Ich bin auch in
Tenet gewesen. Ich gehe mittlerweile wirklich selten gezielt ins Kino, sondern mehr in die Sneak (Corona mal außen vor). Aber Tenet war ein Muss. Und es hat sich gelohnt. Toller Film.
Ich kann die Kritik an der Charakterentwicklung nachvollziehen, aber Tenet ist ein sehr technischer Film, der um ein Prinzip herum gestrickt wurde. Das merkt man an allen Ecken und deswegen hat der Protagonist wohl ganz bewusst keinen Namen bekommen. Er ist die perfekte Verkörperung des Zuschauer, der mit ihm zusammen die Regeln der Welt kennen lernt. Da wäre all zu viel persönliche Entwicklung nur noch eine weitere Plot Ebene gewesen, die vom eigentlichen Ziel des Films abgelenkt hätte. Das der Zuschauer versteht, wie die Inversion funktioniert und wie sie clever genutzt werden kann.
Viele bezeichnen den Film ja gerne als Mindfuck, ich finde den Begriff an der Stelle aber unpassend. Die Inversion ist einfach nicht intuitiv erfassbar und der Film weiß das. Er hat per Definition sehr viel Forshadowing und man möchte an vielen Stellen die Zeit zurück drehen, da man erst in der Inversion der Szene, die anfängliche - vorwärts laufende - Szene voll verstehen kann. Das macht ein zweites Ansehen des Films auch so interessant.
Aber imo ist er auch so verständlich. Klar, nicht alles wird sich einem beim ersten Ansehen erschließen, aber gegen Ende hatte ich nicht das Gefühl, komplett verloren zu sein. Wie die Dinge zusammenhängen ist mir zwar nach der ersten Sichtung auch nicht 100% klar, aber das Verständnis reicht, um der Handlung vollends folgen zu können. Ganz anders, als z.B. bei Primer, den ich kürzlich gesehen habe und der sich keine Mühe gibt, den Zuschauer an die Hand zu nehmen. In Tenet werden in einer Szene sogar die verschiedenen Zeitebenen farblich markiert.
Die Bilder, die der Film produziert, suchen ihresgleichen und allein wegen Ihnen lohnt sich der Gang ins Kino. Der Sound ist auch brachial, aber diese Bilder habe ich sonst noch nirgendwo gesehen. Das macht nur Nolan. Da verzeihe ich ihm auch die etwas flache Story. Einzig die
Szene am Ende in Russland fand ich nicht so gelungen. Es ist einfach zu viel los, das Setpiece eher langweilig und so wirkliche Spannung kommt nicht auf, da man den Gegner so gut wie nie sieht, geschweige denn als Gefahr wahrnimmt. Es ist einfach nur ein Gerenne vieler Menschen vor grauen Häusern über grauen Sand.
Highlight ist ganz klar die Verfolgungsjagd auf der Autobahn. Der Aufbau, die Action und der Twist mit der Inversion machen die Szene wirklich einmalig. Das geht gegen Ende dann leider wieder verloren. Diese Magie konnte sich ein Inception z.B. den ganzen Film erhalten, Tenet schafft das leider nicht. Auch wenn man sich wünscht, es würde am Ende noch etwas weiter gehen (was es theoretisch ja könnte). Wäre eine tolle Serie und würde in der Grundkonzeption an Travellers erinnern (falls die jemand kennt).
Also zusammengefasst, Tenet ist ein klassischer Nolan. Wer Inception mochte, wird auch den hier mögen. Er ist einen Ticken schlechter, sollte aber mindestens 2x gesehen werden.