COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

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Rince81
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Peninsula hat geschrieben: 23. Jul 2020, 14:59 Ich glaube, das war eine Antwort darauf, dass hier zuerst eine Studie als Argument(?) in den Raum geworfen wurde, laut der die Maskenpflicht bei Maskengegnern zu Ärger und Aggression führt. Der "Nutzen" der Analogie war in dem Zusammenhang, dass diese Studie als Argument wenig taugt.
Richtig, gerade da die Autorin anscheinend nicht Personen befragt hat, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, sondern Personen die eine Aversion gegen Masken haben, die also einfach keine tragen wollen. Das ist letztlich ein Spiegelbild der Reaktionen auf die Gurtpflicht. Wenn die Autorin der Studie nun schließt:
Die Ergebnisse drängen auf eine sehr zeitnahe Prüfung der Nutzen-Schaden-Relation der MNS- Verordnungen.
ist das etwas, was bei mir dann völliges Kopfschütteln auslöst, der psychologische Schaden der Einführung der Gurtpflicht ist heute ja auch kein Thema weil er nicht letztlich nicht existierte und sich die Leute sehr schnell daran gewöhnt haben...
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schneeland
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von schneeland »

Peninsula hat geschrieben: 23. Jul 2020, 14:57 Einspruch! :D Das Thema "pro oder contra Maske" mit den beiden Gruppen oben zu verknüpfen, ist imo ein fataler Fehler.
Wer extrem unter dem Lockdown leidet, kann sehr wohl für eine Maskenpflicht sein, weil sie ja eine Maßnahme gegen das Virus ist, die die Krise insgesamt verkürzen soll!
Ebenso kann ein maximal egoistischer "Lockdown-Fan" gegen eine Maskenpflicht sein, weil es ja in seinem Interesse ist, dass die Krise andauert - solange er nicht selbst erkrankt.
Es lassen sich da wirklich noch jede Menge Konstellationen denken, aber wie schwer man unter der Corona-Krise leidet, muss nichts damit zu tun haben, ob man für oder gegen eine Maskenpflicht ist.
Ja. Das möchte ich hier nochmal ausdrücklich unterstreichen.
Konkret: ich merke deutliche psychische Auswirkungen der andauernden sozialen Isolation. Ich befürworte trotzdem die Maskenpflicht.
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Rince81
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

schneeland hat geschrieben: 23. Jul 2020, 15:19 Ja. Das möchte ich hier nochmal ausdrücklich unterstreichen.
Konkret: ich merke deutliche psychische Auswirkungen der andauernden sozialen Isolation. Ich befürworte trotzdem die Maskenpflicht.
Ich auch.
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bluttrinker13
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von bluttrinker13 »

Ok, sorry, dann habe ich am Thema etwas vorbeiargumentiert. Die Studie habe ich nicht gelesen, deshalb kann ich dazu auch noch gar nichts sagen.
;)
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Heretic
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Heretic »

Mal ganz naiv gefragt: Bekommt man vom Arzt irgendeine Form von schriftlicher Bestätigung, dass man keine Maske tragen kann? Ich vermute mal, dass dem so ist. Von der Gurtpflicht kann man sich auch befreien lassen, wenn ich recht informiert bin, und diese Befreiung muss man ja irgendwie nachweisen können.

Es kann natürlich nicht angehen, dass man dumm von der Seite angelabert wird, wenn man z. B. im Supermarkt keine Maske trägt. Und natürlich will man nicht jedem dahergelaufenen Meckerer ein Attest mit der eigenen Krankheitsgeschichte unter die Nase halten, um ihn zu überzeugen. Aber zumindest in Arztpraxen, Apotheken usw. sollte man mit einem entsprechenden Schriftstück doch keine Probleme haben, oder? Sonst wäre der Schrieb ja vollkommen sinnfrei.

Ich selbst habe keinerlei Probleme, eine Maske zu tragen. Also tu' ich es, da ich meinen Mitmenschen und auch mir selbst Covid 19 gerne ersparen möchte. Ich käme aber nie auf die Idee, jemanden der keine Maske trägt doof anzumachen. Ich würde höchstens nachfragen, warum er keine trägt, wenn ich längere Zeit auf engem Raum mit ihm verbringen müsste. Z. B. in einem Wartezimmer.
Rince81
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Heretic hat geschrieben: 23. Jul 2020, 15:36 Mal ganz naiv gefragt: Bekommt man vom Arzt irgendeine Form von schriftlicher Bestätigung, dass man keine Maske tragen kann? Ich vermute mal, dass dem so ist. Von der Gurtpflicht kann man sich auch befreien lassen, wenn ich recht informiert bin, und diese Befreiung muss man ja irgendwie nachweisen können.
Bekommst du.
https://www.kvberlin.de/20praxis/ne2005 ... flicht.pdf


Problem dabei ist, dass keiner der vielen Träger eines Kinnschutzes oder einer Mundabdeckung ein Attest haben wird - irgendwie was dabei haben und tragen tun ja die meisten...
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Axel
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Axel »

Peninsula hat geschrieben: 23. Jul 2020, 14:57 Die existiert eben nicht nur als besserwisserische Reaktion auf die leidende Gruppe 1, sondern hat auch eigene Argumente und zum Teil auch starke Ängste.
"Scheiße, da ist ein gefährliches neuartiges Virus im Umlauf. Wir wollen nicht, dass sich das ausbreitet. Wir haben Angst davor (vielleicht auch Albträume, Stress oder sogar Panikattacken) und wenn die Wissenschaft sagt, dass Masken helfen, dann setzen wir eben welche auf, obwohl das für die meisten von uns unangenehm ist. Da die Maske primär dem Fremdschutz dienen soll, ist es ganz besonders im Interesse von Menschen, die keine Masken tragen können, dass alle anderen es tun!" Und solche Leute haben dann u.U. auch Stress und Angst und Panik, wenn ihnen im ÖPNV und beim Einkaufen hauptsächlich Kinnmaskenträger begegnen. Es ist nicht so, dass hier eine Gruppe völlig sorgenfrei umherspaziert und die andere drangsalieren möchte.
Da hast Du natürlich recht. Aber gerade in Diskussionen hört man von Maskenfans ganz selten bis nicht „Du, schau mal, ich habe auch Angst aus den und den und den Gründen. Deswegen finde ich die Maskenpflicht gut.“ Sondern ganz häufig ein aggressives „Hör auf so dumm und egoistisch zu sein.“ Das ist zumindest mein Erleben und das von den Betroffenen die ich kenne.
Heretic hat geschrieben: 23. Jul 2020, 15:36 Mal ganz naiv gefragt: Bekommt man vom Arzt irgendeine Form von schriftlicher Bestätigung, dass man keine Maske tragen kann? Ich vermute mal, dass dem so ist. Von der Gurtpflicht kann man sich auch befreien lassen, wenn ich recht informiert bin, und diese Befreiung muss man ja irgendwie nachweisen können.
Problem ist, dass von immer mehr Leuten unterstellt wird, dass es sich ja nur um „Gefälligkeitsatteste“ handelt. Und selbst wenn man nen Schwerbehindertenausweis wie ich hat, bekommt man so Aussagen wie „Ne Maske hat nichts mit Behinderung zu tun, stellen Sie sich nicht so an“ vor den Latz geknallt. Wurde mir letzte Woche erst von jemanden im Supermarkt gesagt, als ich mit meiner Haushaltshilfe einkaufen war. Ich will es den Leuten ja nicht mal übel nehmen, immerhin wurde und wird keine Aufklärung unternommen. Beziehungsweise viel zu wenig.
Peninsula hat geschrieben: 23. Jul 2020, 14:59 Der "Nutzen" der Analogie war in dem Zusammenhang, aufzuzeigen, dass diese Studie als Argument wenig taugt.
Das finde ich interessant! Wochenlang fordert man Studien über die psychischen Folgen von Maßnahmen wie der Maskenpflicht. Dann macht ein anerkanntes Institut für Psychologie solch eine Studie und kommt auf ein der eigenen Meinung abweichendes Ergebnis, dann „taugt“ so eine Studie nichts mehr?

Wie wäre es denn mal zur Abwechslung sowas einfach erstmal zur Kenntnis zu nehmen und abzuwarten was die Korrekturphase eines Preprints mit sich bringt?

Monatelang wurde immer nur die Virologie gehört. Jetzt ist es aber auch wichtig, dass vor allem die Psychologie zu Wort kommt!
Rince81
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Die Studie ist nicht von dem Institut, sondern einer einzelnen Diplom-Psychologin.
Die Autorin trat bereits im Mai als Rednerin bei einer "Grundrechtedemonstration" auf.
https://webcache.googleusercontent.com/ ... clnk&gl=de
Zum dritten Mal hat in Leutkirch eine Kundgebung zur „Wahrung der Grundrechte“ stattgefunden. Die rund 90-minütige Veranstaltung mit rund 60 Teilnehmern – etwas weniger als bei den vergangenen Terminen – verlief erneut friedlich. [...]
Als eine von mehreren Rednern trat Daniela Prousa auf, die sich als Psychologin vorstellte. Sie forderte, dass in den Corona-Debatten „seelische Faktoren viel mehr gewichtet“ werden müssten. So tragen etwa Masken ihrer Einschätzung nach zur Bildung von Stresshormonen bei. Sollten die verordneten Maßnahmen, die sie als „Menschheitsexperiment“ bezeichnet, für sehr lange Zeit bestehen bleiben, würden unter anderem Dinge wie kollektive Angststörungen drohen.
https://www.youtube.com/watch?v=3Cb8P5p ... e=youtu.be
Ab Minute 28 ist Sie.

Die Fragebögen für ihre Studie hat sie übrigens auch im Rahmen dieser Demo verteilt. Aus er Studie:
Einige Menschen ohne ausgeprägte Internet-Aktivitäten wurden zumindest in Bayern potenziell dadurch erreicht, dass der Fragebogen auch ausgelegt wurde am Rande einer kleineren Grundrechts-Demonstration einer Kleinstadt, die direkt neben einer offiziellen Gegendemonstration stattfand, an einem auch von Passanten frequentierten Platz im Stadtkern (Mitnahme-Möglichkeit für alle diese Gruppe gleichermaßen).
:roll:

Wer einen Facebook Account hat:
https://www.facebook.com/daniela.prousa
Sie ist offensichtlich auch verantwortlich für:
https://www.facebook.com/CoronaINVESTIGATIV
Zitat von da:
Ethisch unverantwortlich: Psychoterror durch Regierende, RKI, Bill Gates und unkritische Medien - ein klares Statement einer Dipl. Psychologin
Die Studie ist ein Witz.
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Merbatur
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Merbatur »

@Rince81: danke!
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DickHorner
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von DickHorner »

Maskenfans... Ich spreche natürlich nur für mich, aber ich bin Fan davon, nicht elendig eines Erstickungstodes zu sterben. Vermutlich wie die meisten anderen Menschen auch. Deshalb bin ich kein Maskenfan, sondern Befürworter einer Maskenpflicht.
Wenn Du Worte wie "Maskenfan" benutzt, bedeutet das für mich, dass Du die Diskussion ideologisch aufgeladen führst.

Grundsätzlich lässt sich sicherlich festhalten, dass es für die überwiegende Mehrheit der Menschen keinen rationalen Grund gibt, keine Maske zu tragen. Ich hoffe sehr, dass wir hier in dieser Diskussion diesen Konsens finden können. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, wie auch immer begründet. Ich als Asthmatiker zähle mich nicht zu den Ausnahmen, ich bin Risikogruppe und eine Infektion wäre für mich verheerender als für nicht-Asthmatiker. Meine Frau mit einem GdB von 80 gehört auch nicht dazu, sie trägt die Maske sogar noch öfter als ich, auch Sie: Risikogruppe.
Sicherlich kann es medizinische Indikationen geben, die für ein Tragen einer Maske kontraindiziert sind. Auch, wenn ich jetzt nach länger Recherche keinen gefunden habe.
Psychische Gründe gehören sicher dazu, und ich glaube gerne, dass es für einen Phobiker die Hölle ist, eine Maske zu tragen. Wie Du ja schriebst, Axel. Nur jetzt zu versuchen, diese sehr subjektive und sehr spezielle eigene Situation auf die Grundgesamtheit der Gesellschaft zu wursteln finde ich kritisch, insbesondere da es völlig unstrittig ist, das Masken ein hochwirksames Mittel sind, um Ansteckungen vorzubeugen.

Das erinnert mich da an meine Großmutter, ausgestattet mit Herzschrittmacher, die nur mit größtem Widerwillen dazu zu bewegen war, im Auto den Gurt anzulegen. Und wenn sie es dann endlich gemacht hat, hat sie ihn immer auf Armlänge von sich gehalten.

Insgesamt fände ich es schön, wenn wir hier in diesem Thread etwas wegkommen von "Corona und Axels Sicht auf die Dinge" und wieder zurückkommen zur "Anatomie einer Pandemie", bei der der objektive Erkenntnisgewinn im Vordergrund steht.
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Kesselflicken
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Kesselflicken »

Rince81 hat geschrieben: 23. Jul 2020, 17:57 Die Studie ist nicht von dem Institut, sondern einer einzelnen Diplom-Psychologin.
Wie immer vielen Dank an RInce für das Fact-Checking!
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Ines
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Ines »

Ehrlich gesagt, ich nehme zwar bei uns in der Ambulanz einige Leute wahr, die unter den Masken leiden, aber das sind eigentlich hauptsächlich welche, die wegen ihrer Angst vor Ansteckung (Risikogruppen) trotzdem um jedes bisschen Sicherheit froh sind. Einmal ist mir von Angst erzählt worden, aber da ging es eher darum, die Mimik der anderen nicht mehr sehen zu können. Gerade einige AngstpatientInnen führen die Gespräche auch lieber mit MNS, weil sie sich dann sicherer fühlen. Wenn man spezifisch beim Tragen des MNS ein Problem hat, gibt es doch auch diese Plexiglas-Visiere, die zwar nicht so gut zu sein scheinen, aber bestimmt besser als nichts?
Ich bin jedenfalls froh, dass es durch alle Maßnahmen möglich ist, die Versorgung der PatientInnen wieder hochzufahren. Wir können - zum Teil durch die Nähe zu Gütersloh - sicherlich nur durch Aufrechterhaltung aller Maßnahmen uns und unsere PatientInnen schützen und trotzdem gut versorgen? Was bedeutet es für Menschen mit psychischen Erkrankungen, wenn die Infektionszahlen hoch gehen? Kliniken und Stationen werden geschlossen oder stehen unter Quarantäne, wir machen nur eine telefonische Notfallversorgung, die Leute kommen nicht in die Behandlung,weil sie sich nicht sicher fühlen, Belegungszahlen müssen reduziert werden, weil (mehr) Quarantänebetten frei gehalten werden müssen, Wartelisten werden immer länger.
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Stew_TM
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Stew_TM »

Peninsula hat geschrieben: 23. Jul 2020, 14:57
Axel hat geschrieben: 23. Jul 2020, 13:54 Ein Folge wurde im Feature besonders herausgehoben: die tiefe Spaltung im Erleben der Pandemie, die sich dann auch in einer Spaltung der Gesellschaft manifestiert. Nehmen wir den Lockdown:

- Gruppe 1: Menschen leiden extrem, weil sie Freunde nicht mehr sehen können, die Selbsthilfegruppe nicht mehr da ist oder weil man mit Home Schooling und den Kindern hoffnungslos überfordert ist.
- Gruppe 2: Menschen empfinden den Lockdown als wohltuende Entschleunigung: Kein Stress mehr, kein langes pendeln sondern gemütliche Home Office und endlich mal wieder Zeit für Hobbies.
Diese zwei Gruppen stehen sich nun gegenüber und können schlicht nicht nachvollziehen, wie Menschen aus der jeweils anderen Gruppe empfinden.
Diese gesellschaftliche Spaltung - auch wenn so eine binäre Gegenüberstellung natürlich zu kurz greift und viele Perspektiven weglässt - ist glaube ich wirklich etwas, das man beobachten und genauer erforschen sollte.
Bezieht ihr euch bei einer "Spaltung der Gesellschaft" auf eure eigenen Erfahrungen, oder gibt es dazu Untersuchungen?
Wenn ich mir die Historie der Sonntagsfrage bei infratest dimap anschaue, sehe ich seit März zwei bemerkenswerte Entwicklungen:
- Massive Umfragegewinne der CDU
- Mittlere Umfrageverluste von Grünen und Afd

Bild
Quelle: https://www.infratest-dimap.de/umfragen ... tagsfrage/

Umfragegewinne einer Partei, die sich gerne als "Mitte" framed, würde ich jetzt nicht als Spaltung interpretieren, im Gegenteil.

Andre Peschke hat geschrieben: 23. Jul 2020, 12:40
JanTenner hat geschrieben: 23. Jul 2020, 10:21 Erst das Uneinsichtig sein und keine Maske tragen wollen erzeugt doch den Konflikt und die negativen Gefühle.
Einsicht ist halt keine Entscheidung. Wäre es den Menschen möglich, die Maske als notwendig und angemessen zu begreifen, würden bestimmt die beschriebenen Stressfaktoren und auch der Vermeidungsverhalten mit seinen negativen Konsequenzen aufhören oder deutlich abgemildert. Aber man kann sich sein Weltbild halt nicht maßschneidern. Nicht 100% adäquates Beispiel zur Veranschaulichung: Ich würde ein angenehmeres Leben führen, wenn ich mich einfach entscheiden könnte, an ein Leben nach dem Tode im Paradies zu glauben, in dem ich alle verlorenen lieben Menschen wiedersehen werde. Aber meine Überzeugung ist, dass das eine Kinderfantasie ist. Dieser Blick auf die Welt ist mir mental versperrt. Ich kann diese Entscheidung nicht treffen bzw. es würde vermutlich erfodern, dass ich vorher erstmal ganz grundlegende Konzepte von mir selbst und der Welt umbaue.

Jetzt sollte der Schritt zur Einsicht re: Maskenpflicht sicherlich ein kleinerer sein, weil die Argumentationslage eindeutiger ist. Aber wir sehen ja weltweit, wie die Interpretationen von Daten auseinandergehen kann. Was für den einen glasklar belegt erscheint, erscheint dem anderen wie Augenwischerei.

Andre
Ich möchte widersprechen: Warum solltest du dich nicht theoretisch irgendwann "entscheiden" können, an das Paradies zu glauben? Selbstverständlich ist das keine simple "A oder B-Entscheidung" - heute glaube ich an das Paradies, morgen nicht mehr - von daher wäre vielleicht ein anderes Wort vonnöten. Es ist vielmehr ein Prozess, der aber sowieso jeden Tag stattfindet. Wir verhandeln unsere Überzeugungen und Wertvorstellungen ständig mit uns selbst und mit der Umwelt. Jetzt mag es bei jedem Menschen ein paar unerschüttbare Grundpfeiler im persönlichen Wertekonsens geben, und der Glauben oder eben Nicht-Glauben gehört vermutlich für viele (auch für mich) zu diesen Grundwerten. Aber religiöser Eifer für oder gegen das Tragen einer Maske? Come on.

Wir sind in dieser "Entscheidung" natürlich auch nicht komplett frei, sondern vorgeprägt von persönlichen Erfahrungen, Lehren usw. Aber wir sind auch rational denkende Wesen, die diese Erfahrungen reflektieren können und den "Entscheidungs"-Prozess bewusst beeinflussen können. Vor allem wenn es gute Argumente für die eine oder andere "Entscheidung" gibt.

Als Beispiel (Achtung, Anekdote): Ich war in meiner Jugend entschiedener Gegner von Steam und digitalen Käufen allgemein und habe alle meine Spiele physisch im Laden erworben. Das war definitiv stark von meinem Vater geprägt, der aufgrund seiner beruflichen Perspektive sehr auf solche Themen achtet, bei Steam z.B. auf die Sammlung der Nutzungsdaten, dass wir nur das Besitzrecht erwerben, aber kein Eigentum dieser Kopie des Spiels, usw.
Aber irgendwann kam dann der Punkt, an dem die ganzen Vorteile des digitalen Erwerbs von Spielens diese Skepsis bei mir überwogen haben. Der lässt sich sogar konkret festmachen: Es war der Zeitpunkt, als ich (meines Zeichens riesiger BioShock-Fan) im Jahr 2013 BioShock Infinite im Laden kaufte, und bei der Installation feststellte, dass ich zum Spielen Steam benötigen würde. Für nichts anderes hätte ich das zu diesem Zeitpunkt gemacht, aber für BioShock eben schon. Und es hat sich gelohnt: Zum Einen fand ich BioShock Infinite fantastisch, zum Anderen hatte sich mir nun eine neue Welt eröffnet: Eine riesige Sammlung an Spielen, Sales, Achievements, einfaches Online-Spielen mit Freunden ... heute möchte ich digitale Spielestores nicht mehr missen.

Wenn ich mich für Steam und GOG und gegen physische Spieleverpackungen entscheiden kann, können sich andere Leute auch für das Tragen von Gesichtsmasken entscheiden. :D Es gibt schließlich genügend wissenschaftlich belegte Gründe dafür.
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Terranigma
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Terranigma »

Stew_TM hat geschrieben: 24. Jul 2020, 12:05Es ist vielmehr ein Prozess, der aber sowieso jeden Tag stattfindet.
Ein Prozess ist, wie du sagst, keine Entscheidung. Es ist ebenso möglich, dass ich eines Tages mal Altbier lecker finde. Derzeit erachte ich es aber als die schlimmste Plörre, welche die Menschheit je erschaffen hat. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass sich mein Empfinden diesbezüglich eines Tages mal ändern wird - Bitte nicht! - aber ich kann mich nun nicht vor einen Kasten Altbier setzen und mir via Autosuggestion einreden wollen, dass der widerlich-pelzige Geschmack auf meiner Zunge in Wahrheit total lecker ist. Ist er nicht.

@Andre spricht das klassische Problem der s.g. Pascalschen Wette an, welche argumentiert, dass es rational vernünftig sei an Gott zu glauben. Da man, selbst wenn man falsch läge, nichts verliert - beim Unglauben allerdings schon. Das Problem dieser Überlegung ist, das sich ein Ungläubiger nicht selbst zum Glauben zwingen kann, selbst wenn man die Rationalität des Argumentes anerkennt. Weshalb heutzutage auch niemand mehr mit dieser Wette argumentiert. :D
Stew_TM hat geschrieben: 24. Jul 2020, 12:05Aber irgendwann kam dann der Punkt, an dem die ganzen Vorteile des digitalen Erwerbs von Spielens diese Skepsis bei mir überwogen haben.
Du hast somit aufgrund von neuen Erkenntnissen und Erfahrungen ein anderes Urteil getroffen. Das ist aber nicht, was "Einsicht" meint, denn die Argumente bzgl. etwa der Maske sind heute dieselben wie vor 4 Monaten - und auch in 4 Monaten werden die Argumente dieselben sein, d.h. die Liste an Vor- und Nachteilen verändert sich nicht. Wenn man in Abwägung dieser Vor- und Nachteile derzeit zu einem bestimmten Urteil gelangt, so kann man sich nicht dazu zwingen, zu einem anderen Urteil zu gelangen.

Dein Vergleich mit Steam ist daher in der Sache verschieden, weil sich die äußeren Umstände - eben die Vor- und Nachteile - ja durchaus geändert haben, z.B. weil sich die anfänglichen Sorgen (DRM-Pflicht und Co) als nicht so signifikant erwiesen und weil du neue Erkenntnisse bzgl. der Vorteile gewonnen hast. Über Masken wissen wir aber bereits alles, was es da halt so zu wissen gibt. Gut möglich, dass sich das Urteil von bisherigen Gegnern der Maskenpflicht ändern wird, weil sie sich daran gewöhnen - und es somit Normalität wird. Aber sich selbst zu einer anderen Einsicht zwingen kann man sich nicht.
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Stew_TM
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Stew_TM »

Vielen Dank für die fachlich korrekte Einordnung meiner psychologischen Laienperspektive.
Drei Anmerkungen bzw. Rückfragen dazu:

1. Ein Prozess ist natürlich nicht EINE Entscheidung, aber kann man ihn nicht doch auf ganz viele kleine Entscheidungen herunterbrechen?
2. Ist die "Tiefe" der Überzeugungen tatsächlich irrelevant für den Prozess? (Also die Sache mit den Grundwerten vs. "oberflächlichere" Überzeugungen)
3. Ich finde schon, dass es eine Rolle spielt, ob es vielleicht zwei oder drei wissenschaftliche Studien gibt, die erste Hinweise liefern, oder ob es weltweit hunderte Studien gibt, die zu dem gleichen oder ähnlichen Ergebnissen führen. Zumindest bilde ich mir ein, dass ich meine Überzeugungen durchaus umso intensiver überdenke, je breiter die vorliegende Evidenz gegen sie ist.

PS: Hast du schonmal Altbier mit Cola probiert? :D Ist für mich auch die einzige Möglichkeit, das Zeug zu genießen. Dann schmeckt es mir allerdings tatsächlich gar nicht mal so übel. Aber der Biergeschmack ist sowieso ein perfektes Beispiel für Überzeugungen, die meiner Einschätzung nach häufig mit Religiösität behandelt werden. :lol:
PPS: Ich würde das Argument der Pascalschen Wette gar nicht als rational erachten, denn ich würde schon etwas verlieren, wenn ich an Gott glauben würde. Anders als das Tragen einer Maske würde es mir durchaus meine Freiheit rauben, wenn ich Sonntags in die Kirche gehen müsste, an Karfreitag gezwungen wäre, Fisch zu essen, oder zwischen Weihnachten und Neujahr keine Wäsche waschen dürfte. ;)
Zuletzt geändert von Stew_TM am 24. Jul 2020, 12:41, insgesamt 2-mal geändert.
Peninsula
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Peninsula »

Stew_TM hat geschrieben: 24. Jul 2020, 12:05
Peninsula hat geschrieben: 23. Jul 2020, 14:57
Axel hat geschrieben: 23. Jul 2020, 13:54 Ein Folge wurde im Feature besonders herausgehoben: die tiefe Spaltung im Erleben der Pandemie, die sich dann auch in einer Spaltung der Gesellschaft manifestiert. Nehmen wir den Lockdown:

- Gruppe 1: Menschen leiden extrem, weil sie Freunde nicht mehr sehen können, die Selbsthilfegruppe nicht mehr da ist oder weil man mit Home Schooling und den Kindern hoffnungslos überfordert ist.
- Gruppe 2: Menschen empfinden den Lockdown als wohltuende Entschleunigung: Kein Stress mehr, kein langes pendeln sondern gemütliche Home Office und endlich mal wieder Zeit für Hobbies.
Diese zwei Gruppen stehen sich nun gegenüber und können schlicht nicht nachvollziehen, wie Menschen aus der jeweils anderen Gruppe empfinden.
Diese gesellschaftliche Spaltung - auch wenn so eine binäre Gegenüberstellung natürlich zu kurz greift und viele Perspektiven weglässt - ist glaube ich wirklich etwas, das man beobachten und genauer erforschen sollte.
Bezieht ihr euch bei einer "Spaltung der Gesellschaft" auf eure eigenen Erfahrungen, oder gibt es dazu Untersuchungen?
Wenn ich mir die Historie der Sonntagsfrage bei infratest dimap anschaue, sehe ich seit März zwei bemerkenswerte Entwicklungen:
- Massive Umfragegewinne der CDU
- Mittlere Umfrageverluste von Grünen und Afd
Umfragegewinne einer Partei, die sich gerne als "Mitte" framed, würde ich jetzt nicht als Spaltung interpretieren, im Gegenteil.
Mir ging es da nicht um eine politische Spaltung, sondern die großen Wahrnehmungsunterschiede im Erleben der Krise. Darum geht es ja im von Axel verlinkten DLF-Beitrag - vor allem aus psychologischer Sicht - und ich bekomme da auch aus meinem persönlichen Umfeld sehr unterschiedliche Dinge mit. Die von Axel genannten Gruppen bilden zwei Positionen ganz gut exemplarisch ab, finde ich. Es gibt natürlich noch ganz viele andere. Meinem Eindruck nach ist bspw. die Gruppe der Leute, für die sich im Arbeitsalltag sehr wenig geändert hat gar nicht mal so klein, und kommt viel zu wenig vor. Das sind oft Leute, deren Vorgesetzte ihr Unternehmen einfach mal als "essenziell" deklariert haben, die dann relativ "normal" ihre Arbeit verrichten, weil sie keinen Kontakt mit Kunden/Patienten/Gästen usw. haben. Vielleicht bin ich da als "Homeofficler" aber auch einfach in einer Blase und für andere ist diese Gruppe stärker präsent :D
Peninsula
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Peninsula »

Stew_TM hat geschrieben: 24. Jul 2020, 12:35 3. Ich finde schon, dass es eine Rolle spielt, ob es vielleicht zwei oder drei wissenschaftliche Studien gibt, die erste Hinweise liefern, oder ob es weltweit hunderte Studien gibt, die zu dem gleichen oder ähnlichen Ergebnissen führen. Zumindest bilde ich mir ein, dass ich meine Überzeugungen durchaus umso intensiver überdenke, je breiter die vorliegende Evidenz gegen sie ist.
Punkt 3 würde ich unterschreiben. Außerdem - und da denke ich trifft dein Steam-Beispiel zu, aber auch Rince81s Gurt-Analogie - ist Gewöhnung ein extrem wichtiger Faktor, wenn es um solche Themen geht.
robertwelain
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von robertwelain »

Ich hoffe nur, dass dieser Wahnsinn irgendwann endet und wir zu unserem normalen Leben zurückkehren. Ich vermisse Berlin und seine Raves in Berghain
JanTenner
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von JanTenner »

Natürlich sollte man auf die Einzelfälle Rücksicht nehmen und wo immer ein Arzt so entscheidet, Personen von der Maskenpflicht befreien. Allerdings sollten die Ängste einer psychisch kranken Person nicht die Grundlage für allgemeines gesellschaftliches Handeln sein und es geht mir auch nicht um die paar Leute, die aus körperlichen oder seelischen Gründen keine Maske tragen können, sondern um die Leute die es einfach aus Ignoranz und Egoismus nicht tun. Würden alle, die es können, eine Maske tragen und Abstand halten, wären damit die wenigen die es nicht können ja auch sicherer dran.
Trugschluss
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Trugschluss »

OP-Masken schützen auch Träger wirksam.
https://www.n-tv.de/wissen/OP-Masken-sc ... 43320.html

Na dann kann man ja endlich dazu übergehen, die Maskenpflicht abzuschaffen. Die Menschen der Risikogruppen (und sonstige Ängstliche) können schließlich selber entscheiden, ob sie sich mit einer Maske wirksam selber schützen möchten oder eben nicht. :shifty:
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