, um gegen nicht ganz so viele (der immer gleichen vier/fuenf?) Gegner kaempfen zu muessen. Dann maehe ich aber alle mit dem Schwert wieder. Habe hier auf Easy gestellt und muss sagen, als Irrer mit Doenermesser die Bots umklatschen macht deutlich mehr Spass, als mit Pseudo Darksouls / AC1 Verschnitt Gameplay mir da einen abzumuehen...

Dazu kommt die absolut unausshaltbare Lautstaerke meiner (mit neuer WLP) Ps4 Pro(day one...) - dafuer kann SuckerPunch aber natuerlch nichts.

Alles in allem, solide 6.5/7 / 10.
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